Gericht / Entscheidungsdatum: KG, Beschl. v. 01.02.2006 - 5 Ws 506/05
Eigener Leitsatz: Zur Vergütung des beigeordneten Zeugenbeistands.
KAMMERGERICHT
Beschluß
5 Ws 506/05
(512) 69 Js 372/04 (7/05)
In der Strafsache gegen pp.
wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz
hat der 5. Strafsenat des Kammergerichts in Berlin
am 01. Februar 2006 beschlossen:
1. Auf die Beschwerde der Bezirksrevisorin bei dem Landgericht Berlin wird der Beschluß des Landgerichts Berlin vom 7. September 2005 aufgehoben.
2. Die dem Zeugenbeistand, Rechtsanwalt F. aus der Landeskasse zu erstattende Vergütung wird auf
426,88 Euro
festgesetzt.
3. Das Verfahren über die Beschwerde ist gebühren-
frei. Kosten werden nicht erstattet.
G r ü n d e
Der Zeuge D. D. erschien auf seine Ladung zu der Hauptverhandlung vor dem Landgericht Berlin am 5. April 2005 im Beistand von Rechtsanwalt F., der seine Bei-ordnung beantragte. Die stellvertretende Vorsitzende der 12. großen Strafkammer ordnete ihn daraufhin dem Zeugen gemäß § 68 b StPO als Zeugenbeistand bei. Mit Schriftsatz vom 6. April 2005 beantragte Rechtsanwalt F. für seine Tätigkeit als Zeu-genbeistand am 5. April 2005, seine Vergütung nach dem Rechtsanwaltsvergü-tungsgesetz (RVG) wie folgt festzusetzen:
Grundgebühr gemäß VV 4100 132,00 Euro
Verfahrensgebühr gemäß VV 4112 124,00 Euro
Terminsgebühr gemäß VV 4114 216,00 Euro
16 % Umsatzsteuer gemäß VV 7008 75,52 Euro
547,52 Euro.
Mit Beschluß vom 4. Mai 2005 hat der Kostenbeamte des Landgerichts die Vergü-tung wie beantragt festgesetzt, die Entscheidung dem Beteiligten aber zunächst nicht zugestellt. Die Bezirksrevisorin bei dem Landgericht Berlin hat mit Verfügung vom 27. Mai 2005 dagegen Erinnerung eingelegt, mit der sie die Zubilligung der Ver-fahrensgebühr beanstandet hat. Mit Verfügung vom 21. Juni 2005 hat sie ihr Rechtsmittel erweitert und nunmehr die Auffassung vertreten, dem Rechtsanwalt stehe nur eine Gebühr nach VV 4302 zu. Das Landgericht hat durch den angefoch-tenen Beschluß die Erinnerung der Bezirksrevisorin zurückgewiesen und die Vergü-tung wie beantragt in Höhe von 547,52 Euro festgesetzt. Gegen diese am 27. Sep-tember 2005 zugestellte Entscheidung hat die Bezirksrevisorin bei dem Landgericht Berlin als Vertreterin der Landeskasse am 28. September 2005 sofortige Beschwer-de eingelegt. Sie hat zunächst beantragt, die Vergütung auf 403,68 EURO festzuset-zen, da Rechtsanwalt F. als Zeugenbeistand lediglich eine Gebühr nach Nr. 4302 Nr. 3 VV RVG nebst anteiliger Mehrwertsteuer zustehe. Mit Verfügung vom 11. November 2005 beantragt sie nunmehr, die zu zahlende Vergütung auf 426,88 Euro festzusetzen, weil der Zeugenbeistand Gebühren und Auslagen lediglich nach den Nrn. 4100, 4114 und 7002 sowie die Umsatzsteuer nach 7008 VV RVG fordern könne; eine Verfahrensgebühr nach Nr. 4112 VV RVG stehe ihm nicht zu. Die sofor-tige Beschwerde hat Erfolg.
1. Die Vergütung des Zeugenbeistands Rechtsanwalt F. richtet sich nach den Vor-schriften des RVG. Dies ist vorliegend auch nicht im Streit.
Mit der hier streitgegenständlichen Frage haben sich bereits der 3. und der 4. Straf-senat des Kammergerichts befaßt (Beschlüsse vom 18. Juli 2005 3 Ws 323/05 und vom 4. November 2005 4 Ws 61/05 -). Sie sind jedoch zu unterschiedlichen Ergebnissen gelangt. Der 4. Senat hat zur Begründung seiner Rechtsauffassung in dem genannten Beschluß u.a. wie folgt ausgeführt:
Gemäß Teil 4 Strafsachen, Vorbemerkung 4 Abs. 1 des Vergütungsverzeichnisses [Anlage 1 (zu § 2 Abs. 2 RVG)] in Verbindung mit Abschnitt 1 des Teiles 4 Strafsa-chen des Vergütungsverzeichnisses sind unter anderem für die Tätigkeit des Rechts-anwalts als Beistand eines Zeugen die Vorschriften für die Gebühren eines Verteidi-gers entsprechend anzuwenden und er erhält grundsätzlich die gleichen Gebühren wie dieser (vgl. Kammergericht, Beschluss vom 18. Juli 2005 3 Ws 323/05 m. w. Nachw.; Schmahl in Riedel/Sußbauer, RVG 9. Aufl., VV Teil 4 Vorbem. 4 Rdn. 22; Volpert in RVG, Burhoff Hrsg., Vorbemerkung 4.3 Rdz. 16; siehe auch Bundestags-drucksache 15/1971 S. 145). Das bedeutet jedoch nicht, dass der Rechtsanwalt sämtliche Gebühren beanspruchen kann, die einem Verteidiger zustehen würden. Denn es stellt einen erheblichen Unterschied dar, ob der Rechtsanwalt einem Zeu-gen "lediglich" für die Dauer der Vernehmung beigeordnet oder einem Beschuldigten als Pflichtverteidiger für das gesamte Verfahren bestellt worden ist. Da nach den einzelnen Gebührentatbeständen des VV RVG tatsächlich erbrachte anwaltliche Tä-tigkeiten zu vergüten sind, kann der Rechtsanwalt als Zeugenbestand lediglich die Gebühren für seine tatsächlichen Tätigkeiten im Umfang seiner Beiordnung bean-spruchen.
Diesen zutreffenden Ausführungen schließt sich der Senat an.
Rechtsanwalt F. stehen daher eine Grundgebühr nach Nr. 4100 VV RVG, für die Anwesenheit bei der Vernehmung des Zeugen in der Hauptverhandlung am 5. April 2005, eine Terminsgebühr nach Nr. 4114 VV RVG, die Pauschale für Entgelte für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen nach Nr. 7002 VV RVG sowie die Umsatzsteuer nach Nr. 7008 VV RVG zu. Die Grundgebühr erhält er für die erstmali-ge Einarbeitung in den Rechtsfall und das erste beratende Gespräch mit dem Zeu-gen, die Terminsgebühr für die Teilnahme an dem Vernehmungstermin, wobei diese Gebühr die Vor- und Nachbereitung des konkreten Termins umfaßt (vgl. Burhoff in RVG, Burhoff Hrsg., Vorbemerkung 4 Rdn. 34).
Die Verfahrensgebühr für den ersten Rechtszug vor der Strafkammer nach Nr. 4112 VV RVG kann Rechtsanwalt F. dagegen nicht verlangen (a. A. KG 3. Strafsenat -, Beschluß vom 18. Juli 2005 3 Ws 323/05 -). Denn diese soll die gesamte Tätigkeit des Rechtsanwalts im jeweiligen Verfahrensabschnitt abgelten, soweit hierdurch kei-ne besonderen Gebühren vorgesehen sind. Gemeint ist damit die allgemeine Vorbe-reitung auf die Hauptverhandlung, wie etwa das Absprechen der allgemeinen Vertei-digungsstrategie, die Frage der Einführung eigener Beweismittel in die Hauptver-handlung und Ähnliches (vgl. Burhoff aaO). Anders als ein Verteidiger, der ohne wei-teres diese Gebühr beanspruchen kann, muß ein Zeugenbeistand für die Geltend-machung der Verfahrensgebühr wegen seines eingeschränkten Aufgabenbereichs konkret vortragen, durch welche von ihm erbrachte Tätigkeit diese entstanden sein soll. An einem entsprechenden Vorbringen fehlt es vorliegend.
Die Rechtsanwalt F. als Zeugenbeistand zu gewährende Vergütung ist daher wie folgt festzusetzen:
Grundgebühr gemäß VV RVG 4100 132,00 Euro
Terminsgebühr gemäß VV RVG 4114 216,00 Euro
Auslagenpauschale gemäß VV RVG 7002 20,00 Euro
16 % Umsatzsteuer gemäß VV RVG 7008 58,88 Euro
426,88 Euro
Die Kostenentscheidung beruht auf § 56 Abs. 2 Satz 2 und 3 RVG.
Einsender: VorsRiKG Weißbrodt, KG
Anmerkung:
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