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RVG Entscheidungen

Gebühren-/Kostenfragen - Kostenfestsetzung

Bußgeldverfahren, Erstattungsfähigkeit von Sachverständigenkosten

Gericht / Entscheidungsdatum: LG Wuppertal, Beschl. v. 06.11.2018 - 26 Qs 210/18

Leitsatz: Trotz des im Bußgeldverfahren geltenden Untersuchungsgrundsatzes ist die Notwendigkeit von privaten Ermittlungen bei schwierigen technischen Fragestellungen zu bejahen. Darüber hinaus ist im Bußgeldverfahren zu berücksichtigen, dass die Anforderungen an die Darlegung einer konkreten Fehlmessung bei Verwendung eines standardisierten Messverfahrens erhöht sind, was bei der Frage der Erstattungsfähigkeit von Sachverständigenkosten zu berücksichtigen ist.


26 Qs 210/18
Landgericht Wuppertal
Beschluss
In dem Beschwerdeverfahren

betreffend pp.
Verteidiger: Rechtsanwalt Tim Geißler,
Morianstraße 3, 42103 Wuppertal,

wegen Ordnungswidrigkeit

hat die 6. Strafkammer des Landgerichts Wuppertal als Kammer für Bußgeldsachen auf die sofortige Beschwerde des Betroffenen vom 01.10.2018 gegen den undatierten Beschluss des Amtsgerichts Wuppertal — Az. 28 OWi 64/18 [b] — durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht, den Richter am Landgericht und den Richter am Landgericht am 06.11.2018 beschlossen:

Auf die sofortige Beschwerde wird der angefochtene Beschluss des Amtsgerichts Wuppertal aufgehoben und der Kostenfestsetzungsbescheid der Stadt Wuppertal vom 19.02.2018 dahingehend geändert, dass die dem Betroffenen zu erstattenden notwendigen Auslagen auf 2.044,77 € festgesetzt werden.

Die notwendigen Auslagen des Betroffenen werden der Staatskasse zu 87 Prozent auferlegt.

Die Gebühren des Beschwerdeverfahrens werden auf 13 Prozent ermäßigt.

Gründe:

I.
Mit Bußgeldbescheid vom 04.04.2017 setzte die Stadt Wuppertal gegen den Betroffenen wegen eines qualifizierten Rotlichtverstoßes eine Geldbuße über 200,00 sowie die Eintragung von zwei Punkten im Fahreignungsregister fest. Darüber hinaus verhängte die Stadt Wuppertal gegen den Betroffenen ein Fahrverbot von einem Monat. Hiergegen legte der Betroffene durch seinen Verteidiger am 11.04.2017 Einspruch ein.

Im Zwischenverfahren beantragte der Verteidiger Einsicht in die Bußgeldakte inklusive der gesamten Messreihe. Letzteres verweigerte ihm die Stadt Wuppertal, woraufhin der Betroffene durch seinen Verteidiger einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung stellte. Mit Beschluss vom 11.08.2017 gab das Amtsgericht Wuppertal der Stadt Wuppertal auf, dem Verteidiger die angeforderte Messreihe zur Verfügung zu stellen. Dies erfolgte im September 2017.

In der Folge stellte die Stadt Wuppertal das Bußgeldverfahren gegen den Betroffenen gemäß § 46 Abs. 1 OWiG i. V. m. § 170 Abs. 2 StPO ein. Mit Bescheid vom 23.01.2018 legte die Stadt Wuppertal die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Betroffenen der Stadtkasse auf.

Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 08.02.2018 hat der Betroffene Gebühren und Auslagen seines Verteidigers in Höhe von 2.263,85 € brutto geltend gemacht. Die Kostenaufstellung lautete wie folgt:
Grundgebühr, Ziffer 5100 VV RVG 100,00 €
Verfahrensgebühr, Ziffer 5103 VV RVG 160,00 €
Verfahrensgebühr, Ziffer 5109 VV RVG 160,00 €
Erledigungsgebühr, Ziffer 5151 VV RVG 160,00 €
32 Fotokopien 11, 10 €
1 Datenträger 5,00 €
Auslagenpauschale, außergerichtlich und gerichtlich 40,00 €
19 % Mehrwertsteuer 120,86 €
Zwischensumme 756,96
Kosten für Sachverständigengutachten gem.
beiliegender Rechnungen 1.506,89 €
Gesamtsumme 2.263,85 €

Mit Bescheid vom 19.02.2018 hat die Stadt Wuppertal die zu erstattenden notwendigen Auslagen des Betroffenen auf 542,76 festgesetzt und im Übrigen den Festsetzungsantrag zurückgewiesen. Hierbei hat die Stadt Wuppertal die geltend gemachte Erledigungsgebühr als nicht erstattungsfähig angesehen. Zudem sei die Auslagenpauschale nur einmalig ansetzbar und die Kosten für die Tätigkeit eines Privatsachverständigen nicht erstattungsfähig, da dieser zum Ausgang des Verfahrens nichts beigetragen habe.

Hiergegen hat der Betroffene mit Schriftsatz vom 07.03.2018 einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt. Das Amtsgericht Wuppertal hat diesen Antrag mit undatiertem Beschluss, dem Betroffenen zugestellt am 26.09.2018, zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich der Betroffene mit seiner sofortigen Beschwerde vom 01.10.2018.

II.

Die zulässige sofortige Beschwerde ist überwiegend begründet.

1. Die gemäß § 108 Abs. 1 OWiG statthafte sofortige Beschwerde ist auch im Übrigen form- und fristgerecht eingelegt worden.

2. Die sofortige Beschwerde ist überwiegend begründet und führt zur Festsetzung der dem Betroffenen zu erstattenden notwendigen Auslagen auf 2.044,77 €.

a) Die Kosten für die Erstellung der Gutachten durch die VUT Sachverständigen GmbH & Co. KG sind in Höhe von 1.502,01 € erstattungsfähig.

Im vorliegenden Einzelfall waren die Kosten für die Beauftragung eines Sachverständigen bei der anzulegenden ex-ante-Betrachtung als notwendig i. S. v. § 46 Abs. 1 OWiG i. V. m. § 464a Abs. 2 StPO zu qualifizieren. Trotz des im Bußgeldverfahren geltenden Untersuchungsgrundsatzes wird eine solche Notwendigkeit von privaten Ermittlungen insbesondere bei schwierigen technischen Fragestellungen bejaht [vgl. nur Gieg, in: Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung, 7. Aufl. 2013, § 464a Rn, 7]. Darüber hinaus ist im Bußgeldverfahren zu berücksichtigen, dass die Anforderungen an die Darlegung einer konkreten Fehlmessung bei Verwendung eines standardisierten Messverfahrens erhöht sind. Hier müssen von Seiten der Verteidigung konkrete Anhaltspunkte für eine technische Fehlfunktion der standardisierten Messeinrichtung vorgebracht werden, um eine weitergehende Aufklärungspflicht des Gerichts vor dem Hintergrund des § 77 Abs. 2 Nr. 1 OWiG zu begründen.

Vorstehendes führt im vorliegenden Fall ausnahmsweise dazu, dass die Beauftragung eines Privatsachverständigen bereits mit Zustellung des Bußgeldbescheides für den Betroffenen notwendig erscheinen durfte. Dies findet seine Rechtfertigung darin, dass der Verteidiger mangels eigener technischer Sachkunde bezogen auf den Aufbau, die Ausrichtung als auch die Handhabung der verfahrensgegenständlichen Rotlichtüberwachungsanlage anderweitig nicht in der Lage gewesen wäre, konkrete Anhaltspunkte für eine Fehlerhaftigkeit der Messanlage zu begründen. Zudem ist bei dieser Bewertung auf den Zeitpunkt der Erteilung des Auftrags an den Privatsachverständigen abzustellen und dies unabhängig davon, ob sich das Gutachten sodann in der Folge tatsächlich auf das Verfahren ausgewirkt hat [OLG Celle, Beschl. v. 05.01.2005, Az. 2 Ss 318/04; LG Wuppertal, Beschl. v. 08.02.2018, Az. 26 Qs 214/17]. Ausgehend von diesen Grundsätzen ist es daher unerheblich, dass die Einstellung des Verfahrens auf dem Eintritt der Verfolgungsverjährung beruhte.

Hinsichtlich der Höhe der erstattungsfähigen Kosten hat sich die Kammer an den Rechnungen der VUT Sachverständigen GmbH & Co. KG vom 30.08.2017 und 20.10.2017 orientiert. Der darin angesetzte Zeitaufwand erscheint der Kammer ebenso wie der Ansatz von Schreib- und Portokosten angemessen. Allerdings bestand das zur Akte gereichte Ergänzungsgutachten vom 20.10.2017 - bei großzügiger Betrachtung - lediglich aus 5 geschriebenen Seiten, sodass bei den Schreibkosten ein entsprechender Abzug von 4,10 € netto (2 Seiten mal 2,05 €), also über 4,88 € brutto vorzunehmen war.

b) Im Übrigen waren die angesetzten Gebühren und Auslagen des Verteidigers des Betroffenen auf 542,76 € brutto festzusetzen.

aa) Die Kürzung der angesetzten Erledigungsgebühr in Höhe von 160,00 € netto, mithin 190,40 € brutto ist zu Unrecht erfolgt.

Die Stadt Wuppertal hat lediglich darauf abgestellt, dass es die angesetzte Gebührenziffer 5151 VV RVG nicht gebe. Dies ist zwar zutreffend. Offenkundig hat es sich hierbei jedoch nur um einen Schreibfehler gehandelt. Die Erledigungsgebühr nach Ziffer 5115 VV RVG entsteht dann, wenn durch die anwaltliche Mitwirkung das Verfahren vor der Verwaltungsbehörde endgültig erledigt wird, was vorliegend der Fall ist [Anm. (1) Nr. 1 zu Ziffer 5115 VV RVG]. Die Feststellung einer Kausalität der Maßnahmen des Verteidigers für den Eintritt der Erledigung bedarf es hierfür nicht. Vielmehr besteht eine Vermutung für die Ursächlichkeit [Gürtler, in: Göhler, OWiG, 17. Aufl. 2017, Vor § 105, Rn. 42e]. Das Entstehen der Zusatzgebühr ist nur dann ausgeschlossen, wenn eine auf die Förderung des Verfahrens gerichtete Tätigkeit des Verteidigers nicht ersichtlich ist [Anm. (2) zu Ziffer 5115 VV RVG], Vorliegend ist der Verteidiger des Betroffenen nach außen hin tätig geworden, sodass er sich auf die Vermutungswirkung berufen kann.

bb) Demgegenüber kann der Betroffene die Auslagenpauschale nach Ziffer 7002 VV RVG im vorliegenden Fall nur einmal geltend machen. Der Abzug in Höhe von 20,00 netto, mithin 23,80 € brutto ist daher zu Recht erfolgt.

Gemäß § 17 Nr. 11 RVG stellen das Bußgeldverfahren vor der Verwaltungsbehörde und das nachfolgende gerichtliche Verfahren verschiedene Angelegenheiten dar, sodass dann die Auslagenpauschale doppelt anfällt. Das Zwischenverfahren gehört dabei nach der Vorbemerkung 5.1.2. Abs. (1) VV RVG zu dem Verfahren vor der Verwaltungsbehörde. Die Einlegung des Rechtsbehelfs nach § 62 OWiG im Zwischenverfahren gehört daher ebenso entsprechend § 19 Abs. 1 Nr. 10a RVG zu der Tätigkeit des Rechtsanwalts im Verfahren vor der Verwaltungsbehörde und begründet keine weitere Angelegenheit.

cc) Darüber hinaus kann der Betroffene die Verfahrensgebühr nach Ziffer 5109 VV RVG in Höhe von 160,00 netto, mithin 190,40 E brutto nicht verlangen. Das Verbot der Schlechterstellung greift im Beschwerdeverfahren nicht, sodass diese Gebühr entgegen der Entscheidung der Stadt Wuppertal nicht festgesetzt werden kann.

Die Verfahrensgebühr nach Ziffer 5109 VV RVG entsteht für das Betreiben des Geschäfts im gerichtlichen Verfahren im ersten Rechtszug. Hierzu ist es aber vorliegend gar nicht gekommen. Wie bereits unter Ziffer lI.2.b.bb dargelegt, gehört die Einlegung des Rechtsbehelfs nach § 62 OWiG entsprechend § 19 Abs. 1 Nr. 10a RVG zu der Tätigkeit des Rechtsanwalts im Verfahren vor der Verwaltungsbehörde und löst daher keine besondere Gebühr aus.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 46 Abs. 1 OWiG i. V. m. § 473 Abs. 1, 4 StPO.


Einsender: RA T. Geißler, Wuppertal

Anmerkung:


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