Diese Homepage verwendet Cookies, um Inhalte und Anzeigen zu personalisieren, Funktionen für soziale Medien anbieten zu können und die Zugriffe auf die Website zu analysieren. Außerdem gebe ich Informationen zu Ihrer Nutzung meiner Website an meine Partner für soziale Medien, Werbung und Analysen weiter.
Leitsatz: 1. Entscheidungen in unselbständigen Zwischenverfahren (Beschwerdeverfahren) sind gemäß § 464 Abs. 2 StPO nicht mit einer Auslagenentscheidung zu versehen. 2. Die Tätigkeiten des Verteidigers in einem Beschwerdeverfahren werden grundsätzlich durch die Gebühren der jeweiligen Instanz mit abgegolten.
hat der 1. Strafsenat des Kammergerichts in Berlin am 9. Juli 2010 beschlossen:
Der Antrag der Beschuldigten auf Ergänzung des Be-schlusses des Senats vom 16. April 2010 betreffend ihre notwendigen Auslagen im Beschwerdeverfahren und ihre Gegenvorstellung werden als unzulässig verworfen.
G r ü n d e :
Mit ihrem Antrag vom 27. Mai 2010 begehrt die Beschuldigte, den Beschluss des Senats vom 16. April 2010 dahin zu ergänzen, dass auch die notwendigen Auslagen, die ihr durch die weitere Beschwerde der Staatsanwaltschaft entstanden sind, der Landeskasse Berlin auferlegt werden, hilfsweise klarzustellen, dass mit den Kosten des Verfahrens auch die notwendigen Auslagen der Beschuldigten im Beschwerdever-fahren beinhaltet sind.
Der Entscheidung des Senats lag folgendes zugrunde:
Gegen die Beschuldigte wird seit Dezember 2004 ein zu-nächst auf den Tatvorwurf der Geldwäsche und mittlerweile auf den Vorwurf der Beihilfe zur Untreue gestütztes Ermittlungsverfahren geführt. Sie soll ihrem Bruder, dem nach Verfahrenstrennung im Februar 2009 gesondert Verfolgten Ba. S., ihr bei der Commerzbank unter der Kontonummer 1005620737 geführtes Konto zur Verfügung gestellt haben, um ihm die Möglichkeit zu eröffnen, seine Einkommensverhältnisse gegenüber Dritten zu verschleiern. Auf dieses Konto, für das er eine Alleinvertretungsvollmacht besaß, soll der gesondert Verfolgte Ba. S. in verschiedenen Teil-beträgen vom 26. Juli 2004 bis zum 11. Februar 2005 einen Gesamtbetrag in Höhe von 229.700,- Euro eingezahlt haben, der aus einer Steuerrückerstattung in Höhe von 574.198,07 Euro an die in Liquidation befindliche B. GmbH (im Weiteren B.) stammen soll. Diese Steuerrückerstattung soll er entgegen der sich aus § 70 GmbHG ergebenden Pflicht zur Erfüllung der Verbindlichkeiten der aufgelösten Gesellschaft zu eigenen Zwecken verwendet und so die ihm als Liquidator kraft gerichtlichen Auftrags eingeräumte Vermö-gensbetreuungspflicht zum Nachteil der Gläubiger der B. verletzt, mithin eine Untreue zum Nachteil der Gläubiger begangen haben. Mit Beschluss vom 10. September 2007 hat das Amtsgericht Tiergarten auf Antrag der Staatsanwaltschaft den dinglichen Arrest in Höhe von 229.700,- Euro in das Vermögen der Beschuldigten angeordnet. Auf ihre hiergegen eingelegte Beschwerde hat das Landgericht Berlin am 29. Juli 2009 den vorgenannten Beschluss aufgehoben, soweit die Arrestanordnung die Summe von 41.500,- Euro übersteigt. Der hiergegen gerichteten weiteren Beschwerde der Staatsanwaltschaft Berlin hat der Senat mit Beschluss vom 16. April 2010 nur hinsichtlich eines Betrages von 18.000,- Euro stattgegeben und den Beschluss des Landgerichts Berlin vom 29. Juli 2009 entsprechend abgeändert; im Übrigen wurde die weitere Beschwerde zurückgewiesen. Die Kosten des Verfahrens über die weitere Beschwerde hat der Senat der Landeskasse Berlin auferlegt.
1. Der Ergänzungsantrag ist unzulässig. Eine Ergänzung der Entscheidung ist dem Senat verwehrt. Kosten- und Auslagenentscheidungen sind nach § 464 Abs. 3 Satz 1 StPO nur mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar. Eine Ergänzung, die in Wirklichkeit eine Abänderung der Ent-scheidung des Senats wäre, ist gemäß § 311 Abs. 3 StPO unzulässig (vgl. OLG Hamm NJW 1973, 1515). Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs im Sinne des § 311 Abs. 3 Satz 2 StPO liegt nicht vor.
2. Auch als Gegenvorstellung gegen den unanfechtbaren Be-schluss des Senats ist der Antrag unzulässig. Denn es ist geklärt, dass Rechtsbehelfe in der geschriebenen Rechtsordnung geregelt sein müssen, weswegen es den Gerichten untersagt ist, tatsächliche oder vermeintliche Lücken im Rechtsschutzsystem eigenmächtig zu schließen (BVerfGE 107, 395 = NJW 2003, 1924; BVerfG NJW 2007, 2538).
3. Die hilfsweise begehrte Klarstellung, dass mit den Kosten des Verfahrens auch die notwendigen Auslagen des Beschuldigten im Beschwerdeverfahren gemeint seien, verbietet sich schon wegen der eindeutigen Legaldefinition des § 464a Abs. 1 Satz 1 StPO. Danach sind Kosten des Verfahrens die Gebühren und Auslagen der Staatskasse. Nach inzwischen fast einhelliger Auffassung in Rechtsprechung und Literatur setzt die Erstattung der notwendigen Auslagen eine ausdrückliche Entscheidung in dem das Verfahren abschließenden Urteil oder Beschluss voraus. Da § 464 StPO in den Absätzen 1 und 2 zwischen den Verfahrenskosten einerseits und den Auslagen andererseits unterscheidet, kann die Überbürdung der Verfahrenskosten auf die Landeskasse nicht dahin ausgelegt werden, dass damit auch die notwendigen Auslagen der Landeskasse angelastet werden (vgl. KG NStZ-RR 2004, 190; Hilger, in: Löwe/Rosenberg, StPO 25. Aufl., § 464 Rdn. 24, 25; Gieg, in: KK-StPO 6. Aufl., § 464 Rdn. 4, 6; Meyer-Goßner, StPO 52. Aufl., § 464 Rdn. 12, jew. m.w.N.; a.A. OLG Naumburg NStZ-RR 2001, 189).
Über die Kosten des Beschwerdeverfahrens hatte der Senat zu entscheiden, weil § 464 Abs. 1 StPO (im Gegensatz zu § 464 Abs. 2 StPO, der von verfahrensabschließenden Urteilen und Beschlüssen spricht) bestimmt, dass jede eine Untersuchung einstellende Entscheidung eine Bestimmung über die Kostentragungspflicht enthalten muss. Dass auch in einem Zwischenverfahren über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden ist, entspricht daher nahezu einhelliger Meinung (vgl. Huber NStZ 1985, 18, 19 m.w.N. in Fn. 6 und 7).
4. Unbeschadet dessen hätte das Begehren der Antragstellerin auch in der Sache keinen Erfolg. Der Senat hat bewusst davon abgesehen, die notwendigen Auslagen der Beschuldigten der Landeskasse aufzuerlegen. Somit hat die Beschuldigte etwaige Auslagen zumindest vorläufig selbst zu tragen.
a) Die von der Beschuldigten begehrte Auslagenentscheidung lässt sich nicht auf § 473 Abs. 2 Satz 1 StPO stützen. § 473 StPO enthält in den Absätzen 1 bis 4 für die Rechtsmittelverfahren Ergänzungen der in §§ 464 ff StPO getroffenen grundsätzlichen Regelungen. Ein erfolgreiches Rechtsmittel des Beschuldigten oder ein erfolgloses Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft kann nur dann zu einer Belastung der Landeskasse mit den notwendigen Auslagen des Beschuldigten führen, wenn die Entscheidung des Rechtsmittelgerichts ihrem sachlichen Gehalt nach einer der in §§ 465, 467 Abs. 1 StPO bezeichneten Entscheidungen entspricht (vgl. KG JR 1976, 297, 298). Das ist hier aber nicht der Fall, weil erst das erstinstanzlich erkennende Ge-richt darüber zu befinden hat, ob und in welcher Höhe ein Verfall des Wertersatzes zu erfolgen hat. Ob die Landeskasse die der Beschuldigten durch das Verfahren über die weitere Beschwerde ggf. entstandenen Auslagen zu tragen haben wird, bestimmt sich deshalb allein nach der bei Abschluss des Verfahrens von dem dafür zuständigen Gericht gemäß den §§ 465, 467 StPO zu treffenden Entscheidung. Bei der durch den Senatsbeschluss angeordneten (vorläufigen) Regelung handelt es sich gerade nicht um den Abschluss eines selbständigen Zwischenverfahrens.
b) Nach § 464 Abs. 2 StPO trifft das Gericht die Entschei-dung darüber, wer die notwendigen Auslagen trägt, in dem Urteil oder in dem Beschluss, der das Verfahren (endgültig) abschließt. Diese Vorschrift regelt schon nach dem Wortlaut nur, welche Entscheidungen mit einer Auslagenentscheidung zu versehen sind. Der Sinn der Einfügung dieser Vorschrift (durch Art. 2 Nr. 20 des EGOWiG vom 24. Mai 1968 BGBl. I S. 503/GVBl. S. 1355) erschöpft sich in der Beseitigung des in § 464 Abs. 4 StPO i.d.F. des StPÄG von 1964 geregelten umständlichen Nebenverfahrens der Entscheidung über die notwendigen Auslagen des Angeklagten nicht im Urteil, sondern durch besonderen Beschluss (vgl. KG JR 1976, 297). Eine Regelung hinsichtlich der Pflicht, wer wessen Auslagen zu tragen hat, enthält § 464 Abs. 2 StPO hingegen nicht. Vielmehr ergibt sich aus § 467 Abs. 1 StPO und den (lückenhaften) Regelungen des § 473 StPO, in welchen Fällen die Staatskasse mit den notwendigen Auslagen des Angeklagten zu belasten ist.
aa) Nach der in § 467 Abs. 1 StPO normierten Grundregel des sachlichen Kostenrechts setzt die Belastung der Landeskasse mit den notwendigen Auslagen eines Beschuldigten voraus, dass er freigesprochen oder das Verfahren gegen ihn nicht eröffnet oder eingestellt worden ist (Ausnahme: § 465 Abs. 2 StPO). Bei der Sachentscheidung muss es sich deshalb um eine solche handeln, durch die über den staatlichen Strafanspruch in einer den Rechtszug beendenden Weise (negativ) entschieden wird. Entsprechendes gilt für den Abschluss selbständiger Zwischenverfahren, die mit einer Kosten- und Auslagenentscheidung zu versehen sind (vgl. BVerfG, Beschluss vom 16. November 2009 - 1 BvR 3229/06 juris).
bb) Nicht zu den verfahrensabschließenden Entscheidungen in diesem Sinne gehören dagegen die gerichtlichen Entscheidungen in unselbständigen Zwischenverfahren, also Verfahrensabschnitten, die nur eine vorläufige Regelung treffen, etwa Beschwerden gegen die Anordnung der Untersuchungshaft, Anordnungen des Richters im Vollzug der Untersuchungshaft, die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis, Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschlüsse sowie die den Antrag auf Wiedereinsetzung verwerfende Entscheidung. Der Senat hält an der Auffassung des Kammerge-richts fest, wonach eine Auslagenentscheidung in solchen Fällen unzulässig ist und nicht jede Entscheidung, die mit einer Kostenentscheidung zu versehen ist, auch eine Auslagenentscheidung treffen muss (vgl. KG JR 1976, 297; in diesem Sinne auch OLG München AnwBl 1973, 215; OLG Hamm NJW 1973, 1515 (zweifelnd); LG Osnabrück JurBüro 1978, 1351; a.A. Huber NStZ 1985, 18, der danach differenzieren will, ob das materielle Recht eine Auslagenerstattung auch tatsächlich vorschreibt, was wiederum vom Ergebnis der Be-schwerde abhängt). Denn sonst besteht für den Fall, dass abschließend eine andere Entscheidung getroffen wird, die Gefahr einer nicht sachgerechten Aufsplittung der Kostenentscheidung des Verfahrens.
cc) Für das Beschwerdeverfahren betreffend den dinglichen Arrest gegen einen Beschuldigten gilt das zuvor Gesagte. Im vorliegenden Fall betraf das Beschwerdeverfahren den vor dem Hintergrund der Rückgewinnhilfe auf §§ 111b Abs. 2, 111d, 111e Abs. 1 StPO in Verbindung mit §§ 73 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3, 73a StGB gestützten dinglichen Arrest in das Vermögen der Beschuldigten. Es war ein unselbständiger und kein das Verfahren endgültig abschließender Verfahrensabschnitt. Denn der dingliche Arrest ist wie schon seine gesetzliche Einordnung in die §§ 111 b ff StPO zeigt ein Mittel zur vorläufigen Sicherung des Verfalls des Wertersatzes, wobei über die endgültige Anordnung in der Regel abschließend erst durch Urteil entschieden wird (vgl. LG Osnabrück NdsRpfl 2007, 166).
c) Ob es sich anders verhält, wenn Arrestentscheidungen im Zwischenverfahren gegen Nichtbeschuldigte oder sonstige Dritte ergehen und dadurch den Charakter selbständiger, vom Ausgang des Ermittlungsverfahrens unabhängiger Nebenverfahren gewinnen (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 4. Juni 2003 - 1 Ws 135/03 - juris), kann dahinstehen. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor.
5. Abschließend weist der Senat darauf hin, dass für das strafrechtliche Beschwerdeverfahren im RVG für den Verteidiger grundsätzlich keine besonderen Gebühren vorgesehen sind und jedenfalls insoweit keine notwendigen Auslagen entstanden sein können. Denn das Beschwerdeverfahren bildet hier keine besondere Angelegenheit, sondern gehört zum Rechtszug; die Vertei-digertätigkeit wird gem. § 15 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 RVG, Vorbem. 4.1 Abs. 2 Satz 1 VV-RVG grundsätzlich durch die Verteidigergebühren der jeweiligen Instanz nach Nrn. 4100 ff VV-RVG abgegolten (vgl. Burhoff in Gerold/Schmidt, RVG 19. Aufl., Vorbem. 4 VV Rdn. 12; Volpert in Burhoff, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 2. Aufl., Vergütungs-ABC: Beschwerdeverfahren, Abrechnung Rdn. 1, 2).
Die Nutzung von Burhoff-Online ist kostenlos. Der Betrieb der Homepage verursacht aber für Wartungs-, Verbesserungsarbeiten und Speicherplatz laufende Kosten.
Wenn Sie daher Burhoff-Online freundlicherweise durch einen kleinen Obolus unterstützen wollen, haben Sie hier eine "Spendenmöglichkeit".