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RVG Entscheidungen

§ 42

Pauschgebühr, Pflichtverteidiger, Freispruch, Antragszeitpunkt

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Düsseldorf, Beschl. v. 19.10.2012, III-3 RVGs 48/11

Leitsatz: 1. Der Pflichtverteidiger kann eine Pauschgebühr nicht nur nach § 51 RVG, sondern unter bestimmten Umständen - insbesondere im Falle eines Freispruchs - nach § 42 RVG geltend machen.
2. Der Antrag nach § 42 RVG ist unzulässig, wenn der Verteidiger bereits sein Bestimmungsrecht nach § 14 RVG wirksam ausgeübt hat. Folgt der Antrag auf Festsetzung einer Pauschgebühr gem. § 42 RVG dem Antrag auf Kostenfestsetzung zeitlich nach, kommt eine Auslegung dahin, die Pauschgebühr werde vorrangig geltend gemacht, nicht in Betracht.


In der Strafsache
gegen G. aus München,
wegen Betruges u. a.
hat der 3. Strafsenat durch die Richterin am Oberlandesgericht R.H. als Einzelrichterin am
19. Oktober 2012
auf den Antrag des Verteidigers Rechtsanwalt K. in München auf Bewilligung einer Pauschgebühr gemäß § 42 Abs. 1 i.V.m. § 42 Abs. 2 Satz 2, 52 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 RVG
nach Anhörung des Vertreters der Staatskasse
beschlossen:
Tenor:
Der Antrag wird als unzulässig zurückgewiesen.
Gründe
I.
Der Antragsteller war ursprünglich Wahlverteidiger der Angeklagten. Nachdem er durch Beschluss des Landgerichts D. vom 19. Juli 2009 zum Pflichtverteidiger bestellt worden war (Bl. 3396), legte er das Wahlmandat nieder.
Durch Urteil vom 24. Februar 2010 sprach das Landgericht D. die Angeklagte von den Anklagevorwürfen frei. Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen der Angeklagten legte es der Staatskasse auf.
Gegen das Urteil legte die Staatsanwaltschaft D. am 1. März 2010 Revision und gegen die Kosten- und Auslagenentscheidung sofortige Beschwerde ein. Mit Verfügung vom 15. Juni 2010 nahm die Staatsanwaltschaft die Revision zurück, nicht hingegen die sofortige Beschwerde. Dies geschah erst durch Verfügung vom 15. Mai 2012 (Bl. 4464), welche am 23. Mai 2012 bei dem Landgericht einging.
Nach Freisprechung der früheren Angeklagten beantragte der Verteidiger unter dem 17. März 2010 Kostenfestsetzung gemäß § 464b StPO gegenüber der Staatskasse. Er machte dabei hinsichtlich der Grund-, Verfahrens- und Terminsgebühren (Nrn. 4100, 4104, 4112, 4114 VV RVG) die jeweiligen Höchstgebühren für Wahlverteidiger geltend. Im Hinblick auf die fehlende Rechtskraft des Urteils wurden die Kosten zunächst nicht festgesetzt. Der Bezirksrevisor verlangte zudem von dem Antragsteller, dass dieser eine neue Vollmacht der Freigesprochenen zur Kostenfestsetzung vorlege. Die Vorlage der Vollmacht erfolgte mit Schriftsatz vom 7. Juni 2011.
Durch Beschluss vom 8. Dezember 2011 setzte das Landgericht die der früheren Angeklagten aus der Landeskasse zu erstattenden notwendigen Auslagen auf 5.961,42 Euro fest und wies den weitergehenden Antrag zurück. Dabei waren die bereits ausgezahlten Pflichtverteidigergebühren von dem Erstattungsanspruch abgezogen worden. Die Gebühren Nr. 4100 (300 Euro) und 4112 (270 Euro) setzte das Landgericht antragsgemäß fest. Die Gebühr 4104 setzte es ab. Die Terminsgebühren in jeweils Höhe der Höchstgebühr sah die Rechtspflegerin als unbillig im Sinne des § 14 RVG an und kürzte diese. Gegen die Absetzungen legte der Verteidiger sofortige Beschwerde ein. Über das Rechtsmittel hat der zuständige 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf im Hinblick auf den Vorrang des Pauschvergütungsverfahrens, dessen Durchführung der Verteidiger am 3. August 2011 beantragt hat, noch nicht entschieden.
II.
1.
Der Antrag auf Feststellung einer Pauschgebühr ist unzulässig.
a) Allerdings ist eine Feststellung der Verteidigergebühren nach § 42 RVG nicht deshalb ausgeschlossen, weil der Antragsteller nicht Wahlverteidiger, sondern Pflichtverteidiger der Freigesprochenen war.
aa) Zwar gilt die Vorschrift ihrem Wortlaut nach nur für den Wahlverteidiger. Der persönliche Anwendungsbereich der Norm kann aber gemäß § 42 Abs. 2 Satz 2 RVG auch für den Pflichtverteidiger Bedeutung erlangen, wenn dieser nach §§ 52, 53 RVG den Beschuldigten oder einen anderen Beteiligten unmittelbar in Anspruch nehmen kann (vgl. Burhoff in Gerold/Schmidt, RVG, 19. Aufl, § 42 Rn. 2). Dies ist hier nach dem Freispruch der Angeklagten der Fall. Dem beigeordneten Antragsteller steht gegen die frühere Angeklagte nach § 52 Abs. 1 Satz 1 RVG die Zahlung von Wahlverteidigergebühren zu; der Anspruch kann gem. § 52 Abs. 2 Satz 1 RVG auch geltend gemacht werden, da der Freigesprochenen nach § 467 Abs. 1 StPO ein Erstattungsanspruch gegen die Staatskasse zukommt.
bb) Ob der Pflichtverteidiger auch nach § 51 RVG eine Pauschgebühr erhalten könnte und wie das Verhältnis von § 42 RVG zu § 51 RVG ist, insbesondere die Frage, ob die Möglichkeit der Geltendmachung einer Gebühr nach § 42 RVG die Gebühr nach § 51 RVG ausschließt, bedarf keiner Klärung. Denn der Verteidiger hat ausdrücklich eine Pauschgebühr nach § 42 RVG beantragt. Zuvor hatte er bereits in dem Kostenfestsetzungsantrag die Rahmenhöchstgebühren für Wahlverteidiger geltend gemacht und nicht etwa lediglich die Pflichtverteidigergebühren. Die Gesamtbetrachtung der Umstände lässt damit keinen Raum für die Auslegung anwaltlichen Antrages zu (anders in den Fällen des Thür.OLG, JurBüro 2010, 642 und Beschluss vom 10.03.2008, 1 AR (S) 14/07 <[...]>).
b) Der Pauschvergütungsantrag ist aber unzulässig, weil der Verteidiger durch den Antrag auf Kostenfestsetzung sein Leistungsbestimmungsrecht verbraucht hat.
aa) Nach allgemeiner Ansicht in der obergerichtlichen Rechtsprechung ist der Antrag auf Feststellung einer Pauschgebühr nach § 42 RVG unzulässig, wenn das Kostenfestsetzungsverfahren nach § 464b StPO rechtskräftig abgeschlossen ist (Thür.OLG JurBüro 2008, 82 und JurBüro 2010, 642, Uher in Bischof, RVG, 4. Aufl. § 42 Rn. 15). Es sei Folge der in § 42 Abs. 4 RVG statuierten Bindungswirkung, dass der Wahlverteidiger die Pauschgebühr zu einem Zeitpunkt beantragen müsse, in dem die Feststellung der Pauschgebühr im Kostenfestsetzungsverfahren noch berücksichtigt werden könne. Nur so könnten divergierende Entscheidungen vermieden und die angestrebte Verfahrensvereinfachung- und beschleunigung erreicht werden. Bei gleichzeitigem Antrag auf Feststellung einer Pauschgebühr und Antrag auf Kostenfestsetzung der Antrag auf Kostenfestsetzung müsse der Verteidiger dem rechtskräftigen Abschluss des Kostenfestsetzungsverfahrens entgegen wirken, um zunächst das vorrangige Verfahren nach § 42 RVG durchführen zu lassen (Thür.OLG JurBüro 2008, 96).
bb) Die herrschende Meinung in der obergerichtlichen Rechtsprechung und der Kommentarliteratur geht indes noch weiter: Danach ist der Antrag auf Feststellung einer Pauschgebühr nach § 42 RVG bereits dann unzulässig, wenn der Verteidiger sein Bestimmungsrecht nach § 14 Abs. 1 RVG wirksam ausgeübt hat (OLG Bamberg DAR 2011 mit zustimmender Anmerkung Burhoff in StRR 2011, 240, OLG Celle StraFo 2008, 398, KG AGS 2012, 336. Kroiß in Mayer/Kroiß, RVG, 4. Aufl., § 42 Rn.15). Als Argument dafür wird angeführt, das Leistungsbestimmungsrecht des Verteidigers sei rechtsgestaltend. Die Ausübung des Ermessenes im Sinne des § 14 RVG erfolge gem. § 315 Abs. 2 BGB mit Zugang (§ 130 BGB) beim Auftraggeber oder der Staatskasse nach Abtretung der Erstattungsansprüche. An das ausgeübte Ermessen sei der Verteidiger gebunden, sobald die Gebührenrechnung dem Zahlungspflichtigen zugegangen ist. Eine Erhöhung der Gebühren komme dann nur noch in Betracht, wenn der Rechtsanwalt sich eine solche ausdrücklich vorbehalten habe, über die Bemessungsfaktoren getäuscht wurde oder einen gesetzlichen Gebührentatbestand übersehen habe (Mayer in Gerold/Schmidt, a.a.O., § 14 Rn. 4).
cc) Der h. M. ist im vorliegenden Fall zu folgen. Wenn der Verteidiger zeitgleich die Höchstgebühren und die Feststellung einer Pauschgebühr beantragt,
könnte zwar ggf. im Wege der Auslegung entnommen werden, dass er gerade nicht abschließend von seinem Ermessen nach § 14 RVG Gebrauch gemacht hat, sondern sich weitere Forderungen - eben über die gesetzlichen Höchstgebühren hinausgehende Gebühren - vorbehält. Hier hat der Verteidiger indes nicht gleichzeitig mit der Kostenfestsetzung die Pauschgebühr beantragt, sondern erst mehr als ein Jahr danach. Damit konnte dem Kostenfestsetzungantrag nicht mehr entnommenen werden, dass der Verteidiger die Rahmenhöchstgebühren nur als Mindestbetrag fordert.
2.
Überdies wäre der Antrag auch nicht unbegründet gewesen. Voraussetzung des § 42 Abs. 1 RVG ist nämlich, dass aufgrund des besonderen Umfangs oder der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit die in den Teilen 4 bis 6 des Vergütungsverzeichnisses bestimmten Gebühren eines Wahlanwaltes nicht zumutbar sind. Der Verteidiger hatte sich zwar in ein überdurchschnittlich umfangreiches und auch schwieriges Verfahren einzuarbeiten. Die Bedeutung der Angelegenheit für die bislang unbescholtene Mandanten, die einen Handyladen in exponierter Lage in einer deutschen Großstadt betrieb, war ebenfalls überdurchschnittlich. Denn mit dem Ausspruch einer nichtbewährungsfähigen Freiheitsstrafe wäre deren berufliche Existenz bedroht gewesen. Die Hauptverhandlung fand an 19 Tagen statt, wobei die durchschnittliche Terminsdauer lediglich vier Stunden betrug. Gleichwohl lassen die dargelegten Umstände in der Gesamtschau die gesetzlichen Gebühren nicht unzumutbar erscheinen.

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