Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Frankfurt, Beschl. v. 01.09.2017 - 2 Ws 16/17
Leitsatz: 1. Der Rechtsanwalt hat bei der sachgemäßen Durchführung der Angelegenheit den allgemeinen Kostengrundsatz zu berücksichtigen, dass jede Partei und daher auch jeder für sie tätige Anwalt die Kosten und damit auch die Auslagen möglichst gering halten muss. Die Übernachtung in einem Mittelklassehotel ist daher regelmäßig ausreichend.
2. Zur Berücksichtigung von Mittagspausen bei der Berechnung der für einen Längenzuschlag maßgeblichen Hauptverhandlungsdauer.
2 Ws 16/17
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN
BESCHLUSS
In der Strafsache
gegen pp.
Pflichtverteidiger:
- Antragsteller -
und andere
wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz
hier: Beschwerde wegen Kostenfestsetzung
an der weiter beteiligt ist:
Die Bezirksrevisiorin bei dem Landgericht Frankfurt am Main als Vertreterin der Staatskasse
- Antragsgegnerin -
hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main 2. Strafsenat auf die Beschwerden des Antragstellers und der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Landgerichts Frankfurt am Main vom 13. Januar 2017 in Form des Abhilfebeschlusses vom 20. Februar 2017 am 1. September 2017 beschlossen:
Auf die Beschwerde des Antragstellers werden die dem Antragsteller zu erstattenden Kosten auf insgesamt 18.970,52 festgesetzt. Seine weitergehende Beschwerde sowie die Beschwerde der Antragsgegnerin werden zurückgewiesen.
Das Verfahren ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.
Gründe:
I.
Der Antragsteller begehrt mit Antrag vom 2. August 2016 die Festsetzung von Pflichtverteidigergebühren in Höhe von insgesamt 20.030,63. Mit Entscheidungen vom 26. Oktober 2016 und 30. November 2016 hat der Rechtspfleger bei dem Landgericht die aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung auf 17.383,03 und 160,32 (in Summe: 17.543,35) festgesetzt.
Er nahm hierbei Abzüge in Höhe von 6 x 128 = 768 netto für die beantragten Längenzuschlagsgebühren für die Termine am 18. März 2016, 22. März 2016, 5. April 2016, 20. April 2016 und 12. Juli 2016 vor mit der Begründung, die Termine abzüglich Pausen hätten nicht mehr als fünf Stunden gedauert.
Bei den Übernachtungskosten hat der Rechtspfleger hinsichtlich der Termine vom 22. März 2017, 11. April 2016, 19. April 2016, 2. Mai 2016, 10. Mai 2016 und 12. Mai 2016 lediglich Übernachtungskosten in Höhe von bis zu 100 anerkannt. Zudem hat der Rechtspfleger die geltend gemachten Übernachtungskosten nebst Abwesenheitsgeldern für die Termine vom 18. März 2016, 21. März 2016, 18. Juli 2016, 22. Juli 2016 und 27. Juli 2016 nicht anerkannt.
Mit Schriftsatz vom 2. November 2016 legte der Antragsteller gegen den Kostenbescheid das zulässige Rechtsmittel" ein und machte weiter die beantragten Übernachtungskosten geltend.
Mit Schreiben vom 3. November 2016 und 5. Dezember 2016 begründete der Antragsteller sein Rechtsmittel damit, dass die beantragten Längenzuschlagsgebühren zu erstatten seien.
Das Landgericht Strafkammer hat mit daraufhin durch die Kammer ergangenem Beschluss vom 13. Januar 2017 dem Antragsteller die Zahlung von weiteren 1.428 aus der Staatskasse zuerkannt. Es hat dem Antragsteller den Längenzuschlag für den Termin vom 18. März 2016 in Höhe von 128 netto zugestanden. Hinsichtlich der übrigen, vom Antragsteller geltend gemachten Längenzuschläge betreffend die Termine vom 22. März 2016, 5. April 2016, 20. April 2016, 2. Mai 2016 und 12. Juli 2016 hat es ausgeführt, dass bei der Berechnung der Dauer der Hauptverhandlung Pausen, die länger als eine Stunde gedauert haben, vollumfänglich nach der tatsächlich dauernden Pausenzeit zu berücksichtigen seien. Deswegen seien die weiteren geltend gemachten Längenzuschläge des Antragstellers in Höhe von 5 x 128 = 640 netto nicht anzusetzen.
Das Landgericht hat zudem dem Antragsteller für die Termine vom 18. März 2016, 21. März 2016, 18. Juli 2016, 22. Juli 2016 und 27. Juli 2016 Hotelübernachtungskosten in Höhe von jeweils 150 (= 750) nebst Abwesenheitsgeldern in Höhe von jeweils 70 (= 350 netto) zugestanden. Darüber hinaus sei für die vorgenannten fünf Termine sowie für die Termine vom 11. April 2016, 19. April 2016, 10. Mai 2016 und 12. Mai 2016 die Höhe der gemäß § 46 RVG zu erstattenden Übernachtungskosten von bis zu 150 pro Übernachtungstag angemessen und erstattungsfähig. Die Kammer hat dies mit den in Frankfurt am Main üblichen Hotelkosten näher begründet. Es hat dem Antragsteller wegen der letztgenannten vier Termine weitere zu erstattende Kosten in Höhe von 4x 50 = 200 zuerkannt.
Gegen diesen Beschluss der Kammer vom 13. Januar 2017 wendet sich der Antragsteller mit Schriftsätzen vom 19. Januar 2017 und 20. Januar 2017. Er begehrt weiterhin die Anerkennung sämtlicher beantragter Längenzuschläge sowie die vollen geltend gemachten Hotelübernachtungskosten, wenigstens aber 200.
Die Bezirksrevisorin bei dem Landgericht Frankfurt am Main hat gegen den Beschluss der Kammer vom 13. Januar 2017 ebenfalls Beschwerde eingelegt. Sie ist der Auffassung, dass Hotelübernachtungskosten lediglich in Höhe von 100 erstattungsfähig seien. Außerdem habe die Kammer dem Antragsteller pauschal 150 als Hotelübernachtungskosten zuerkannt, obwohl dieser teilweise weniger als die festgesetzten 150 für die jeweilige Übernachtung bezahlt habe.
Die Kammer hat mit Beschluss vom 20. Februar 2017 der Beschwerde der Bezirksrevisorin teilweise abgeholfen und die Übernachtungskosten auf den jeweils gezahlten Preis, maximal jedoch auf 150 festgesetzt. Im Übrigen hat es den Beschwerden nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.
II.
1. Die Beschwerde des Antragstellers ist hinsichtlich der festzusetzenden Höhe der angefallenen Hotelkosten nur zum Teil begründet, die Beschwerde der Antragsgegnerin infolge der getroffenen Abhilfeentscheidung des Landgerichts unbegründet. Die Hotelkosten des Antragstellers sind diesem bis zur Höhe von 150 pro Übernachtung zu erstatten.
Gemäß § 46 Abs. 1 RVG sind Auslagen dann zu vergüten, wenn sie zur sachgemäßen Wahrnehmung der Angelegenheit erforderlich sind. Erforderlich sind diejenigen Auslagert, ohne die der beigeordnete Rechtsanwalt die Interessen seines Mandanten nicht sachgemäß wahrnehmen kann. Hierzu gehören wegen der Entfernung des Verteidigers vom Gerichtsort auch die Kosten für Übernachtungen in einem Hotel.
Der Rechtsanwalt hat bei der sachgemäßen Durchführung der Angelegenheit den allgemeinen Kostengrundsatz zu berücksichtigen, dass jede Partei und daher auch jeder für sie tätige Anwalt die Kosten und damit auch die Auslagen möglichst gering halten muss. Die Übernachtung in einem Mittelklassehotel ist daher regelmäßig ausreichend.
Übernachtungen sind vorliegend außerhalb von Messezeiten bis zu einem Höchstbetrag von 150 erstattungsfähig. Auf die ausführliche Begründung der Kammer, die unter Rückgriff auf Buchungsportale im Internet und einen dort verzeichneten Hotelpreisindex, bei einem Standard von mindestens drei Sternen einen Hotelpreis von bis zu 150 als ausreichend und angemessen angesehen hat, wird Bezug genommen. Der Verteidiger ist aber trotzdem gehalten, bei der Auswahl seiner Übernachtungsmöglichkeit seiner Pflicht zur Geringhaltung von Kosten nachzukommen und möglichst günstige Hotels zu buchen. Wie sich aus den eingereichten Kostenbelegen ergibt, bestand auch im vorliegenden Fall teilweise die Möglichkeit, preisgünstige Hotels von weniger als 150 pro Übernachtung in Frankfurt am Main auszuwählen. Soweit der Verteidiger im Einzelfall Übernachtungskosten von über 150 für erforderlich hält, bedarf es einer konkreten Darlegung im Kostenfestsetzungsverfahren, wieso diese in dieser Höhe erforderlich waren.
Soweit der Antragsteller unter Hinweis auf eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main, Beschluss vom 11. Februar 2008 - 6 W 207/07, meint, bereits im Jahr 2008 sei ein Hotelpreis für ein Hotelzimmer in Frankfurt am Main in Höhe von 170 als angemessen angesehen worden. so wurde der im dortigen, zivilrechtlichen Verfahren veranschlagte Hotelpreis ohne Begründung auf 170 geschätzt. Angesichts des realen, deutlich darunter liegenden Preisniveaus für eine angemessene Unterkunft kann dieser Schätzung für das vorliegende Verfahren keinerlei Bedeutung zugemessen werden.
Daher waren die Auslagen für die Hotelübernachtungen wie folgt festzusetzen, wobei zu berücksichtigen war, dass bereits vom Rechtspfleger teilweise Hotelkosten festgesetzt worden sind und die Hotelkosten zum Teil auch unter dem vorliegend maximal festzusetzenden Betrag von 150 liegen:
von Rpfl. festgesetzt noch festzusetzen
18.03.2016 0,00 150,00 e
21.03.2016 0,00 117,30 e
22.03.2016 100,00 17,30
11.04.2016 100,00 50,00
19.04.2016 100,00 50,00
02.05.2016 94,05 0,00
11.05.2016 100,00 50,00
12.05.2016 100,00 50,00
18.05.2016 100,00 29,00
18.07.2016 0,00 98,10
22.07.2016 0,00 109,65
27.07.2016 0,00 137,00
Summe: 858 35
2. Dem Antragsteller steht für die Termine vom 22. März 2016, 5. April 2016, 20. April 2016, 2. Mai 2016 und 12. Juli 2016 die beantragte Zusatzgebühr nach Nr. 4122 VV RVG nicht zu.
Ein Pflichtverteidiger erhält neben der Terminsgebühr die zusätzliche Gebühr nach Nr. 4122 VV RVG (sogenannter Längenzuschlag) dann, wenn er im ersten Rechtszug vor der Strafkammer mehr als fünf Stunden und bis zu acht Stunden an der Hauptverhandlung teilnimmt. Zur Bestimmung der Hauptverhandlungsdauer enthält das Gesetz keine Regelung. Ausgehend von dem Sinn und Zweck der Zusatzgebühr, nämlich den Zeitaufwand eines gerichtlich bestellten Rechtsanwalts für die Teilnahme von über fünf Stunden dauernden Hauptverhandlungstagen zusätzlich zu vergüten, ist die Verhandlungsdauer die Zeitspanne zwischen dem gerichtlich verfügten Beginn und der in der Verhandlung angeordneten Schließung der Sitzung. Auch zur Frage des Abzugs von Verhandlungsunterbrechungen hat sich der Gesetzgeber nicht explizit geäußert. Dem Regelungskontext lässt sich entnehmen, dass eine vom Einzelfall unabhängige Berechnung gewünscht ist, die als einzige formale Voraussetzung verlangt, dass der bestellte Rechtsanwalt auf Ladung des Gerichts zum Termin erscheint und im Fall der Pflichtverteidigung im Strafrecht zum Zwecke der Durchführung der Hauptverhandlung dem Gericht zur Verfügung steht. Dies ist in Pausen und Unterbrechungen nicht der Fall. Etwas anderes gilt nur, wenn sich der Pflichtverteidiger zur Durchführung einer strafrechtlichen Hauptverhandlung sozusagen in Bereitschaft halten muss. Dies ist bei kürzeren Verhandlungspausen regelmäßig der Fall. Etwas anderes gilt aber dann, wenn die Dauer der Pause von vornherein festgelegt ist und der Verteidiger somit für mehr als eine Stunde einer Tätigkeit außerhalb der Hauptverhandlung nachgehen kann.
In der Regel ergibt sich aus dem Hauptverhandlungsprotokoll, ob eine Unterbrechung von mehr als einer Stunde angeordnet worden ist. Ist im Protokoll lediglich vermerkt, dass die Hauptverhandlung unterbrochen worden ist, ohne mitzuteilen, wann sie wieder aufgerufen werden soll, ist bei Unterbrechungen von mehr als einer Stunde davon auszugehen, dass während dieser Zeit der Pflichtverteidiger nicht für das Gericht in Bereitschaft steht und er nicht damit rechnen musste, dass die Hauptverhandlung jederzeit wieder aufgerufen werden wird. Wie er diese Zeit nutzt, ist ohne Belang. Diese Zeiten sind daher bei Berechnung, ob dem Pflichtverteidiger ein Längenzuschlag zusteht, in Abzug zu bringen. Dabei steht es dem Verteidiger bei nicht vorhandener Protokollierung der Anordnung der Dauer der Pause frei, im Kostenfestsetzungsverfahren im Einzelnen darzulegen, wann er dem Gericht wieder zur Verfügung zu stehen hatte (vgl. zum Vorstehenden Senat, BeckRS 2012, 18545; NStZ-RR 2012, 359; NStZ-RR 2016, 128).
Danach ergibt sich für den vorliegenden Fall das Folgende:
Die Hauptverhandlung dauerte am 22. März 2016 von 9:15 Uhr bis 16:10 Uhr. Dabei sind sowohl die angeordnete Mittagspause von 12:22 Uhr bis 13:30 Uhr sowie die Unterbrechung von 14:36 Uhr bis 13:38 Uhr von der Verhandlungs-dauer in Abzug zu bringen, da sie insoweit für einen Zeitraum von mehr als einer Stunde angeordnet worden ist bzw. andauerten. Danach ergibt sich eine Verhandlungsdauer von unter fünf Stunden mit der Folge, dass der Längen-zuschlag für diesen Hauptverhandlungstag nicht anfällt.
Die Hauptverhandlung vom 5. April 2017 dauerte von 9:15 Uhr bis 15:51 Uhr, mithin mehr als 5 Stunden. Die Verhandlung wurde von 12:17 Uhr bis 13:59 Uhr unterbrochen, sodass dem Verteidiger auch für diesen Hauptverhandlungstag kein Längenzuschlag zusteht.
Am 20. April 2016 dauerte die Hauptverhandlung von 9:15 Uhr bis 15:35 Uhr, mithin 6 Stunden 20 Minuten. Allerdings war bei der Berechnung der für den Längenzuschlag zugrunde zu legenden Dauer der Hauptverhandlung die von 12:26 Uhr bis 14:00 Uhr (1 Stunde 34 Minute) angeordnete Mittagspause in Abzug zu bringen, sodass sich eine Hauptverhandlungsdauer von weniger als 5 Stunden ergibt. Ein Längenzuschlag stand dem Verteidiger daher nicht zu.
Die Hauptverhandlung am 2. Mai 2016 dauerte von 9:15 Uhr bis 16:46 Uhr und wurde durch die angeordnete Mittagspause von 12:21 Uhr bis 13:45 Uhr unterbrochen. Die von 9:52 Uhr bis 11:38 Uhr dauernde Unterbrechung war zur Berechnung des Längenzuschlags ebenfalls von der Dauer der Hauptverhandlung abzuziehen, da sich aus den Angaben des Antragstellers im Kostenfestsetzungsverfahren nicht ergibt, wann er dem Gericht wieder zur Verfügung zu stehen hatte und mit dem Wiedereintritt in die Hauptverhandlung rechnen musste. Dem Verteidiger steht daher hierfür wegen der unter 5 Stunden dauernden Hauptverhandlung kein Längenzuschlag zu.
Schließlich dauerte die Hauptverhandlung am 12. Juli 2016 von 9:15 Uhr bis 15:25 Uhr, mithin 6 Stunden 10 Minuten. Laut Protokoll wurde für den Zeitraum von 12 Uhr bis 13:15 Uhr die Unterbrechung der Hauptverhandlung an-geordnet, sodass diese Zeit für die Berechnung des Längenzuschlags in Ab-zug zu bringen ist. Somit ergibt sich eine Dauer der Hauptverhandlung von 4 Stunden 55 Minuten mit der Folge, dass dem Verteidiger der Längenzuschlag für diesen Tag nicht zusteht.
3. Darüber hinaus waren hinsichtlich des bereits vom Landgericht festgesetzten Längenzuschlags für den Hauptverhandlungstermin vom 18. März 2016 in Höhe von 128 und die vom Landgericht festgesetzten Abwesenheitsgelder in Höhe von 350 noch die Umsatzsteuer in Höhe von 24,32 und 66,50 auf die vom Rechtspfleger festgesetzten Kosten hinzuzurechnen.
4. Insgesamt sind daher, ausgehend von den Beschlüssen des Rechtspflegers, mit denen 17.543,35 festgesetzt worden sind, die Kosten wie folgt festzusetzen:
Festsetzung Rechtspfleger 17.543,35
Festsetzung LG 1 x Längenzuschl. (brutto) 152.32
Festsetzung LG 5x Abwesenheit (brutto) 416,50
Festsetzung weitere Übernachtungskosten (Auslagen) 858,35
Summe (brutto) 18.970,52
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 56 Abs. 2 S. 2 und S. 3 RVG.
Einsender: RA W. Siebers, Braunschweig
Anmerkung:
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