Gericht / Entscheidungsdatum: LG Chemnitz, Beschl. v. 05.01.2024 - 4 Qs 348/23
Eigener Leitsatz:
Auch wenn die Staatsanwaltschaft in ihrer Abschlussverfügung erklärt hat, von Maßnahmen der Vermögensabschöpfung abzusehen, macht dass eine Beratung des Mandanten im Hinblick auf Maßnahmen zur Vermögensabschöpfung nicht überflüssig, so dass eine zusätzliche Verfahrensgebühr nach Nr. 4142 VV RVG entsteht.
4 Qs 348/23
In pp.
wegen Steuerhinterziehung
ergeht am 05.01.2024
durch das Landgericht Chemnitz - 4. Strafkammer als Beschwerdekammer -
nachfolgende Entscheidung:
1. Auf die sofortige Beschwerde des Beschwerdeführers wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts Chemnitz vom 20.07.2023 dahingehend ergänzt, dass die dem Verteidiger pp. aus der Staatskasse über den bereits festgesetzten Betrag hinaus zu erstattenden Kosten auf 5.519.- EUR zuzüglich darauf entfallenden Umsatzsteuer in Höhe von 1.048,61 EUR, insgesamt also 6.567,61EUR festgesetzt werden.
2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die insoweit entstandenen notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers fallen der Staatskasse zur Last.
Gründe:
I.
Mit Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Chemnitz vom 21.09.2020 wurde pp. Steuerhinterziehung in 6 Fällen mit einem Gesamtschadensurnfang von 1.079.582,56 EUR vorgeworfen.
In der staatsanwaltlichen Abschlussverfügung findet sich folgender Vermerk:
Gemäß § 421 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 StPO wird von der Einziehung abgesehen, weil das Verfahren, soweit es die Einziehung betrifft, einen unangemessenen Aufwand erfordern würde, zumal die Finanzbehörden die Steuernachforderungen selbst vollstrecken können.
Bereits mit Verfügung vom 29.08.2018 hatte die zuständige Staatsanwältin vermerkt, dass von Maßnahmen der Vermögensabschöpfung abgesehen werde, weil es sich bei dem Beschuldigten um einen pp. Staatsbürger handele, dessen Aufenthalt unbekannt sei und Vermögenswerte des Angeklagten in der Bundesrepublik nicht bekannt seien.
Mit Verfügung vom 18.01.2021 wurde dem Angeklagten pp. Rechtsanwalt pp. als Verteidiger. bestellt.
Mit Urteil des Amtsgerichts Chemnitz vom 09.03.2023 wurde der Angeklagte aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten wurden der Staatskasse auferlegt.
Mit Schriftsatz vom 14.03.2023 beantragte Rechtsanwalt unter Vorlage einer Abtretungsvereinbarung, die ihm gegen die Staatskasse zustehenden Gebühren und notwendigen Auslagen in Höhe von 7552,34 EUR festzusetzen. Unter anderem beantragte er die Festsetzung einer Verfahrensgebühr bei Einziehung und verwandten Maßnahmen gemäß Nr. 4142 VV RVG i.H.v. 5519.- EUR nebst darauf entfallender Umsatzsteuer.
Bei der Kostenfestsetzung mit Beschluss, vorn 20.07.2023 wurde diese Position nicht berücksichtigt. Der Beschluss wurde dem Verteidiger am 26.07.2023 zugestellt. Mit Schreiben vom 02.08.2023, eingegangen beim Amtsgericht Chemnitz am 04.08.2023, legte der Verteidiger gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 20.07.2023 sofortige Beschwerde ein, welche er mit einem gesonderten Schriftsatz begründete. In seinem weiteren Schriftsatz vom 30.08.2023 trug er im Wesentlichen vor, dass die Gebühr entstanden sei. Auch wenn die Staatsanwaltschaft Chemnitz im Hinblick auf die angeklagten Taten von einer Einziehung abgesehen hätte, wäre es nach Aktenlage dennoch geboten gewesen, den Angeklagten im Hinblick auf eine immer noch mögliche Einziehung zu beraten. Gerade in einem Steuerstrafverfahren sei eine solche Beratung nach allgemeiner Lebenserfahrung notwendig.
II.
Die sofortige Beschwerde ist zulässig und hat in der Sache auch Erfolg.
Bei der Gebühr nach Nr. 4142 VV RVG handelt es sich um eine besondere, als Wertgebühr ausgestaltete Verfahrensgebühr. Diese entsteht (zusätzlich) für Tätigkeiten eines Rechtsanwaltes bei Einziehung oder verwandten Maßnahmen, hier als solchen nach § 73 StGB. Dabei genügt es, dass in dem Verfahren, in dem der Rechtsanwalt als Verteidiger tätig wird, eine Einziehung in Betracht zu ziehen ist. Es ist insbesondere nicht erforderlich, dass die Einziehung bereits beantragt ist, es reicht vielmehr aus, wenn nach Aktenlage eine Einziehung ernsthaft in Betracht kommt. Nach der Novellierung der Einziehungsvorschriften ist gerade bei Verfahren wegen des Vorwurfes der Steuerhinterziehung stets damit zu rechnen, dass im Wege der Vermögensabschöpfung die hinterzogenen Steuerbeträge eingezogen werden. Besondere Tätigkeiten des Rechtsanwaltes sind hierbei nicht erforderlich, da ihm die Gebühr als reine Wertgebühr - unabhängig vom Umfang der Tätigkeit - zusteht. Es genügt also, wenn der Verteidiger - wie hier vorgetragen - beratend im Zusammenhang mit der drohenden bzw. in Betracht kommenden Einziehung tätig wird.
Vorliegend hat der Verteidiger unwiderlegt vorgetragen, dass er den Angeklagten im Hinblick auf eine immer noch mögliche Einziehung beraten hat. Mit der staatsanwaltschaftlichen Verfügung vom 20.9.2020 sei nämlich eine mögliche Einziehung keinesfalls vom Tisch gewesen. Dem tritt die Kammer bei. Dass die Staatsanwaltschaft in der Abschlussverfügung erklärt hat, von Maßnahmen der Vermögensabschöpfung abzusehen, macht die Beratung nicht überflüssig. Ersichtlich hat die Staatsanwaltschaft nämlich darauf abgestellt, dass lediglich der Aufwand für Maßnahmen der Vermögensabschöpfung zu groß sei, insbesondere weil Vermögenswerte des Angeklagten im Inland nicht bekannt seien. Da die Staatsanwaltschaft ohnehin nur über vorläufige Maßnahmen zu entscheide hat, die endgültige Entscheidung trifft letztlich das zuständige Gericht, war gerade eine anwaltliche Beratung erforderlich, da ersichtlich war, dass Einziehungsmaßnahmen dann wieder aufgenommen werden würden, wenn entsprechende Vermögenswerte bekannt würden. Zudem entfaltet die Entscheidung in der Abschlussverfügung noch nicht einmal Bindungswirkung innerhalb der Staatsanwaltschaft, sodass jederzeit in einer Hauptverhandlung vom Sitzungsvertreter die Einziehung von Vermögensgegenständen beantragt werden hätte können.
Eine Gebühr nach Nr. 4142 VV RVG war daher zusätzlich in Ansatz zu bringen.
Die Höhe der Gebühr bemisst sich nach dem Gegenstandswert in Höhe der laut Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Chemnitz hinterzogenen Steuer in Höhe von insgesamt 1.079.582,56 EUR.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens waren der Staatskasse aufzuerlegen, da sie diese bei erfolgreicher Beschwerde mangels eines anderen Kostenschuldners trägt. Gleiches gilt für die notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers im Beschwerdeverfahren.
Einsender: RA J. Renz, Chemnitz
Anmerkung:
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