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RVG Entscheidungen

§ 48

Voraussetzungen für die nachträgliche Erstreckung

Gericht / Entscheidungsdatum: LG Bielefeld, Beschl. v. 4. 1. 2006, Qs 731/05 III

Fundstellen:

Leitsatz: Über die Frage der Erstreckung der Pflichtverteidigerbestellung gemäß § 48 Abs. 5 Satz 3 RVG kann nur nach einer Gesamtwürdigung aller Umstände entschieden werden.


Qs 731/05 III LG Bielefeld
Landgericht Bielefeld
Beschluss
In der Strafsache gegen pp.
wegen Raubes
hat die III. große Strafkammer - Jugendkammer - des Landgerichts Bielefeld auf die Beschwerde der Verteidigung vom 24.10.2005 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Bielefeld vom 20.10.2005 am 04.01.2006 beschlossen :
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben. Die Wirkung der Pflichtverteidigerbestellung in dem Verfahren 15 Js 1453/04 (StA Bielefeld) wird gemäß § 48 Abs. 5 S. 3 RVG auf die hinzu verbundenen Verfahren 55 Js 1921/04, 55 Js 430/05 und 55 Js 426/05 (jeweils StA Bielefeld) erstreckt.
Die Landeskasse trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen des Angeklagten.

Gründe

Wie das Amtsgericht jedenfalls zum Ende des angefochtenen Beschlusses hin zutreffend ausgeführt hat, kann über die Frage der Erstreckung der Pflichtverteidigerbestellung gemäß § 48 Abs. 5 Satz 3 RVG nur nach Gesamtwürdigung aller Umstände entschieden werden. Diese ergibt jedoch nach Wertung der Kammer in Abweichung von der Einschätzung des Amtsgerichts, dass die in dem Verfahren 15 Js 1453/04 erfolgte Pflichtverteidigerbestellung auch in den hinzu verbundenen Verfahren 55 Js 1921/04, 55 Js 430/05 und 55 Js 426/05 Wirkung entfalten muss.

Dabei wird hier zunächst schon bei isolierter Betrachtung der einzelnen hinzuverbundenen Verfahren deutlich, dass ihnen jeweils durchaus erhebliche Tatvorwürfe zugrunde lagen. In diesem Zusammenhang erscheinen die Ausführungen des Amtsgerichts in dem angefochtenen Beschluss, dass die „Vorwürfe aus 55 Js 1921/04 und 55 Js 426/05 nicht so schwerwiegend" gewesen seien, wenig nachvollziehbar: Aufgrund der in diesen Verfahren erhobenen Anklagen ist eine Verurteilung wegen gemeinschaftlichen Wohnungseinbruchsdiebstahls bzw. wegen gemeinschaftlichen Diebstahls im besonders schweren Fall sowie versuchten gemeinschaftlichen Diebstahls im besonders schweren Fall erfolgt. Dies sind zwar jeweils (noch) keine Verbrechen im Rechtssinn; ausweislich der zutreffenden Ausführungen im Urteil des Jugendschöffengerichts vom 30. Juni 2005 handelt es sich dennoch um „Taten mit jeweils erheblicher Schuld", welche „zumindest vom Grundsatz her im Fall der Anwendung des allgemeinen Strafrechtes mit einer schon vom Strafrahmen her im Mindestmaß deutlich erhöhten Freiheitsstrafe zu ahnden gewesen wären". Entsprechend hat sich das Amtsgericht im Rahmen der Strafzumessung - insoweit nachvollziehbar - auch veranlasst gesehen, jedenfalls wegen der dem Verfahren 55 Js 1921/04 zugrundeliegenden Tat vom 30.10.2004 u.a. auf den Gesichtspunkt der Schwere der Schuld gemäß § 17 Abs. 2 JGG Bezug zu nehmen. Weiterhin erübrigen sich auch hinsichtlich des weiteren Verfahrens 55 Js 430/05 nach Ansicht der Kammer schon angesichts des entsprechend erfolgten Schuldspruchs - gemeinschaftliche gefährliche Körperverletzung in zwei rechtlich zusammentreffenden Fällen in Tateinheit mit gemeinschaftlicher Nötigung in zwei rechtlich zusammentreffenden Fällen sowie in weiterer Tateinheit mit gemeinschaftlicher Freiheitsentziehung in zwei rechtlich zusammentreffenden Fällen - weitere Ausführungen zum zweifellos vorhandenen deutlichen Gewicht des Tatvorwurfs.

Bereits die jeweilige Schwere der den hinzuverbundenen Verfahren zugrundeliegenden Taten würde damit nach Wertung der Kammer - auch unter Berücksichtigung des noch sehr jungen Alters des Verurteilten - eine jeweilige Pflichtverteidigerbestellung, damit auch eine nachträgliche Erstreckung gemäß § 48 Abs. 5 S. 3 RVG zumindest nahe legen.

Eine solche isolierte Betrachtungsweise erscheint der Kammer jedoch im übrigen ohnehin unangemessen: Ausweislich des Urteils ist seitens des Amtsgerichts nach Verbindung der Verfahren gerade auch aufgrund der Mehrzahl der somit abzuurteilenden Taten das Vorliegen schädlicher Neigungen i.S.d. § 17 JGG festgestellt und infolgedessen eine nicht unerhebliche Einheitsjugendstrafe als einheitliche Rechtsfolge verhängt worden. Es kann in diesem Zusammenhang nicht der Billigkeit entsprechen, die Tatkomplexe der verbundenen Verfahren für die Frage nach der Notwendigkeit einer Pflichtverteidigung dennoch einer jeweils gesonderten Bewertung zu unterziehen. Vielmehr muss im Rahmen der gemäß § 48 Abs. 5 S. 3 RVG vorzunehmenden Abwägung - jedenfalls im Bereich des Jugendstrafrechts - nach Wertung der Kammer der Gesamtwürdigung aller Umstände das allein entscheidende Gewicht zugemessen werden. Diese gebietet im vorliegenden Fall vor allem auch angesichts der Höhe der zu erwartenden - und letztlich auch verhängten - Einheitsjugendstrafe die Erstreckung der Wirkung der Pflichtverteidigerbestellung auch auf sämtliche verbundene Verfahren.

Daher war der Beschwerde mit der Kostenfolge der §§ 465, 467 StPO stattzugeben.

Einsender: Rain v.Schnakenburg, Bielefeld

Anmerkung: Bei der Entscheidung handelt es sich - soweit ersichtlich - um die erste bekannt gewordene, die sich mit den Kriterien für die Erstreckung nach § 48 Abs. 5 Satz 3 RVHG auseinandersetzt. Es handelt sich um die Beschwerdeentscheidung eines Landgerichts, das zur Frage der Zulässigkeit der Beschwerde gegen die amtsgerichtliche Ablehnung nicht näher Stellung genommen hat, sondern davon offenbear als selbstverständlich ausgeht.


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