Gericht / Entscheidungsdatum: KG, Beschl. v. 24.05.2011 - 1 Ws 35/11
Leitsatz des Gerichts: Zur (bejahten) Erstattungsfähigkeit der Anschaffungskosten von CDs, die der Pflichtverteidigerin dafür verlangt, dass er bei den Akten befindliche CDs mit Aufnahmen von Überwachungskameras kopiert hat.
KAMMERGERICHT
Beschluss
Geschäftsnummer:
1 Ws 35/11
In der Strafsache gegen K.
wegen Raubes u.a.
hat der 1. Strafsenat des Kammergerichts in Berlin
am 24. Mai 2011 beschlossen:
Die Beschwerde der Bezirksrevisorin beim Landgericht Berlin gegen den Beschluss des Landgerichts Berlin vom 28. Januar 2011 wird mit der Maßgabe verworfen, dass die der Pflichtverteidigerin aus der Landeskasse zu zahlende Vergütung auf 2.718,00 Euro festgesetzt wird.
Das Verfahren über die Beschwerde ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.
Gründe:
Das Landgericht Berlin hat den Angeklagten am 2. September 2010 u. a. wegen Raubes unter Einbeziehung einer weiteren Strafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt und ihm die Kosten des Verfahrens auferlegt. Die Urkundsbeamtin des Landgerichts hat die der Pflichtverteidigerin zu zahlende Vergütung auf insgesamt 2.715,62 Euro festgesetzt. Als nicht erstattungsfähig hat sie von der Pflichtverteidigerin nach Nr. 7000 Ziffer 2 VV RVG geltend gemachte Auslagen von 5,96 Euro (brutto) angesehen. Diesen Betrag (2 x 2,50 Euro zuzügl. 19% Umsatzsteuer) hat die Pflichtverteidigerin dafür verlangt, dass sie zwei bei den Akten befindliche CDs mit Aufnahmen von Überwachungskameras kopiert hat. Auf ihre gegen diese Absetzung gerichtete Erinnerung hat das Landgericht mit Beschluss vom 28. Januar 2011 weitere 5,96 Euro festgesetzt und wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage die Beschwerde zugelassen. Es hat ausgeführt, die Kosten für die Erstellung der beiden CD-Kopien seien in entsprechender Anwendung der Nr. 7000 Ziffer 1 a) VV RVG erstattungsfähig. In Anlehnung an Nr. 7000 Ziffer 2 VV RVG seien der Pflichtverteidigerin 2,50 Euro (netto) pro CD zu ersetzen. Gegen den Beschluss des Landgerichts wendet sich die Bezirks-revisorin mit der Beschwerde. Sie vertritt die Auffassung, die geltend gemachten Auslagen seien nicht erstattungsfähig. Das RVG enthalte keinen einschlägigen Gebührentatbestand, und die der Pflichtverteidigerin für die CD-Reproduktionen entstandenen Kosten seien als allgemeine Geschäftskosten durch ihre Gebühren abgegolten.
Die Beschwerde ist zulässig, denn das Landgericht hat sie nach §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 3 Satz 2 RVG wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem angefochtenen Beschluss zugelassen.
Die Beschwerde ist teilweise begründet. Der Pflichtverteidige-rin sind nach der Vorbemerkung 7 Abs. 1 Satz 2 VV RVG i. V. m. §§ 675, 670 BGB die Aufwendungen, die für die Kopie von CDs erforderlichen waren, mit einem Euro pro CD (netto) zu erstatten.
1. Allerdings ergibt sich der Erstattungsanspruch nicht aus Nr. 7000 VV RVG. Denn die Pflichtverteidigerin hat weder Ab-lichtungen oder Ausdrucke aus den Gerichtsakten hergestellt (Nr. 7000 Ziffer 1 VV RVG) noch hat sie im Einverständnis mit dem Auftraggeber elektronisch gespeicherte Dateien überlassen (Nr. 7000 Ziffer 2, 1 d) VV RVG).
a) Das Landgericht hat im Ergebnis zutreffend festgestellt, dass der Auslagentatbestand Nr. 7000 VV RVG auf die Reproduk-tion von bei den Akten befindlichen Datenträgern keine unmit-telbare Anwendung findet. Für die Ziffer 2, die auf Ziffer 1 d) Bezug nimmt, gilt dies bereits deshalb, weil sie im Verhältnis zwischen Landeskasse und Pflichtverteidiger nicht anwendbar ist. Die Regelung in Nr. 7000 Ziffer 1 d) VV RVG bezieht sich auf das privatrechtliche Mandatsverhältnis zwischen Rechtsan-walt und Auftraggeber (vgl. OLG Düsseldorf, NJW 2008, 2058). Hingegen sind weder das Gericht noch der Beschuldigte Auftraggeber des Pflichtverteidigers (vgl. Müller-Rabe in: Ge-rold/Schmidt, RVG 19. Aufl., Nr. 7000 VV RVG, Rdnr. 103), des-sen Bestellung als besondere Form der Indienstnahme Privater zu öffentlichen Zwecken einem begünstigenden Verwaltungsakt (vgl. BVerfGE 39, 238; NJW 1975, 1015; OLG Düsseldorf aaO), nicht aber einem Auftragsverhältnis gleicht.
b) Nr. 7000 VV RVG ist aber auch nicht entsprechend anwendbar. Der Senat kann im Ergebnis offen lassen, ob der Normzweck dieses Auslagentatbestands auch die Pauschalierung der vorliegend in Rede stehenden Kosten für die digitale Reproduktion eines Datenträgers erfassen kann und ob die für eine Analogie erfor-derliche Entsprechung der Interessenlagen angenommen werden kann. Bedenken ergeben sich insoweit bereits daraus, dass Re-produktionen von Video-CDs oder anderer Datenträger jedenfalls im Bereich der Strafrechtspflege (noch) nicht so häufig sind, dass eine Pauschalierung der Auslagenerstattung dringlich wäre. Auch wird eine entsprechende Anwendung in der Regel schon deshalb fern liegen, weil die durch Nr. 7000 VV RVG vorgegebe-nen Erstattungspauschalen mit drei Werten (0,15, 0,50 und 2,50 Euro) überaus starr sind und zumeist zu keinem interessenge-rechten Ergebnis führen werden. Jedenfalls fehlt es bereits an einer planwidrigen Regelungslücke, welche die Übertragung der für die Herstellung und Überlassung von Ablichtungen und Aus-drucken bzw. die Überlassung von elektronisch gespeicherten Dateien bestehenden Regelung auf einen anderen, aber rechts-ähnlichen Tatbestand, erforderlich machte. Denn aus der Vorbe-merkung 7 Abs. 1 VV Satz 2 RVG ergibt sich, dass der Rechtsan-walt subsidiär Ersatz der entstandenen Aufwendungen (§ 675 i.V.m. § 670 BGB) verlangen kann, soweit diese nicht als all-gemeine Geschäftskosten mit den Gebühren entgolten sind.
2. Die Voraussetzungen der Vorbemerkung 7 Abs. 1 VV RVG liegen vor.
a) Die der Pflichtverteidigerin für die Datenreproduktion entstandenen Auslagen Beschaffungskosten für zwei CDs sind nicht nach Nr. 7000 VV RVG zu ersetzen.
b) Die Aufwendungen sind keine Gemeinkosten, die für den allgemeinen Bürobetrieb angefallen sind. Vielmehr waren sie durch die Bearbeitung des konkreten Mandats (vgl. Müller-Rabe in: Gerold/Schmidt, aaO, Vorb. 7 VV RVG, Rdnr. 3; Burhoff, RVG 2. Aufl., Vorbem. 7 VV RVG Rdnr. 7) veranlasst.
c) Die durch die Pflichtverteidigerin getätigten Aufwendungen waren auch erforderlich im Sinne des § 670 BGB. Denn die ko-pierten Datenträger waren Bestandteile der Sachakten und ent-hielten Beweismittel, deren Kenntnis für eine sachgerechte Verteidigung unerlässlich war.
d) Nach der Vorbemerkung 7 Abs. 1 Satz 2 VV RVG i.V.m. §§ 675, 670 BGB sind der Pflichtverteidigerin die tatsächlich entstan-denen Aufwendungen zu ersetzen. Hierzu zählen vorliegend die Sachkosten für zwei CDs sowie die für die Erstellung der Kopien entstehenden Personalkosten, nicht aber die (anteiligen) Beschaffungskosten für die Hard- und Software, die als Gemein-kosten nicht gesondert erstattungsfähig sind. Die Kosten für eine überschreibbare und damit grundsätzlich mehrfach verwend-bare CD liegen bei einer entsprechenden Abnahmemenge deutlich unter 0,50 Euro, teilweise bei unter 0,20 Euro. Der durch eine Bürokraft zu erbringende Personalaufwand ist gering, so dass es angemessen ist, der Pflichtverteidigerin für ihre insoweit entstandenen Aufwendungen 1,00 Euro pro CD zuzüglich Umsatz-steuer, mithin zusätzlich 2,38 Euro zu erstatten.
Einsender: RiKG Klaus-Peter Hanschke, Berlin
Anmerkung:
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