Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Celle, Beschl. v. 14.11.2019 - 3 Ws 323/19
Leitsatz: Der Rechtsanwalt ist an sein nach § 14 Abs. 1 RVG einmal ausgeübtes Ermessen bei der Bestimmung der angefallenen Gebühr innerhalb des Gebührenrahmens gebunden. Das gilt auch, wenn er erkennbar entstandene Gebühren fehlerhaft (nicht) geltend gemacht hat.
Oberlandesgericht Celle
Beschluss
3 Ws 323/19
In der Strafsache gegen
- Verteidiger:
hier: Kostenfestsetzung
hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Celle durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Amtsgericht am 14. November 2019 beschlossen:
1. Die sofortige Beschwerde des Freigesprochenen gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Stade vom 21. Oktober 2019 wird als unbegründet verworfen.
2. Die Kosten seines Rechtsmittels hat der Beschwerdeführer zu tragen.
3. Der Beschwerdewert beträgt 2.054,24 Euro.
Gründe:
I.
Das Landgericht Stade hat den Beschwerdeführer am 24. September 2018 auf Kosten der Landeskasse rechtskräftig von dem Vorwurf des versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlichem Eingriff in den Straßenverkehr, der Brandstiftung sowie des Einbruchsdiebstahls in Tateinheit mit Urkundenfälschung und Diebstahl freigesprochen und der Landeskasse auch seine notwendigen Auslagen auferlegt.
Für seine Tätigkeit als Pflichtverteidiger machte Rechtsanwalt pp. mit Schriftsatz vom 12. Oktober 2018 Gebühren und Auslagen in Höhe von insgesamt 4.155,09 EUR geltend und beantragte Kostenfestsetzung in dieser Höhe. Dabei machte er für die Hauptverhandlungstermine, vom 3., 7., 15., 21. und 28. August 2018 sowie vom 6. und 24. September 2018 jeweils eine Mittelgebühr von 320,00 Euro gemäß § 14 RVG, Nr:4114 VV RVG sowie eine Verfahrensgebühr in Höhe von 225,00 Euro gemäß § 14 RVG Nr. 4113, 4112 VV RVG geltend. Nach Anhörung des Bezirksrevisors beim Landgericht Stade setzte der zuständige Rechtspfleger die zu erstattenden Gebühren und Auslagen mit Beschluss vom 3. Dezember 2018 antragsgemäß - unter Berücksichtigung einer bereits gezahlten Pflichtverteidigervergütung von 3.505,35 Euro - auf noch auszuzahlende 649,74 Euro fest, der dem Verteidiger am 6. Dezember 2018 zugestellt worden ist.
Mit Schriftsatz vom 22. August 2019 beantragte der Verteidiger nunmehr die Festsetzung weiterer notwendig entstandener Auslagen in Höhe von 2.054,24 Euro mit der Begründung, dass es sich dabei um die Mehrkosten der Mittelgebühren für die Vertretung vor dem Schwurgericht nach Nr. 4118, 4119 und 4120 W RGV handele. Bei seinem Kostenfestsetzungsantrag vom 12. Oktober 2018 habe er diese Gebührentatbestände übersehen und versehentlich die Gebühren für die Vertretung vor der Strafkammer nach den Nr. 4112 und 4114 VV RVG geltend gemacht.
Diesen Antrag wies die Rechtspflegerin des Landgerichts Stade mit Beschluss vom 21. Oktober 2019 dem Verteidiger zugestellt am 28. Oktober 2019 nach Anhörung des Bezirksrevisors mit der Begründung zurück, dass ein Rechtsanwalt an sein einmal im Rahmen des § 14 RVG ausgeübtes Ermessen bei der Bestimmung der angefallenen Gebühr gebunden sei. Der Verteidiger habe auch keinen Gebührentatbestand übersehen. Zudem stehe auch die materielle Rechtskraft des Kostenfestsetzungsbeschlusses des Landgerichts Stade vom 3. Dezember 2018 einer erneuten Kostenfestsetzung entgegen.
Hiergegen wendet sich der Beschwerdeführer mit seiner sofortigen Beschwerde vom 28. Oktober 2019.
II.
Das Rechtsmittel ist zulässig, in der Sache jedoch unbegründet.
1. Die sofortige Beschwerde ist gemäß § 464b Satz 3 StPO i.V.m. § 104 Abs. 3 Satz 1. ZPO, § 14 -Abs. 1 RPflG statthaft fristgerecht innerhalb der Zweiwochenfrist nach § 464b Satz 4 StPO erhoben worden. Der Beschwerdeführer ist auch beschwerdebefugt, weil ausweislich der bereits mit Kostenfestsetzungsantrag vom 12. Oktober 2018 vorgelegten Vollmacht von einem Antrag im Namen der vormaligen Angeklagten auszugehen war (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 62. Aufl., § 464b Rn. 2). Dies gilt für die, sofortige Beschwerde entsprechend.
Der Beschwerdewert von 200 Euro (§ 304 Abs. 3 StPO) ist überschritten. Der Senat hat in der Besetzung mit drei Richtern (§ 122 Abs. 1 GVG) zu entscheiden. Die Vorschrift des § 568 Abs. 1 Satz 1 ZPO findet insoweit nach herrschender Auffassung, welche auch der Senat vertritt, keine Anwendung (vgl. OLG Celle, Beschlüsse vom 21. September. 2015 - 2 Ws 148/15 - und vom 8. August 2016 2 Ws 382/16, OLG Düsseldorf NStZ-RR 2012, 160; OLG Nürnberg zfs 2011, 226; KK-Gieg StPO 7. Aufl. § 464b Rn. 4b; Meyer-Goßner/Schmitt StPO 62. Aufl. § 464b Rn. 7; jew. m.w.N.).
2. Der mit der sofortigen Beschwerde weiter verfolgte Auslagenanspruch besteht aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung, die der Senat auch der eigenen Entscheidung zugrunde legt, nicht,
Der Rechtsanwalt ist an sein nach § 14 Abs. 1 RVG einmal ausgeübtes Ermessen bei der Bestimmung der angefallenen Gebühr innerhalb des Gebührenrahmens gebunden. Denn die Ausübung des Ermessens ist Bestimmung der Leistung durch den Verteidiger und erfolgt gemäß § 315 Abs. 2 BGB durch Erklärung gegenüber dem Mandanten bzw. der Landeskasse. Die Bestimmung ist rechtsgestaltender Natur, ihre Abgabe somit Ausübung des Gestaltungsrechts. Da das Gestaltungsrecht durch seine Ausübung verbraucht ist, kann die Bestimmung, sobald die Erklärung gemäß § 130 Abs. 1 BGB durch Zugang wirksam geworden ist, nicht mehr geändert oder widerrufen werden. Sie ist damit auch für den Verteidiger als Bestimmenden bindend, es sei denn, er hat sich eine Erhöhung ausdrücklich und erkennbar vorbehalten, er ist über Bemessungsfaktoren getäuscht worden oder er hat einen gesetzlichen Gebührentatbestand übersehen (vgl. Gerold/Schmidt/Mayer, RVG, 24. Aufl. 2019, § 14 Rn. 4).
Mit der Geltendmachung der Kostenfestsetzung durch Antrag vom 12. Oktober 2018 war dem Verteidiger damit die Möglichkeit genommen, seinen Antrag nachzubessern", weil er einen entsprechenden Vorbehalt nicht mitgeteilt hat. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers liegt hier auch kein Übersehen eines gesetzlichen Gebührentatbestandes vor, weil er im Antrag vom 12. Oktober 2018 erkennbar entstandene Verfahrens- und Terminsgebühren - wenn auch fehlerhaft - geltend -gemacht hat. Eine Nachforderung käme nur bei irrtümlich nicht geltend gemachten Gebühren und Auslagen in Betracht, die in dem früheren Kostenfestsetzungsantrag überhaupt nicht enthalten waren. Hier hat der Beschwerdeführer jedoch lediglich bestimmte Umstände bei der Ausübung seines Bestimmungsrechts übersehen. Eine Abänderung des einmal ausgeübten Bestimmungsrechts, mit dem der Leistungsinhalt konkretisiert und unwiderruflich wurde, ist dann jedoch nicht mehr möglich (vgl. Mayer/Kroiß, RVG, 7. Aufl. 2018, § 14 Rn. 52 m.w.N.).
Der Nachforderung steht zudem auch die materielle Rechtskraft des Kostenfestsetzungsbeschlusses vom 3. Dezember 2018 entgegen. Von der Rechtskraft eines früheren Kostenfestsetzungsbeschlusses werden lediglich bisher nicht geltend gemachte Posten eines aus mehreren Einzelposten bestehenden Erstattungsanspruchs nicht erfasst (vgl. OLG München, Beschluss vom 29.01.1987 - 11 W 3185/86 - Rpfleger 1987, 262).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 StPO.
Gegen diese Entscheidung ist kein Rechtsmittel, gegeben (§ 304 Abs. 4 Satz 2 StPO).
Einsender: RA F. Burgsmüller, Bremerhaven
Anmerkung:
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