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RVG Entscheidungen

Nr. 4110 VV

Längenzuschlag; Berücksichtigung von Wartezeiten

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Düsseldorf, Beschl. v. 22. 12. 2005, 1 Ws 267/05

Fundstellen:

Leitsatz: Bei der Bemessung der für die Gewährung eines Längenzuschlags maßgeblichen Zeit sind Wartezeiten des Pflichtverteidigers wegen unpünktlichen Beginns der Hauptverhandlung zu berücksichtigen. Das RVG hat gerade das Ziel, den besonderen Zeitaufwand des gerichtlich bestellten oder beigeordneten Rechtsanwalts zu honorieren. Diesem Zweck läuft es zuwider, wenn Wartezeiten wegen unpünktlichen Beginns der Hauptverhandlung bei der Festsetzung der Kosten herausgerechnet werden.


OLG Düsseldorf
Beschluss
1 Ws 267/05 OLG Düsseldorf
In der Strafsache
gegen
Verteidigerin: Rechtsanwältin aus Düsseldorf,
Beteiligter im Kostenfestsetzungsverfahren:
Der Bezirksrevisor bei dem Landgericht Düsseldorf als
Vertreter der Landeskasse,
wegen Diebstahls
hat der 1. Strafsenat durch den Richter am Oberlandesgericht als Einzelrichter am 22. 12. 2005 beschlossen:
Die Beschwerde des Bezirksrevisors bei dem Landgericht Düsseldorf gegen den Beschluss der Einzelrichterin der I. großen Strafkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 18. Juli 2005 wird zurückgewiesen.
Das Beschwerdeverfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.
Gründe:
I.
Gegen den früheren Angeklagten ist vor dem Landgericht Düsseldorf ein Strafverfahren durchgeführt worden.
Unter Bezugnahme auf den Beschluss des Gerichts vom 21. Juli 2004, mit dem Rechtsanwältin dem früheren Angeklagten als Pflichtverteidigerin beigeordnet worden ist, beantragte die Verteidigerin mit Schreiben vom 20. Januar 2005 die Festsetzung der angefallenen Kosten. Der Antrag enthält u. a. für vier im Einzelnen näher bezeichnete Hauptverhandlungstage eine Zusatzgebühr gemäß Nr. 4116 des Vergütungsverzeichnisses (W) zum RVG i. H. v. jeweils 108,00 € (insgesamt 432,00 €).
Mit Beschluss vom 16. Februar 2005 hat die Rechtspflegerin des Landgerichts die aus der Landeskasse an die Verteidigerin zu zahlende Vergütung auf 6.808,33 € festgesetzt und u. a. die begehrten Zusatzgebühren nicht angesetzt. Sie hat ausgeführt, die Hauptverhandlung habe an den von der Verteidigerin benannten Tagen nicht länger als fünf Stunden gedauert.
Die dagegen gerichtete Erinnerung der Verteidigerin hat die Einzelrichterin des Landgerichts mit Beschluss vom 26. April 2005 zurückgewiesen. Auf die Beschwerde der Verteidigerin hat die Richterin ihre Entscheidung mit Beschluss vom 18. Juli 2005 abgeändert und die Zusatzgebühren i. H. v. insgesamt 432,00 € antragsgemäß festgesetzt. Gegen diese Entscheidung hat der Bezirksrevisor Beschwerde eingelegt, der das Landgericht nicht abgeholfen hat.
II.
Die gemäß § 56 Abs. 2 Satz 1 i. V .m. § 33 Abs. 3 Satz 1 RVG zulässige Beschwerde, über die nach § 56 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 33 Abs. 8 Abs. 1 RVG ein Mitglied des Senats als Einzelrichter entscheidet, bleibt in der Sache ohne Erfolg.
Die Festsetzung der Zusatzgebühren nach Nr. 4116 W zum RVG i. H. v. insgesamt 432,00 € (4 x 108,00 €) ist nicht zu beanstanden. Zu Recht hat die Einzelrichterin in ihrem Beschluss vom 18. Juli 2005 diese Gebühren berücksichtigt.
Gemäß Nr. 4116 W entsteht eine zusätzliche Gebühr von 108,00 € dann, wenn der gerichtlich bestellte oder beigeordnete Rechtsanwalt mehr als fünf Stunden und bis zu acht Stunden an der Hauptverhandlung teilnimmt. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.
Ausweislich der Protokolle fand die Hauptverhandlung u. a. wie folgt statt:
23. September 2004
9.51 Uhr bis 14.35 Uhr
4 Stunden 44 Minuten

6. Oktober 2004
9.46 Uhr bis 14.35 Uhr
4 Stunden 49 Minuten

7. Oktober 2004
9.40 Uhr bis 14.37 Uhr
4 Stunden 57 Minuten

14. Oktober 2004
9.47 Uhr bis 14.33 Uhr
4 Stunden 46 Minuten

Die Dauer beläuft sich danach auf jeweils weniger als fünf Stunden. Indessen war der Beginn der Hauptverhandlung von dem Vorsitzenden der Strafkammer an allen vier Tagen auf 9.30 Uhr bestimmt worden. Unter Berücksichtigung dessen ergibt sich folgende Berechnung:
23. September 2004
9.30 Uhr bis 14.35 Uhr
5 Stunden 5 Minuten

6. Oktober 2004
9.30 Uhr bis 14.35 Uhr
5 Stunden 5 Minuten


7. Oktober 2004
9.30 Uhr bis 14.37 Uhr
5 Stunden 7 Minuten

14. Oktober 2004
9.30 Uhr bis 14.33 Uhr
5 Stunden 3 Minuten

Der Senat ist mit der Verteidigerin und entgegen dem Bezirksrevisor der Auffassung, dass die Wartezeiten, die die Verteidigerin vom vorgesehenen bis zum tatsächlichen Beginn der Hauptverhandlung im Gericht verbracht hat, bei der Festsetzung der Kosten zu berücksichtigen sind. Die Verteidigerin hat anwaltlich versichert, dass sie an allen vier oben genannten Verhandlungstagen um 9.30 Uhr, also zum vorgesehenen Verhandlungsbeginn, im Gericht anwesend war und bereit war, an der Hauptverhandlung teilzunehmen.
Zwar ist es richtig, dass die Hauptverhandlung mit dem Aufruf der Sache beginnt (vgl. Burhoff in Burhoff, RVG, 2004, Nr. 4110 W Rdnr. 7). Jedoch sind Wartezeiten des Rechtsanwalts wegen unpünktlichen Beginns der Hauptverhandlung bei der Feststellung, ob der Verteidiger an der Verhandlung mehr als fünf Stunden teilgenommen hat, mit heranzuziehen (vgl. Burhoff in Burhoff, a. a. O., Nr. 4110 W Rdnr. 9).
Der Verteidiger ist für einen verzögerten Beginn der Hauptverhandlung nicht verantwortlich und muss sich während der Wartezeiten für eine Tätigkeit bereithalten. Er kann eine Verspätung nicht einkalkulieren; vielmehr ist für ihn ausschließlich der von dem Vorsitzenden bestimmte Terminsbeginn maßgeblich. Auch eine eventuelle Wartezeit ist Teil des zeitlichen Aufwandes des Verteidigers. Das RVG hat gerade das Ziel, den besonderen Zeitaufwand des gerichtlich bestellten oder beigeordneten Rechtsanwalts zu honorieren. Diesem Zweck läuft es zuwider, wenn Wartezeiten wegen unpünktlichen Beginns der Hauptverhandlung bei der Festsetzung der Kosten herausgerechnet werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 56 Abs. 2 Satz 2 und 3 RVG.



Einsender: Dipl.Rpfl. Jochen Volpert, Willich

Anmerkung:


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