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Leitsatz: Im Fall einer Ablehnung der Erstattung von Auslagen/einer Auslagenpauschale ist die Staatskasse beweispflichtig dafür, dass die geltend gemachten Auslagen zur sachgerechten Wahrnehmung der Interessen des Auftraggebers nicht notwendig waren
Strafsache gegen F.S. gewerbsmäßigen Betruges, (hier: Beschwerde des Verteidigers Rechtsanwalt P. gegen die Zurückweisung der Erinnerung gegen die Kostenfestsetzung).
Auf die Beschwerde des Verteidigers Rechtsanwalt P. vom 9. September 2005 gegen den Beschluss der XXI. Strafkammer des Landgerichts Essen vom 17. August 2005 und auf die Anschlussbeschwerde des Vertreters der Staatskasse vom 8. Februar 2006 hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 23. 03. 2006 durch den Richter am Oberlandesgericht, die Richterin am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandesgericht nach Anhörung des Leiters des Dezernats 10 der Verwaltungsabteilung des Oberlandesgerichts beschlossen:
Der angefochtene Beschluss des Landgerichts Essen vom 17. August 2005 wird aufgehoben.
Die Pflichtverteidigervergütung wird festgesetzt auf weitere 315,52 .
Die weitergehende Beschwerde und die Anschlussbeschwerde des Vertreters der Staatskasse werden als unbegründet verworfen.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.
Gründe: I. Mit Antrag vom 11.02.2005 beantragte der Beschwerdeführer, der für die damalige Angeklagte S. durch Beschluss der Wirtschaftsstrafkammer im Termin am 02.02.2005 zum Pflichtverteidiger für den Termin am 02.02.2005 bestellt worden war, für diesen Termin die Festsetzung einer Pflichtverteidigervergütung. Hierbei hat er folgende Positionen geltend gemacht:
Diesem Antrag hat der Rechtspfleger durch seinen Festsetzungsbeschluss vom 28. April 2005 lediglich in Höhe von 218,08 entsprochen, weil nur eine Gebühr für eine Einzeltätigkeit nach VV 4301 Ziffer 4 RVG für erstattungsfähig angesehen worden ist. Die hiergegen gerichtete Erinnerung des Pflichtverteidigers P. hat das Landgericht durch den angefochtenen Beschluss vom 17.08.2005 zurückgewiesen. Der gegen diesen Beschluss eingelegten Beschwerde des Pflichtverteidigers P. hat das Landgericht durch Beschluss vom 09.11.2005 nicht abgeholfen. Mit Schreiben vom 23.05.2005 hat der Bezirksrevisor Erinnerung gegen die Festsetzung vom 28.04.2005 insoweit eingelegt, als dem Pflichtverteidiger die Pauschale für Entgelte für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen gemäß Nr. 7002 VV RVG nebst Mehrwertsteuer zugebilligt worden ist. Über diese Erinnerung hat das Landgericht bislang nicht entschieden.
II. Die gemäß §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 3 - 8 RVG zulässige Beschwerde hat weitgehend Erfolg. Der Beschwerdeführer, der durch Kammerbeschluss vom 02.02.2005 zum Pflichtverteidiger für diesen Tag bestellt worden war, hat die damalige Angeklagte S. in der Hauptverhandlung vor der großen Strafkammer - Wirtschaftsstrafkammer - des Landgerichts Essen verteidigt. Er hat an der auf 09.00 Uhr terminierten, ab 09.15 Uhr beginnenden Hauptverhandlung bis 13.00 Uhr teilgenommen; der zuvor am 27.12.2004 der Angeklagten S. bestellte Pflichtverteidiger Rechtsanwalt T. war um 12.47 Uhr im Gerichtssaal erschienen und hat im Folgenden an dem Hauptverhandlungstermin bis zum Terminsende um 15.30 Uhr teilgenommen. Entpflichtet worden war Rechtsanwalt T. für den 02.02.2005 nicht. Bei der Tätigkeit des Beschwerdeführers als Pflichtverteidiger für den 02.02.2005 handelt es sich entgegen der Auffassung des Leiters des Dezernats 10 der Verwaltungsabteilung des Oberlandesgerichts nicht um eine Einzeltätigkeit i.S.v. Nr. 4301 VV RVG, die nur eine geringere Vergütung als bei einer "Vollverteidigung" rechtfertigt. Zwar ist Rechtsanwalt P. der Angeklagten S. nicht insgesamt in dem Verfahren als Pflichtverteidiger bestellt worden, sondern lediglich für einen einzelnen Termin, während ihr im Übrigen Rechtsanwalt T. beigeordnet worden war. Dennoch handelt es sich nicht um eine Einzelaufgabe aus dem Arbeitsbereich des Verteidigers, sondern die Tätigkeit des Pflichtverteidigers P. stellte sich als eigenverantwortlich und inhaltlich unbeschränkte Beistandsleistung der Angeklagten dar, die eine gebührenbezogene Herabstufung neben dem im Übrigen bestellten Pflichtverteidiger nicht rechtfertigt. Rechtsanwalt P. war für diesen Verhandlungstag, ohne dass die Beiordnung von Rechtsanwalt T. aufgehoben worden wäre und ohne dass Rechtsanwalt P. als dessen Vertreter bestellt worden wäre, beigeordnet worden.
Der Gebührenrahmen des RVG Nr. 4301 wird dieser Art der Tätigkeit nicht gerecht.
Soweit für die gegenteilige Auffassung auf den Gesetzeswortlaut verwiesen wird, überzeugt dieses Argument nicht, da der Gesetzeswortlaut den hier gegebenen Fall nach Auffassung des Senates nicht umfasst. Nach VV 4301 Ziffer 4 fällt die Verfahrensgebühr für Beistandsleistungen für den Beschuldigten bei einer richterlichen Vernehmung, einer Vernehmung durch die Staatsanwaltschaft oder eine Verfolgungsbehörde oder in einer Hauptverhandlung ... an. Vorliegend handelte es sich nicht lediglich um eine Beistandsleistung des Beschuldigten bei einer Vernehmung in einer Hauptverhandlung, sondern es handelte sich um die insgesamte Verteidigung der Angeklagten in einem Hauptverhandlungstermin. Die Tätigkeit des Verteidigers ging mithin über die in VV 4301 Ziffer 4 genannten Fälle deutlich hinaus. Die in der Kommentarliteratur (vgl. Hartmann, Kostengesetze, 35. Aufl. 2005, Randziffer 9) erwähnten Beispiele betreffen ebenfalls Fälle, in denen es nicht um die unbeschränkte und eigenverantwortliche Verteidigung eines Beschuldigten im Rahmen eines Hauptverhandlungstermins geht, sondern beispielsweise eine mündliche Verhandlung über einen Haftbefehl, einen Haftprüfungstermin, eine Vernehmung bei der Staatsanwaltschaft oder vor einem beauftragten oder ersuchten Richter. Angesichts dessen ist die Vergütung des Pflichtverteidigers P. nach Abschnitt 1 des Teils 4 des Vergütungsverzeichnisses festzusetzen. Gemäß VV 4100 RVG steht dem Pflichtverteidiger mithin eine Grundgebühr in Höhe von 132,- zu. Darüber hinaus gebührt ihm gemäß VV 4120 die Terminsgebühr in Höhe von 356,- . Hingegen ist ein Zuschlag gemäß VV 4122 (geltend gemacht ist VV 4114) nicht gerechtfertigt, da die Teilnahme des Pflichtverteidigers P. bei der auf 09.00 Uhr terminierten Hauptverhandlung, der er bis 13.00 Uhr beigewohnt hat, sich nicht über fünf Stunden hinaus erstreckte. Die Auslagenpauschale gemäß VV 7002 in Höhe von 20,00 , über die der Senat aufgrund der Anschlussbeschwerde des Leiters des Dezernats 10 der Verwaltungsabteilung des Oberlandesgerichts entscheidet, steht dem Beschwerdeführer dagegen ebenfalls zu. Aufgrund der Bestellung für den Hauptverhandlungstermin am 02.02.2005, die auch die Terminsvorbereitung umfasst, kann er grundsätzlich die Auslagenpauschale gemäß Nr. 7002 VVG RVG beanspruchen. Bei Geltendmachung der Pauschale bedarf es keines Nachweises (vgl. Ernst, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, Anm. 15 zu VV 7001 und 7002 RVG). Gemäß § 46 Abs. 1 RVG werden Auslagen nicht vergütet, wenn sie zur sachgemäßen Durchführung der Angelegenheit nicht erforderlich waren. Mit dieser Fassung ist klargestellt, dass im Falle einer Ablehnung der Erstattung die Staatskasse beweispflichtig dafür ist, dass die geltend gemachten Auslagen zur sachgerechten Wahrnehmung der Interessen des Auftraggebers nicht notwendig waren (vgl. Ernst, a.a.O., Randziffer 2 zu § 46, wo auf die amtliche Begründung zu § 46 Abs. 1 RVG verwiesen wird). Wenn indes gewichtige Anhaltspunkte ersichtlich sind, nach denen einzelne Auslagen unnötig verursacht worden sind, ergibt sich die Obliegenheit des Rechtsanwaltes, die Erforderlichkeit der Auslagen zu belegen, wobei ihm allerdings ein gewisser Ermessensspielraum einzuräumen ist (vgl. KG, Beschluss vom 20.06.2005, 3 Ws 20/05, www.burhoff.de). Angesichts der erforderlichen Terminsvorbereitung durch den Beschwerdeführer liegt es aber nicht fern, dass insbesondere Telefonate zur sachgerechten Interessenwahrnehmung angefallen sind. Trotz der Bestellung für einen Hauptverhandlungstermin kann daher noch keine Obliegenheit des Beschwerdeführers angenommen werden, die Erforderlichkeit der Auslagen, die in Höhe der Pauschale von 20,- geltend gemacht werden, näher darzulegen oder zu versichern.
Es ergibt sich danach folgende Pflichtverteidigervergütung:
Antrag vom 11.02.2005 533,60 abzüglich bereits festgesetzter - 218,08 ________ noch festzusetzen 315,52
In Höhe dieses Betrages war die weitere Pflichtverteidigervergütung bis zur Antragsgrenze festzusetzen. Die weitergehende Beschwerde und die Anschlussbeschwerde des Vertreters der Staatskasse waren als unbegründet zu verwerfen.
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