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RVG Entscheidungen

Gebühren-/Kostenfragen - Allgemeines

Kostenrechnung, Staatsanwaltschaft, Begründung

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Celle, Beschl. v. 21.03.2014 - 1 Ws 100/14

Leitsatz: Die Kostenrechnung der Staatsanwaltschaft muss dem Verurteilten Klarheit über die Rechtsgrundlage der Kostenforderung vermitteln und ihm ermöglichen, die mit der Zahlungspflicht verknüpften Einzelheiten in allen Teilen nachzuprüfen. Reichen dazu die in § 27 KostVfg vor-geschriebenen Angaben nicht aus, bedarf die Kostenrechnung der weiteren Begründung.


Oberlandesgericht
Celle
Beschluss
1 Ws 100/14
In der Strafsache
gegen pp.
wegen Einschleusens von Ausländern u. a.
hier: Erinnerung des Verurteilten gegen die Kostenrechnung
hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die Beschwerde des Verurteilten gegen den Beschluss der 16. großen Strafkammer des Landgerichts Hildesheim vom 7. Januar 2014 nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht xxxxxx, den Richter am Oberlandesgericht xxxxxx und den Richter am Oberlandesgericht xxxxxx am 21. März 2014 beschlossen:
In Abänderung des angefochtenen Beschlusses wird die Kostenrechnung II der Staatsanwaltschaft Hildesheim vom 19. Juni 2013 (Geschäfts-Nr.: xxxxxx) aufgeho-ben.
Das Verfahren über die Beschwerde ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.

G r ü n d e :

I.
Durch Urteil der 16. großen Strafkammer des Landgerichts Hildesheim vom 14. November 2011, rechtskräftig seit dem 22. November 2011, wurde der Beschwerdeführer wegen Einschleusens von Ausländern in Tateinheit mit Anstiftung zum Einschleusen von Ausländern in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Mit demselben Urteil wurden auch drei Mitangeklagte wegen ähnlich gelagerter Delikte zu Freiheitsstrafen verurteilt. Den Angeklagten wurden die Kosten des Verfahrens auferlegt.
Unter dem 14. Dezember 2012 hat die Kostenbeamtin der Staatsanwaltschaft Hildesheim dem Beschwerdeführer die Kostenrechnung I (Geschäfts-Nr.: xxxxxx) über insgesamt 161.829,32 € erteilt. Diese Rechnung enthielt u. a. unter lfd. Nr. 4 den Ansatz: „Auslagen für Telefonüberwachung, Auslage entstand vor Anklageerhebung, Bl. SH Bd. I V“, Kos-tenverzeichnis-Nr. xxxxxx, über 22.156,30 €. Des Weiteren enthielt sie unter lfd. Nr. 6 den Ansatz: „Beträge, die inländischen Behörden, öffentlichen Einrichtungen oder Bediensteten als Ersatz für Auslagen zustehen. Dolmetscher/Übersetzungskosten der Telefonüber-wachung Bl. III/98, Kostenverzeichnis-Nr. xxxxxx in Höhe von 135.110,00 €. Am Ende enthielt die Kostenrechnung folgenden Zusatz:
„Die Auslagen, soweit Gesamthaftung nach § 466 StPO besteht, sind zunächst an-teilig berechnet worden. Sie haften gesamtschuldnerisch mit den weiteren Mitver-urteilten: A. K. mit 157.266,30 €; D. O. mit 157.266,30 €. Vorbehalten bleibt die Nachforderung bis zu 314.532,60 €, falls die Mitverurteilten ihren Anteil nicht be-zahlen.“

Gegen diese Kostenrechnung hat der Verurteilte mit Schreiben seines Verteidigers vom 2. Januar 2013 Erinnerung eingelegt mit der Begründung, dass die einzelnen Kostenan-sätze in der Kostenrechnung nicht nachvollziehbar seien, da insbesondere eine Einzel-aufstellung für die aufgeführten Posten der Telefonüberwachung und Beträge für inländi-sche Behörden fehle.
Dieser Erinnerung hat die Kostenbeamtin der Staatsanwaltschaft zum Teil abgeholfen und unter dem 19. Juni 2013 die Kostenrechnung II (Geschäfts Nr.: xxxxxx) erstellt, die voll-ständig an die Stelle der Kostenrechnung vom 14. Dezember 2012 trat. Diese enthält sämtliche Posten aus der Kostenrechnung I in gleicher Höhe mit Ausnahme des Kosten-ansatzes zu lfd. Nr. 6. Die dort angesetzten Beträge für Dolmetscher/Übersetzungskosten der Telefonüberwachung wurden auf 47.171,83 € reduziert, sodass der Gesamtbetrag der Kostenrechnung nur noch 73.891,15 € beträgt. Zur Begründung wurde ausgeführt:
„Auf die Erinnerung gegen die Kostenrechnung vom 14. Dezember 2012 wurden die Auslagen bezüglich der Übersetzungskosten seitens der Polizei überprüft und berichtigt.“
Diese Kostenrechnung enthält den Zusatz:
„Die Auslagen, soweit Gesamthaftung nach § 466 StPO besteht, sind zunächst an-teilig berechnet worden. Sie haften gesamtschuldnerisch mit den weiteren Mitver-urteilten: A. K. mit 69.328,13 €; D. O. mit 69.328,13 €. Vorbehalten bleibt die Nach-forderung bis zu 138.656,26 €, falls die Mitverurteilten ihren Anteil nicht bezahlen.“
In dem Anschreiben vom 19. Juni 2013, mit dem die vorgenannte Kostenrechnung dem Verurteilten übersandt wurde, finden sich zusätzlich folgende Angaben:
„Es erfolgte nunmehr eine genaue Zuordnung der Auslagen für die Dolmetscher- und Übersetzungskosten der Telefonüberwachung. Die Kosten der Telefonüber-wachung ergeben sich aus den Sonderheften Bd. I. bis V., die ihnen übersandt worden waren. Diese wurden addiert und nach Kopfteilen in die Kostenrechnung übernommen.“
Die hiergegen gerichtete Erinnerung des Verurteilten vom 27. Juni 2013, die weiterhin damit begründet ist, dass die Kostenrechnung nicht nachvollziehbar begründet sei, hat die 16. große Strafkammer des Landgerichts Hildesheim mit Beschluss vom 7. Januar 2014 als unbegründet zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen ausgeführt, dass die Kostenrechnung die formellen Voraussetzungen nach § 27 KostVfg erfülle und sich die darin aufgeführten Posten anhand der Akten inhaltlich und rechnerisch überprüfen ließen. Diese seien auch der Höhe nach nicht zu beanstanden.
Gegen diesen Beschluss hat der Verurteilte durch Schriftsatz seines Verteidigers vom 4. Februar 2014 Beschwerde erhoben. Er macht weiterhin geltend, dass weder anhand der Kostenrechnung noch der Akten die Berechnung der Kosten nachvollziehbar sei. Auch die Reduktion der Kosten in der zweiten Kostenrechnung gegenüber der ersten sei nicht nachvollziehbar begründet worden. Es sei nicht Sache des Kostenschuldners, sich aus einem umfangreichen Aktenbestand sämtliche Einzelbeträge herauszusuchen, um die Berechtigung der eingeforderten Beträge zu überprüfen.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Beschwerde als unbegründet zu verwer-fen.

II.
Die Beschwerde ist zulässig (§ 66 Abs. 2 GKG) und begründet.
Die Kostenrechnung der Staatsanwaltschaft vom 19. Juni 2013 ist rechtswidrig und verletzt den Beschwerdeführer in seinen Rechten (§ 66 Abs. 4 Satz 2 GKG). Sie war daher aufzuheben.
Zwar hat der Verurteilte bislang keine konkreten Beanstandungen gegenüber einzelnen Kostenansätzen erhoben. Mit der Erinnerung gegen die Kostenrechnung kann aber auch das Verfahren gerügt und geltend gemacht werden, dass die Kostenrechnung nicht die erforderliche Begründung enthalte (vgl. OLG Schleswig SchlHA 2012, 111; Korinten-berg/Lappe, Kostenordnung, 18. Aufl., § 14, Rdnr. 72; HK Waldner, Kostenordnung, 3. Aufl., § 14, Rdnr. 10). Diese Rüge hat der Verurteilte hier mit Recht erhoben.
Die angefochtene Kostenrechnung entspricht nicht den Anforderungen, welche an einen Kostenansatz i. S. des § 19 GKG zu stellen sind. Zwar mag die Kostenrechnung durch welche der Kostenansatz technisch erfolgt (vgl. § 4 KostVfg) den Anforderungen des § 27 Abs. 1 KostVfg genügen, weil sie die Sache, die Geschäfts Nummer und den Kos-tenschuldner bezeichnet sowie die einzelnen Kostenansätze unter Hinweis auf die ange-wendeten Vorschriften anführt sowie auch den Gesamtbetrag der Kosten ausweist. Eine diesen Anforderungen genügende Kostenrechnung ist aber nicht in jedem Fall rechtlich beanstandungsfrei. Dabei ist nämlich zu beachten, dass die KostVfg kein Gesetz ist, son-dern lediglich eine für die Kostenbeamten des Bundes und der Länder intern verbindliche Verwaltungsanweisung enthält (vgl. zuletzt AV des MJ vom 19.02.2014 (5607 204.18), Nds.Rpfl. 2014 S. 77), welche mit Ausnahme einer möglichen Selbstbindung der Justiz-verwaltung weder Rechte des Kostenschuldners begründet, noch seine Rechte zu be-schränken vermag (vgl. BGH Rpfleger 1975, 432; OLG Köln JurBüro 2013, 433; Hartmann, Kostengesetze, 42. Aufl., Abschn. VII Rdnr. 1).
Die Gerichtskosten und Auslagen des Strafverfahrens nach § 464 a Abs. 1 StPO sind öffentlich rechtliche Abgaben, die durch den Kostenansatz geltend gemacht werden (vgl. BVerfG NJW 1970, 853). Der Kostenansatz selbst ist ein Justizverwaltungsakt (vgl. Petzold in Binz/Dorndörfer, GKG/FamGKG/JVEG, 2. Aufl., § 19, Rdnr. 2; Hartmann a. a. O. GKG § 19 Rdnr. 1; OLG Köln a. a. O.). Soweit die Kostengesetze keine Regelungen über das Verfahren hinsichtlich dieses Justizverwaltungsaktes wie hier zur Frage der Begründung der Kostenrechnung enthalten, sind daher die heute allgemein anerkannten Grundsätze des Verwaltungsverfahrens heranzuziehen, wie sie sich im VwVfG, der AO sowie im SGB X niedergeschlagen haben (vgl. OLG Saarbrücken Rpfleger 2001, 461; Korintenberg/Lappe, a. a. O. § 14 Rdnr. 2). Da die Kostenrechnung dem Schuldner die Möglichkeit eröffnet, den Rechtsweg zu beschreiten (Art. 19 Abs. 4 GG), muss sie ihm Klarheit über die Rechtsgrundlage der Gebührenforderung vermitteln. Dazu mag im Regelfall die Angabe der angewandten Vorschriften und die Nennung der einzelnen Gebühren und Auslagenbeträge genügen (§ 27 KostVfg). Soweit diese Angaben jedoch zum Verständnis des Verwaltungsaktes nicht ausreichen, bedarf er der weiteren Begründung (vgl. § 39 VwVfG; OLG Zweibrücken JurBüro 1982, 271; Korintenberg/Lappe a. a. O. Rdnr. 12). Maßgebend für den notwendigen Inhalt muss dabei letztendlich der Zweck einer Kostenrechnung sein, dem Kostenschuldner zu ermöglichen, die mit der Zahlungspflicht verknüpften Einzelheiten in allen Teilen nachzuprüfen (vgl. OLG Schleswig a. a. O.; Oestreich in Oestreich/Hellstab/Trenkle, GKG, § 19 Rdnr. 13). Letztendlich folgt dies bereits aus dem rechtsstaatlichen Grundsatz, dass derjenige, in dessen Rechte eingegriffen oder der mit einer hoheitlichen Maßnahme belastet wird, einen Anspruch darauf hat, die Gründe hierfür zu erfahren, weil er nur dann seine Rechte sachgemäß verteidigen kann (vgl. BVerfGE 6, 32, 44; BGH, a. a. O.; OLG Köln a. a. O.). Eine nähere Begründung ist insbesondere auch bei Ermessensentscheidungen des Kostenbeamten erforderlich (vgl. OLG Saarbrücken OLGR 1997, 207; Korintenberg/Lappe a. a. O.).
Diesen Anforderungen wird die Kostenrechnung im vorliegenden Fall nicht gerecht. Es ist bereits nicht mitgeteilt worden, aus welchen Gründen die Kostenbeamtin ihr Ermessen dahingehend ausgeübt hat, die Auslagen für die Telefonüberwachung und die Überset-zungskosten der Polizei nicht auf alle vier gemeinsam Verurteilten zu verteilen. Darüber hinaus ist die Ermittlung der Höhe dieser Kostenansätze in der Kostenrechnung nicht nachvollziehbar begründet worden. Der schlichte Verweis auf Aktenbände oder auf bloße Blattzahlen von Aktenbänden ist nicht geeignet, eine prüffähige Kostenrechnung zu be-wirken (vgl. OLG Schleswig a. a. O.).
Da die vorliegende Kostenrechnung aufgrund mangelnder Begründung keine ordnungs-gemäße Grundlage für die Kostenerhebung darstellt, ist sie auch insoweit in Anlehnung an das Verwaltungsrecht (vgl. Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl., § 39 Rdnr. 27) als formell rechtswidrig ohne weitere sachliche Prüfung aufzuheben (vgl. HK Waldner, a. a. O. § 14 Rdnr. 6; OLG Schleswig a. a. O.). Der Begründungsmangel kann insbesondere nicht im gerichtlichen Verfahren geheilt werden. Denn erst durch eine hinreichende Begründung der Kostenrechnung wird der Schuldner in die Lage versetzt, konkrete und substantiierte Einwendungen zu erheben, die das Gericht sodann zu einer entsprechenden Prüfung veranlassen.
Die Kostenbeamtin der Staatsanwaltschaft Hildesheim wird daher eine Kostenrechnung zu erstellen haben, in der die Auslagen für die Telefonüberwachung und die Überset-zungskosten der Polizei in einem solchen Maße nachvollziehbar begründet sind, dass sie dem Verurteilten gegebenenfalls substantiierte Einwendungen ermöglichen. Dies mag im vorliegenden Fall zu einem erhöhten Begründungsaufwand führen. Dieser ist jedoch bei einer Kostenrechnung in der vorliegenden Höhe, die sich im Falle der Nachforderung sogar auf einen Betrag von über 200.000 € belaufen kann, nicht als unverhältnismäßig an-zusehen.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 66 Abs. 8 GKG.

xxxxxx xxxxxx xxxxxx


Einsender: 1. Strafsenat des OLG Celle

Anmerkung:


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