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RVG Entscheidungen

Allgemeine Gebühren-/Kostenfragen - Sonstiges

Rückforderung, Rechtsanwaltsvergütung, Verwirkung

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Düsseldorf, Beschl. v. 11.01.2012 - III-1 Ws 362/12

Leitsatz: Eine Rückforderung von Rechtsanwaltsvergütung ist analog § 20 Abs. 1 Satz 1 GKG nur bis zum Ablauf des nächsten Kalenderjahres nach Mitteilung des Kostenfestsetzungsbeschlusses möglich.


In pp.
Auf die Beschwerde der Nebenklägervertreterin werden die Beschlüsse des Landgerichts Düsseldorf vom 17. Oktober und vom 6. September 2011 aufgehoben.

Das Verfahren über die Beschwerde ist gebührenfrei, Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

Die Beschwerdeführerin hat als beigeordnete Rechtsanwältin in dem vor dem Landgericht Düsseldorf geführten Strafverfahren gegen den inhaftierten Angeklagten den Nebenkläger vertreten, der sich nicht in Haft befand. Im Juli 2007 hat sie die Festsetzung ihrer Vergütung und Auslagen beantragt und dabei Haftzuschläge in Höhe von insgesamt 697,40 € geltend gemacht. Die Kosten wurden am 10. August 2007 antragsgemäß festgesetzt und ausgezahlt.

Rund vier Jahre später, im Juni 2011, hat die Beschwerdeführerin ergänzend Kostenfestsetzung gegen den Angeklagten beantragt und dabei zunächst erneut Haftzuschläge geltend gemacht. Darauf sind die Akten dem Bezirksrevisor bei dem Landgericht Düsseldorf vorgelegt worden. Dieser hat unter dem 18. Juli 2011 Erinnerung gegen die Kostenfestsetzung vom 10. August 2007 eingelegt. Seinem Antrag folgend hat das Landgericht Düsseldorf durch Beschluss der zuständigen Rechtspflegerin vom 6. September 2011 den angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschluss geändert und die Kosten vermindert um die Haftzuschläge festgesetzt. Die dagegen gerichtete Erinnerung der Beschwerdeführerin hat die Strafkammer mit Beschluss vom 17. Oktober 2011 zurückgewiesen.

Hiergegen wendet sich die Beschwerdeführerin mit ihrer Beschwerde, der das Landgericht nicht abgeholfen hat. Der Einzelrichter hat die Sache gemäß §§ 33 Abs. 8 Satz 2, 56 Abs. 2 Satz 1 Var. 2 RVG wegen grundsätzlicher Bedeutung dem Senat zur Entscheidung übertragen.

Die Beschwerde ist begründet.

1. Die im Jahre 2007 erfolgte Kostenfestsetzung durfte im Jahre 2011 nicht mehr geändert werden. Aufgrund des erheblichen Zeitablaufs von fast vier Jahren war eine Rückforderung der zu Unrecht bewilligten Haftzuschläge ausgeschlossen. Denn eine Rückforderung von Rechtsanwaltsvergütung ist analog § 20 Abs. 1 Satz 1 GKG (vormals § 7 GKG) nur bis zum Ablauf des nächsten Kalenderjahres nach Mitteilung des Kostenfestsetzungsbeschlusses möglich. Nach dieser Vorschrift dürfen Gerichtskosten aufgrund eines berichtigten Ansatzes nur bis zum Ablauf des nächsten Kalenderjahres nach Absendung der (unrichtigen) Schlusskostenrechnung nachgefordert werden. Die Norm wird nach heute ganz herrschender Meinung auf die Rückforderung zu Unrecht festgesetzter Rechtsanwaltsvergütung analog angewendet (vgl. OLG Brandenburg 2 Ws 111/09 vom 25. August 2009 und 2 Ws 125/09 vom 10. September 2009 [auch im Folgenden: soweit ohne Fundstelle angegeben, zitiert nach Juris]; OLG Thüringen 1 Ws 407/05 vom 20. März 2006, Rn. 25; OLG Schleswig 15 WF 92/08 vom 26. Juni 2008; OLG Saarbrücken, OLGR 2000, 199; OLG Düsseldorf 10 WF 11/94 vom 17. Januar 1995; OLG Koblenz 13 WF 932/92 vom 12. Oktober 1992; OLG Frankfurt a. M. 2 WF 34/91 vom 4. März 1991; OLG Köln 4 WF 130/82 vom 28. September 1982; OLG Celle 10 WF 77/82 vom 6. August 1982; OLG Hamm 6 WF 119/82 vom 31. März 1982; LSG NRW L 7 AS 712/10 B vom 5. Mai 2011; SG Berlin S 127 SF 407/10 E vom 1. November 2010; LAG Frankfurt a. M. 13 Ta 263 vom 7. September 2010; Müller-Rabe, in: Gerold/Schmidt, RVG, 19. Aufl. 2010, § 55 Rn. 41; Hartung, in: Hartung/Römermann/Schons, RVG, 2. Aufl. 2006, § 56 Rn. 12; Schmahl, in: Riedel/Sußbauer, RVG, 9. Aufl. 2005, § 56 Rn. 31.)

Der Senat schließt sich der herrschenden Auffassung an. Die Interessenlage bei der Nachforderung, auf die sich die Regelung in § 20 Abs. 1 GKG bezieht, entspricht strukturell derjenigen bei der Rückforderung, die sich bei erfolgreicher Erinnerung der Staatskasse nach § 56 Abs. 1 Satz 1 RVG ergibt. In beiden Fällen verlangt die Staatskasse von dem Betroffenen eine Zahlung. Ein tragfähiger Grund, beide Fälle unterschiedlich zu behandeln, ist nicht ersichtlich. Das RVG ist insoweit erkennbar lückenhaft. § 20 Abs. 1 Satz 1 GKG konkretisiert den allgemeinen Vertrauensschutzgedanken, der auch hinter dem Rechtsinstitut der Verwirkung (§ 242 BGB) steht (vgl. auch - sehr weitgehend - Hartmann, Kostengesetze, 41. Aufl. 2011, § 56 Rn. 3, der wegen des Vertrauensschutzes die Erinnerung schon nach der Auszahlung der festgesetzten Vergütung für unzulässig hält). Die analoge Rechtsanwendung schließt die bestehende Lücke.

2. Weiterer, über den bloßen Zeitablauf hinausgehender Umstände bedurfte es nicht, um die Rückforderung auszuschließen. Namentlich müssen die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Verwirkung nicht erfüllt sein. Soweit in den angeführten Fundstellen zum Teil erläuternd von der Verwirkung des Rechts der Erinnerung oder des Rückforderungsanspruchs die Rede ist, folgt daraus nicht, dass zu dem bloßen Zeitablauf ein Umstandsmoment hinzutreten müsste, aus dem der betroffene Rechtsanwalt besonderes Vertrauen ableiten kann (a. A. - soweit ersichtlich - nur Pukall, in: Mayer/Kroiß, RVG, 4. Aulf. 2009, § 56 Rn. 10 mit Fn. 5 ohne tragfähige Begründung). Ein Umstandsmoment ist in § 20 Abs. 1 Satz 1 GKG nicht vorgesehen. Vielmehr kann eine etwaig fehlende Schutzwürdigkeit entsprechend § 20 Abs. 1 Satz 2 GKG hinreichend berücksichtigt werden (vgl. zur auch insoweit vorzunehmenden Analogiebildung LG Itzehoe 1 KLs 2/06 vom 28. Mai 2006 Rn. 10 f.).

3. Der Beschwerdeführerin ist es nicht unter dem Gesichtspunkt fehlender Schutzwürdigkeit verwehrt, sich auf die analog anwendbare Schutzvorschrift des § 20 Abs. 1 Satz 1 GKG zu berufen. Entsprechend § 20 Abs. 1 Satz 2 GKG wäre eine Rückforderung im Ergebnis namentlich dann nicht ausgeschlossen, wenn die ursprünglich falsche Festsetzung auf vorsätzlich oder grob fahrlässig falschen Angaben des Rechtsanwalts beruhte. Indes ist der Beschwerdeführerin grobe Fahrlässigkeit oder gar Vorsatz nicht vorzuwerfen. Zwar war ihre Kostenberechnung, die sie ihrem Antrag gemäß § 11 Abs. 2 Satz 3 RVG, § 464b Satz 3 StPO, § 103 Abs. 2 Satz 2 ZPO beizufügen hatte, objektiv falsch. Denn mit Haftzuschlag kann ein Nebenklägervertreter seine Gebühren nur ansetzen, wenn sich sein Mandant in Haft befindet; die Haftsituation des Angeklagten ist ohne Belang (vgl. nur OLG Düsseldorf III-3 Ws 161-162/06 vom 6. April 2006 ). Da jedoch die gegenteilige Auffassung früher zum Teil vertreten wurde (vgl. OLG Düsseldorf NStZ 1997, 605, 606; siehe auch den Nachweis bei OLG Hamm 2 (s) Sbd IX - 87/07 vom 8. Juni 2007, Rn. 12 ), hat die Beschwerdeführerin die objektiv unrichtige Kostenfestsetzung jedenfalls nicht in grob fahrlässiger Weise verursacht.

Die Beschwerdeführerin erscheint auch nicht - etwa unter dem Gesichtspunkt eines Einwands unzulässiger Rechtsausübung bei widersprüchlichem Verhalten - deshalb als schutzunwürdig, weil sie selbst erst fast vier Jahre nach Abschluss des ersten Kostenfestsetzungsverfahrens nun Kostenfestsetzung gegen den Angeklagten begehrt. Ein Wertungswiderspruch, dass die Beschwerdeführerin einerseits den Einwand der Rechtssicherheit erheben darf, sich einen solchen Einwand aber hinsichtlich ihres weiteren Kostenfestsetzungsantrags selbst nicht entgegenhalten lassen muss, besteht allenfalls scheinbar. Denn die Kostenfestsetzungsverfahren betreffen verschiedene Schuldverhältnisse, nämlich einerseits das zur Staatskasse und andererseits das zu dem Angeklagten. Während das staatliche Handeln in dem einen Verhältnis Vertrauensschutz begründet hat, kann sich ein etwaiger Vertrauensschutz in dem anderen Verhältnis jedenfalls nicht aus staatlichem Handeln ergeben. Beide Kostenfestsetzungsverfahren sind mithin nicht in beachtlicher Weise miteinander verknüpft.

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 56 Abs. 2 Satz 2 und 3 RVG.

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