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RVG Entscheidungen

§ 61

Nebenklage; anwendbares Recht; Zeitpunkt der Beauftragung

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Jena, Beschl. v. 21. 7. 2006, 1 Ws 202/06

Fundstellen:

Leitsatz: Die Vergütung des anwaltlichen Nebenklägerbeistandes bestimmt sich nach dem Gebührenrecht des RVG, wenn der Rechtsanwalt nach dem 01.07.2004 bestellt wurde. Darauf ob ihm bereits vor dem Stichtag ein unbedingtes Wahlmandat erteilt worden war, kommt es nicht an.


Thüringer Oberlandesgericht, 1. Strafsenat
Beschluss vom 21.7.2006, 1 Ws 202/06

THÜRINGER OBERLANDESGERICHT

Beschluss


In dem Strafverfahren


g e g e n A. W. ,
geb. am:
z. Zt. in Strafhaft in der JVA Tonna


Verteidiger: Rechtsanwalt H. L.,
Weißenfels,


Nebenklägerin: N. W.,
Nürnberg


vertreten durch: Rechtsanwältin A. K.,
Nürnberg


w e g e n Vergewaltigung


hier: Festsetzung der Vergütung der Nebenklägervertreterin

hat auf die Beschwerde des Bezirksrevisors gegen den Beschluss des Land-gerichts Gera vom 20.04.2006

der 1. Strafsenat des Thüringer Oberlandesgerichts durch

Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht,
Richter am Oberlandesgericht und
Richter am Landgericht

am 21. Juli 2006


b e s c h l o s s e n:

1. Die Beschwerde wird verworfen.

2. Das Verfahren über die Beschwerde ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.




G r ü n d e :


I.

Die Beschwerde ist gem. §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 3 RVG statthaft und auch sonst zulässig.

Unerheblich ist, dass das Landgericht entgegen § 33 Abs. 4 Satz 1 RVG kei-ne Entscheidung über die Frage der Abhilfe getroffen hat, weil der Senat hierdurch im vorliegenden Fall an einer sofortigen Sachentscheidung nicht gehindert ist (vgl. OLG Hamm VRS 104, 372, 373 zu § 306 Abs. 2 Satz 1 StPO).

Das Rechtsmittel hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

1. Zu Recht hat das Landgericht entschieden, dass sich die Vergütung der anwaltlichen Nebenklägervertreterin nach dem neuen Gebührenrecht des RVG bemisst, weil sie erst nach dem 01.07.2004 bestellt wurde. Darauf dass ihr bereits vor dem Stichtag ein unbedingtes Wahlmandat erteilt worden ist, kommt es nicht an.

Der hier einschlägige § 61 Abs. 1 Satz 1 RVG sieht für die Entscheidung, ob altes oder neues Gebührenrecht anzuwenden ist, zwei Anknüpfungspunkte vor: den Zeitpunkt der unbedingten Übernahme des Wahlmandates und den Zeitpunkt der Bestellung oder Beiordnung. Für den Sachverhalt, dass ein vor dem 01.07.2004 als Wahlverteidiger tätig gewesener Rechtsanwalt danach zum Pflichtverteidiger bestellt worden ist, stellt der Senat in Einklang mit dem in den Materialien zum Gesetzentwurf (BT-Drucks. 15/1971 S. 203) geäußer-ten Willen des Gesetzgebers für die Bestimmung des anzuwendenden Rechts allein auf den Zeitpunkt der Bestellung ab (Beschluss vom 17.03.2005, Az.: 1 Ws 73/05; JurBüro 2005, 538). Es besteht kein sachlicher Grund, für den hier gegenständlichen Fall der Bestellung eines anwaltlichen Nebenklägervertre-ters anders zu verfahren.

a) Die Bestellung eines Pflichtverteidigers setzt nach dem in §§ 141 Abs. 1, 143 StPO enthaltenen Rechtsgedanken das Nichtbestehen eines Wahlmanda-tes voraus. Entsprechend enthält der Antrag des Wahlverteidigers, ihn zum Pflichtverteidiger zu bestellen, die Erklärung, die Wahlverteidigung solle mit der Bestellung enden (Meyer-Goßner, StPO, 48. Aufl., § 142 Rn. 7 m.w.N.). Wird dem Antrag stattgegeben, erlöschen infolgedessen das Mandatsverhält-nis und die Strafprozeßvollmacht (Meyer-Goßner, a.a.O.). Entsprechend fällt der in § 61 Abs. 1 Satz 1 RVG angeführte Anknüpfungspunkt des Wahlman-dates weg, so dass es nur noch auf den Zeitpunkt der Bestellung ankommen kann (KG, Beschluss vom 09.06.2005, Az. 4 Ws 47/05 – zitiert nach juris).

b) Für die Bestellung zum Beistand nach § 397a Abs. 1 StPO ist demgegen-über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Wahlmandats unerheblich; gem. §§ 397a Abs. 1 Satz 4, 142 Abs. 1 StPO kann das Gericht die Beiordnung sogar von Amts wegen frei bestimmen. Hieraus ist jedoch nicht abzuleiten, dass – anders als bei Wahlverteidigern – ein bereits bestehendes Mandats-verhältnis durch die Bestellung zum Beistand nicht beendet wird (so aber KG, a.a.O; OLG Köln, Beschluss vom 18.02.2005, Az.: 2 ARs 28/05; OLG Hamm, Beschluss vom 04.07.2005, Az.: 2 (s) Sbd. VIII – 126/05; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 19.08.2005, Az.: III 1 Ws 208/05 – jeweils zitiert nach www.burhoff.de). Anträge sind interessengerecht auszulegen und es liegt im wohlverstandenen Interesse des Nebenklägers wie auch seines anwaltlichen Vertreters, dass für den Fall der Beiordnung das Wahlmandat endet. Bei Be-stehen eines Wahlmandates ist ein Antrag auf Bestellung zum Beistand nach § 397a Abs. 1 StPO demgemäß ebenso auszulegen wie ein Antrag auf Bestel-lung zum Pflichtverteidiger.

c) Damit ist die Stellung des Beistands des Nebenklägers entgegen der An-sicht des OLG Köln (a.a.O.) und des OLG Düsseldorf (a.a.O.) auch nicht mit der des im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalts (§ 397a Abs. 2 StPO) vergleichbar, für den es für die Frage des anwendbaren Rechts nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers (BT-Drucks., a.a.O) auf die Aufnahme der Tätigkeit und nicht auf den Zeitpunkt der Bei-ordnung ankommen soll.

2. Die Höhe der danach festzusetzenden Vergütung ergibt sich aus der Diffe-renz der geltend gemachten Vergütung (abzüglich überhöhter 30,50 € im Zu-sammenhang mit der Geltendmachung von Übernachtungskosten und Park-gebühren) und dem bereits durch Beschluss des Landgerichts vom 08.04.2005 festgesetzten Betrag. Zur Berechnung im Einzelnen verweist der Senat auf die Kostenaufstellung vom 25.02.2005, die mit Ausnahme des an-zuwenden Rechts nicht in Zweifel gezogen wurde, und wegen der Absetzun-gen bei den Auslagen auf den Festsetzungsbeschluss vom 08.04.2005. Das ergibt den Betrag von 693,76 €, den das Landgericht im angegriffenen Be-schluss auch der Höhe nach zutreffend zusätzlich bewilligt hat.

II.

Der Ausspruch über die Gebühren und Kosten folgt aus § 56 Abs. 2 Satz 2 und 3 RVG.

Einsender: VorsRiOLG Dr. Schwerdtfeger, Jena

Anmerkung:


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