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RVG Entscheidungen

§ 14 – Allgemeines

Rahmengebühren, Bemessung, Unbilligkeit

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Schleswig, Beschl. v. 02.02.2017 - 1 Ws 11/17

Leitsatz: Unbillig i.S. des § 14 Abs. 1 RVG ist der Gebührenansatz des Rechtsanwalts, wenn die be-antragte Gebühr um mehr als 20 % über der angemessenen Höhe liegt.


1 Ws 11/17 (23/17)
Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht
Beschluss
in der Strafsache
gegen pp.
-Verteidiger:
Auf die sofortige Beschwerde des Freigesprochenen gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Rechtspflegerin des Landgerichts Itzehoe vom 17. November 2016 hat der I. Strafsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig am 2. Februar 2017 beschlos-sen:

Der angefochtene Beschluss wird dahingehend geändert, dass dem Freigesprochenen weitere 314,00 € aus der Staatskasse zu erstatten sind.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die insoweit entstandenen notwendigen Auslagen des Freigesprochenen hat die Staatskasse nach einem Beschwerdewert von 314,00 € zu tra-gen.

Gründe:
I.
Mit Kostenfestsetzungsantrag seines Wahlverteidigers vom 2. August 2016 macht der Freige-sprochene einen Gesamtbetrag von 3.486,22 € abzüglich festzusetzender Pflichtverteidigerge-bühren geltend. Darin sind u. a. folgende Gebühren enthalten:
Verfahrensgebühr Nr. 4104 VV RVG 220,-- €
Verfahrensgebühr im Revisionsverfahren Nr. 4130 VV RVG 615,-- €
Erledigungsgebühr im Revisionsverfahren Nr. 4141 VV RVG 615,-- €.

Durch den angefochtenen Beschluss hat die Rechtspflegerin einen Vergütungsanspruch von 2.129,62 € abzüglich der erstatteten Pflichtverteidigervergütung von 1.982,06 € und den noch zu erstattenden Betrag auf 157,56 € festgesetzt. Dabei hat die Rechtspflegerin hinsichtlich der Gebühren Nr. 4104 VV RVG, 4130 VV-RVG und 4141 VV-RVG Absetzungen vorgenommen und diese Gebühren nur in folgender Höhe für erstattbar gehalten:
Verfahrensgebühr Nr. 4104 VV RVG 110,-- €
Verfahrensgebühr im Revisionsverfahren Nr. 4130 VV RVG 200,-- €
Erledigungsgebühr im Revisionsverfahren Nr. 4141 VV RVG 0,-- €.

Die Absetzungen sind wie folgt begründet worden:
Mit der Verfahrensgebühr im vorbereitenden Verfahren in Höhe von 110,-- € sei die lediglich in einer kurzen Einlassung liegende Tätigkeit des Verteidigers angemessen vergütet. Soweit der Verteidiger im Ermittlungsverfahren eine Beschwerde gegen einen Durchsuchungsbeschluss eingelegt und begründet habe, sei dies nicht zu berücksichtigen, da dem damaligen Angeklag-ten die Kosten des Beschwerdeverfahrens auferlegt worden seien. Die Verfahrensgebühr im Revisionsverfahren sei nur in Höhe von 200,-- € berücksichtigt worden, weil die Staatsanwalt-schaft die von ihr eingelegte Revision bereits zurückgenommen habe, bevor die Akte an das Oberlandesgericht versandt worden sei. Zudem habe sich die Revisionserwiderung nur auf ei-nen Satz erstreckt. Die Erledigungsgebühr Nr. 4141 VV RVG sei aus den Gründen des Be-schlusses der 3. Strafkammer des Landgerichts Itzehoe vom 3. November 2016 abgesetzt worden. Das Landgericht hatte nämlich in dem Verfahren über die Erinnerung des Freigespro-chenen gegen die Festsetzung der Pflichtverteidigergebühren diese Gebühr für nicht entstan-den gehalten.

Gegen diesen Beschluss wendet sich die sofortige Beschwerde des Verteidigers, die sich nur noch gegen die Absetzung hinsichtlich der Gebühren Nr. 4104 VV-RVG und Nr. 4130 VV-RVG richtet. Er ist der Auffassung, dass die Gebühren mindestens in Höhe der Gebühren für einen Pflichtverteidiger festzusetzen seien und beantragt nunmehr die Gebühr Nr. 4104 VV RVG mit 132,-- € und die Gebühr Nr. 4130 VVRVG auf 492,-- € festzusetzen.

II.
Die gemäß §§ 467 b Satz 3 StPO, 104 Abs. 3 Satz 1 ZPO, 11 Abs. 3 RpfIG statthafte sofortige Beschwerde ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden; der Beschwer-dewert gemäß § 304 Abs. 3 StPO von mehr als 200,-- € ist überschritten.

Die sofortige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg und führt zur Abänderung der angefoch-tenen Entscheidung. Dem früheren Angeklagten sind die von seinem Verteidiger geltend ge-machten Gebühren — jedenfalls in der nunmehr im Beschwerdeverfahren geltend gemachten Höhe — in voller Höhe zu erstatten.

In welcher Höhe eine dem Rechtsanwalt für seine Tätigkeit dem Grunde nach zu-stehende Rahmengebühr erstattungsfähig ist, hängt von den in § 14 RVG aufgeführten Umständen ab (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 59. Aufl., § 464 a Rn. 11).

Ausgangspunkt für die Gebühr, die der Rechtsanwalt gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG unter Berücksichtigung aller Umstände nach billigem Ermessen zu bestimmen hat, ist nach überwie-gend vertretener Auffassung grundsätzlich der Mittelbetrag der einschlägigen Rahmengebühr (Hartmann, Kostengesetze, 45. Aufl., § 14 RVG Nr. 14; Burhoff in Gerold/Schmitt, Rechtsan-waltsvergütungsgesetz, 19. Aufl., Vorbemerkungen 4 VV Rn. 17 m. w. N.). Die Mittelgebühr soll gelten, wenn sämtliche gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG zu berücksichtigenden Umstände, also insbesondere Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, Bedeutung der Angelegen-heit sowie die wirtschaftlichen Verhältnisse des Auftraggebers als durchschnittlich einzuordnen sind.

Bei der Abwägung der zu berücksichtigenden Merkmale und der sich daran anschließenden Bestimmung der Gebühren räumt die Vorschrift des § 14 Abs. 1 RVG dem Rechtsanwalt ein weites billiges Ermessen ein (Hartmann a. a. 0, § 14 RVG Rn. 21). Die von ihm getroffene Be-stimmung ist, wenn — wie hier — ein Dritter die Gebühr zu ersetzen hat, gemäß § 14 Abs. 1 Satz 4 RVG (nur dann) nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist. Rechtspfleger und Gericht sind in dem Kostenfestsetzungsverfahren auf die Prüfung beschränkt, ob sich die geltend gemachte Gebühr innerhalb des Gebührenrahmens hält und ob sie im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände nicht unbillig ist. Allein dann, wenn der Gebührenansatz missbräuchlich erfolgt und bei einer Gesamtabwägung unbillig ist, darf und muss das Gericht die Gebühr neu festset-zen (Hartmann a. a. 0., Rn. 23). Unbillig ist der Gebührenansatz nach herrschender Ansicht dann, wenn die beantragte Gebühr um mehr als 20 % über der angemessenen Höhe liegt (BGH, NJW-RR 2007, 420).

Unter Anwendung dieses Maßstabs sind die jetzt beantragten Gebühren in Höhe der Pflichtver-teidigergebühren nicht unbillig. Die Mittelgebühr der Verfahrensgebühr Nr. 4104 VV-RVG be-trägt 165, --€, die Pflichtverteidigergebühr 132,-- €. Die Begründung, mit der das Landgericht die Gebühr lediglich mit 110,-- € angesetzt hat, hält einer Überprüfung nicht stand. Die Verfah-rensgebühr entsteht für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information (Vorbemer-kung 4 Abs. 2 VV-RVG). Also gilt die Gebühr für die gesamte Tätigkeit des Rechtsanwalts im vorbereitenden Verfahren, dazu zählen insgesamt der gesamte Schriftverkehr mit dem Man-danten, mit Dritten, mit der Staatsanwaltschaft und dem Gericht, weitere Akteneinsicht, allge-meine Vorbereitung der Hauptverhandlung und auch Tätigkeiten im Beschwerdeverfahren (Burhoff in Gerold/Schmidt a. a. O. VV 4102 Rn. 8). Die erbrachten Tätigkeiten müssen daher im Rahmen der Bestimmung der Höhe der Gebühr nach § 14 Abs. 1 RVG gebührenerhöhend geltend gemacht werden (Burhoff in Gerold/Schmidt a. a. O., Vorbemerkung 4 Rn. 12). Die Tä-tigkeit des Verteidigers im vorbereitenden Verfahren erstreckte sich mitnichten lediglich auf die Anfertigung einer kurzen Stellungnahme, sondern auch auf das Betreiben des Beschwerdever-fahrens, mehrfachen Schriftwechsel mit der Staatsanwaltschaft und wiederholte Akteneinsicht-nahmen. Im Übrigen war die Sache von erheblicher Bedeutung. Immerhin war der Angeklagte u. a. wegen eines Verbrechens des besonders schweren Falls der Vergewaltigung angezeigt worden, was zwar (nur) zu einer Anklage wegen sexuellen Missbrauchs von Jugendlichen, aber immerhin vor der großen Jugendkammer des Landgerichts führte. Vor diesem Hintergrund war die Gebühr Nr. 4104 jedenfalls in Höhe der Gebühren für einen Pflichtverteidiger in Höhe von 132,-- € alles andere als unbillig.

Auch die geltend gemachte Revisionsgebühr in Höhe der Pflichtverteidigergebühr von 492,-- € ist nicht unbillig. Die Gebühr Nr. 4130 VV RVG entsteht, wenn der Rechtsanwalt erstmals nach Auftragserteilung für den Mandanten im Revisionsverfahren tätig wird. Die vom Rechtsanwalt erbrachte Tätigkeit muss nicht eine nach außen erkennbare Tätigkeit sein. Es genügt z. B. die interne Beratung des Mandanten über den weiteren Gang des Verfahrens. Ein Fall, bei dem der Rechtsanwalt bereits zu einem Zeitpunkt tätig geworden ist, wo die Revision der Staatsanwalt-schaft zwar eingelegt, aber noch nicht begründet worden und später zurückgenommen worden ist und bei dem eine Mindermeinung der Auffassung ist, dass in diesem Fall die Kosten eines in dieser Phase vom Angeklagten bereits eingeschalteten Rechtsanwalts nicht erstattungsfähig seien (vgl. Burhoff a. a. O. W 4130 Rn. 7 m. w. N.), liegt hier nicht vor. Die Staatsanwaltschaft hatte die Revision nicht nur eingelegt, sondern auch begründet. Die Revisionsbegründung ist dem Verteidiger zugestellt worden, der Rechtsanwalt hat daraufhin mit einer Stellungnahme reagiert. Die Sache ist für den Angeklagten auch nicht unbedeutend. Immerhin wäre das Revi-sionsverfahren nicht vor dem Oberlandesgericht — wie die Rechtspflegerin irrtümlich annimmt -, sondern vor dem Bundesgerichtshof zu führen gewesen. Da es sich um eine Revision der Staatsanwaltschaft handelte, lag auch kein Verschlechterungsverbot gem. § 358 Abs. 2 StPO vor, und der Angeklagte sah sich der ganzen Strafdrohung des § 182 Abs. 3 StGB von Frei-heitsstrafe von bis zu drei Jahren ausgesetzt.

Bei der Prüfung der Unbilligkeit der Forderung darf auch nicht unberücksichtigt gelassen wer-den, dass die Rechtspflegerin des Landgerichts der Nebenklägervertreterin ohne jede Bean-standungen die Revisionsgebühr Nr. 4130 VV RVG in Höhe von 492,-- € zugebilligt hatte. Es erscheint als unbillig, den Verteidiger des Angeklagten, der — anders als die Nebenklägerver-treterin — eine nach außen sichtbare Tätigkeit in Form der Anfertigung einer Revisionserwide-rung entfaltet hat, auf eine Gebühr in Höhe von lediglich 200,-- € zu verweisen.

Aus der Differenz der beantragten Gebühren (132,-- € + 492,-- € = 624,-- €) und der bewilligten Gebühren (110,-- € + 200,--€ = 310,-- €) ergibt sich der weiter zu erstattende Betrag in Höhe von 314,-- €.

Die Kostenentscheidung ergeht in entsprechender Anwendung von § 467 Abs. 1 StPO.


Einsender: RA C. Diedrich, Hamburg

Anmerkung:


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