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RVG Entscheidungen

Allgemeine Gebühren-/Kostenfragen - Kostenfestsetzung

Kostenfestsetzungsverfahren, Verzinsungsbeginn

Gericht / Entscheidungsdatum: KG, Beschl. v. 11.11.2010 - 1 Ws 157/10

Leitsatz: Voraussetzung für die in § 464b Satz 2 StPO geregelte Verzinsung der festgesetzten Kosten und Auslagen ab dem Zeitpunkt der Anbringung des Festsetzungsantrags ist, dass der Antrag den Anforderungen des § 103 Abs. 2 Satz 2 ZPO entspricht (§ 464b Satz 3 StPO). Jedenfalls im Falle erheblicher Verzögerungen bei der Einreichung der erforderlichen Belege - hier: eineinhalb Jahre - bleibt der Antragsteller von der Rechtswohltat des § 464b Satz 2 StPO ausgeschlossen, und für den Beginn der Verzinsung ist auf die Fälligkeit der Hauptforderung abzustellen. Da die Auslagen erst festzusetzen sind, wenn die erforderlichen Belege vorliegen, ist dies der Zeitpunkt, zu dem die Nachweise bei dem Gericht eingegangen sind.
§ 464b Satz 2, Satz 3 StPO


In der Strafsache gegen

S.,
geboren am x in x,
wohnhaft in x, x,


wegen Steuerhinterziehung

hat der 1. Strafsenat des Kammergerichts in Berlin
am 11. November 2010 beschlossen:

1. Auf die sofortige Beschwerde des Freigesprochenen wird der Beschluss des Rechtspflegers des Landge-richts Berlin vom 4. Juni 2010 dahin geändert, dass die notwendigen Auslagen des Freigesprochenen auf weitere 468,30 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 % ü-ber dem Basiszinssatz seit dem 20. August 2010 festgesetzt werden. Im Übrigen wird die sofortige Beschwerde verworfen.

2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

3. Der Beschwerdewert beträgt 577,40 Euro.


G r ü n d e :

Das Landgericht Berlin hat den früheren Angeklagten mit Ur-teil vom 16. Januar 2009 – rechtskräftig seit dem 24. Januar 2009 – vom Vorwurf der Steuerhinterziehung durch Unterlassen in fünf vollendeten Fällen und in einem Fall des Versuchs freigesprochen und seine notwendigen Auslagen der Landeskasse auferlegt.
Durch seinen Verteidiger Rechtsanwalt R. hat der Freigespro-chene unter dem 3. Februar 2009 beantragt, die ihm zu erstattenden notwendigen Auslagen auf insgesamt 14.264,63 Euro festzusetzen, wobei ein Betrag von 2.555,68 Euro auf die im ersten Rechtszug bis zum 3. Mai 2007 vor dem Landgericht Berlin erforderlich gewordenen Reisekosten des Verteidigers entfallen sollte. Auf einen Hinweis des Rechtspflegers hat der Freigesprochene mit anwaltlichem Schriftsatz vom 11. August 2009 weitere Belege eingereicht und neben anderen Abänderungen den Erstattungsbetrag für die betroffenen Reisekosten unter Rücknahme des Antrags in Höhe von 979,83 Euro auf 1.575,85 Euro reduziert.

Der Rechtspfleger hat mit Beschluss vom 4. Juni 2010 die dem Freigesprochenen zu erstattenden notwendigen Auslagen auf insgesamt 9.898,99 Euro einschließlich Umsatzsteuer zuzüglich Zinsen festgesetzt. Dabei hat er von den bis zum 3. Mai 2007 entstandenen Reisekosten nur einen durch Originalnachweise belegten Betrag von 701,28 Euro anerkannt. Der Freigesprochene hat gegen den Beschluss sofortige Beschwerde eingelegt und weitere Belege eingereicht. Zugleich hat er für weitere Auslagen die Nachfestsetzung beantragt, über die der Rechtspfleger durch Beschluss vom 29. September 2010 (rechtskräftig) entschieden hat.

Die sofortige Beschwerde ist zulässig und in Bezug auf 468,30 Euro begründet. Dem Freigesprochenen steht neben den mit Beschluss vom 29. September 2010 nachträglich festgesetzten Aufwendungen (1.544,06 Euro) für die bis zum 3. Mai 2007 entstandenen Reisekosten ein Erstattungsbetrag in Höhe von 1.169,58 Euro zu.

Der bereits mit Beschluss vom 4. Juni 2010 festgesetzte Teilbetrag von 701,28 Euro setzt sich wie folgt zusammen:

Reisetag Verkehrsmittel Mit Beschluss vom 4. Juni 2010 festgesetzt
29./30.11.2006 Flugzeug 171,28 Euro
Flugzeug 121,40 Euro
4./5.2.2007 Zug 74,00 Euro
Taxi 6,00 Euro
15.3.2007 Taxi 7,10 Euro
Taxi 7,00 Euro
Zug 151,00 Euro
3.5.2007 Zug 149,50 Euro
Taxi 7,00 Euro
Taxi 7,00 Euro
Summe 701,28 Euro

Nachdem der Freigesprochene weitere Originalbelege zur Akte gereicht hat, sind weitere Reisekosten als notwendige Auslagen wie folgt festzusetzen:

Reisetag Verkehrsmittel
18./19.12.2006 Flugzeug 161,40 Euro
Zug Belegt: 154,00 Euro
Zu berücksichtigen: 77,00 Euro
8./9.1.2007 Taxi 16,00 Euro
Taxi 17,00 Euro
29.1.2007 Zug 158,90 Euro
Taxi (3x) 26,00 Euro
12.2.2007 Taxi (2x) 12,00 Euro
Summe 468,30 Euro

Zum Nachweis der für den zweiten Verhandlungstag am 18. Dezember 2006 entstandenen Reisekosten hat der Freigesprochene eine Fahrkarte der Deutschen Bahn für die Strecke Berlin - München eingereicht. Der ausgewiesene Preis beträgt 154,00 Euro (151,00 zuzüglich 3,00 Euro Platzreservierung). Als notwendige Auslagen erstattungsfähig sind jedoch nur die dem Verteidiger durch die Fahrt zu seiner Kanzlei entstandenen Kosten. Anzuerkennen waren insoweit – einschließlich Reservierungspauschale - Reise-kosten in Höhe von 77,00 Euro.

Weitere Reisekosten waren im Beschwerdeverfahren nicht festzusetzen. Da die erstmals mit der Beschwerdebegründung vom 18. August 2010 bezeichneten Taxikosten vom 29. und 30. November 2006 (14 bzw. 15 Euro) sowie vom 18. Dezember 2006 (14 Euro) nicht Gegenstand des Festsetzungsantrags vom 3. Februar 2009 und des Festsetzungsbeschlusses vom 4. Juni 2010 waren, sind sie auch nicht Gegenstand der sofortigen Beschwerde. Denn im Beschwerdeverfahren ist die Nachprüfung auf den durch den Festsetzungsbeschluss abgegrenzten Vorgang beschränkt, und die Geltendmachung einer Forderung, über die eine anfechtbare Entscheidung noch gar nicht vorliegt, verbietet sich (vgl. OLG Hamm NJW 1966, 2073, 2075; KG Rechtspfleger 1962, 159).

Die weiter festgesetzten Auslagen sind mit Wirkung vom 20. August 2010 zu verzinsen. Zwar bestimmt § 464b S. 2 StPO, dass die Auslagen von der Anbringung des Festsetzungsantrags an zu verzinsen sind. Das kann nach Auffassung des Senats aber nur dann gelten, wenn der Antrag den Anforderungen des § 103 Abs. 2 S. 2 ZPO entspricht (vgl. auch Baum-bach/Lauterbach/Albers/ Hartmann, ZPO, 66. Aufl., § 104 Rdnr. 26). Denn Zweck des § 464b S. 2 StPO ist es, einen billigen Ausgleich für den Zinsverlust des Kostenerstattungsberechtigten während des Kos-tenfestsetzungsverfahrens zu schaffen, auf dessen Dauer der Anspruchsberechtigte keinen Einfluss hat (vgl. Hilger in: Löwe-Rosenberg StPO, 26. Aufl., § 464b Rdnr. 7; Stöckel in KMR, StPO, § 464b Rdnr. 12). Daraus ergibt sich, dass Verzögerungen, auf die der Antragsteller Einfluss hat, die von ihm zu vertreten oder gar verschuldet sind, auch Einfluss auf die Entstehung der Verzinsungspflicht haben können. Es kann dahinstehen, ob dies bereits für geringfügige Verzögerungen gilt, wenn erforderliche Belege zum Beispiel nicht zugleich mit der Stellung des Antrags, jedoch alsbald, also im unmittelbaren Nachgang, eingereicht werden. Im vorliegenden Fall lagen zwischen der Stellung des Festsetzungsantrags und der Vorlage der zum Erfolg der sofortigen Beschwerde führenden Belege mehr als eineinhalb Jahre. Diese Verzögerung ist durch den Antragsteller zu vertreten, denn die Belege befanden sich stets in seinem Besitz und er war frühzeitig auf die Verpflichtung, sie im Original vorzulegen, hingewiesen worden. Jedenfalls bei ei-ner Verzögerung dieses Ausmaßes bleibt der Antragsteller von der Rechtswohltat des § 464b S. 2 StPO ausgeschlossen, und für den Zinsbeginn ist auf den Zeitpunkt der Fälligkeit der Hauptforderung abzustellen. Da die Auslagen erst festzusetzen sind, wenn die erforderlichen Belege vorliegen, ist dies der Zeitpunkt, zu dem die Nachweise bei dem Landgericht eingegangen sind. Das war der 20. August 2010.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen. Für die Anwendung des § 473 Abs. 4 StPO ist kein Raum. Zwar hat die sofortige Beschwerde einen Teilerfolg. Dieser wäre jedoch bereits im Verfahren vor dem Landgericht zu erzielen gewesen, wenn der Antrag rechtzeitig, geordnet und vollständig gestellt und die erforderlichen Originalbelege beizeiten eingereicht worden wären. Es wäre daher unbillig, die Landeskasse auch nur mit einem Bruchteil der Kosten des Beschwerdeverfahrens zu belasten.

Der Beschwerdewert war gemäß § 464b Satz 3 StPO auf 577,40 Euro festzusetzen. Der Wert ergibt sich aus der Differenz des zuletzt tatsächlich beantragten Erstattungsbetrags – dieser beläuft sich bei verständiger Auslegung des Antrags auf 1.278,68 Euro - und dem tatsächlich festgesetzten Betrag (701,28 Euro). Dabei hatten jene Erstattungsbeträge unberücksichtigt zu bleiben, die Gegenstand der Nachfestsetzung vom 29. September 2010 waren.

Einsender: RiKG Klaus-Peter Hanschke, Berlin

Anmerkung:


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