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RVG Entscheidungen

Gebühren-/Kostenfragen - Allgemeines

Auslegung, Kostenregelung, Adhäsionsverfahren, Prozessvergleich

Gericht / Entscheidungsdatum: KG, Beschl. v. 29.05.2015 – 1 Ws 4/15

Leitsatz: 1. Der in einer Strafsache protokollierte Vergleich zwischen dem Angeklagten und dem Adhäsionskläger ist nach den kostenrechtlichen Grundsätzen und Regelungen der Zivilprozessordnung auszulegen.
2. Haben der Angeklagte und der Adhäsionskläger in einem solchen Vergleich vereinbart, dass der Angeklagte die „Kosten“ des Adhäsionsverfahrens und des Vergleichs zu tragen hat, ist damit zugleich eine Regelung über die notwendigen Auslagen des Adhäsionsklägers getroffen.


KAMMERGERICHT
Beschluss
In der Strafsache
gegen pp.
wegen gefährlicher Körperverletzung
hat der 1. Strafsenat des Kammergerichts am 29. Mai 2015 beschlossen:

1. Auf die sofortige Beschwerde des Adhäsionsklägers wird der Beschluss des Landgerichts Berlin vom 20. November 2014 aufgehoben.

Die Vergütung des Rechtsanwalts J. K. wird hinsichtlich seiner Heranzie-hung in dem mit dem Vergleich vom 27. März 2014 beendeten Adhäsions-verfahren gegen den zur Erstattung verpflichteten E.C. M. auf
2.015,86 Euro
nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz (§ 247 BGB) seit dem 28. Juli 2014 festgesetzt.

2. Kostenfestsetzungs- und Beschwerdeverfahren sind gebührenfrei. Die dem Beschwerdeführer entstandenen notwendigen Auslagen hat der Adhä-sionsbeklagte M. zu tragen.



G r ü n d e

Der Angeklagte und Adhäsionsbeklagte M. verpflichtete sich in einem am 27. März 2014 vor der Jugendkammer des Landgerichts geschlossenen Vergleich unter ande-rem, an den Adhäsionskläger ein Schmerzensgeld in Höhe von 10.000.-- EUR nebst Zinsen zu zahlen sowie die „Kosten“ des Adhäsionsverfahrens und des Vergleichs zu tragen. Nach Anhörung der Vergleichsparteien hat das Landgericht den Gegen-standswert auf 10.000,-- EUR festgesetzt.

In seinem Antrag vom 28. Juli 2014 hat der Adhäsionskläger gemäß § 464b StPO die Festsetzung seiner notwendigen Auslagen für die anwaltliche Vertretung im Ad-häsionsverfahren in Höhe von 2.015,86 Euro geltend gemacht. Mit Beschluss vom 20. November 2014 hat der Rechtspfleger des Landgerichts den Kostenfestset-zungsantrag zurückgewiesen, weil der Vergleich keine Regelung bezüglich der not-wendigen Auslagen enthalte. Kosten des Verfahrens seien nach § 464a Abs. 1 StPO nur die Gebühren und Auslagen der Staatskasse. Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Adhäsionsklägers, der seinen Antrag weiterverfolgt.

Die nach § 104 Abs. 3 Satz 1 ZPO, § 11 Abs. 1 RPflG statthafte und auch sonst zu-lässige sofortige Beschwerde hat Erfolg.

1. Mit dem hier geschlossenen Vergleich haben die Parteien unter Zugrundelegung des zivilprozessualen Kostenbegriffs zugleich eine Regelung über die notwendigen Auslagen des Adhäsionsklägers getroffen.

Das Kostenfestsetzungsverfahren richtet sich nach §§ 103 f ZPO. Zuständig für die Festsetzung ist der Rechtspfleger des mit der Strafsache befassten Landgerichts (§ 104 Abs. 1 Satz 1 ZPO, § 21 Nr. 1 RPflG). Grundlage für die Festsetzung nach §§ 103 f ZPO ist der nach § 405 Abs. 1 Satz 1 StPO geschlossene und protokollierte Prozessvergleich vom 27. März 2014 als Vollstreckungstitel (§ 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Dieser ist nach den kostenrechtlichen Grundsätzen und Regelungen der Zivil-prozessordnung auszulegen (vgl. LG Hildesheim, Beschluss vom 23. September 2013 – 22 Qs 7/13 – ; Burhoff/Volpert, RVG in Straf- und Bußgeldsachen 4. Aufl., Teil A Rdn. 728 und 1341).

Dem steht nicht entgegen, dass innerhalb eines Strafverfahrens – wie hier hinsicht-lich der Festsetzung nach § 103 f ZPO aus dem Vergleich und der Festsetzung nach § 464b StPO aus der gerichtlichen Kosten- und Auslagenentscheidung in dem Urteil gegen die anderen Adhäsionsbeklagten – unterschiedliche Verfahrensordnungen und Kostenbegriffe gelten können. Mit der Einführung der Regelungen über das Adhäsi-onsverfahren hat der Gesetzgeber zugunsten einer schnellen und effizienten Erledi-gung der mit einer Straftat verbundenen Rechtsfragen die Anwendung von Normen aus unterschiedlichen Rechtsgebieten in Kauf genommen (vgl. Meier/Dürre: Das Ad-häsionsverfahren, JZ 1/2006, S. 18 [19, 25]). Er hat Vorschriften aus Buch 8 der Zi-vilprozessordnung (§ 406 Abs. 3 Satz 2 StPO) und zivilrechtliche Elemente wie den Vergleich (§ 405 StPO) in das Strafverfahren übertragen. Insofern liegt die Anwen-dung des zivilprozessualen Kostenbegriffs nahe. Denn § 405 StPO beruht auf den Vorstellungen und Grundsätzen des Zivilprozessrechts (vgl. LG Hildesheim, a.a.O.). Dies zeigt die inhaltliche Übereinstimmung zwischen § 160 Abs. 3 Nr. 1, Abs. 4 Satz 1 ZPO und § 405 Abs. 1 StPO, der die Protokollierung auf Antrag regelt. Die Über-tragung zivilrechtlicher Grundsätze ist folgerichtig, denn der Vergleich ist ein privat-rechtlicher Vertrag über zivilrechtliche Ansprüche. Das Strafverfahren bietet lediglich den Anlass und über das Adhäsionsverfahren die Möglichkeit für diese Vereinbarung. Damit geht einher, dass die Einigung hinsichtlich der Haupt- und Nebenforderungen – wie in dem Vergleich vom 27. März 2014 auch – dem Sprachgebrauch des Zivil-rechts folgt. Eine davon abweichende Behandlung der zwischen den Vergleichspar-teien getroffenen Kostenregelung nach den Regelungen der Strafprozessordnung, die insoweit keine gesonderte Regelung enthält, führte zu einer Aufspaltung dieser rechtlich selbstständigen Vereinbarung, die nicht sachgerecht wäre und den Interes-sen der Parteien widerspräche.

Für die Anwendung des zivilprozessualen Kostenbegriffs spricht nicht zuletzt, dass die zwischen Adhäsionskläger und –beklagtem hinsichtlich der Kosten getroffene Vereinbarung ins Leere ginge, wenn sie nur die Gerichtskosten beträfe. Denn eine Gerichtsgebühr entsteht im Adhäsionsverfahren nur im Falle eines dem Adhäsions-antrag stattgebenden Urteils nach § 406 Abs. 1 Satz 1, 2 StPO (KV 3700 GKG). Hat das Gericht nicht durch Urteil entschieden, weil sich die Parteien – wie hier – gericht-lich oder außergerichtlich geeinigt haben, wird keine Gerichtsgebühr nach § 34 GKG, KV 3700 erhoben (vgl. 1 Abs. 1 Satz 1 GKG). Anhaltspunkte für streitwertabhängige besondere Auslagen des Gerichts in diesem Adhäsionsverfahren, die Anlass für eine diesbezügliche Vereinbarung hätten geben können, bestehen ebenfalls nicht. Danach kann die Vereinbarung über die Kosten nur die unabhängig von einer Verurteilung anfallenden Anwaltsgebühren im Adhäsionsverfahren betreffen, denn an einer Eini-gung über nicht entstandene Kosten haben die Beteiligten kein Interesse. Dies gilt auch für den nach Anhörung der am Vergleich beteiligten Parteien gemäß § 33 Abs. 1 RVG bestimmten Gegenstandswert.

Mit der Vereinbarung über die Kosten des Adhäsionsverfahrens und des Vergleichs haben die Parteien eine der Festsetzung gegen den Adhäsionsbeklagten M. zugäng-liche Regelung über die Vergütung des anwaltlichen Beistands des Adhäsionsklägers getroffen. Denn nach den Maßstäben in §§ 91 ff ZPO bedurfte es für die Festset-zung der anwaltlichen Vergütung keiner ausdrücklichen Auferlegung notwendiger Auslagen. Während § 472a StPO zwischen Kosten, gerichtlichen Auslagen und not-wendigen Auslagen der Beteiligten unterscheidet, weshalb die Festsetzung notwen-diger Auslagen des Adhäsionsklägers nach § 464b StPO nur in Betracht kommt, wenn sie dem Adhäsionsbeklagten (ausdrücklich) durch richterlichen Beschluss oder Urteil auferlegt worden sind, erfasst der einheitliche Kostenbegriff in §§ 91 ff ZPO Gerichtsgebühren, gerichtliche Auslagen und außergerichtliche Kosten. Zu diesen Kosten zählen die zur Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Kos-ten, insbesondere die gesetzlichen Gebühren und Auslagen der Rechtsanwälte, die sich nach dem RVG berechnen (vgl. Musielak/Lackmann, ZPO 12. Aufl., vor §§ 91 ff. Rdn. 3, 5). Der Wortlaut des Gesetzes ist eindeutig: § 91 Abs. 2 ZPO verwendet die Begriffe Kosten, gesetzliche Gebühren und Auslagen der Rechtsanwälte syno-nym. § 98 ZPO, der die Erstattung der Vergleichskosten regelt, unterscheidet eben-falls nicht zwischen Kosten und Auslagen.

2. § 464b StPO ist nicht einschlägig. Die Kostenfestsetzung nach § 464b StPO setzt eine Gerichtsentscheidung über die Kosten und die notwendigen Auslagen nach § 464 Abs. 1, 2 StPO voraus (vgl. KK-StPO/Gieg 7. Aufl., § 464b Rdn. 2; KMR/Stöckel 45. EL, § 464b Rdn. 1).

Der Prozessvergleich vom 27. März 2014 ist keine Grundentscheidung im Sinne des § 464b StPO. Für eine gerichtliche Entscheidung, die Grundlage der nach § 464b StPO beantragten Festsetzung der notwendigen Auslagen des Adhäsionsklägers hätte sein können (etwa nach § 472a StPO), war hier kein Raum mehr. Denn der schuldrechtliche Vertrag, mit dem Adhäsionskläger und –beklagter zivilrechtliche An-sprüche erledigen, erfasst – abgesehen von einem in den Text der Vereinbarung aufgenommenen abweichenden Parteiwillen – auch etwaige Nebenforderungen und die auf das Adhäsionsverfahren entfallenden Kosten. Er beendet dieses Verfahren endgültig, denn durch den Vergleich ist der Adhäsionsantrag gegenstandslos gewor-den. Zugleich wird die nach § 404 Abs. 2 Satz 1 StPO eingetretene Rechtshängigkeit des Adhäsionsanspruchs beendet (vgl. BGH, Beschlüsse vom 26. Juni 2014 – 2 StR 110/14 – und vom 15. Januar 2013 – 4 StR 522/12 – ; Meier/Dürre, a.a.O., S. 24). Nach Abschluss des Vergleichs ist das Adhäsionsverfahren einer gerichtlichen Ent-scheidung nicht mehr zugänglich (vgl. BGH, a.a.O.).

3. Ausgehend von dem gemäß § 33 Abs. 1 RVG gerichtlich bestimmten Gegen-standswert (§ 2 Abs. 1 RVG) setzt der Senat die anwaltlichen Gebühren und Ausla-gen des im Adhäsionsverfahren nicht beigeordneten Rechtsanwalts antragsgemäß wie folgt fest:

Verfahrensgebühr 2,0 (VV 4143 RVG, § 13 RVG) 1.116,-- Euro

Einigungsgebühr 1,0 (VV 1000, 1003 RVG, § 13 RVG) 558,-- Euro

Post- und Telekommunikationspauschale (VV 7002 RVG) 20,-- Euro

Vergütung insgesamt: 1.694,-- Euro

zuzüglich 19 % Umsatzsteuer (VV 7008 RVG) 321,86 Euro

Gesamtsumme 2.015,86 Euro

Der Zinsausspruch beruht auf § 104 Abs. 1 Satz 2 ZPO.

4. Das Kostenfestsetzungsverfahren und das Beschwerdeverfahren sind gebühren-frei. Eine Gerichtsgebühr wird nur bei einer Verwerfung der Beschwerde oder einer Zurückverweisung der Sache erhoben (KV 1812 GKG). Die dem Adhäsionskläger entstandenen notwendigen Auslagen, insbesondere die im Beschwerdeverfahren entstandene Gebühr (0,5) nach VV 3500 RVG, hat der Adhäsionsbeklagte M. zu tragen (§ 91 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 ZPO).

Einsender: RiKG K-P. hanschke, Berlin

Anmerkung:


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