Gericht / Entscheidungsdatum: LG Berlin, Beschl. v. 11.6.2019 - 528 Qs 73/19
Leitsatz: Bei der Einlegung des Einspruchs des Vertreters eines "vermeintlichen Angeklagten, dem aufgrund einer Personenverwechselung fälschlicherweise ein Strafbefehl zugestellt worden ist, handelt es sich nicht um Verteidigertätigkeit im Sinn von Teil 4 Abschnitt 1 VV RVG sondern um eine Einzeltätigkeit nach Teil 4 Abschnitt 3 VV RVG.
Landgericht Berlin
Beschluss
Geschäftsnummer: 528 Qs 73/19
In der Strafsache
gegen pp.
hier nur wegen Kostenfestsetzung
Antragsteller:
pp.
Verfahrensbevollmächtigter:
hat die Strafkammer 28 des Landgerichts Berlin am 11.06.2019 beschlossen:
Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Amtsgerichts Tiergarten vom 29. April 2019 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen. Der Beschwerdewert beträgt 864,34 Euro.
Gründe:
Am 20. September 2018 wurde dem zu dieser Zeit in anderer Sache in Untersuchungshaft befindlichen Beschwerdeführer der Strafbefehl des Amtsgerichts Tiergarten vom 24. Mai 2015 aufgrund einer Personenverwechslung zugestellt. Mit Schriftsatz vom 22. September 2018 zeigte der Verfahrensbevollmächtigte des Beschwerdeführers dessen Verteidigung an und legte Einspruch gegen den Strafbefehl ein. Dabei wies er darauf hin, dass es sich bei seinem Mandant nicht um die im Strafbefehl bezeichnete bzw. angeklagte Person handele. Das Amtsgericht Tiergarten teilte dem Verfahrensbevollmächtigten daraufhin mit, dass der Einspruch des pp. ins Leere gehe, da dieser nicht der Angeklagte sei, und erlegte mit Beschluss vom 17. Dezember 2018 die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des vermeintlichen Angeklagten pp. der Landeskasse Berlin auf.
Im Hinblick auf diese Auslagenentscheidung hat der Beschwerdeführer beantragt, Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts in Höhe von insgesamt 864,34 Euro darunter Grund- und Verfah-rensgebühren - zu erstatten. Mit Beschluss vom 29. April 2019 hat die Rechtspflegerin des Amtsgerichts Tiergarten den Antrag mit der Begründung zurückgewiesen, dass die beantragten Ver-teidigergebühren nicht entstanden seien. Der Beschwerdeführer sei nicht angeklagt gewesen, sondern nur aufgrund einer Verwechslung Adressat einer Strafbefehlszustellung geworden. Die vom Verfahrensbevollmächtigten im Rahmen einer Einzeltätigkeit erbrachte Tätigkeit sei nach Nr. 4302 VV RVG zu vergüten. Ein entsprechender Antrag sei jedoch nicht gestellt.
Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde, mit der der ursprünglich gestellte Festsetzungsantrag weiterverfolgt wird, hat keinen Erfolg.
Ein Anspruch auf die geltend gemachten Gebühren und Auslagen besteht nicht.
Dem Ansatz von Grund- und Verfahrensgebühren gemäß Nrn. 4100, 4101 und 4104, 4105 bzw. 4106, 4107 sowie 4141 VV-RVG steht entgegen, dass der Antragsteller nicht Angeklagter war, sondern aufgrund einer Personenverwechslung lediglich den Strafbefehl zugestellt erhalten hat. Die Personenverwechslung ist auch sofort aufgefallen, da der Verfahrensbevollmächtigte nach der am 20.September 2018 erfolgten Zustellung bereits mit Schriftsatz vom 22. September 2018 auf diesen Umstand hingewiesen hat. Insoweit war die Übertragung eines (Voll-)Mandats zur Verteidigung in dem Verfahren zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung weder erforderlich noch sachdienlich. Vielmehr war die Anfertigung eines Schriftsatzes mit der Erklärung, dass es sich bei dem Beschwerdeführer nicht um den Angeklagten handele, ausreichend. Diese Tätigkeit wird - worauf die Rechtspflegerin zutreffend hingewiesen hat - mit der Verfahrensgebühr gemäß Nr. 4302 VV-RVG abgegolten, für die der Verfahrensbevollmächtigte sein Gebührenbestimmungsrecht bislang nicht ausgeübt hat.
Hinsichtlich der geltend gemachten Dokumentenpauschale für Kopien fehlt es nach wie vor an einer eindeutigen Erkrlärung, dass es sich hierbei um Auslagen für ausschließlich in Papierform gefertigte Kopien handelt. Denn für das Anfertigen von Ausdrucken gespeicherter Daten in Papierform besteht grundsätzlich keine Notwendigkeit.
Auch die geltend gemachte Aktenversendungspauschale ist nicht erstattungsfähig, da es sich bei der Versendung der Akte auf Antrag eines Rechtsanwalts an einen anderen Ort lediglich um eine besondere Serviceleistung des Gerichts handelt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 StPO.
Einsender: RA C. Richter, Hannover
Anmerkung:
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