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RVG Entscheidungen

§ 46

Fotokopiekosten, Akteneinsicht, digitalisierte Akten, Fotokopiekosten

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Rostock, Beschl. v. 29.09. 2014 – 20 Ws 266/14

Eigener Leitsatz: Zur Erstattung von Kopiekosten für Ausdruck digitalisierter Akten.


In pp.

1. Die Beschwerde des Verteidigers gegen den Beschluss des Landgerichts Rostock vom 27.08.2014 wird als unbegründet verworfen.
2. Das Verfahren über die Beschwerde ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

I.

Der Beschwerdeführer ist Pflichtverteidiger des u.a. wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung vor der Staatsschutzkammer des Landgerichts Rostock Angeklagten D. S. Der Umfang der dem Landgericht vorliegenden Akten einschließlich Sonderbände und Sonderhefte beläuft sich auf über 50.000 Blatt. Dem Verteidiger sind nach Anklageerhebung die Akten (nur) in digitalisierter Form als PDF-Dokumente komplett auf einem USB-Speicherstick zur Verfügung gestellt worden (“e-Akte“).
Mit Schreiben vom 11.10.2013 beantragte der Rechtsanwalt beim Landgericht u.a. die vorschussweise Erstattung der Dokumentenpauschale nach Nr. 7000 Abs. 1 a) VV RVG für die Herstellung von 53.214 Ablichtungen (gemeint: Ausdrucken) aus den Strafakten in Höhe von 7.999,60 € (netto) sowie weitere 12,00 € für nicht näher spezifizierte „Gerichtskosten und sonstige Auslagen“. Dem beigefügt war eine 19seitige tabellarische Aufstellung, bestehend aus der Bezeichnung der einzelnen Akten- und Sonderbände jeweils mit Blattzahlen (von ... bis) und der Anzahl der danach ausgedruckten oder auszudruckenden Aktenblätter (in der Gesamtsaldierung als „Kopien“ bezeichnet). Der teilweise mit Namen versehenen Aufstellung ist zu entnehmen, dass sich unter den angegebenen Fundstellen auch umfangreiche Aktenbestandteile befinden, die (nur) die Mitangeklagten R. (insgesamt 955 Blatt), W. (insgesamt 840 Blatt) und Sch. (insgesamt 844 Blatt) sowie die bei diesen durchgeführten Durchsuchungs- (insgesamt 520 Blatt) und andere, nur sie betreffende Ermittlungsmaßnahmen (insgesamt 1.241 Blatt) und Finanzermittlungen (insgesamt 1.410 Blatt) betreffen. Ferner werden in der Aufstellung umfangreiche Fundstellen aus den für die Mitangeklagten R., Sch. und W. angelegten Sonderheften gelistet (insgesamt 1.495 Blatt). Schließlich finden sich in der Aufstellung Angaben zu Aktenfundstellen, die die Vergütung des Verteidigers des Mitangeklagten R. betreffen (121 Blatt).
Auf Vorlage der Kostenbeamtin beantragte die Bezirksrevisorin beim Landgericht Rostock unter dem 11.11.2013, den an den Verteidiger auszuzahlenden Vorschuss auf die von ihm ebenfalls beantragte Verfahrensgebühr nach Nrn. 4118, 4119 VV RVG in Höhe von 397,46 € brutto festzusetzen und den weitergehenden Antrag abzulehnen. Sie vertritt die Auffassung, der vollständige Ausdruck der dem Rechtsanwalt dauerhaft in digitalisierter Form überlassenen Akten sei nicht erforderlich. Es sei ihm möglich und zuzumuten, mit dieser „elektronischen Akte“ zu arbeiten, wie dies mittlerweile in weiten Teilen der Wirtschaft und der Verwaltung und teilweise auch schon in der Justiz der Fall sei. Das gelte auch für die Teilnahme an einer etwaigen Hauptverhandlung, während derer der Rechtsanwalt mittels eines Laptops auf die gesamten Akten zugreifen könne. Der gegenteiligen Auffassung des OLG Celle (Beschluss vom 28.11.2011 - 1 Ws 415/11 u.a.) folge sie deshalb nicht.
Dem ist der Verteidiger mit Schreiben vom 26.11.2013 unter expliziter Berufung auf die genannte Entscheidung des OLG Celle entgegengetreten. Er arbeite bislang auch in einer Hauptverhandlung nicht mit einem Laptop und habe auch künftig nicht die Absicht, dies zu erlernen und zu tun. Unter Berufung auf Art. 12 GG lasse er sich seine Arbeitsweise von der Bezirksrevisorin nicht vorschreiben. Der „körperliche“ Ausdruck der Akten und das Anbringen von Anmerkungen auf einzelnen Aktenblättern sei in einem solchen Verfahren für eine angemessene Verteidigung notwendig.
Mit Schreiben vom 05.12.2013 teilte die Kostenbeamtin - wohl aufgrund eines in dem nunmehr angefochtenen Beschluss dargelegten Missverständnisses - dem Rechtsanwalt ihre Absicht mit, die „Kopiekosten“ nur in Höhe von 397,47 € (brutto) anzuerkennen. Die entsprechende - formlose - Festsetzung erfolgte am 18.12.2013. Mit Blick auf die von der Bezirksrevisorin für diesen Fall bereits angekündigte Erinnerung wurde dem Verteidiger mit Schreiben vom 07.02.2014 nochmals Gelegenheit gegeben, binnen zwei Wochen die Notwendigkeit zur Anfertigung der (weiteren) Aktenausdrucke zu begründen.
Dies tat der Rechtsanwalt mit Schreiben vom 25.02.2014, in dem er ausführte, er brauche den Ausdruck der umfangreichen Akten auf Papier, weil eine sachgerechte Bearbeitung für ihn nur zu bewerkstelligen sei, wenn er darin handschriftliche Notizen anbringen könne. Auch müsse er in der Lage sein, mehrere Aktenblätter nebeneinander zu legen, um einen inhaltlichen Abgleich einzelner „Dateien“ mit den Vorwürfen der Anklageschrift vorzunehmen. Die digitale Akte stelle deshalb keinen „lückenlosen“ Ersatz für die Papierform dar. Er kenne sich mit der Bearbeitung elektronischer Akten „nicht hinreichend“ aus. Es liege auf der Hand, dass er darin keine handschriftlichen Anmerkungen anbringen könne. Ohne solche könne er die Verteidigung nicht ordnungsgemäß vorbereiten.
Unter dem 26.03.2014 erging daraufhin ein förmlicher Kostenfestsetzungsbeschluss, in dem u.a. die von dem Rechtsanwalt geltend gemachten Auslagen für den Ausdruck der Akten unter Berücksichtigung des insoweit bereits ausgezahlten Auslagenvorschusses von 397,47 € (brutto) in voller Höhe anerkannt wurden. Letzterer wurde mit gesondertem Beschluss der Kostenbeamtin vom 01.07.2014 zusammen mit der Verfahrengebühr ebenfalls - nachträglich - förmlich festgesetzt.
Gegen die Entscheidungen vom 26.03.2014 und vom 01.07.2014 hat die Bezirksrevisorin beim Landgericht Rostock unter dem 07.04.2014 bzw. dem 04.07.2014 - jeweils beschränkt auf den Auslagenvorschuss nach Nr. 7000 VV RVG - ankündigungsgemäß Erinnerung eingelegt, der die Kostenbeamtin mit Beschluss vom 08.07.2014 nicht abgeholfen hat.
Auch der Rechtsanwalt hat unter dem 08.07.2014 gegen den Festsetzungsbeschluss vom 01.07.2014 Erinnerung eingelegt.
Die Entscheidung über die Erinnerung der Bezirksrevisorin vom 07.04.2014 gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 26.03.2014 ist vom Einzelrichter mit Beschluss vom 11.04.2014 und diejenige über ihre Erinnerung vom 04.07.2014 und über die Erinnerung des Rechtsanwalts vom 08.07.2014 gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 01.07.2014 mit gesondertem Beschluss vom 21.07.2014 jeweils wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache gemäß § 33 Abs. 8 RVG auf die gesamte Kammer übertragen worden.
Mit Beschluss vom 27.08.2014 hat die 3. Große Strafkammer als Staatsschutzkammer des Landgerichts Rostock auf die Erinnerungen der Bezirksrevisorin den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 26.03.2014 aufgehoben und denjenigen vom 01.07.2014 dahingehend abgeändert, dass der an den Rechtsanwalt auf seinen Antrag vom 11.10.2013 zu zahlende Gebühren- und Auslagenvorschuss unter Zurückweisung im Übrigen auf 397,46 € (brutto) festgesetzt wird, was im Ergebnis auf die vollständige Versagung der geltend gemachten Pauschale für den Ausdruck der Akten hinausläuft. Die Erinnerung des Rechtsanwalts gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 01.07.2014 wurde als unzulässig verworfen.
Gegen diese ihm am 11.09.2014 förmlich zugestellte Entscheidung wendet sich der Rechtsanwalt mit seiner „sofortigen Beschwerde“ im Schriftsatz vom 17.09.2014, der am 19.09.2014 beim Landgericht eingegangen ist. Er wiederholt und vertieft darin unter Bezugnahme auf seine früheren Stellungnahmen seine Ausführungen zur Notwendigkeit des kompletten Ausdrucks der Akten.
Die Kammer hat der Beschwerde unter dem 23.09.2014 nicht abgeholfen und die Vorgänge dem Senat vorgelegt.
Die Bezirksrevisorin hat im Beschwerdeverfahren von einer weiteren Stellungnahme abgesehen.
II.
Die Beschwerde des Verteidigers ist statthaft und innerhalb der Frist des § 56 Abs. 2 Satz 1, § 33 Abs. 3 Satz 3 RVG angebracht worden, mithin zulässig. Das Rechtsmittel, über das der Senat in der Besetzung mit drei Richtern zu befinden hat (§ 33 Abs. 8 Satz 1 letzter Halbsatz RVG e contrario) bleibt jedoch ohne Erfolg.
1.
Soweit der Rechtsanwalt sich mit seiner unbeschränkten Beschwerde dagegen wendet, dass das Landgericht seine Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 01.07.2014 als unzulässig verworfen hat (Ziffer 4 der angefochtenen Entscheidung), ist das Rechtsmittel unbegründet.
Der Verteidiger hat mit den sukzessiv ergangenen Kostenfestsetzungsbeschlüssen vom 26.03.2014 und vom 01.07.2014, die rechnerisch als Einheit gesehen werden müssen, den gesamten von ihm am 11.10.2013 beantragten Gebühren- und Auslagenvorschuss erhalten, weswegen er durch keinen der beiden Festsetzungbeschlüsse beschwert ist. Das hat das Landgericht zutreffend erkannt (vgl. S. 10 f. des jetzt angefochtenen Beschlusses) und seine in Kenntnis des Festsetzungbeschlusses vom 26.03.2014 gleichwohl mit Schreiben vom 08.07.2014 gegen den ihn ebenfalls nur begünstigenden (ergänzenden) Festsetzungsbeschluss vom 01.07.2014 eingelegte Erinnerung deshalb zu Recht als unzulässig verworfen.
2.
Auch die weitergehende Beschwerde ist unbegründet.
Das Landgericht hat auf die Erinnerungen der Bezirksrevisorin zu Recht und mit zutreffenden Erwägungen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 26.03.2014 vollständig aufgehoben und den ergänzenden Festsetzungsbeschluss vom 01.07.2014 dahin abgeändert, dass der an den Rechtsanwalt auf seinen Antrag vom 11.10.2013 auszuzahlende Gebühren- und Auslagenvorschuss nur mit 397,46 € (brutto) festgesetzt wird.
Nach § 47 Abs. 1 Satz 1 RVG kann ein beigeordneter Rechtsanwalt, dem - wie hier - wegen seiner Vergütung ein Anspruch gegen die Staatskasse zusteht, u.a. für die voraussichtlich entstehenden Auslagen aus der Staatskasse einen angemessenen Vorschuss fordern.
a) Nr. 7000 Abs. 1 a) VV RVG, bei der es sich gegenüber § 46 Abs. 1 RVG um die speziellere Regelung handelt, sieht einen Anspruch des Rechtsanwalts auf (pauschalen) Ersatz seiner Auslagen für Ausdrucke aus Gerichtsakten nur in dem Umfang vor, wie deren Herstellung zur sachgemäßen Bearbeitung der Rechtssache geboten ist. Was in diesem Zusammenhang zur „Bearbeitung“ einer Sache sachgemäß ist, bestimmt sich nicht nach der subjektiven Auffassung des beigeordneten Rechtsanwalts, sondern nach dem objektiven Standpunkt eines vernünftigen sachkundigen Dritten (Hartmann, Kostengesetze, 44. Aufl., Rdz. 6 zu Nr. 7000 VV RVG m.w.N.; BGH MDR 2005, 956; AGS 2005, 573; Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, RVG, 21. Aufl., VV 7000 Rdn. 55 m.w.N.). Es kommt dabei auf die Verfahrensart und den konkreten Sachverhalt sowie auf die aktuelle Verfahrenslage an (Hartmann a.a.O. § 46 RVG Rdz. 14 f. m.w.N.). Eine bloße Erleichterung oder Bequemlichkeit reicht jedoch ebenso wenig, wie eine bloße Zweckmäßigkeit (Hartmann a.a.O. Nr. 7000 VV RVG, Rdz. 23 „Zweckmäßigkeit“ § 46 RVG Rdz. 17). Allerdings hat der Anwalt einen gewissen, nicht zu engen, sondern eher großzügigen Ermessensspielraum, den er allerdings auch pflichtgemäß handhaben muss (Hartmann a.a.O. Rdz. 6), indem er den allgemeinen Grundsatz kostenschonender Prozessführung berücksichtigt (Hartmann a.a.O. § 46 RVG, Rdz. 15 ff.; Müller-Rabe a.a.O. Rdz. 56; OLG Celle, Beschlüsse vom 22. Oktober 2010 - 1 Ws 547/10 - und vom 28. November 2011 - 1 Ws 415/11, 1 Ws 416/11, 1 Ws 417/11, 1 Ws 418/11 -, juris; ebenso KG, Beschluss vom 27. Mai 2008 - 2/5 Ws 131/06).
b) Während in § 46 Abs. 1 RVG die Darlegungs- und Beweislast, eine vom beigeordneten Rechtsanwalt gegenüber der Staatskasse geltend gemachte Auslage sei zur sachgerechten Durchführung der Angelegenheit nicht erforderlich gewesen, wegen der dort gewählten negativen Formulierung bei der nach § 45 Abs. 1 RVG grundsätzlich vergütungspflichtigen Staatskasse liegt, ist dies bei der Dokumentenpauschale nach Nr. 7000 VV-RGV ausweislich der dort verwendeten positiven Formulierung umgekehrt: Der Rechtsanwalt kann die Pauschale - auch gegenüber der Staatskasse - nur in Rechnung stellen, soweit die Herstellung der Dokumente (hier: der Ausdruck der Akten) zur sachgemäßen Bearbeitung durch ihn geboten war. Die Darlegungs- und Beweislast, an die vorliegend angesichts der ungewöhnlichen Höhe der angemeldeten Auslagen für den Aktenausdruck zudem entsprechend hohe Anforderungen zu stellen sind, liegt also bei ihm (vgl. Senatsbeschluss vom 04.08.2014 - 20 Ws 193/14, juris; ebenso nach einer Vorabmitteilung in juris OLG Düsseldorf in mehreren Beschlüssen vom 22.09.2014 - III-Ws 236/14, III-1 Ws 246/14, III-1 Ws 272/14, III-1 Ws 247/14, III-1 Ws 283/14, III-1 Ws 261/14, III-1 Ws 307/14, III-1 Ws 312/14).
2.
Unter Berücksichtigung des Vorstehenden ist vorliegend nicht erkennbar, dass der nahezu komplette Ausdruck der aus über 50.000 Blatt bestehenden Akten für die sachgerechte Bearbeitung durch den Verteidiger im Sinne von Nr. 7000 Abs. 1 a VV RVG geboten ist.
a) Dem Verteidiger stehen die kompletten Akten dauerhaft in digitalisierter Form zur Verfügung. Er kann darauf das Vorhandensein entsprechender Hard- und Software vorausgesetzt - jederzeit Zugriff nehmen. Die Durchsicht der e-Akte und die gezielte, nicht notwendig abschließende Auswahl bestimmter, für seine weitere Verteidigertätigkeit bedeutsamer Aktenteile, die er deswegen „auf Papier“ benötigt, ist dem Rechtsanwalt vorliegend auch zumutbar, weil die Akten in ihrer digitalisierten Form durch Anlegen von Ordnern und Unterordnern mit entsprechenden Verzeichnissen so strukturiert sind, dass der gezielte Zugriff auf bestimmte Informationen dadurch beträchtlich erleichtert wird. Damit hat er grundsätzlich keinen Anspruch auf einen Komplettausdruck der e-Akte.
Die elektronische Aktenbearbeitung gehört mittlerweile in weiten Teilen der Wirtschaft und der öffentlichen Verwaltung - auch der Gerichte - zum Alltag und erleichtert den gezielten Zugriff auf bestimmte Informationen - gerade bei umfangreichem Verfahrensstoff - erheblich. Angesichts dieser Tatsache ist es auch einem Verteidiger zuzumuten, sich zunächst mit Hilfe der e-Akte in den Sachverhalt einzuarbeiten und erst auf dieser Grundlage zu entscheiden, welche (zentralen) Aktenbestandteile für die weitere Verteidigung auch in Papierform benötigt werden (Senatsbeschluss a.a.O; OLG Düsseldorf a.a.O). Die dafür benötigten Geräte und Programme anzuschaffen und sich die erforderlichen Fertigkeiten anzueignen, gehört zu den anwaltlichen Berufspflichten (§ 43 Abs. 6 BRAO, § 5 BO). Dass damit entgegen der Ansicht des Rechtsanwalts kein Eingriff in seine durch Art. 12 GG grundrechtlich geschützte Berufausübungsfreiheit verbunden ist, erhellt sich u.a. daraus, dass mit dem Gesetz zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten vom 10. Oktober 2013 (Bundesgesetzblatt I Seite 3786) in absehbarer Zeit die Verpflichtung der Anwaltschaft begründet wird, in bestimmten Verfahren nur noch elektronische Dokumente bei Gericht einzureichen und solche in Empfang zu nehmen. Die Bundesrechtsanwaltskammer hat deshalb ausweislich einer entsprechenden Mitteilung auf ihrer Internetseite in Befolgung von § 31a BRAO bereits mit den Arbeiten zur Einrichtung elektronischer Postfächer für sämtliche Rechtsanwälte begonnen.
b) Der Senat hat angesichts der von der Kammer in der angefochtenen Entscheidung dargelegten edv-technischen Ausstattung der Anwaltskanzlei, der der Rechtsanwalt angehört (vgl. S. 7 f. des Beschlussumdrucks), auch keinen Zweifel daran, dass dort bereits jetzt objektiv die Möglichkeit besteht, mit digitalisierten Akten zu arbeiten, insbesondere die einzelnen Dateien zu öffnen, die darin enthaltenen Dokumente am Bildschirm zu lesen und daran gegebenenfalls mit handelsüblichen - sogar kostenfreien - Programmen, wie z.B. dem Adobe Reader, Anstreichungen, farbliche Hervorhebungen und sogar Anmerkungen anzubringen, was auch keine vertieften edv-technischen Kenntnisse und Fertigkeiten voraussetzt. Der Rechtsanwalt teilt selbst mit, selbstverständlich verfügten die Mitarbeiter seiner Kanzlei über die erforderlichen Kenntnisse des gesamten IT-Wesens. Daraus dürften nur keine Schlüsse auf seine eigene fallbezogene Arbeitsweise gezogen werden. Ferner hat er in seinem Schriftsatz vom 25.02.2014 zu verstehen gegeben, er kenne sich mit der elektronischen Aktenbearbeitung bislang nur „nicht hinreichend“ aus.
Damit steht zur Überzeugung des Senats fest, dass es dem Rechtsanwalt jedenfalls möglich ist, die ihm sowie seinem Mandanten in Papierform zugestellte Anklageschrift zunächst am Bildschirm mit der digitalisierten Akte daraufhin abzugleichen, ob z.B. die als strafbar erachteten Lieder und sonstigen Texte zutreffend zitiert werden und ob auch die übrigen in der Anklage angeführten Beweismittel und Einlassungen der Angeklagten und der Zeugen mit den dazu in den Akten befindlichen Dokumenten übereinstimmen. Erst aufgrund einer solchen „Vorsichtung“ kann sich dann eine Notwendigkeit erschließen, einzelne Aktenbestandteile auszudrucken und notfalls auch mit handschriftlichen Anmerkungen zu versehen, um sie für die Besprechung mit dem Mandanten und/oder zur weiteren Bearbeitung und für die Hauptverhandlung in Form eines Aktenauszuges in Papierform zur Verfügung zu haben.
c) Schon dass eine solche inhaltlich-fachliche Durchsicht der Akten mit Blick darauf, was daraus für die weitere Verteidigertätigkeit auch in Papierform benötigt wird, überhaupt stattgefunden hat, trägt der Rechtsanwalt indes nicht vor. Solches lässt sich auch der seinem Antrag vom 11.10.2013 beigefügten handschriftlichen Aufstellung nicht entnehmen, die nur ganz geringe Aktenbestandteile im Umfang von wenigen Promille des Gesamtvolumens ausspart.
Die alleinige Begründung des Verteidigers, er müsse die Anklagevorwürfe Punkt für Punkt mit seinem Mandanten durchsprechen und benötige dafür sowie auch sonst für seine weitere Tätigkeit in diesem Verfahren die (gesamten) Akten in Papierform, um handschriftliche Anmerkungen darin vornehmen und auch mal mehrere Blatt nebeneinander legen zu können, um Abgleiche zu ermöglichen, überzeugt in dieser Pauschalität nicht.
Es erscheint äußerst fernliegend, dass der Rechtsanwalt bei Besprechungen mit seinem Mandanten über 53.000 ausgedruckte Blatt Akten im Einzelnen mit diesem durchgeht und sie dann auch noch sämtlich oder auch nur überwiegend mit Anmerkungen versieht. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass der Mandant ausweislich seiner den Kern des Anklagevorwurfs bildenden Aktivitäten als Betreuer im „T.-Forum“ selbst über qualifizierte EDV-Kenntnisse und -Fähigkeiten verfügt, die es ihm ermöglichen, ebenfalls mit der digitalisierten Akte zu arbeiten oder zumindest darin zu lesen, was u.a. auch bei Besprechungen mit dem Verteidiger nutzbar gemacht werden kann.
Gleichermaßen unwahrscheinlich ist es, dass der Rechtsanwalt mit den gesamten Akten in Papierform, die dann über 100 Stehordner füllen würden, in der Hauptverhandlung erscheinen und dort damit arbeiten wird, zumal absehbar ist, dass der ganz überwiegende Teil der Beweisaufnahme sich auf die Urkunden mit den in der Anklageschrift zitierten Lied- und sonstigen Texten erstrecken und dass insoweit in großem Umfang von der Möglichkeit des Selbstleseverfahrens nach § 249 Abs. 2 Satz 1 StPO Gebrauch gemacht werden wird. Auch dann wird es dem Rechtsanwalt (erneut) möglich und zuzumuten sein, die betreffenden Dokumente in seiner Kanzlei zunächst am Bildschirm zu lesen.
d) Der Rechtsanwalt musste die umfangreichen Akten auch nicht etwa unter besonderem Zeitdruck studieren und bearbeiten. Diese stehen ihm seit Anklageerhebung, mithin seit nunmehr über einem Jahr dauerhaft in digitalisierter Form zur Verfügung.
3.
Die Beschwerde des Verteidigers konnte danach keinen Erfolg haben. Es bleibt ihm unbenommen, nach getätigter qualifizierter Vorauswahl einen erneuten Antrag auf Zahlung eines Auslagenvorschusses aus der Staatskasse für den Ausdruck eines Aktenauszuges zu stellen, der dann anhand der zu seiner „Erforderlichkeit“ abgegebenen Begründung zu prüfen sein wird.
III.
Der tenorierte Ausspruch über die Kosten und Auslagen des Beschwerdeverfahrens folgt aus § 56 Abs. 2 Satz 2 und 3 RVG.


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