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RVG Entscheidungen

§ 23

Streitwert, Anfechtung des Vollzugplans

Gericht / Entscheidungsdatum: KG, Beschl. v. 22.02.2022 – 2 Ws 101/21 Vollz

Eigener Leitsatz: 1. Angesichts der geringen finanziellen Leistungsfähigkeit von Gefangenen ist der Streitwert in Strafvollzugssachen in der Regel niedrig festzusetzen.
2. Bei der Anfechtung eines Vollzugsplans erscheint die Festsetzung eines Streitwerts in Höhe von 1.500 EUR angemessen.


KAMMERGERICHT

Beschluss

2 Ws 101/21 Vollz

In der Strafvollzugssache
des Strafgefangenen pp.

wegen Vollzugsplanfortschreibung

hat der 2. Strafsenat des Kammergerichts in Berlin am 22. Februar 2022 beschlossen:

Die Beschwerde der Rechtsanwältin B., gegen die in dem Beschluss des Landgerichts Berlin – Strafvollstreckungskammer – vom 16. August 2021 – in der Fassung der Abhilfeentscheidung dieses Gerichts vom 4. Februar 2022 – vorgenommene Streitwertbestimmung wird, soweit ihr nicht bereits abgeholfen worden ist, verworfen.

Das Verfahren ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

I.

Der Beschwerdeführer verbüßt derzeit in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Tegel eine Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren … Als Endstrafzeitpunkt ist der 6. August 2022 notiert. Anschließend ist die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung vornotiert.

Mit seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 30. August 2020 – beim Landgericht Berlin am 2. September 2020 eingegangen – beantragte der Beschwerdeführer die Vollzugsplanfortschreibung vom 28. August 2020 aufzuheben, soweit ihm darin Lockerungen versagt wurden.

Zugleich stellte er einen Antrag auf Beiordnung von Rechtsanwältin B. als Verteidigerin, dem das Landgericht am 14. September 2020 stattgab.

Mit ihrem Beschluss vom 30. Dezember 2020 wies die Strafvollstreckungskammer den Hauptsacheantrag des Beschwerdeführers als (unbegründet) zurück. Auf die Rechtsbeschwerde des Gefangenen hat der Senat diesen Beschluss mit Entscheidung vom 26. Februar 2021 (2 Ws 5/21 Vollz) wegen eines Verfahrensfehlers aufgehoben und die Sache zu neuer Entscheidung – auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde – an die Strafvollstreckungskammer zurückverwiesen.

Die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Berlin hat dieses Verfahren – welches führt – durch Beschluss vom 13. Juli 2021 mit dem gleichfalls bei ihm anhängigen Verfahren 589 StVK 102/21 Vollz verbunden. In jenem Verfahren begehrte der Gefangene die Aufhebung der Vollzugsplanfortschreibung vom 18. März 2021, soweit ihm damit jegliche Lockerung und jedwede Ausführung wegen Fluchtgefahr versagt worden waren. Mit Beschluss vom 16. August 2021 hat die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts beide Verfahren in der Hauptsache zugunsten des Gefangenen entschieden. Die Kosten der verbundenen Verfahren – einschließlich der Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens – hat das Landgericht der Landeskasse auferlegt. Den Streitwert hat die Strafvollstreckungskammer für jedes Verfahren auf je 200 Euro (insgesamt mithin 400 Euro) festgesetzt.

Nur gegen diese Streitwertfestsetzung richtet sich die Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten, welche eine Festsetzung des Streitwertes auf insgesamt 8.000 Euro erstrebt. Die Strafvollstreckungskammer hat der Beschwerde mit Beschluss vom 4. Februar 2022 teilweise abgeholfen und den Streitwert in Abänderung ihres Beschlusses vom 16. August 2021 auf insgesamt 3.000 Euro festgesetzt.

II.

1. Die Streitwertbeschwerde ist zulässig.

a) Das Rechtsmittel ist als „isolierte“ Streitwertbeschwerde gemäß § 68 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. §§ 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8, 63 Abs. 2 GKG statthaft (vgl. OLG Hamm NStZ 1989, 495; Beschluss vom 18. Mai 2004 – 1 Vollz (Ws) 75/04 – juris; Senat NStE Nr. 2 zu § 48a GKG; Beschluss vom 12. September 2008 – 2 Ws 455/08 Vollz –; Beschluss vom 14. Februar 2014 – 2 Ws 27/14 Vollz –, juris) und rechtzeitig erhoben (§§ 68 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 1, 63 Abs. 3 Satz 2 GKG). Die Verfahrensbevollmächtigte ist aus eigenem Recht zur Einlegung des Rechtsmittels befugt, da sie durch die Streitwertfestsetzung beschwert ist (vgl. Senat aaO).

b) Das Rechtsmittel erreicht offensichtlich den nach § 68 Abs. 1 Satz 1 GKG erforderlichen Beschwerdewert von 200 Euro. Dies obwohl sich der Wert nicht aus dem Unterschied zwischen dem angefochtenen und dem mit der Beschwerde erstrebten Streitwert, sondern aus dem Unterschiedsbetrag der Gesamtvergütung, die sich jeweils nach diesen beiden Streitwerten errechnet, ergibt (vgl. Senat, Beschluss vom 12. September 2008 – 2 Ws 455/08 Vollz –). Bei einem Streitwert von 8.000 Euro fiele alleine eine Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG, § 13 Abs. 1 RVG in Höhe von 652,60 Euro an (vgl. Schneider/Volpert/Fölsch, Gesamtes Kostenrecht, 3. Aufl., Anhang II: 5. Rechtsanwaltsgebühren nach § 13 Abs. 1 RVG). Schon die Differenz zwischen dieser Gebühr und der sich nach dem ursprünglich festgesetzten Streitwert von 400 Euro errechnenden Verfahrensgebühr von 63,70 Euro übersteigt mithin den Beschwerdewert um ein Vielfaches.

2. Die Beschwerde ist jedoch – soweit ihr nicht bereits durch das Landgericht abgeholfen wurde – unbegründet.

a) Der Streitwert ist gemäß § 52 Abs. 1 in Verb. mit § 60 GKG nach der sich aus dem Antrag des Gefangenen für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Dabei sind die Tragweite der Entscheidung und die Auswirkungen eines Erfolges des Antrags für den Gefangenen zu berücksichtigen (vgl. Senat NStZ-RR 2002, 62). Der in § 52 Abs. 2 GKG genannte Betrag von 5.000 Euro hat hier außer Betracht zu bleiben; denn er ist kein Ausgangswert, an den sich die Festsetzung nach Abs. 1 anzulehnen hätte, sondern als subsidiärer Ausnahmewert nur dann einschlägig, wenn der Sach- und Streitstand – anders als hier – keine genügenden Anhaltspunkte bietet, um den Streitwert nach der Grundregel des § 52 Abs. 1 GKG zu bestimmen (vgl. OLG Hamm NStZ 1989, 495; Beschluss vom 18. Mai 2004 – 1 Vollz (Ws) 75/04 –, juris; Senat NStZ-RR 2002, 62; NStE Nr. 2 zu § 48a GKG; Beschluss vom 12. September 2008 – 2 Ws 455/08 Vollz –). Angesichts der geringen finanziellen Leistungsfähigkeit der meisten Gefangenen ist der Streitwert in Strafvollzugssachen eher niedrig festzusetzen, da die Bemessung des Streitwerts aus rechtsstaatlichen Gründen nicht dazu führen darf, dass die Anrufung des Gerichts für den Betroffenen mit einem unzumutbar hohen Kostenrisiko verbunden ist (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 18. Mai 2004 – 1 Vollz (Ws) 75/04 – juris; OLG Nürnberg ZfStrVo 1986, 61; Senat NStZ-RR 2002, 62; Arloth/Krä, StVollzG, 5. Aufl., § 121 Rn. 1; Calliess/Müller-Dietz, StVollzG, 11. Aufl., § 121 Rdn. 1). Andererseits ist darauf zu achten, dass die gesetzlichen Gebühren hoch genug sein müssen, um die Tätigkeit des Verteidigers wirtschaftlich vertretbar erscheinen zu lassen und dem Gefangenen so die Inanspruchnahme anwaltlichen Beistandes zu ermöglichen.

b) Nach allem war die ursprünglich von der Strafvollstreckungskammer vorgenommene Streitwertfestsetzung unangemessen niedrig. Wie das Landgericht in seiner Abhilfeentscheidung vom 4. Februar 2022 unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Senats zutreffend ausführt, hat der Vollzugsplan die Funktion, dem Gefangenen und den Vollzugsbediensteten als Orientierungsrahmen für den (weiteren) Ablauf des Vollzuges und die Ausgestaltung der einzelnen Behandlungsmaßnahmen zu dienen (vgl. Senat StraFo 2006, 171; std. Rspr.); er ist daher für die Erreichung des Vollzugsziels, aber auch für die Schaffung der Voraussetzungen für eine vorzeitige Entlassung aus der Strafhaft von zentraler Bedeutung. Für den Gefangenen erschließt sich die hervorgehobene Bedeutung der Angelegenheit daraus, dass er Lockerungen begehrt, die letztendlich seiner Wiedereingliederung in die Gesellschaft dienen sollen (vgl. Senat, Beschluss vom 14. April 2010 – 2 Ws 8/10 Vollz –, juris). Angesichts der zum Zeitpunkt des Antrags auf gerichtliche Entscheidung vor dem Gefangenen liegenden Dauer der Haft von noch rund zwei Jahren hält auch der Senat die Festsetzung des Streitwerts auf 1.500 Euro je Antrag, also insgesamt 3.000 Euro, für angemessen.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 68 Abs. 3 GKG.


Einsender: VorsRiKG O. Arnoldi, Berlin

Anmerkung:


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