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RVG Entscheidungen

Nr. 4100 VV

Grundgebühr, Verfahrensgebühr, Verhältnis

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Saarbrücken, Beschl. v. 10.11.2014 - 1 Ws 148/14

Leitsatz: Für die Tätigkeit in einem jeden gerichtlichen Verfahren entsteht eine Verfahrensgebühr als Ausgangsgebühr. Durch sie wird bereits die Information als Bestandteil des Betreibens des Geschäfts entgolten. Die daneben entstehende Grundgebühr soll den zusätzlichen Aufwand entgelten, der für die erstmalige Einarbeitung anfällt


SAARLÄNDISCHES OBERLANDESGERICHT
BESCHLUSS
In der Strafsache
gegen pp.
wegen Diebstahls mit Waffen pp.
(hier: Festsetzung der Vergütung des Pflichtverteidigers)
Verteidiger: Rechtsanwalt X.
Rechtsanwältin pp.1
hat der 1. Strafsenat des Saarländischen Oberlandesgerichts in Saarbrücken am 10. November 2014 durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht
den Richter am Oberlandesgericht
den Richter am Oberlandesgericht
beschlossen:
1. Auf die Beschwerde der Verteidigerin Rechtsanwältin pp. 1 vom 16. Oktober 2014 wird der Beschluss der 6. Strafkammer des Landgerichts Saarbrücken vom 30. Septem-ber 2014 aufgehoben.
Auf die Erinnerung der Verteidigerin Rechtsanwältin pp. 1 vom 9. September 2014 wird die Kos-tenfestsetzung der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des Landgerichts Saarbrücken vom 22. August 2014 dahin abgeändert, dass über den bereits festgesetzten Betrag in Höhe von 761,60 € hinaus eine an Rechtsanwältin pp. 1, aus der Landeskasse zu zahlende Vergütung in Höhe ei-nes weiteren Betrages von 694,96 € festgesetzt wird.
2. Das Verfahren über die Beschwerde ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:
In dem gegen den Angeklagten und drei weitere Angeklagte vor dem Landgericht Saarbrücken geführten Strafverfahren, in dem dem Angeklagten zunächst Rechtsanwalt X. als Pflichtvertei-diger bestellt war, fand an insgesamt 15 Tagen die Hauptverhandlung vor der 6. Großen Straf-kammer statt. In dem Hauptverhandlungstermin vom 17.02.2014, zu dem Rechtsanwalt X. nicht, aber Rechtsanwältin pp.1.. für den Angeklagten erschienen war, beantragte diese, sie unter Aufhebung der Beiordnung von Rechtsanwalt X. dem Angeklagten als Pflichtverteidigerin für diesen Termin beizuordnen. Nach Anhörung des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft ordnete die Vorsitzende der 6. Strafkammer dem Angeklagten unter Zurücknahme der Beiord-nung von Rechtsanwalt X. Rechtsanwältin pp.1als notwendige Verteidigerin bei, die an der laut Sitzungsprotokoll von 9.05 Uhr bis 15.10 Uhr dauernden Hauptverhandlung teilnahm. Gleiches geschah im Hauptverhandlungstermin vom 20.05.2014, der laut Sitzungsprotokoll von 10.20 Uhr bis 11.55 Uhr dauerte. An dem Hauptverhandlungstermin vorn 24.06.2014, der laut Sit-zungsprotokoll von 09.30 Uhr bis 15.30 Uhr dauerte, nahmen — laut Sitzungsprotokoll — von 08.30 Uhr bis 09.15 Uhr sowie ab 13.00 Uhr bis 14.50 Uhr Rechtsanwalt X. und von 09.15 Uhr bis zur Mittagspause um 12.10 Uhr sowie ab 14.50 Uhr Rechtsanwältin pp.1für den Angeklag-ten teil. In diesem Termin wurde zunächst auf Antrag von Rechtsanwältin pp.1unter Zurück-nahme der Beiordnung von Rechtsanwalt Rechtsanwältin pp.1dem Angeklagten als notwendige Verteidigerin beigeordnet. Nachdem Rechtsanwalt X. um 13.00 Uhr erschienen war, ordnete die Vorsitzende dem Angeklagten antragsgemäß erneut Rechtsanwalt X. unter Zurücknahme der Bestellung von Rechtsanwältin pp.1als notwendigen Verteidiger bei und am späteren Nachmit-tag — wiederum antragsgemäß — Rechtsanwältin pp.1unter Zurücknahme der Beiordnung von Rechtsanwalt X.
Mit Schriftsatz vorn 03.07.2014 hat Rechtsanwältin pp.1die Festsetzung ihrer Vergütung als Pflichtverteidigerin aus der Landeskasse wie folgt beantragt:
Grundgebühr gemäß Nr. 4100 VV RVG 160,00 €
Verfahrensgebühr gemäß Nr. 4112 VV RVG 148,00 €
Terminsgebühr gemäß Nr. 4114 W RVG (17.02.2014) 256,00 €
Längenzuschlag gemäß Nr. 4116 VV RVG (17.02.2014) 128,00 €
Terminsgebühr gemäß Nr. 4114 W RVG (20.05.2014) 256,00 €
Terminsgebühr gemäß Nr. 4114 VV RVG (24.06,2014) 256,00 €
Post- und Telekommunikationspauschale gemäß Nr. 7002 VV RVG 20,00 €
Zwischensumme 1.224,00 €
Umsatzsteuer in Höhe von 19% gemäß Nr. 7008 W RVG 232,56 €
Endsumme 1.456,56 €

Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des Landgerichts Saarbrücken hat die der Rechtsan-wältin pp.1aus der Landeskasse zu zahlende Vergütung am 22. August 2014 auf 761,60 € festgesetzt. Hierbei hat sie die Grundgebühr, die Verfahrensgebühr, die Terminsgebühr für den 24.06.2014 sowie die Post- und Telekommunikationspauschale nebst anteiliger Umsatz-steuer abgesetzt, da Rechtsanwältin pp.1nur als Terminsvertreter neben dem „Vollverteidiger" anzusehen sei.

Die von Rechtsanwältin pp.1hiergegen mit Schriftsatz vom 09.09.2014 eingelegte Erinnerung, der die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle nach Anhörung der Bezirksrevisorin bei dem Landgericht Saarbrücken nicht abgeholfen hat, hat der Einzelrichter der 6. Strafkammer mit dem angefochtenen Beschluss als unbegründet verworfen. Zur Begründung hat er im Wesent-lichen ausgeführt: Die in den Hauptverhandlungsterminen vorn 17.02., 20.05. und 24.06.2014 ergangenen Beschlüsse der Vorsitzenden der 6. Strafkammer hätten nicht auf eine Beiordnung der Rechtsanwältin pp.1als weitere Verteidigerin abgezielt, sondern auf eine Beiordnung als Vertreterin des an der Wahrnehmung des jeweiligen Hauptverhandlungstermins verhinderten, beige- ordneten Verteidigers, also auf eine Bestellung als bloße Terminsvertreterin des bei- geordneten Verteidigers X. Dem bloßen Terminsvertreter stünden aber nur die Gebühren zu, die der bestellte Rechtsanwalt geltend machen könnte, wenn er die Tätigkeit selbst ausgeübt hätte.

Gegen diesen ihr am 09.10.2014 zugestellten Beschluss wendet sich die Rechtsanwältin pp.1mit ihrer am 16.10.2014 beim Landgericht eingegangenen Beschwerde, mit der sie die antragsgemäße Festsetzung ihrer Vergütung erstrebt. Sie ist der Ansicht, sie habe als Pflicht-verteidigerin bestellt werden sollen und sei auch als Pflichtverteidigerin bestellt worden.
Der zuständige Einzelrichter des Senats hat das Verfahren mit Beschluss vom 6. November 2014 auf den Senat übertragen.

II.
Die gemäß § 56 Abs. 2 Satz 1 RVG i. V. mit § 33 Abs. 3 Satz 1 und Satz 3, Abs. 7 RVG zuläs-sige Beschwerde ist begründet. Der Beschwerdeführerin steht der von ihr geltend gemachte Vergütungsanspruch in Höhe von 1.456,56 € in vollem Umfang gegen die Landeskasse zu, so dass über die bereits erfolgte Festsetzung in Höhe von 761,60 € hinaus eine weitere aus der Landeskasse zu zahlende Vergütung in Höhe von 694,96 € festzusetzen ist.

1. Die Vorsitzende der 6. Strafkammer des Landgerichts Saarbrücken hat die Be-schwerdeführerin für die Hauptverhandlungstermine vom 17.02.2014 und 20.05.2014 insge-samt sowie bezüglich des Hauptverhandlungstermins vom 24.06.2014 zeitweise anstelle des bestellten, an diesen Tagen (bzw. am 24.06.2014 zeitweise) jedoch verhinderten Pflichtver-teidigers X. zur Pflichtverteidigerin des Angeklagten bestellt. Wie sich den Hauptverhand-lungsprotokollen unzweifelhaft entnehmen lässt, sollte die Bestellung der Beschwerdeführerin zur Pflichtverteidigerin des Angeklagten jeweils auf die Dauer der Verhinderung des Pflicht-verteidigers X. an den betreffenden Hauptverhandlungstagen beschränkt sein, die Beschwer-deführerin also lediglich als sogenannte „Terminsvertreterin" tätig werden.

2. In Rechtsprechung und Literatur ist umstritten, welche vergütungsrechtlichen Kon-sequenzen sich aus einer solchen Bestellung als sogenannter „Terminsvertreter" anstelle des zunächst bestellten, jedoch an der Wahrnehmung eines Hauptverhandlungstermins ganz oder teilweise gehinderten Pflichtverteidigers ergeben. Einigkeit besteht lediglich darin, dass die Tätigkeit des „Terminsvertreters" nicht als Einzeltätigkeit im Sinne von Teil 4 Abschnitt 3 des Vergütungsverzeichnisses in Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG anzusehen ist, so dass sich die Vergütung nach Teil 4 Abschnitt 1 des Vergütungsverzeichnisses bemisst (vgl. Burhoff in: Gerold/Schmidt, RVG, 21. Aufl., VV Einl. Vorb. 4.1 Rn. 12 mit Rechtsprechungsnachweisen).

3.
a) Nach einer Ansicht kann ein solcher „Terminsvertreter" die Grundgebühr, die Ver-fahrensgebühr für das gerichtliche Verfahren sowie die Post- und Telekommunikationspau-schale nicht verlangen, sondern nur die Terminsgebühren (vgl, OLG Celle StraFo 2006, 471 f. und NdsRpfl 2009, 141 f. — Rn. 10 ff. nach juris; KG NStZ-RR 2005, 327 f. — Rn. 11 ff. nach juris und NStZ-RR 2011, 295 f. Rn. 4 f. nach juris; OLG Hamm, Beschl. v. 28.11.2006 — 3 Ws 569/06, Rn. 4 nach juris für den Fall einer ausdrücklichen Beiordnung als Vertreter des bestellten Pflichtverteidigers; OLG Stuttgart Justiz 2011, 108 ff. — Rn. 9 ff. nach juris sowie OLG Rostock, Beschl. v. 15.09.2011 — 1 Ws 201/11, Rn. 26 ff. nach juris, die allerdings neben einer Bestellung zum bloßen Vertreter aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls auch eine Bestellung zum weiteren Verteidiger für möglich halten; Hartmann, Kostengesetze, 44, Aufl., 4100, 4101 VV Rn. 2; vgl. auch Senatsbeschluss vom 29.07.2010 — 1 Ws 82/10 für den Fall der Bestellung eines Vertreters des Nebenklägerbeistands). Begründet wird dies im Wesentlichen damit, die Beiordnung als sogenannter „Terminsvertreter" sei verfahrensrecht-lich zulässig und habe gebührenrechtlich zur Folge, dass nur ein Pflichtverteidigermandat ab-zurechnen sei. Der bestellte Verteidiger könne sich bei vorübergehender Verhinderung mit Genehmigung des Vorsitzenden des erkennenden Gerichts durch einen anderen Rechtsan-walt vertreten lassen und der allgemeine Vertreter des beigeordneten Verteidigers im Sinne von § 53 BRAO könne die Pflichtverteidigung für den beigeordneten Verteidiger führen. Dann müsse aber auch dem Gericht die Möglichkeit offen stehen, einen anderen Rechtsanwalt zum Vertreter des bestellten Pflichtverteidigers zu bestellen. Gebührenrechtlich bestehe im Fall der Vertretung lediglich ein einziges Mandat mit der Folge, dass alle Gebühren nur einmal entstünden. Der Vertreter könne daher keine höhere Vergütung beanspruchen, als der Ver-tretene hätte geltend machen können, wenn er den Termin selbst wahrgenommen hätte. In-nerhalb dieser Ansicht ist streitig, ob dem als Vertreter beigeordneten Rechtsanwalt ein eige-ner Gebührenanspruch gegen die Staatskasse zusteht (so KG, a. a. O.) oder ob dieser ledig-lich in der Person des vertretenen Pflichtverteidigers anfällt (so OLG Celle NdsRpfl 2009, 141 f. — Rn. 17 f. nach juris; OLG Stuttgart, a. a. O., Rn. 16 nach juris), wobei nach der zuletzt genannten Auffassung „mindestens der Anschein einer Vollmacht für den Vertreter" bestehen soll, wenn der vertretene Pflichtverteidiger die Geltendmachung der Gebühren für die von seinem Vertreter wahrgenommenen Termine jenem überlässt (vgl. OLG Celle NdsRpfl 2009, 141 f. — Rn. 17 f. nach juris; OLG Stuttgart, a. a. O., Rn. 16 nach juris), daneben aber auch eine Abtretung des Vergütungsanspruchs durch den vertretenen Pflichtverteidiger an den „Terminsvertreter" (vgl. OLG Stuttgart, a. a. O.; OLG Rostock, a. a. O., Rn, 46 nach juris) oder aber die Erteilung einer Einzugsermächtigung möglich sein soll (vgl. OLG Rostock, a. a. O.).
b) Nach anderer, inzwischen wohl überwiegender Auffassung beschränkt sich der Vergü-tungsanspruch des Verteidigers, der anstelle des verhinderten Pflichtverteidigers für einen Hauptverhandlungstermin als Verteidiger eines Angeklagten bestellt worden ist, nicht auf die Terminsgebühren, sondern umfasst alle durch die anwaltliche Tätigkeit im Einzelfall verwirk-lichten Gebührentatbestände des Teils 4 Abschnitt 1 des Vergütungsverzeichnisses in Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG (vgl. OLG Karlsruhe NJW 2008, 2935 — Rn. 4 nach juris; OLG Düssel-dorf, Beschl, v. 29.10.2008 — 1 Ws 318/08, Rn. 3 f. nach juris; OLG Hamm AGS 2007, 37 f. Rn. 13 ff. nach juris und Beschl, v. 05.05.2009 — 3 Ws 68/09, Rn. 13 ff. nach juris; OLG München NStZ-RR 2009, 32 — Rn. 10 f. nach juris und AGS 2014, 174 ff. — Rn. 14 ff. nach juris; OLG Köln AGS 2011, 286 f. — Rn. 5 ff. nach juris; OLG Bamberg, Beschl. v. 21.12.2010 1 Ws 700/10, Rn. 6 ff. nach juris; Thüringer OLG JurBüro 2011, 478 f. Rn. 7 ff. nach juris; Burhoff, a. a. O.). Der Senat, der dies in seinem Beschluss vom 29.07.2010 (1 Ws 82/10) für den hier vorliegenden Fall der Pflichtverteidigung ausdrücklich offen gelassen hat, schließt sich der zuletzt genannten Auffassung an, da für sie die besseren Argumente sprechen. Die von der Gegenansicht herangezogene, im Übrigen überaus kon-struiert wirkende „Vertreterlösung" vermag hingegen nicht zu überzeugen und ist mit dem Sinn und Zweck einer notwendigen Verteidigung nicht in Einklang zu bringen.

aa) Dem anstelle des verhinderten Pflichtverteidigers für die Dauer eines Hauptver-handlungstermins oder für einen Teil eines Hauptverhandlungstermins beigeordneten weite-ren Verteidiger ist für den in der Beiordnung bezeichneten Verfahrensabschnitt die Verteidi-gung ohne jede inhaltliche Beschränkung mit sämtlichen Verteidigerrechten und -pflichten übertragen. Eine Beiordnung lediglich als Vertreter des bereits bestellten Pflichtverteidigers dergestalt, dass der Beigeordnete gleichsam als Hilfsperson des eigentlichen Pflichtverteidi-gers in dessen Beiordnungsverhältnis mit einbezogen wird, kennt die Strafprozessordnung nicht (vgl. OLG Karlsruhe, a. a. O.; OLG Düsseldorf, a. a. O.; OLG München, a. a. O.) und ist daher auch in den vorliegenden Fällen der Bestellung der Beschwerdeführerin zur Pflicht-verteidigerin des Angeklagten durch die Vorsitzende der 6. Strafkammer des Landgerichts Saarbrücken mit Recht nicht erfolgt.

bb) Die Zulässigkeit der Beiordnung als bloßer Vertreter des bereits bestellten Pflichtverteidi-gers lässt sich auch nicht aus allgemeinen Grundsätzen herleiten. Bereits der Ausgangspunkt der Gegenauffassung, der bestellte Verteidiger könne sich bei vorübergehender Verhinderung mit Genehmigung des Vorsitzenden des erkennenden Gerichts durch einen anderen Rechts-anwalt vertreten lassen, trifft nicht zu. Eine Untervollmacht für die Verteidigung des Angeklag-ten kann der zum Pflichtverteidiger bestellte Rechtsanwalt einem anderen Rechtsanwalt nicht erteilen; denn die Bestellung zum Verteidiger bleibt auf seine Person beschränkt (vgl. BGH StraFo 2010, 339 f. Rn. 6 nach juris; BGH, Beschl. v. 15.01.2014 — 4 StR 346/13, Rn. 2 nach juris; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 57. Aufl., § 142 Rn. 15; KK-Laufhütte/Wallone, StPO, 7. Aufl., § 142 Rn. 10; SK-StPO/Wohlers, 4. Aufl., § 141 Rn. 20; a. A.: Löwe-Rosenberg/Lüderssen/Jahn, StPO, 26. Aufl., § 142 Rn. 35). Die Annahme, der be-stellte Verteidiger könne sich bei vorübergehender Verhinderung mit Genehmigung des Vor-sitzenden des erkennenden Gerichts durch einen anderen Rechtsanwalt vertreten lassen, stellt sich daher als Umgehung des Verbots der Unterbevollmächtigung dar (so zutreffend bereits OLG Bamberg, a. a. O., Rn. 9 nach juris), weshalb Lüderssen/Jahn (a. a. O., § 142 Rn. 36) mit Recht auf den Widerspruch, trotz Ablehnung einer Unterbevollmächtigung eine solche Vertretung zuzulassen, hinweisen und Schmitt (Meyer-Goßner/Schmitt, a. a. O.) es in diesen Fällen für „richtiger" hält (nach Auffassung des Senats ist dies allein richtig), „den Ver-treter" vorübergehend beizuordnen. Zwar trifft es zu, dass der entweder amtlich (§ 53 Abs. 2 Satz 3 BRAO) oder vom Verteidiger selbst (§ 53 Abs. 2 Satz 1 oder Satz 2 BRAO) bestellte allgemeine Vertreter des Pflichtverteidigers an dessen Stelle die Verteidigung führen darf (vgl. BGH StraFo 2010, 339 f. — Rn. 6 nach juris; BGH, Beschl. v. 15.01.2014 — 4 StR 346/13, Rn, 2 nach juris; Meyer-Goßner/Schmitt, a. a. O., § 142 Rn. 17; KK-Laufhütte/Willnow, a, a. 0., § 142 Rn. 10; SK-StPO/Wohlers, a. a. O., § 141 Rn. 21; Löwe-Rosenberg/Lüderssen/Jahn, a. a. O., § 142 Rn. 37). In diesem Fall bedarf es der Bestellung des allgemeinen Vertreters zum Verteidiger des Angeklagten indes gerade nicht, weshalb aus der Befugnis des allgemeinen Vertreters des Pflichtverteidigers, an dessen Stelle die Verteidi-gung zu führen, auch nicht hergeleitet werden kann, dem Vorsitzenden des erkennenden Ge-richts müsse die Möglichkeit offen stehen, einen anderen Rechtsanwalt zum Vertreter des bestellten Pflichtverteidigers zu bestellen. Die von der Gegenauffassung gewählte „Vertre-tungskonstruktion" ist daher ebenso unrichtig wie bereits die Bezeichnung des wegen Verhin-derung des zunächst bestellten Pflichtverteidigers vorübergehend bestellten weiteren Pflicht-verteidigers als sogenannter „Terminsvertreter" irreführend ist.
cc) Durch die Beiordnung als Verteidiger für einen Terminstag oder Teile hiervon anstelle des verhinderten Pflichtverteidigers wird vielmehr ein eigenständiges, öffentlich-rechtliches Bei-ordnungsverhältnis begründet, aufgrund dessen der bestellte Verteidiger während der Dauer der Bestellung die Verteidigung des Angeklagten umfassend und eigenverantwortlich wahrzu-nehmen hat. Aus der Eigenständigkeit des jeweiligen Beiordnungsverhältnisses folgt zugleich, dass die anwaltlichen Tätigkeiten des jeweiligen Pflichtverteidigers auch hinsichtlich ihrer Ver-gütung gesondert zu bewerten sind (vgl. OLG Karlsruhe, a. a. O.; OLG Düsseldorf, a. a. O.; OLG München, a. a. O.).

3. Nach Maßgabe dieser Grundsätze steht der Beschwerdeführerin für ihre Pflicht-verteidigertätigkeit über den bislang festgesetzten Betrag hinaus folgender weiterer,
vorn Senat festgesetzter Vergütungsanspruch zu:
Grundgebühr gemäß Nr. 4100 VV RVG 160,00 E
Verfahrensgebühr gemäß Nr. 4112 W RVG 148,00
Terminsgebühr gemäß Nr. 4114 W RVG (24.06.2014) 256,00
Post- und Telekommunikationspauschale gemäß Nr. 7002 W RVG 20,00 €
Zwischensumme 584,00
Umsatzsteuer in Höhe von 19% gemäß Nr. 7008 VV RVG 110,96
Endsumme 694,96 €

Die Grundgebühr entsteht gemäß Nr. 4100 Anmerkung 1 VV RVG neben der Verfah-rensgebühr für die erstmalige Einarbeitung in den Rechtsfall. Die Verfahrensgebühr entsteht gemäß Vorbemerkung 4 Abs. 2 VV RVG für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information. Abgegolten wird mit ihr die gesamte Tätigkeit des Rechtsanwalts im jeweiligen Verfahrensabschnitt, soweit hierfür keine besonderen Gebühren vorgesehen sind (vgl. nur OLG München AGS 2014, 174 ff. — Rn. 18 nach juris; Burhoff, a. a. O., Vorb. 4 W Rn. 10). Nach der durch das am 01.08.2013 in Kraft getretene 2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetz vom 23.07.2013 erfolgten Änderung der Anmerkung 1 in Nr. 4100 VV RVG ist nunmehr klar-gestellt, dass die Grundgebühr „neben" der Verfahrensgebühr entsteht. Hierdurch soll ver-deutlicht werden, dass die Grundgebühr grundsätzlich nicht allein anfällt, sondern regelmäßig neben der Verfahrensgebühr. Für die Tätigkeit in einem jeden gerichtlichen Verfahren ent-steht eine Verfahrensgebühr als Ausgangsgebühr. Durch sie wird bereits die Information als Bestandteil des Betreibens des Geschäfts entgolten. Die Grundgebühr soll den zusätzlichen Aufwand entgelten, der für die erstmalige Einarbeitung anfällt. Sie hat daher den Charakter einer Zusatzgebühr, die den Rahmen der Verfahrensgebühr erweitert (vgl. Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 14.11.2012, BT-Drucks. 17/11471, S. 281). Hieraus folgt, dass bereits mit der ersten Tätigkeit des Rechtsanwalts für den Mandanten in jedem (gerichtlichen) Verfahren eine Verfahrensgebühr als Ausgangsgebühr und daneben auch eine Grundgebühr nach Nr. 4100 VV RVG, die den für die erstmalige Einarbeitung anfallenden zusätzlichen Aufwand honoriert, entsteht (vgl. Burhoff, a. a. O., Vorb, 4 VV Rn. 11 und 4100, 4101 VV Rn. 9). Demgemäß sind für die Pflichtverteidigertätigkeit der Beschwerdeführerin in dem erstinstanzlichen Verfahren vor dem Landgericht, für die eine umfassende Einarbeitung in die Akten sowie wiederholte Besprechungen mit dem Angeklagten unabdingbar waren, so-wohl die Grundgebühr als auch die Verfahrensgebühr für das gerichtliche Verfahren angefal-len (vgl. Burhoff, a. a. O., Nr. 4100, 4101 VV Rn. 5, Nr. 4106, 4107 Rn. 6). Darüber hinaus ist für ihre Teilnahme an dem Hauptverhandlungstermin vom 24.06.2014 die betreffende Ter-minsgebühr entstanden (vgl. Vorbemerkung 4 Abs. 3 Satz 1 VV RVG). Die Post- und Tele-kommunikationspauschale gemäß Nr. 7002 VV RVG steht ihr ebenfalls zu, ohne dass es hier-für eines besonderen Nachweises bedürfte (vgl. OLG Hamm AGS 2007, 37 f. Rn. 20 nach juris). Hinzu kommt die Umsatzsteuer auf diese Vergütung (Nr. 7008 VV RVG).

Eine Kosten- und Auslagenentscheidung ist nicht veranlasst (§ 56 Abs. 2 S. 2, 3 RVG).

Einsender: Dipl.Rechtspfleger M. Stoll, Saarbrücken

Anmerkung:


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