Gericht / Entscheidungsdatum: AG Berlin Tempelhof-Kreuzberg, Urt. v. 18.10.2018 - 8 C 186/18
Leitsatz: Auch bei der Berechnung eines Vorschusses nach 9 RVG sind die Kriterien des § 14 RVG und die Rechtsprechung zur Höhe der Gebühren in Verkehrs-OWi zu beachten. Würde eine solche Betrachtung zu Gebühren unterhalb der Mittelgebühren führen, ist auch ein Vorschuss unterhalb der Mittelgebühren angemessen.
8 C 186/18
AG Berlin Temnpelhof Kreuzberg
Urteil gem. § 495a ZPO v. 18.10.2018
Im Namen des Volkes
In dem Rechtsstreit pp.
hat das Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg, Zivilprozessabteilung 8, im schriftlichen Verfahren, bei dem Schriftsätze bis zum 01.10.2018 eingereicht werden konnten, durch den Richter am Amtsgericht für Recht erkannt:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Berufung wird nicht zugelassen.
Von der Darstellung eines Tatbestandes wird gemäߧ§ 495a, 313 a Abs. 1 S. 1 ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe
1. Dem Kläger steht der mit der Klage nach der übereinstimmenden Erledigungserklärung hinsichtlich des von der Beklagten gezahlten Betrags i.H.v. 146,25 e noch geltend gemachte Zahlungsanspruch i.H.v. 77,35 gegenüber der Beklagten nicht zu.
Der Anspruch des Klägers auf Zahlung des geltend gemachten Vorschusses für seine anwaltliche Vertretung im Bußgeldverfahren gegen die Beklagte aus dem zwischen den Parteien bestehenden Rechtsschutzversicherungsvertrags ist durch die von der Beklagten unstreitig geleistete Zahlung i.H.v. 146,25 gemäß § 362 Abs. 1 BGB. erloschen. Ein weitergehender Anspruch. i.H.v. weiterer 77,35 , wie mit der Klage noch begehrt wird, steht dem Kläger gegenüber der Beklagten nicht zu.
Von dem vom hiesigen Prozessbevollmächtiqten des Klägers in seiner Rechnung vom 4. Juli 2018 berechneten Vorschuss i.H.v. 523,60 brutto hat die Beklagte mit ihrer Zahlung den besondere Gebühr gemäß Nr. 5115 VV RVG i.H.v. 160 und die Auslagenpauschale gemäß Nr. 7002 VV RVG i.H.v. 20 jeweils zuzüglich Umsatzsteuer unter Berücksichtigung der zwischen den Parteien unstreitigen vertraglich vereinbarten Selbstbeteiligung des Klägers i.H.v. 300 ausgeglichen.
Die vom Klägervertreter mit 100 zzgl. Umsatzsteuer in Rechnung gestellte Grundgebühr gemäß Nr. 5100 VV RVG hat die Beklagte lediglich mit einem Betrag von 75 zzgl. Umsatzsteuer ausgeglichen. Ein weitergehender Anspruch steht dem Kläger hier nach Ansicht des Gerichts nicht zu. Die von der Beklagten erteilte Deckungszusage stellt zwar ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis hinsichtlich ihrer Erstattungspflicht in Bezug auf die gesetzlichen Gebühren eines Rechtsanwalts dar, das Anerkenntnis erstreckt sich jedoch naturgemäß nicht auf die Höhe der vom beauftragten Rechtsanwalt in Rechnung gestellten Gebühren, deren konkrete Höhe für die Beklagte bei Erteilung der Deckungszusage noch nicht bekannt ist.
Das Gericht teilt nicht die Rechtsansicht des Klägers, dass in Bußgeldverfahren stets von der Mittelgebühr nach Nr. 5100 VV RVG i.H.v. 100 auszugehen ist. Vielmehr ist diese Gebühr als Rahmengebühr gemäß § 14 Abs. 1 RVG unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers vom Rechtsanwalt nach billigem Ermessen zu bestimmen. Die Bedeutung des Bußgeldverfahrens für den Kläger, bei dem lediglich eine Verkehrsordnungswidrigkeit im Raum steht, ohne dass ein Fahrverbot oder auch nur die Eintragung von zu einem solchen führenden Punkten im Zentralregister drohte, war nach Ansicht des Gerichts unterdurchschnittlich, der Umfang und die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit angesichts des geringeren Tätigkeitsumfangs des hiesigen Prozessbevollmächtigten des Klägers ebenfalls. Daher entspricht die Bestimmung der Mittelgebühr nach Ansicht des Gerichts nicht billigem Ermessen, die von der Beklagten bei ihrer Zahlung zugrunde gelegten Gebührenhöhe von 75 zzgl. Umsatzsteuer ist hingegen angemessen.
Gleiches gilt für die Verfahrensgebühr gemäß Nr. 5103 VV RVG, die der hiesige Prozessbevollmächtigte aus den vorgenannten Gründen, auf deren nochmaligen Darstellung zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen verzichtet wird, gemäß § 14 Abs. 1 RVG nicht die Mittelgebühr von 160 zzgl. Umsatzsteuer festsetzen durfte, vielmehr der von der Beklagten zugrunde gelegte Betrag i.H.v. 120 zzgl. Umsatzsteuer angemessen ist.
Für den sich hieraus ergebenden Differenzbetrag i.H.v. 65 netto = 77,35 brutto zwischen den vom hiesigen Prozessbevollmächtigten des Klägers in Rechnung gestellten Vorschuss und dem von der Beklagten gezahlte Betrag sind auch weitere Anspruchsgrundlagen nicht ersichtlich.
II. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 91a ZPO. Dabei entspricht es nach bisherigem Sach- und Streitstand billigem Ermessen, dem Kläger die Kosten des übereinstimmend für erledigt erklärten Teils der Klageforderung nach den Grundsätzen des § 93 ZPO, die auch bei der Ermessensentscheidung des Gerichts nach § 91a ZPO zu berücksichtigen sind, aufzuerlegen. Denn der Kläger hat bereits unter dem 13. Juli 2018 Klage erhoben, nachdem die Beklagte nach ihrer ersten Reaktion auf die Vorschussrechnung des Klägers in ihrem Schreiben vom 5. Juli 2018 zwar eine vollständige Übernahme der in der Vorschussrechnunq abgelehnt hatte: Eine ernsthafte und endgültige Leistungsverweigerung i.S.v. § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB hat jedoch auch der Kläger bzw. sein hiesiger Prozessbevollmächtigter ausweislich seines Antwortschreibens vom 5. Juli 2018 hierin nicht gesehen, da er in diesem Schreiben nochmals unter Verweis auf seinen Rechtsstandpunkt und entsprechende Rechtsprechungsnachweise die Zahlung des Vorschusses forderte. Allein der Ablauf der vom Prozessbevollmächtigten des Klägers in der Vorschussrechnung gesetzten Frist vermag noch keinen Verzug der Beklagten zu begründen, da in der einseitig gesetzten Zahlungsfrist kein kalendermäßig bestimmte Leistungszeit i.S.v. § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB zu sehen sein ist (siehe Palandt-Grüneberg, § 286 Rn. 22 m.w.N.).
Die Klageerhebung bereits am 13. Juli 2018, und damit nur acht Tage nach der Zahlungsaufforderung, ist nach Ansicht des Gerichts verfrüht erfolgt, da es der Beklagten nicht ausreichend Zeit zur inhaltlichen Auseinandersetzung mit dem Rechtsstandpunkt des Klägers und zur Beantwortung seines Schreibens gab. Das mit der Zahlung der Beklagten i.H.v. 146,25 verbundene Anerkenntnis erfolgte dabei bereits am 23. Juli 2018· und damit noch vor Zustellung der Klage am 30. Juli 2018 und erfolgte damit auch sofort nach den Maßstäben des § 93 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 1, 713 ZPO.
III. Die Berufung ist nicht zuzulassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat, noch die Entscheidung des Berufungsgerichts im Hinblick auf die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung erforderlich ist, § 511 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 ZPO.
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