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Gericht / Entscheidungsdatum: LG Dresden, Beschl. v. 26.06.2012 - 3 Qs 62/12
Leitsatz: Wird im Wiederaufnahmeverfahren zeitgleich in einem Termin über die Begründetheit des Wiederaufnahmeantrages und in der Hauptsache selbst entschieden, entsteht dafür nicht die Terminsgebühr Nr. 4140 VV RVG sondern die entsprechende Hauptverhandlungsterminsgebühr.
Aktenzeichen: 3 Qs 62/12 Beschluss In dem Strafverfahren gegen pp. Verteidiger: Rechtsanwalt Kohn Andreas Martin, Fürstenstraße 28, 09130 Chemnitz wegen Wiederaufnahme ergeht am 26.06.2012 durch das Landgericht Dresden - 3. Große Strafkammer - nachfolgende Entscheidung: Auf die sofortige Beschwerde des Verteidigers wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts Dresden vom 28.03.2012 (201 Ls 302 Js 50794)08) wie folgt abgeändert: Die von der Staatskasse an den Verteidiger, Rechtsanwalt Andreas Martin Kohn, zu erstattenden Kosten werden auf 323,09 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 09.02.2010 festgesetzt. Im Übrigen wird die sofortige Beschwerde als unbegründet verworfen und der Festsetzungs-antrag zurückgewiesen. Das Verfahren über die Beschwerde ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.
Gründe I. Mit Verfügung vom 13.10.2008 beantragte die Staatsanwaltschaft Chemnitz die Durchführung eines Wiederaufnahmeverfahrens gegen den Verurteilten, da eine Strafe aus einem Urteil des Amtsgerichts Chemnitz in zwei weitere gerichtliche Entscheidungen rechtskräftig einbezogen worden war. Mit Beschluss vom 23.12.2008 entschied das Amtsgericht Dresden, dass das Verfahren antragsgemäß wieder aufgenommen wird und ordnete mit Beschluss vom 13.03.2009 dem Verurteilten Rechtsanwalt Kohn als Pflichtverteidiger bei. Termin zur Durchführung der Hauptverhandlung wurde bestimmt auf Mittwoch, den 15.07.2009. Unter der Überschrift "Wiederaufnahmeverfahren" führte das Amtsgericht Dresden schließlich an diesem Tag eine Hauptverhandlung durch und entschied wie folgt: "1. Das Verfahren 16 Ls 750 Js 1873/07 wird wieder aufgenommen. Das Urteil des Amtsgerichts Chemnitz - Schöffengericht - vom 20.02.2008 wird aufgehoben. Die mit Urteil des Amtsgerichts Chemnitz vom 25.09.2007, Az.: 16 Ls 660 Js 25617/07, verlängerte Freiheitsstrafe ist verbüßt. 2. Der Angeklagte X. ist schuldig des Betrugs in 2 Fällen, jeweils in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis, der Urkundenfälschung in Tateinheit mit Betrug in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis. 3. Der Angeklagte wird zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 5 Monaten verurteilt. 4. Die Vollstreckung der Freiheitsstrafe wird zur Bewährung ausgesetzt." Der Verteidiger beantragte zuletzt mit Schriftsatz vom 14.02.2012 die Festsetzung folgender Gebühren: 1. VV 4138 2. VV 4101 3. VV 4107 4. VV 4108 5. VV 7000 (121 Kopien aus Verfahrensakte) 171,25 Euro 202,50 Euro 171,25 Euro 230,00 Euro 35,65 Euro 6. VV 7002 (Wiederaufnahmeverfahren) 20,00 Euro 7. VV 7002 (Hauptverfahren) 20,00 Euro 8. VV 7003 2 Besuche in JVA Zeithain und Besuch in Dresden 400 km x 0,30 Euro/km 120,00 Euro 9. VV 7005 2 x Nr. 2 1 x Nr. 3 75,00 Euro 10. Zwischensumme netto 1.045,65 Euro 11. VV 7008 19 % 198,67 Euro - 680,26 Euro 12. abzgl. gezahlter Pflichtverteidigervergütung 13. Festsetzungsbetrag 564,06 Euro
Mit Beschluss vom 28.03.2012 setzte das Amtsgericht Dresden die von der Staatskasse zu erstattenden Kosten auf 95,50 Euro fest und führte bezüglich seiner Abweichung von dem Kostenfestsetzungsantrag aus, dass Gebühren nach VV 4107 und VV 4101 nicht erstattungsfähig seien. Die geltend gemachte Gebühr nach VV 4108 wurde von Amts wegen in eine Gebühr nach VV 4140 RVG umgedeutet; die Gebühr gemäß VV 7002 RVG könne nur einmal anfallen. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Verteidigers, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wurde. Die Staatskasse hatte Gelegenheit zur Stellungnahme. II. Die sofortige Beschwerde ist zulässig, jedoch nur teilweise begründet. 1. Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts Dresden hat der Verteidiger des Verurteilten nicht nur einen Anspruch auf Festsetzung der zu erstattenden Kosten in Höhe von 95,50 Euro, sondern in Höhe von insgesamt 323,09 Euro. Von der gesetzgeberischen Grundkonzeption ist das Wiederaufnahmeverfahren gemäß der §§ 359 ff. StPO in drei Verfahrensschritte aufgeteilt, nämlich dem Aditionsverfahren gemäß der §§ 359 bis 368 StPO, dem Probationsverfahren gemäß der §§ 369 bis 372 StPO sowie der Durchführung einer erneuten Hauptverhandlung gemäß § 373 StPO. Der Beschluss des Amtsgerichts Dresden vom 23.12.2008 ist deshalb dahingehend auszulegen, dass hier über die Zulässigkeit des Wiederaufnahmeverfahrens an sich entschieden wurde. Demgegenüber wurde - was zunächst eher ungewöhnlich ist - über die Begründetheit der Wiederaufnahme in einem Termin ebenso entschieden wie über die Sache selbst, letztlich nach Durchführung einer Beweisaufnahme. Unzulässig ist dies jedoch zumindest nicht, da ein Gericht über die Begründetheit des Wiederaufnahmeantrages auch ohne neue Beweisaufnahme im Sinne des § 369 StPO entscheiden kann, wenn sich - wie hier - die Begründetheit des Antrages ohne Weiteres aus einem rechtskräftigen Urteil bzw. gerichtlichen Urkunden ergibt (vgl. hierzu auch Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl., § 369 Rn. 2). Demgegenüber ist in § 17 Nr. 12 RVG geregelt, dass im Sinne des Gebührenrechts das Wie-deraufnahmeverfahren und das wieder aufgenommene Verfahren verschiedene Angelegenheiten sind, wenn sich die Gebühren - wie hier - nach Teil 4 des Vergütungsverzeichnisses richten. Der ungewöhnlichen, im Ergebnis aber zulässigen Verfahrensgestaltung des Gerichts einerseits sowie der vorgenannten gesetzlichen Regelung andererseits ist hier wie folgt angemessen Rechnung zu tragen: a) Da Rechtsanwalt Kohn erst nach der Entscheidung über die Zulässigkeit des Wiederaufnahmeantrages dem Angeklagten als Pflichtverteidiger beigeordnet wurde, steht ihm hier eine Verfahrensgebühr gemäß Ziffer 4138 VV-RVG zu. Dass das Amtsgericht hier zeitgleich über die Begründetheit des Wiederaufnahmeantrages und in der Hauptsache selbst entschieden hat, kann ihm insoweit gebührenrechtlich nicht zum Nachteil gereichen. Ihm stehen insoweit deshalb - wie beantragt - 171,25 Euro zu. b) Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts konnte die beantragte Gebühr gemäß Ziffer 4108 VV-RVG nicht in eine solche Gebühr gemäß Ziffer 4140 VV-RVG umgedeutet werden, da es sich insoweit lediglich um eine Terminsgebühr für jeden Verhandlungstag innerhalb des Wiederaufnahmeverfahrens handelt. Über die Begründetheit des Wiederaufnahmeverfahrens wurde hier allerdings - soweit ersichtlich - nicht (ausdrücklich) verhandelt. c) Entgegen der Auffassung des Verteidigers steht ihm eine Gebühr gemäß Ziffer 4101 VV-RVG nicht zu. Auch wenn gemäß § 17 Nr. 12 RVG das Wiederaufnahmeverfahren und das wieder aufgenommene Verfahren grundsätzlich jeweils eine eigene Angelegenheit ist, erhält der Rechtsanwalt, der den Verurteilten im vorangegangen Verfahren verteidigt hat, aber keine Grundgebühr, da er sich dann auch nicht (noch einmal) in den Rechtsfall einarbeiten muss (so ausdrücklich Gerold/Schmidt, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, 20. Aufl., VV 4100, 4101 Rn. 19; Hartmann, Kostengesetze, 41. Aufl., 4100, 4100 VV, Rn. 5). In die vorliegende Rechtssache musste sich Rechtsanwalt Kohn auch nur einmal einarbeiten, da er im ursprünglichen Verfahren bereits der Verteidiger des Verurteilten war, wie dem Urteil des Amts-gerichts Chemnitz vom 20.02.2008 (Az.: 16 Ls 750 Js 1873/07) entnommen werden kann (vgl. Blatt 27 der Akte). d) Demgegenüber stehen aufgrund der Durchführung der Hauptverhandlung - quasi nach konkludenter Zulassung der Wiederaufnahme - dem Verteidiger die beantragten Gebühren gemäß Ziffer 4107 VV-RVG in Höhe von 171,25 Euro bzw. Ziffer 4108 VV-RVG in Höhe von 230,00 Euro zu. e) Dem Verteidiger steht darüber hinaus die Pauschale für Entgelte für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen gemäß Ziffer 7002 VV-RVG zweimal zu, da aufgrund des besonderen Aufbaus des Gesetzes -hier dem § 17 Nr. 12 RVG- entnommen werden kann, dass bewusst zwischen dem Wiederaufnahmeverfahren und dem wieder aufgenommenen Verfahren getrennt wird, so dass bezüglich beider Verfahrensstadien die Pauschale jeweils erneut anfällt (im Ergebnis ebenso Gerold/Schmidt a.a.O. VV 7001, 7002, Rn. 25); eine Bestimmung, dass die Pauschale aufeinander anzurechnen wäre, gibt es nicht. Auf der Grundlage des zuvor gesagten ergibt sich folgende Berechnung: Ziffer 4107 VV-RVG 171,25 Euro Ziffer 4108 VV-RVG 230,00 Euro Ziffer 4138 VV-RVG 171,25 Euro Ziffer 7000 VV-RVG 35,65 Euro Ziffer 7002 VV-RVG (Wiederaufnahmeverfahren) 20,00 Euro Ziffer 7002 VV-RVG (wieder aufgenommenes Verfahren) 20,00 Euro Ziffer 7003 VV-RVG 120,00 Euro Ziffer 7005 VV-RVG 75,00 Euro Zwischensumme 843,15 Euro zzgl. 19 % Mehrwertsteuer gemäß Ziffer 7008 VV-RVG 160,00 Euro Gesamtsumme der zu erstattenden Kosten 1.003,35 Euro abzgl. bereits gezahlter Pflichtverteidigervergütung 680,26 Euro Festsetzungsbetrag 323,09 Euro bereits erstattet gemäß Auszahlungsanordnung vom 28.03.2012 hiervon 95,50 Euro
2. Im Übrigen ist die Beschwerde aufgrund des zuvor Gesagten unbegründet, der Festsetzungs-antrag war deshalb zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 56 Abs. 2 Satz 2 und 3 RVG.
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