Diese Homepage verwendet Cookies, um Inhalte und Anzeigen zu personalisieren, Funktionen für soziale Medien anbieten zu können und die Zugriffe auf die Website zu analysieren. Außerdem gebe ich Informationen zu Ihrer Nutzung meiner Website an meine Partner für soziale Medien, Werbung und Analysen weiter.

OK Details ansehen Datenschutzerklärung

RVG Entscheidungen

Vorbem. 4 Abs. 1 VV

Terminsvertreter, Pflichtverteidiger, Grundgebühr

Gericht / Entscheidungsdatum: LG Koblenz, Beschl. v. 06.07.2020 - 4 KLs 2050 Js 3517/17

Eigener Leitsatz: Der nur für einen Hauptverhandlungstermin für den verhinderten Pflichtverteidiger beigeordnete Rechtsanwalt verdient nur die Terminsgebühr.


Landgericht Koblenz

Beschluss

In dem Strafverfahren
gegen pp.

Verteidiger: Rechtsanwalt Pp.,
Rechtsanwältin pp1
Rechtsanwältin pp2
u.a.

wegen Steuerhinterziehung

hier: Erinnerung des dem Angeklagten Pp. für den Hauptverhandlungstermin am 22.07.2019 beigeordneten Verteidigers Rechtsanwalt Pp. gegen die Kostenfestsetzung hat die 4. große Strafkammer (Wirtschaftsstrafkammer) des Landgerichts Koblenz durch die Richterin als Einzelrichterin am 06.07.2020 beschlossen:

1. Die Erinnerung von Rechtsanwalt Pp. gegen die Kostenfestsetzung vom 28.04.2020 wird als unbegründet verworfen.
2. Das Verfahren ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

I.

Durch Beschluss des Landgerichts Koblenz vom 16.07.2019 wurde dem inzwischen rechtskräftig Verurteilten Pp. gemäß § 140 Abs. 1 Nr. 1 StPO i.V.m. §§ 141 Abs. 4, 142 StPO Rechtsanwalt Pp. als Pflichtverteidiger für den Hauptverhandlungstermin am 22.07.2019 beigeordnet, da an diesem Tag die Verteidigerinnen des Verurteilten verhindert waren.

Mit Schriftsatz vom 17.04.2020 (BI. 58 f. d.A.) beantragte Rechtsanwalt Pp., seine Gebühren und Auslagen in Höhe von 701,89 € festzusetzen. Nach seinem Antrag setzen sich diese wie folgt zusammen:
- Grundgebühr für Verteidiger Nr. 4101, 4100 VV RVG 192,00
- Terminsgebühr für Hauptverhandlung Nr. 4115, 4114 VV RVG 312,00
- Geschäftsreise, Tage- und Abwesenheitsgeld Nr. 7005 Nr. 2 W RVG 40,00
- Bahn-Benutzung am 22.07.2019 25,82
- Pauschale für Post und Telekommunikation Nr. 7002 VV RVG 20,00 €
Zwischensumme netto 589,82
19% Mehrwertsteuer Nr. 7008 \A/ RVG 119,07
insgesamt 701,89

Die Rechtspflegerin des Landgerichts Koblenz setzte am 28.04.2020 bezüglich des Kostenfestsetzungsantrags vom 17.04.2020 einen Betrag in Höhe von 449,61 € fest. Zur Begründung der Absetzung wurde angeführt, dass lediglich die Terminsgebühr (312,00 €) nebst Auslagen (65,82 €) und die diesbezügliche Mehrwertsteuer (71,79 €) und somit insgesamt 449,61 erstattungsfähig seien. Der Anspruch eines nur für den Hauptverhandlungstermin ersatzweise bestellten Verteidigers könne nicht höher sein als er wäre, wenn der Rechtsanwalt ohne Beiordnung als Vertreter des bestellten Rechtsanwalts gemäß § 5 RVG aufgetreten wäre. Sei wie im hiesigen Fall die Beiordnung als Terminsvertreter für einen Hauptverhandlungstermin erfolgt und habe der originär bestellte Verteidiger die Gebühren für die vorgelagerte Tätigkeit schon verdient (hier: Grundgebühr nach Nr. 4100, 4101 VV RVG sowie Auslagenpauschale), habe die Landeskasse nur noch die Terminsgebühr nebst Auslagen und Mehrwertsteuer zu erstatten.

Gegen die Absetzungsbegründung erhob Rechtsanwalt Pp. mit Schreiben vom 09.05.2020 (BI. 65 d.A.) Einwendungen. Die Grundgebühr (192,00 €) und die Mehrwertsteuer (108,27 €) mithin ein Gesamtbetrag von 678,09 € seien erstattungsfähig. Durch die Beiordnung als Verteidiger für einen Terminstag anstelle der verhinderten Pflichtverteidigerinnen werde ein eigenständiges, öffentlich-rechtliches Beiordnungsverhältnis begründet. Aufgrund dieses Beiordnungsverhältnisses müsse der bestellte Verteidiger während der Dauer der Bestellung die Verteidigung des An-geklagten umfassend und eigenverantwortlich wahrnehmen, was dazu führe, dass der für den Terminstag beigeordnete Verteidiger alle in Teil 4 Abschnitt 1 W RVG vorgesehenen Gebühren abrechnen könne und somit auch die Grundgebühr Nr. 4100 VV RVG sowie die Verfahrensgebühr Nr. 4112 VV RVG. Bereits mit der ersten Tätigkeit des Rechtsanwalts für den Mandanten entstehe in jedem gerichtlichen Verfahren eine Verfahrensgebühr als Ausgangsgebühr und daneben auch eine Grundgebühr nach Nr. 4100 VV RVG. An der Auslagenpauschale in Höhe von 20,00 € hält Rechtsanwalt Pp. hingegen nicht weiter fest.

Der Bezirksrevisor bei dem Landgericht Koblenz hält die vorgebrachten Einwendungen für unbegründet (BI. 72 d.A.).

Mit Verfügung vom 18.06.2020 half die Rechtspflegerin des Landgerichts Koblenz der Erinnerung vom 09.05.2020 nicht ab (BI. 89 d.A.).

II.

Gemäß §§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 8 S. 1 RVG ist der Einzelrichter zur Entscheidung berufen.

Der Schriftsatz von Rechtsanwalt Pp. vom 09.05.2020, indem Einwendungen erhoben wer-den, ist als Erinnerung gegen die Kostenfestsetzung durch die Rechtspflegerin des Landgerichts Koblenz anzusehen. Die Erinnerung ist zulässig, § 56 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 i.V.m. § 33 Abs. 4 S. 1, Abs. 7 RVG. Da die von Rechtsanwalt Pp. beantragte Vergütung nicht in voller Höhe festgesetzt wurde, ist er beschwert.

In der Sache bleibt die Erinnerung jedoch ohne Erfolg. Dem Erinnerungsführer stehen die von ihm geltend gemachte Grundgebühr nach der Nr. 4101, 4100 VV RVG in Höhe von 192,00 € nebst darauf entfallender Mehrwertsteuer nicht zu, sondern nur die bereits festgesetzte Terminsgebühr nebst Auslagen sowie die darauf entfallende Mehrwertsteuer. Denn der Erinnerungsführer war zum Hauptverhandlungstermin am 22.07.2019 nicht als weiterer (dritter) Verteidiger, sondern als Vertreter der an diesem Tag verhinderten Rechtsanwältinnen pp1. und pp2. beigeordnet worden.

Ob und inwieweit einem wegen der Abwesenheit des Pflichtverteidigers für einen Hauptverhandlungstermin beigeordneten Verteidiger über die Terminsgebühr hinaus eine Vergütung für seine Tätigkeit als so genannter „Terminsvertreter" nach Abschnitt 1 des Teils 4 des Vergütungsverzeichnisses zusteht, wird in der obergerichtlichen Rechtsprechung uneinheitlich beantwortet.

Teilweise wird vertreten, dass der Vergütungsanspruch des Verteidigers, der anstelle des verhinderten Pflichtverteidigers für einen Hauptverhandlungstermin als Verteidiger beigeordnet worden ist, sich nicht auf die Terminsgebühr beschränkt, sondern alle durch die anwaltliche Tätigkeit im Einzelfall verwirklichten Gebührentatbestände des Teils 4 Abschnitt 1 des Vergütungsverzeichnisses in Anlage 1 zu '§ 2 Abs. 2 RVG umfasst (OLG Saarbrücken, Beschluss vom 10. November 2014 — 1 Ws 148/14, Rn. 12 ff., juris; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 16. Juli 2008 — 3 Ws 281/08, Rn. 6, juris; OLG Bamberg, Beschluss vom 21. Dezember 2010 — 1 Ws 700/10, Rn. 9, juris).

Nach anderer Auffassung hat die Landeskasse jedenfalls in den Fällen, in denen die Beiordnung des Rechtsanwalts als bloßer Terminsvertreter für einen Hauptverhandlungstermin erfolgt ist und der originär bestellte Verteidiger die Gebühren für die vorgelagerte Tätigkeit schon verdient hat, nur noch die Terminsgebühr nebst Umsatzsteuer zu erstatten (OLG Koblenz, Beschl. v. 16.10.2012 — 2 Ws 759/12, BeckRS 2012, 22226, beck-online; OLG Oldenburg, Beschluss vom 13. Mai 2014 — 1 Ws 195/14, juris; OLG Celle, Beschluss vom 19. Dezember 2008 — 2 Ws 365/08, juris; KG Berlin, Beschluss vom 29. Juni 2005 — 5 Ws 164/05, juris; OLG Rostock, Beschluss vom 15. September 2011 —1 Ws 201/11, Rn. 46 f., juris; OLG Hamburg, Beschluss vom 17. September 2012 — 3 Ws 93/12, Rn. 15, juris).

Dieser letztgenannten Auffassung ist zu folgen, denn der Anspruch als ersatzweise bestellter Pflichtverteidiger kann nicht höher sein als er in der Person des vertretenen Rechtsanwalts angefallen wäre, wenn dieser selbst zum Termin erschienen wäre, oder wenn der Rechtsanwalt ohne Beiordnung als Vertreter des bestellten Rechtsanwalts gemäß § 5 RVG aufgetreten wäre (OLG Koblenz, Beschl. v. 16.10.2012 — 2 Ws 759/12, BeckRS 2012, 22226, beck-online; KG Berlin, Beschluss vom 29. Juni 2005 — 5 Ws 164/05, juris; OLG Rostock, Beschluss vom 15. September 2011 — 1 Ws 201/11, Rn. 46 f., juris; OLG Hamburg, Beschluss vom 17. September 2012 — 3 Ws 93/12, Rn. 15, juris). Die Vorschrift des § 5 RVG, die die Vertretung von Rechtsanwälten gebührenrechtlich regelt, nimmt die Vertretung eines Pflichtverteidigers gerade nicht aus dem Regelungsbereich aus (OLG Celle, Beschluss vom 19. Dezember 2008 — 2 Ws 365/08, Rn. 14, juris). Hat der originär bestellte Pflichtverteidiger die Gebühren für die vorgelagerte Tätigkeit schon verdient, hat die Landeskasse dem Vertreter allenfalls noch die Terminsgebühr zu erstatten. Lässt sich ein Verteidiger in einem Hauptverhandlungstermin durch einen and Verteidiger vertreten, kann dies nicht dazu führen, dass Grund- und Verfahrensgebühr mehrfach entstehen. Anderenfalls könnte ein Pflichtverteidiger, der sich an verschiedenen Sitzungstagen durch verschiedene Vertreter vertreten lässt, zahlreiche Gebührentatbestände entstehen lassen, ohne dass dafür ein sachlicher Grund bestünde (OLG Koblenz, Beschl. v. 16.10.2012 — 2 Ws 759/12, BeckRS 2012, 22226, beck-online). Dies würde sich in unangemessener Weise zum Nachteil des Angeklagten, der im Falle seiner Verurteilung die Verteidigergebühren zu tragen hat (§ 465 Abs. 1 StPO), oder zum Nachteil der Staatskasse, die zunächst für die Pflichtverteidigervergütung aufzukommen hat (§ 55 Abs. 1 RVG), auswirken (LG Hannover, Beschluss vom 19. Oktober 2015 — 33 Qs 51/15, juris).

Im vorliegenden Fall war deswegen zu berücksichtigen, dass der Erinnerungsführer am Haupt-verhandlungstag des 22.07.2019 nicht als (dritter) Verteidiger, sondern als bloßer „Terminsvertreter" für die an diesem Tage verhinderten Rechtsanwältinnen pp1. und pp2. beigeordnet worden war. Dies folgt schon aus dem Wortlaut des Beiordnungsbeschlusses, wonach der Erinnerungsführer ausdrücklich „für den Hauptverhandlungstermin am 22.07.2019 für die an diesem Tage verhinderten Rechtsanwältinnen pp.1 und pp2. bestellt" worden ist. Die ausdrückliche Nennung des Hauptverhandlungstermins am 22.07.2019 unterstreicht, dass nur eine Vertretung gewollt war und kein (weiterer) dauerhafter Pflichtverteidiger bestellt werden sollte.

Auch der übrige Zusammenhang stützt diese Auslegung des Beschlusses. Für die originären Verteidigerinnen war der Erinnerungsführer nach vorheriger Ankündigung nur für die Hauptverhandlung am 22.07.2019 erschienen. Zu den neun weit Verfahrensterminen erschien zumindest jeweils eine der bestellten Verteidigerinnen pp1. oder pp2., was weiterhin belegt, dass der Erinnerungsführer nur in die Vertretung der bereits bestellten Verteidigerinnen eingewiesen werden sollte: Eine solche Beiordnung als sogenannter „Terminsvertreter" ist verfahrensrechtlich zulässig und hat dann gebührenrechtlich zur Folge, dass nur ein Pflichtverteidiger-mandat abzurechnen ist (OLG Oldenburg, Beschluss vom 13. Mai 2014 — 1 Ws 195/14, Rn. 17, juris).

Danach hat der Erinnerungsführer neben den von den Rechtsanwältinnen pp1. und pp2. geltend gemachten Gebühren keinen Anspruch auf die Grundgebühr und die diesbezügliche Mehrwertsteuer.

Das Verfahren über die Erinnerung ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 56 Abs. 2 S. 2 RVG).


Einsender: RA A. Tsioupas, Frankfurt am Main

Anmerkung:


den gebührenrechtlichen Newsletter abonnieren


zurück zur Übersicht

Die Nutzung von Burhoff-Online ist kostenlos. Der Betrieb der Homepage verursacht aber für Wartungs-, Verbesserungsarbeiten und Speicherplatz laufende Kosten.

Wenn Sie daher Burhoff-Online freundlicherweise durch einen kleinen Obolus unterstützen wollen, haben Sie hier eine "Spendenmöglichkeit".