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RVG Entscheidungen

§ 14 – Allgemeines

Bußgeldverfahren, Rahmengebühr, Mittelgebühr, Toleranzrechtsprechung

Gericht / Entscheidungsdatum: AG Bad Salzungen, Urt. v. 30.09.2021 - 1 C 121/21

Leitsatz: Zur Anwendung der zivilrechtlichen “Toleranzrechtsprechung” des BGH im Bußgeldverfahren.


1 C 121/21

Amtsgericht Bad Salzungen

IM NAMEN DES VOLKES

Urteil

In dem Rechtsstreit
gegen pp.

wegen Forderung
hat das Amtsgericht Bad Satzungen durch
am 30.09.2021 auf Grund des Sachstands vom 27.09.2021
für Recht erkannt:

1. Das Versäumnisurteil vom 26.05.2021 wird aufgehoben, die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin, soweit sie nicht auf der Säumnis der Beklagten beruhen, insoweit trägt die Beklagte die Kosten.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung.

Tatbestand

Auf die Abfassung eines Tatbestandes wird gemäß § 313a Abs. 1 S. 1 ZPO verzichtet.
Entscheidungsgründe

Die Klage war abzuweisen; der Einspruch der Beklagten vom 11.06.2021 ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.

I.

Der Einspruch ist zulässig.

Die Beklagte erhob gegen das Versäumnisurteil vom 26.05.2021 (BI. 37 ff. d. A.) mit Einspruchsschriftsatz vom 11.06.2021 formgemäß Einspruch. Das Versäumnisurteil vom 26.05.2021 war der Beklagten ausweislich der Zustellungsurkunde am 28.05.2021 zugestellt worden. Der Einspruchsschriftsatz ging am 11.06.2021 bei Gericht ein. Der Einspruch erfolgte demnach fristgemäß.

Der Einspruch hat zudem auch in der Sache Erfolg. Dies deshalb, weil die Klage zwar zulässig, jedoch unbegründet ist.

Die Parteien streiten darüber, ob die Klägerin von der Beklagten verbleibende Rechtsanwaltskosten ersetzt verlangen kann. Die Klägerin vertrat die Beklagte gemäß Beauftragung vom 19.07.2019 in einem beim Amtsgericht Eisenach anhängigen Ordnungswidrigkeitsverfahren (Az.: pp.)

Die Klägerin ist der Ansicht, diesbezüglich gemäß § 14 Abs. 1 RVG zum Ansatz der Mittelgebühr berechtigt gewesen zu sein, während die Beklagte lediglich den Ansatz einer unterhalb der Mittel-gebühr liegenden Gebühr für gerechtfertigt hält. Aus dieser Divergenz resultiert der vorliegend klageweise geltend gemachte Restbetrag.

Die Klägerin hatte vorgerichtlich bei der Rechtsschutzversicherung der Beklagten mit Schreiben vom 04.10.2020 Kosten i. H. v. 943,69 € geltend gemacht (Anlage K10). Die Rechtsschutzversicherung der Beklagten leistete jedoch insoweit insgesamt lediglich einen Betrag i. H. v. 754,90 € an die Klägerin. Die im Einzelnen von der Rechtsschutzversicherung der Beklagten durchgeführten Abrechnungen ergeben sich aus den Anlagen B2 und B3, auf die verwiesen wird.

Der Klägerin steht der geltend gemachte Restbetrag nicht zu. Die folgt daraus, dass die Klägerin im Rahmen der Gebührenfestsetzung gemäß § 14 RVG im vorliegenden Fall nicht zum Ansatz der Mittelgebühren berechtigt war. Der diesbezügliche Ansatz der Klägerin war mithin unbillig und damit unverbindlich; zutreffend hat die Rechtsschutzversicherung der Beklagten ausweislich der Anlagen B2 und B3 lediglich unterhalb der Mittelgebühr liegende Gebühren angesetzt. Zu Recht geht die Beklagte davon aus, dass bezüglich der Ziffer 5100 VV RVG nur 75,00 €, hinsichtlich der Ziffer 5103 VV RVG nur 125,00 €, bezüglich der Ziffer 5109 VV RVG 125,00 € und hinsichtlich der Ziffer 5110 VV RVG 200,00 € seitens der Klägerin beansprucht werden können. All dies beruht darauf, dass der klägerseits gewählte Gebührenansatz unbillig und damit gemäß § 315 BGB unverbindlich ist.

Zunächst ist der Klägerin zwar zuzugestehen, dass sie sich bei Zugrundelegung der Entscheidung des BGH vom 31.10.2006, Az.: VI ZR 261/05, NJW-RR 2007, 420 noch innerhalb des hieraus ergebenden Toleranzrahmens befindet, sodass, im Falle einer Vertretung der diesbezüglichen Auffassung auch durch das erkennende Gericht, der Gebührenansatz in der Tat nicht gerichtlich überprüfbar wäre (Schriftsatz der Klägerin vom 24.06.2021, Seite 3). Dies würde im Übrigen auch insofern gelten, als das Gericht den Entscheidungen des BGH vom 13.11.2001, Az.: IX ZR 110/10 bzw. vom 08.05.2012, Az.: VI ZR 273/11 folgen wollte. Dies ist indes nicht der Fall, vielmehr schließt sich das erkennende Gericht der Rechtsprechung des VIII. Zivilsenats des BGH an. Dieser entschied am 11.07.2012 (Az.: VIII ZR 323/11), dass eine Erhöhung der Geschäftsgebühr über die Regelgebühr von 1,3 hinaus nur dann gefordert werden könne, wenn die Tätigkeit des Rechtsanwalts umfangreich oder schwierig war, und deshalb nicht unter dem Aspekt der Toleranzrechtsprechung bis zu einer Überschreitung vom 20 % der gerichtlichen Überprüfung entzogen sei. Nach alledem ist zur Überzeugung des erkennenden Gerichts auch der vorliegende Gebührenansatz einer gerichtlichen Überprüfung zugänglich.

Hierbei gelangt das Gericht zu der Auffassung, dass der (jeweilige) Ansatz einer Mittelgebühr nicht gerechtfertigt war.

Die Gebühr gemäß § 14 RVG ist unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls vor allem anhand des Umfanges und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers zu ermitteln. Maßgeblich sind insbesondere die rechtlichen Schwierigkeiten und das Ausmaß der erforderlichen Sachaufklärung.

Nach Auffassung des Gerichts ist im Falle durchschnittlicher Verkehrsordnungswidrigkeiten grundsätzlich die sogenannte herabgesetzte Mittelgebühr anzusetzen. Dies deshalb, weil durchschnittliche Verkehrsordnungswidrigkeiten typischerweise mit einfach Sach- und Rechtsfragen, niedrigen Geldbußen und vergleichsweise wenigen Punkten im Zentralregister einhergehen.

Vorliegend war die Beklagte des Vorwurfs der Missachtung der Vorfahrt mit Unfallverursachung ausgesetzt, die ursprünglich mit einem Bußgeld von 120,00 € geahndet worden war. Es drohte ein Punkt im Fahreignungsregister, jedoch kein Fahrverbot.

Es handelte sich mithin um eine alltägliche Verkehrsordnungswidrigkeit; zudem lag keine individuelle fahrerlaubnisrechtliche Situation vor. Auch im Übrigen ist eine besondere Bedeutung der Angelegenheit für die Beklagte nicht ersichtlich.

Die Klägerin nahm zweimal Akteneinsicht. Nachdem sich die Klägerin in Bezug auf den ersten im Ordnungswidrigkeitsverfahren angesetzten Termin vom 15.06.2020 aufgrund eines Staus verspätet hatte, wurde der Beklagten sodann Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand gewährt. Am 21.09.2020 wurde das Verfahren gegen die Beklagte eingestellt.

Die vorgenannten Tätigkeiten der Klägerin stellen aus Sicht des Gerichts Standardtätigkeiten dar. Der zu Grunde liegende Sachverhalt war wenig kompliziert, rechtliche Schwierigkeiten sind nicht ersichtlich. Vor diesem Hintergrund war lediglich der Ansatz einer herabgesetzten Mittelgebühr gerechtfertigt, sodass ein weiterer Vergütungsanspruch der Klägerin, wie er im vorliegenden Rechtsstreit geltend gemacht wird, nicht besteht.

Mangels bestehendem Hauptanspruches kann die Klägerin auch keine diesbezügliche Verzinsung verlangen.

IV.

Die Nebenentscheidungen beruhen hinsichtlich der Kosten auf §§ 91 Abs. 1, 344 ZPO und hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 11, 711 i. V. m. 713 ZPO.


Einsender: RÄin V. Wasse, Frankfurt/Main

Anmerkung:


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