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RVG Entscheidungen

Nr. 7002 VV

Auslagenpauschale, Anfall von Auslagen

Gericht / Entscheidungsdatum: AG Winsen, Beschl. v. 27.12.2015 - 18 II 531/11

Leitsatz: Für den Ansatz der pauschalen Post- und Telekommunikationsauslagen (Nr. 7002 VV RVG) kommt es nicht darauf an, ob im betreffenden Fall überhaupt Auslagen angefallen sind.


In pp.
hat das AG Winsen am 27.12.2015 beschlossen:

Auf die Erinnerung der Rechtsanwältin pp. vom 13.11.2015 gegen die teilweise Zurückweisung des Antrags der Rechtsanwältin pp. vom 30.09.2015 auf Zahlung einer Vergütung von 42,84 €, der nur über 35,70 € stattgegeben worden ist, wird der angefochtene Beschluss hinsichtlich der Zurückweisung aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an den Rechtspfleger zurückgereicht.

Gründe
I.
Der Rechtspfleger hat die Pauschale für Telekommunikationskosten in Höhe von 20% der Gebühren, hier 6,00 € plus Mehrwertsteuer, abgesetzt und in seiner Nichtabhilfeentscheidung dazu ausgeführt:

Die Erstattungsfähigkeit von Auslagen setzt grundsätzlich voraus, dass diese nach den Vergütungstatbeständen entstanden ist (hier also Nr. 7002 VV RVG) und nicht etwa nicht erforderlich erscheinen (§ 46 I RVG).

Die Pauschale Nr. 7002 VV RVG kann anstelle der der tatsächlichen Auslagen nach Nr. 7001 VV RVG geltend gemacht werden (Anmerkung 1 zu Nr. 7002 VV RVG). Nach Letzterer können nur die dem Rechtsanwalt konkret durch seine Tätigkeit in der Angelegenheit entstandenen Kosten geltend gemacht werden, entsprechend lässt sich auch die Pauschale Nr. 7002 VV RVG nur dort abrechnen, wo dem Rechtsanwalt in der Angelegenheit durch seine Kommunikation individuelle Kosten entstanden sind. Löst eine in der Angelegenheit erfolgte Kommunikation für den Rechtsanwalt hingegen keine individuellen Kosten aus, kann er diese weder konkret nach Nr. 7001 VV RVG noch pauschal nach Nr. 7002 VV RVG geltend machen. Die pauschale Abrechnungsmöglichkeit nach Nr. 7002 VV RVG befreit den Rechtsanwalt nur von der nach Nr. 7001 VV RVG sonst bestehenden Notwendigkeit, etwaige individuell anfallenden Kosten jeweils (aufwändig) zu sammeln und einzeln nachzuweisen, jedoch schafft Nr. 7002 VV RVG dem Anwalt nicht die Möglichkeit ohne Anfall individueller Kommunikationskosten jedwede sonst ggf. anfallenden pauschalen Kosten der Kommunikation neben seiner Vergütung auf die jeweilige Angelegenheit umzurechnen oder gar ohne jedwede Kommunikationskosten eine Zusatzvergütung abzurechnen.

Kosten die dem Rechtsanwalt nur allgemein bzw. pauschal für Kommunikation entstehen, sind durch die Gebühren abgegolten (Vorbemerkung 7 Abs. 1 S. 1 VV RVG). Entsprechend fallen pauschal und losgelöst vom Einzelfall anfallende Internet-, Email- oder Telefonkosten (z.B. Flatrates oder Pakete) nicht unter die Auslagentatbestände Nrn. 7001 und 7002 VV RVG, sondern sind mit den Gebühren abgegolten.

Dass hier individuelle Kosten vorgelegen hätten, ist nicht ersichtlich.

Für Emailverkehr bedeutet individuelle Kosten, dass eine in der Sache von der Anwältin empfangene oder versandte Email, für die Anwältin einen einzelnen Kostenbetrag ausgelöst hätte. Dies ist vorliegend nicht erkennbar. Etwaige monatliche Kosten für einen Emailzugang, lassen sich über die Auslagentatbestände Nrn. 7001 oder 7002 VV RVG neben den Gebühren nicht auf die Angelegenheit umlegen.

Für Telefonverkehr bedeutet individuelle Kosten, dass ein in der Sache von der Anwältin entgegengenommenes oder durch eigenen Anruf begonnenes Telefonat, für die Anwältin einen einzelnen Kostenbetrag ausgelöst hätte. Dies ist vorliegend nicht erkennbar. Etwaige monatliche Kosten für einen Telefonanschluss oder eine Telefonflatrate/-paket, lassen sich über die Auslagentatbestände Nrn. 7001 oder 7002 VV RVG neben den Gebühren nicht auf die Angelegenheit umlegen.

Es wird hier davon ausgegangen, dass der Rechtsanwältin durch einen etwaigen Telefon- und Emailverkehr keine individuellen Kosten entstanden sind. Sollte dies anders sein, wäre dies vorzutragen und zumindest für einen individuellen Kostenbetrag zu belegen.

Selbst wenn individuelle Kommunikationskosten angefallen wären, sind diese nicht per se erstattungsfähig. Eine Erstattung käme nur in Betracht, soweit diese nicht etwa nicht erforderlich waren. Es ist weder vorgetragen noch erkennbar, warum vorliegend eine Kommunikation per Email oder Telefon erforderlich gewesen sein soll. Bei einer einfachen Beratung fallen diese Kosten regelmäßig nicht an.

II.

Der hier zur Entscheidung berufene Abteilungsrichter folgt dem nicht, weil der Begriff der Pauschale zu eng ausgelegt wird.

Zwar ist es zutreffend, dass es in Nr. 7001 RVG-VV heißt, dass die Entgelte für die Post- und Telekommunikationsdienstleistungen (so sie denn erstattungsfähig sind und nicht allgemein Kosten darstellen) in voller Höhe in Rechnung gestellt werden können oder stattdessen eine Pauschale in Höhe von 20 % der Gebühren, höchstens jedoch 20,00 € angesetzt werden kann. Daraus könnte man den Schluss ziehen, es müsse nachgewiesen werden, dass überhaupt erstattungspflichtige Einzelkosten angefallen sind. Konsequent hat der Rechtspfleger daher erwartet, dass ihm dargelegt wird, welche Post- und Telekommunikationsleistung erbracht worden seien und dass diese durch einzelkostenauslösende Leistungen erbracht worden sind. Das hätte z.B. den Nachweis erfordert, dass Briefe versandt worden sind und diese nicht etwa per Fax oder Mail, sondern per Postunternehmen versandt worden sind und - wenn sie per Fax übersandt worden sein sollten - ein Fax Einzelkosten verursacht hat und das Anwaltsbüro nicht etwa eine Flatrate genutzt hat. Dafür wären umfangreiche Darlegungen und Dokumentationen erforderlich.

Der zur Entscheidung berufene Richter vertritt aber die Auffassung, dass das Verlangen eines solchen Nachweisaufwandes mit dem Wesen einer Pauschale und dem Massengeschäft der Kostenfestsetzung nach dem RVG nicht vereinbar ist.

Zutreffend weist das OLG Nürnberg in seiner Entscheidung vom 20.06.2008 (13 W 882/08) darauf hin, dass in den Erläuterungen zum Entwurf des Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes (BT-Drucksache 15/1971, Seite 1) das Ziel des Gesetzgebers formuliert ist, durch das Kostenrechtsmodernisierungsgesetz solle das Kostenrecht "transparenter und einfacher" gestaltet werden. Deswegen ist mit dem Brandenburgisches Oberlandesgericht in seiner Entscheidung vom 08.01.2009 (6 W 173/08) die Auffassung zu vertreten, dass im Hinblick auf die begrenzten Ressourcen der Justiz dem gesetzgeberischen Ziel der Vereinfachung des Kostenrechtes nur durch eine nachweisunabhängige Anbindung der Auslagenpauschale an die im Beratungshilfeverfahren tatsächlich entstandenen Gebühren Rechnung getragen werden kann. Es war nicht Intention des Gesetzgebers, dass der Kostenbeamte prüft, ob überhaupt einzelne Post- und Telekommunikationskosten angefallen sind (oder ob sie gegebenenfalls Teil einer Pauschale - Flatrate - waren) und ob die einzeln darzulegende Kostenauslösung überhaupt i.S.v. § 46 Abs. 1 RVG erforderlich war.

Der Begriff der Pauschale wird auch auf anderen Rechtsgebieten als Synonym für einen Zahl- oder Anrechnungsbetrag ohne Prüfung der Frage verwandt, ob überhaupt etwas angefallen ist, weil bei bestimmten Geschäften davon ausgegangen wird, dass etwas anfällt und die Frage, ob und was angefallen ist, aus Vereinfachungsgründen gerade nicht geprüft werden soll. So erhält ein Geschädigter eines Verkehrsunfalls nach ständiger Rechtsprechung eine Unfallkostenpauschale unabhängig von der Frage, ob in seinem Fall überhaupt Einzelkosten angefallen sind. Auch hier wird nicht gefragt, ob er jemals einen Brief versandt oder ob er für seinen heimischen Telefonanschluss eine Flatrate hat oder Einzelkosten aufzuwenden hatte. Auch im Steuerrecht wird der Begriff der Pauschale dahingehend verwandt, dass zum Beispiel einem Arbeitnehmer ein Arbeitnehmerpauschbetrag als Steuerfreibetrag zugebilligt erhält, ohne dass er nachweisen müsste, ob überhaupt Werbungskosten angefallen sind.

Deswegen verbietet es sich bei den Pauschbeträgen des RVG Nachweise darüber zu verlangen, ob solche Kosten überhaupt mit mindestens 0,01 € angefallen sind oder nicht. Das ist mit dem Begriff des Pauschbetrages im Sinne des RVG und mit der Intention des Gesetzgebers nicht zu vereinbaren. Dementsprechend hat das Gericht bei JURIS mit vertretbarem Aufwand auch keine Entscheidung gefunden, die sich mit dieser Auffassung näher auseinandersetzt, geschweige denn dieser Rechtsmeinung beitritt.

Eine prozentuale Post- und Telekommunikationspauschale von 20 % der angefallenen Gebühren, höchstens 20,00 €, ist deshalb unabhängig von der Frage zuzubilligen, ob im Einzelfall ausscheidbaren Einzelkosten überhaupt angefallen sind.


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