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RVG Entscheidungen

§ 45

PKH-Bewilligung, Beschränkung

Gericht / Entscheidungsdatum: LSG Niedersachsen, Beschl. v. 30.01.2012 - L 14 U 250/11 B

Fundstellen:

Leitsatz: Die Beiordnung eines Rechtsanwalts nach § 121 der Zivilprozessordnung (ZPO) unter Ausschluss bereits angefallener Gebühren ist nach ganz herrschender Meinung in der Rechtsprechung und der Literatur auch bei einem Ausscheiden des bisher tätig gewordenen Rechtsanwalts ohne vorherige und ausdrückliche Zustimmung des neuen Anwaltes nicht zulässig.


LANDESSOZIALGERICHT NIEDERSACHSEN-BREMEN
L 14 U 250/11 B
S 33 U 60/09 (Sozialgericht Aurich)
BESCHLUSS
In dem Beschwerdeverfahren pp.
Klägerin und Beschwerdeführerin,
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Brechters pp., Neuer Weg 91, 26506 Norden,
gegen
Berufsgenossenschaft Handel und Warendistribution, - Bezirksverwaltung Bremen -, vertreten durch den Geschäftsführer,
Falkenstraße 7, 28195 Bremen,
Beklagte und Beschwerdegegnerin,
hat der 14. Senat des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen am 30. Januar 2012 in Bremen durch die Richter - Vorsitzender -, und die Richterin beschlossen:

Auf die Beschwerde der Klägerin hin wird der Beschluss des Sozialge-richts Aurich vom 7. November 2011 abgeändert. Die die Beiordnung von Rechts-anwalt H.J. ab dem 17. September 2011 betreffende Einschränkung "unter An-rechnung der bis zu diesem Datum bereits entstandenen Gebühren" entfällt.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu er- statten.

GRÜNDE
I.
Die Klägerin wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen einen Prozesskostenhilfe bewilligenden, aber die Gebührenabrechnung des beigeordneten Rechtsanwalts begrenzenden Beschluss des Sozialgerichts (SG) Aurich für ihr dort anhängiges, auf Rentenerhöhung gerichtetes Klagverfahren S 33 U 60/09.
Der Klagschrift vom 10. Juni 2009 beigefügt war eine Prozessvollmacht für die seinerzeit in einer Sozietät tätigen Rechtsanwälte S. und J. Mit Beschluss vom 1. März 2011 hatte das SG der Klägerin unter antragsgemäßer Beiordnung von Rechtsanwalt S. Prozesskostenhilfe bewilligt. Dieser Rechtsanwalt befindet sich seit dem 1. Juli 2011 altersbedingt im Ruhestand. Die Klägerin wird seitdem ausschließlich von Rechtsanwalt J. vertreten, der sich mittlerweile einer anderen Sozietät angeschlossen hat. Auf den Antrag der Beiordnung von Rechtsanwalt J. hin hat das SG, nachdem eine angeforderte Gebührenverzichtserklärung des Rechtsanwalts S. nicht übersandt worden war, mit Beschluss vom 7. November 2011 Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt J. ab dem 17. September 2011 (Eingang des Beiordnungsantrags bei Gericht) unter Anrechnung der bis zu diesem Datum bereits entstandenen Gebühren bewilligt. Zur Begründung hat das Gericht ausgeführt, dass da- mit eine doppelte Abrechnung verhindert werden solle. Werde - wie vorliegend - ein Rechtsanwalt beigeordnet, der mit dem bislang beigeordneten Rechtsanwalt in einer Sozietät tätig gewesen und als solcher bereits in der Prozessvollmacht aufgeführt sei, bestehe nur ein einheitlicher Gebührenanspruch.
Die Klägerin hat dagegen am 17. November 2011 Beschwerde eingelegt. Zur Begründung trägt sie vor, dass aus der ersten Beiordnung nur Rechtsanwalt S. ein Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse zu-stehe. Nach dessen altersbedingtem Austritt aus der Sozietät habe sich Rechtsanwalt J. in den Sachverhalt einarbeiten und das Verfahren weiter betreiben müssen. Dieser bedürfe einer vollständigen Vergütung.

II.
Die gemäß § 173 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) fristgerecht eingelegte Beschwerde der Klägerin ist begründet. Die Begrenzung der ihr unter Beiordnung von Rechtsanwalt J. gewährten Prozesskostenhilfe auf die ab dem 17. September 2011 entstandenen Gebühren ist rechtswidrig.

Die Beiordnung eines Rechtsanwalts nach § 121 der Zivilprozessordnung (ZPO) unter Ausschluss bereits angefallener Gebühren ist nach ganz herrschender Meinung in der Rechtsprechung und der Literatur auch bei einem Ausscheiden des bisher tätig gewordenen Rechtsanwalts ohne vorherige und ausdrückliche Zustimmung des neuen Anwaltes nicht zulässig (Oberlandesgericht - OLG - Hamm, Beschluss vom 26. Juni 2006 - 1 WF 157/06 - m. w. N; OLG Köln, Beschluss vom 25. April 2001 -26 WF 61701 -, beide in Juris). Das Gericht hat nur die Wahl zwischen uneingeschränkter Beiordnung oder Ablehnung der Beiordnung. Eine Beschränkung des Umfangs der Kostenansprüche des beigeordnete Anwalts gegen die Staatskasse bleibt den Regelungen der §§ 45 ff. des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes - RVG - vorbehalten und ist im Rahmen der Beiordnung - mit Ausnahme der Beiordnung eines nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassenen Rechtsanwaltes (§ 121 Abs. 3 ZPO) - in der ZPO nicht vorgesehen. Der Senat folgt dieser Ansicht auch für den vorliegenden Fall, in dem der neu beigeordnete Rechtsanwalt bereits als Mitglied der Sozietät des bisherigen Rechtsanwalts von der Klägerin zum Führen des Prozesses bevollmächtigt worden war. Soweit das SG in seinem Beschluss vom 7. November 2011 zur Begründung des Ausschlusses bereits angefallener Gebühren bei der Beiordnung des Rechtsanwalts J. auf Teile der Rechtsprechung und Literatur verwiesen hat (OLG Frankfurt/M., JurBüro 1989, 235; Fischer in: Musielak, ZPO, 8. Aufl., 2011, § 121 Rn. 6; vgl. hierzu auch Philippi in: Zäher, ZPO, 28. Aufl. 2010, § 121 Rn. 38; Motzer in: Münchener Kommentar zur ZPO, 3. Aufl. 2008, § 121 Rn. 24), wonach nur ein einheitlicher Gebührenanspruch der Sozietät bestehe, so kann sich dies allenfalls im Rahmen der Entscheidung des Kostenbeamten über die Vergütung der rechtsanwaltlichen Tätigkeiten nach den §§ 45 ff. RVG auswirken. Hierbei wird allerdings zu berücksichtigen sein, dass vorliegend ausweislich der Schriftsätze in der Gerichtsakte nur Rechtsanwalt S. durchgehend bis zu seinem Ausscheiden aus der Sozietät das sozialgerichtliche Verfahren S 33 U 60/09 betrieben hat. Rechtsanwalt J. hat sich nach seiner Beiordnung daher neu in den Verfahrensstand einzuarbeiten und das noch nicht abgeschlossene gerichtliche Verfahren weiter zu betreiben. Selbst ein etwaiger doppelter Anfall von Gebührentatbeständen, z. B. nach Ziffer 3102 VV RVG, kann unter diesem Gesichtspunkt sachlich gerechtfertigt sein. Der Vergütungsanspruch des neu beigeordneten Anwalts ergibt sich aus seiner eigenen Tätigkeit im Rechtstreit und den dadurch erfüllten Gebührentatbeständen (OLG Hamm, a. a. 0.).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 73 a SGG i. V. m. § 127 Abs. 4 ZPO.
Dieser Beschluss ist gern. § 177 SGG unanfechtbar.

Einsender: RA. H. Janssen, Norden

Anmerkung:


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