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RVG Entscheidungen

§ 51

Pauschgebühr, Staatsschutzsachen, mehrere Verteidiger

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG München, Beschl. v. 29.06.2017 - 8 St (K) 2/17

Leitsatz: Staatsschutzsachen sind nicht generell "besonders schwierig“ i.S.d. § 51 Abs. 1 RVG.


OBERLANDESGERICHT MÜNCHEN
8 St (K) 2/17
Beschluss
Der 8. Strafsenat des Oberlandesgerichts München hat am 29. Juni 2017 durch Richter am Oberlandesgericht als Einzelrichter
In dem Strafverfahren gegen wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung u.a.
hier: Antrag auf Bewilligung einer Pauschgebühr
beschlossen:
Der Antrag des Rechtsanwalts pp. auf Bewilligung einer Pauschgebühr wird zurückgewiesen.

Gründe
Der Antragsteller war seit 01.03.2016 weiterer Pflichtverteidiger der inzwischen rechtskräftig verurteilten Angeklagten Mit am 02. Mai 2017 eingegangenem Schreiben vom 26.04.2017 beantragt er die
Bewilligung einer Pauschgebühr in Höhe von 15.360 € netto für das Verfahren bis zur Hauptverhandlung und für das Hauptverfahren von mindestens 48.825 € netto. Die Bezirksrevisorin hat mit Schreiben vom
23.05.2017 Stellung genommen; die Stellungnahme wurde dem
Antragsteller übermittelt.

Eine Pauschgebühr kann nicht bewilligt werden.

A. Der Senat entscheidet durch den Einzelrichter, da die — beantragte Vorlage an den Senat nur zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung in Betracht kommt und weder vorgetragen noch sonst ersichtlich ist, inwieweit diese durch die vorliegende Einzelfallentscheidung berührt ist.

B. Eine Pauschgebühr kann nur gewährt werden, wenn das Verfahren besonders umfangreich oder besonders schwierig ist und zudem die verfassungsrechtlich zumutbare Grenze eines Sonderopfers infolge der Heranziehung als Pflichtverteidiger überschritten wird. Die Bewilligung einer Pauschgebühr stellt dabei die Ausnahme dar; die anwaltliche
Mühewaltung muss sich von sonstigen - auch überdurchschnittlichen Sachen - in exorbitanter Weise abheben (BGH 4 StR 73/10 Beschluss vom 1 1.02.2014 Rdn. 5 zit. nach juris). Dies ist vorliegend nicht der Fall.

Hinzu kommt, dass nicht lediglich eine isolierte Betrachtung der Gebühren für einen Verfahrensabschnitt vorzunehmen ist. Zwar kann eine Pauschgebühr auch für einzelne Verfahrensabschnitte bewilligt werden, wenn bereits für diese die Voraussetzungen der besonderen Schwierigkeit oder des besonderen Umfangs sowie der Unzumutbarkeit erfüllt sind. Die Pauschgebühr für eine anwaltliche Tätigkeit in einem Verfahrensabschnitt muss in Relation zu der gesamten Tätigkeit im Verfahren und den gesamten Gebühren des Pflichtverteidigers gesehen werden (vgl. zuletzt OLG Hamm, Beschluss vom 28. Dezember 2016 - RVGs 79/16 Rdn. 8; OLG Braunschweig, Beschluss vom 25. April 2016 — 1 ARS 9/16 Rdn. 12; KG Berlin, Beschluss vom 02. Oktober 2015 - 1 ARs 26/13 Rdn. 9 jeweils zit. nach juris).

Hiernach kam die Bewilligung einer Pauschgebühr nicht in Betracht.

a) Besonderer Umfang

Zutreffend ist, dass das Verfahren auch gegenüber anderen Staatsschutzsachen — welche als Vergleichsmaßstab heranzuziehen sind umfangreich war, insbesondere aufgrund der in den Akten enthaltenen vielfältigen Kommunikationsinhalte der Angeklagten und früherer Mitbeschuldigter; ein besonderer Umfang lag jedoch nicht vor.

Eine gewisse Kompensation des Umfangs wird bereits durch die Beiordnung eines schon vor dem Antragsteller tätigen zweiten Pflichtverteidigers bewirkt (Burhoff RVG in Straf: und Bußgeldsachen 4. A § 51 Rdn. 162). Von einer arbeitsteiligen Vorgehensweise ist wie sich auch hinsichtlich der Schlussvorträge der beiden Pflichtverteidiger der Angeklagten und der Antragsteliung in der Hauptverhandlung gezeigt hat, somit auszugehen.
Soweit der Antragsteller im Hinblick auf -den Aktenumfang auch auf Beiakten von früheren Mitbeschuldigten abstellt, hat der Senat diese nicht beigezogen, sondern die Verteidiger haben insoweit Akteneinsicht durch die Bundesanwaltschaft erhalten. Eine Berücksichtigung dieser Aktenteile — soweit sie nicht ohnehin bis zur Abtrennung teilidentisch mit den hiesigen Verfahrensakten waren — beim Umfang des gegenständlichen Verfahrens kommt daher nicht in Betracht.

Die Dauer der Besuche bei der Angeklagten in der JVA ist nicht dargelegt.

b) Besondere Schwierigkeit

Eine besondere Schwierigkeit i.S.d. § 51 Abs. 1 RVG lag nicht vor.

Der Schwierigkeitsgrad einer Staatsschutzsache ist zumindest im Grundsatz bereits durch die erhöhten Verfahrens- und Terminsgebühren für Verfahren im ersten Rechtszug vor den Oberlandesgerichten berücksichtigt (Burhoff RVG in Straf- und Bußgeldsachen 4.A. § 51 Rdn. 39 bezogen auf die ebenfalls von W RVG 4118 erfassten Schwurgerichtssachen und Wirtschaftsstrafsachen), ebenso wie die sogenannten Haftzuschläge bei der inhaftierten Mandantin eine gewisse Kompensation des hierdurch erhöhten Aufwandes intendieren. Besondere Umstände, die in Staatsschutzsachen oftmals anzutreffen sind und deren Schwierigkeit deutlich erhöhen — etwa lange andauernde oder lange zurückliegende Tatzeiträume, eine Vielzahl an Taten, die Notwendigkeit der Beiziehung von Dolmetschern aufgrund sprachunkundiger Angeklagter oder fremdsprachiger Beweismittel sowie Auslandssachverhalte — waren hier jedoch nicht gegeben.
Soweit bei Burhoff aaO Rdn. 38 unter Bezugnahme auf BayObLG 6 St 006/04 v. 17.11.2005 (abrufbar unter http://vvvvw.burhoff.de/ burhoff/rvginhalte/138.htm) behauptet . wird, Staatsschutzsachen seien generell als besonders schwierig anzusehen, ist dies unzutreffend. Vielmehr führt das BayObLG dort aus, dass „das Strafverfahren (...) auch unter Berücksichtigung der üblichen Problematik von Staatsschutzsachen, was insoweit bereits in der Anhebung der gesetzlichen Gebühren berücksichtigt ist, besonders schwierig und umfangreich" gewesen sei. Das BayObLG geht also mitnichten von einer generellen besonderen Schwierigkeit i.S.d. § 51 Abs. 1 RVG aus, sondern davon, dass grundsätzlich die erhöhten Gebührenrahmen ausreichen und es setzt sich, wie auch die weiteren Entscheidungsgründe ergeben, sodann mit den konkreten verfahrensbezogenen Besonderheiten (Aktenumfang, Einarbeitung während bereits laufender Hauptverhandlung, Parallelverfahren u.a.) auseinander und stützt nur auf diese die besondere Schwierigkeit und den besonderen Umfang.
Eine derartige Betrachtung von Staatsschutzsachen als generell „besonders schwierig" i.S.d. § 51 Abs. 1 RVG wäre auch kaum mit der gesetzlichen Regelung in § 122 Abs. 2 S. 2 GVG vereinbar, wonach bei erstinstanzlichen Verfahren vor dem Oberlandesgericht nur bei Umfang oder Schwierigkeit in der Besetzung mit 5 Richtern verhandelt wird. Bereits nach der Logik des GVG gibt es also erstinstanzliche Verfahren vor dem Oberlandesgericht, die weder umfangreich noch schwierig sind oder aber nur eines von beiden, wie auch zahlreiche Staatsschutzverfahren vor verschiedenen Oberlandesgerichten belegen, die in der Besetzung mit drei Richtern verhandelt wurden und werden.

Soweit der Antragsteller geltend macht, der Senat habe selbst im Nichtabhilfebeschluss vom 08.12.2016 festgestellt, das Verfahren sei schwierig, ist dies unerheblich. Denn eine Pauschgebühr setzt nach dem klaren Wortlaut des § 51 Abs. 1 RVG nicht nur die Schwierigkeit der Sache, sondern eine besondere Schwierigkeit voraus. Eine solche hat der
Senat aber nicht in dem Beschluss vom 08.12,2016 behauptet.
c) Schließlich ist Voraussetzung für die Bewilligung einer Pauschvergütung, dass dem Pflichtverteidiger ein unzumutbares Opfer auferlegt wird (BVerfG Beschluss vom 20.03.2007 2 BvR 51/07 Rdn. 3 zit. nach juris). Ein solches unzumutbares Opfer liegt hier nicht vor.

Die gesetzlichen Gebühren sind für den Verteidiger in der Regel zumutbar.

Die Bestellung zum Pflichtverteidiger ist eine besondere Form der Indienstnahme Privater zu öffentlichen Zwecken. Dass der Vergütungsanspruch des Pflichtverteidigers unter den Rahmengebühren des Wahlverteidigers liegt, ist durch einen gemeinwohlorientierten Interessenausgleich gerechtfertigt, sofern die Grenze der Zumutbarkeit für den Pflichtverteidiger gewahrt ist. Dabei ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, die Bewilligung einer Pauschgebühr nicht nur von besonderen Schwierigkeiten oder einem besonderen Umfang des Verfahrens abhängig zu machen, sondern zusätzlich die Unzumutbarkeit der gesetzlichen Gebühren vorauszusetzen (BVerfG aaO Rdn. 5 zit. nach juris). Die Bewilligung einer Pauschvergütung ist daher die Ausnahme, die bei besonders umfangreichen und schwierigen Verfahren unzumutbare Sonderopfer des beigeordneten Rechtsanwalts vermeiden soll. Unzumutbar ist die Versagung einer Pauschvergütung insbesondere dann, wenn der beigeordnete Rechtsanwalt dadurch eine wirtschaftliche Existenzgefährdung erleiden würde (BVerfG Beschluss v. 01.06.2011 1 BvR 3171/10 Rdn. 39 zit. nach juris).
Dass der Antragsteller durch das vorliegende Verfahren in dieser erheblichen Weise wirtschaftlich beeinträchtigt ist, ist nicht hinreichend dargetan. Es kann dahinstehen, ob dem OLG Düsseldorf (Beschluss vom 05.08.2015 III-3 AR 4/15 Rdn. 8 zit. nach juris) zu folgen ist, wonach eine Beanspruchung jeweils an drei Tagen pro Woche durch eine mehr als einen Monat hinweg stattfindende Hauptverhandlung hierfür erforderlich ist, was•hier jedenfalls nicht der Fall war, da der Durchschnitt bei knapp einem Tag/Woche lag. Eine fast ausschließliche Inanspruchnahme war bei dieser Terminierung mit regelmäßig nicht mehr als zwei Tagen pro Woche und mit längeren — schon bei der Terminierung für die Verteidiger erkennbaren und somit planbaren - Sitzungspausen im Mai und August 2016 nicht gegeben.

Dass die Übernahme und Wahrnehmung weiterer Mandate bis zum Beginn der Hauptverhandlung und im Anschluss hieran nicht möglich war oder gewesen wäre, ist nicht näher dargetan. Die Unzumutbarkeit der gesetzlichen Gebühren erfordert, worauf der Antragsteller schon bei seinem Antrag auf Bewilligung eines Vorschusses hingewiesen wurde, eine konkrete Darlegung der Beeinträchtigungen des Kanzleibetriebes und der Einnahmesituation.

d) Der vom Antragsteller vorgeschlagenen Berechnungsmethode der Pauschvergütung für die erstmalige Einarbeitung gemäß der Methode des OLG Düsseldorf (pro 500 Blatt Akten eine Grundgebühr VV RVG 4100) folgt der Senat nicht, ungeachtet dessen, dass das OLG Düsseldorf inzwischen eine substantiierte Darlegung des erforderlichen Aktenumfangs — jedenfalls für „Nebenakten" zu fordern scheint (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 31. Mai 2016 - 111-3 AR 1 18/16 Rdn. 2 zit. nach juris).


Einsender: RA M. Duchon, München

Anmerkung:


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