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RVG Entscheidungen

Nr. 4110 VV

Längenzuschlag, Mittagspause, Berücksichtigung

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Frankfurt, Beschl. v. 27.04.2015 - 2 Ws 31/15

Leitsatz: Längere (Mittags)Pausen werden bei der Ermittlung der für die Gewährung eines Längenzuschlags maßgeblichen Hauptverhandlungsdauer immer abgezogen.


2 Ws 31/15
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN
BESCHLUSS
In der Strafsache
gegen pp.
wegen Körperverletzung mit Todesfolge u. a.,
hier: Festsetzung der Vergütung des dem Nebenkläger Beistand beigeordneten Rechtsanwalts Philipp Munzinger, Carl-TheodorStr. 7, 68723 Schwetzingen,
hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main — 2. Strafsenat — durch die Einzelrichterin
am 27. ApriI 2015 beschlossen:
Die Beschwerde des Nebenklägervertreters gegen den Beschluss der 1. Straf-kammer — Einzelrichter - des Landgerichts Hanau vom 18. Februar 2015 wird als unbegründet verworfen.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei, Kosten werden nicht erstattet

Gründe:
Die Beschwerde des Nebenklägervertreters, die sich ausschließlich gegen die Versagung von zwei Zusatzgebühren für eine überlange Verfahrensdauer nach Nr. 4122 VV RVG richtet, ist zulässig. Sie ist statthaft (§ 56 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit § 33 Abs. 3 RVG) und sowohl formgerecht (§ 33 Abs. 7 RVG) als auch innerhalb der gesetzlichen Frist von zwei Wochen (§ 33 Abs. 3 Satz 3 RVG) erhoben worden. Ebenso ist der - mangels Zulassung des Rechtsmittels durch das Landgericht - erforderliche Beschwerdewert von mehr als 200,00 € erreicht, da der Nebenklägervertreter die Festsetzung weiterer 504, 56 € (einschließlich Mehrwertsteuer) begehrt.

Über das Rechtsmittel hat, da die angefochtene Entscheidung von einem Einzelrichter erlassen wurde, der Senat durch den Einzelrichter zu entscheiden (§ 33 Abs. 8 S. 1 RVG).

Die Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Dem beigeordneten Rechtsanwalt stehen die beantragten zwei Zusatzgebühren nach Nr. 4122 VV RVG (Teilnahme an der Hauptverhandlung für mehr als fünf und bis zu acht Stunden) nicht zu.

geht vorliegend ausschließlich um die Frage, ob bei der Berechnung der Länge einer Hauptverhandlung die im Protokoll vermerkten Unterbrechungen für die Bestimmung der vergütungspflichtigen Gesamtdauer abgezogen werden müssen.

Ausgangspunkt der Honorierung durch die strafrechtliche Terminsgebühr ist, wie der Senat in der Besetzung mit drei Richtern in seinem Beschluss vom 13. März 2012 (2 Ws 18/12) ausgeführt hat, alleine die Zurverfügungstellung der persönlichen Anwesenheit des Pflichtverteidigers bzw. des beigeordneten Rechtsanwalts zur Durchführung einer strafrechtlichen Hauptverhandlung auf Ladung des Gerichtes. Damit ist vom Grundsatz her die Terminsgebühr an der im Protokoll vermerkten „Nettoanwesenheit" in der Hauptverhandlung zu bemessen. Pausen und Unterbrechungen sind keine Hauptverhandlung (vgl. den Senatsbeschluss a.a.O. mit weiteren Nachweisen). Es spielt für die Frage der Vergütung dabei auch keine Rolle, ob diese Unterbrechungen inhaltlich der Hauptverhandlung dienen. Auch andere Handlungen des Pflichtverteidigers bzw. des beigeordneten Rechtsanwalts (z.B. Beratung mit dem

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Mandanten, Vorbereitung der Hauptverhandlung oder des Plädoyers, Niederlegung von Beweisanträgen etc.) dienen letztlich der Hauptverhandlung und werden, soweit vom Gesetzgeber als honorabel anerkannt, über andere Gebührentatbestände abgegolten (vgl. VV RVG Nr. 4100 ff). Ansonsten hätte es der Pflichtverteidiger bzw. der beigeordnete Rechtsanwalt in der Hand, seine bereits vergüteten Tätigkeiten (z.B. die Vorbereitung der Hauptverhandlung, die Beratung mit dem Mandanten) über Verhandlungspausen in die Hauptverhandlung zu verlagern, um so künstlich Zuschläge zu generieren und damit eine teilweise Doppelvergütung zu erreichen. Die Einwände, dass der Pflichtverteidiger bzw. der beigeordnete Rechtsanwalt keinen Einfluss auf die Verhandlungsunterbrechungen durch das Gericht hat, diese „nicht vorhersehen" und die dadurch entstandene Zeit nicht „sinnvoll" nutzen könne, sind Relikte aus der BRAGO und finden in der pauschalisierten Konzeption des RVG keine Stütze. Gerade vor dem Hintergrund, dass der Rechtsanwalt nach Vorb. 4 Abs. 3 S. 2 f VV RVG die Terminsgebühr auch erhält, wenn er zu einem anberaumten Termin erscheint, dieser aber aus Gründen, die er nicht zu vertreten hat, nicht stattfindet, macht deutlich, dass er sie ohne diese Sonderregelung gerade nicht bekommen hätte, weil keine Hauptverhandlung stattgefunden hat. Wartezeiten und Vorhaltezeiten wie sie durch Pausen und Unterbrechungen während der Hauptverhandlung entstehen, sind typische Begleiterscheinungen des Berufsbildes des Rechtsanwaltes und insb. des Strafverteidigers und weder eigenständig vergütungspflichtig noch stellen sie Besonderheiten da, die durch Ausweitung bestehender Vergütungstatbestände aufgefangen werden müssen. Der Gesetzgeber wollte mit dem RVG gerade die intransparente Kasuistik zu Sondervergütungen für Rechtsanwälte beenden und durch transparente Vergütungstatbestände pauschalisieren. Dem RVG liegt die Konzeption einer Mischkalkulation zu Grunde. Die Bewertung, ob der Pflichtverteidiger die der Tätigkeit des Strafverteidigers immanenten Warte- und Vorhaltezeiten „sinnvoll" nutzen kann, steht weder dem Rechtspfleger noch dem Gericht zu. Es obliegt dem Strafverteidiger seine Tätigkeit so zu organisieren, wie er es für „sinnvoll" erachtet. Ob er die Zeit für Gespräche auf dem Gerichtsflur nutzt, Mittagessen geht, mit seinem Büro telefoniert oder sich anderweitig beschäftigt, ist alleine seine Entscheidung. Wie lange eine Unterbrechung dauert, kann, soweit sie nicht durch das Gericht ohnehin mitgeteilt wird, erfragt werden.

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Der so vom RVG vorgegebene „Nettogrundsatz" wird durch das Kriterium, dass Wartezeiten dann relevant werden können, wenn sich der Pflichtverteidiger bzw. der bei-geordnete Rechtsanwalt „zur Durchführung einer strafrechtlichen Hauptverhandlung" sozusagen „in Bereitschaft" halten muss, durchbrochen. Dabei geht es alleine um die personale Anwesenheit des Pflichtverteidigers bzw. des beigeordneten Rechtsanwalts.
Dabei wird, um den Pauschalisierungsgedanken des Gesetzgebers Rechnung zu tragen, bei kürzeren Verhandlungspausen vom Grundsatz davon auszugehen sein, dass der Pflichtverteidiger bei diesen Unterbrechungen und Wartezeiten dem Gericht nach wie vor zur Verfügung steht. Das ist auch die Begründung für die Berücksichtigung der angeordneten Termins stunde als gebührentechnischer Beginn der Hauptverhandlung und nicht der im Protokoll vermerkte tatsächliche Hauptverhandlungsbeginn.
Von diesem Prinzip ausgehend, verliert diese Indizwirkung ihre Anscheinsfunktion jedoch dann, wenn die Unterbrechungen länger andauern, so dass in Übereinstimmung mit der herrschenden Meinung der Oberlandesgerichte Unterbrechungen über eine Stunde grundsätzlich ein Indiz dafür sind, dass während dieser Zeit der Pflichtverteidiger bzw. der beigeordnete Rechtsanwalt nicht für das Gericht in Bereitschaft steht, er damit nicht rechnen musste, dass die Hauptverhandlung jederzeit wieder aufgerufen werden wird. Ob er diese Zeit sinnvoll oder nicht sinnvoll nutzen kann, ist dabei wie oben ausgeführt unerheblich. Er verliert seinen Gebührenanspruch nicht, sondern es bleibt lediglich bei der vom Gesetzgeber pauschalisierten Terminsgebühr, die für die bloße Anwesenheit in der Hauptverhandlung gewährt wird. Ausgangspunkt und entscheidend ist alleine, dass keine Bereitschaftsanweisung des Gerichts vorliegt. Überschreitet die einzelne Unterbrechung danach eine Stunde, ist sie gänzlich in Abzug zu bringen.

Vorliegend führt dies dazu, dass die bei der Kostenfestsetzung berücksichtigten Verhandlungspausen nicht zu beanstanden sind und damit die Voraussetzungen für die begehrte Festsetzung der zwei Zusatzgebühren Nr. 4122 VV RVG nicht vorliegen.

Soweit der Beschwerdeführer „höchst vorsorglich beantragt, die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen", ist dafür keine Rechtsgrundlage ersichtlich.

Einsender: RA P. Munzinger, Schwetzingen

Anmerkung:


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