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RVG Entscheidungen

Vorbem. 4.1 VV

Beschwerdeverfahren, Abrechnung

Gericht / Entscheidungsdatum: KG, Beschl. v. 09.07.2010 - 1 Ws 171/09

Fundstellen:

Leitsatz: Zur Frage, wann es sich kostenrechtlich um eine verfahrensab-schließende Entscheidung handelt.

Die Tätigkeiten des Verteidigers in einem strafverfahrens-rechtlichen Beschwerdeverfahren werden grundsätzlich durch die Gebühren der jeweiligen Instanz mit abgegolten.


KAMMERGERICHT
Beschluss
Geschäftsnummer:
1 Ws 171/09

In der Strafsache gegen pp.
wegen Untreue
hat der 1. Strafsenat des Kammergerichts in Berlin am 9. Juli 2010 beschlossen:

Der Antrag der Beschuldigten auf „Ergänzung“ des Be-schlusses des Senats vom 16. April 2010 betreffend ihre notwendigen Auslagen im Beschwerdeverfahren und ihre Ge-genvorstellung werden als unzulässig verworfen.

G r ü n d e :

Mit ihrem Antrag vom 27. Mai 2010 begehrt die Beschuldigte, den Beschluss des Senats vom 16. April 2010 dahin zu ergänzen, dass auch die notwendigen Auslagen, die ihr durch die weitere Beschwerde der Staatsanwaltschaft entstanden sind, der Landes-kasse Berlin auferlegt werden, hilfsweise klarzustellen, „dass mit den ‚Kosten des Verfahrens‘ auch die notwendigen Auslagen der Beschuldigten im Beschwerdeverfahren beinhaltet sind.“

Der Entscheidung des Senats lag folgendes zugrunde:

Gegen die Beschuldigte wird seit Dezember 2004 ein zu-nächst auf den Tatvorwurf der Geldwäsche und mittlerweile auf den Vorwurf der Beihilfe zur Untreue gestütztes Er-mittlungsverfahren geführt. Sie soll ihrem Bruder, dem nach Verfahrenstrennung im Februar 2009 gesondert Verfolg-ten X., ihr bei der C.Bank unter der Kontonummer XXXXXXX geführtes Konto zur Verfügung gestellt haben, um ihm die Möglichkeit zu eröffnen, seine Einkommensverhältnisse ge-genüber Dritten zu verschleiern. Auf dieses Konto, für das er eine Alleinvertretungsvollmacht besaß, soll der geson-dert Verfolgte X. in verschiedenen Teilbeträgen vom 26. Juli 2004 bis zum 11. Februar 2005 einen Gesamtbetrag in Höhe von 229.700,- Euro eingezahlt haben, der aus einer Steuerrückerstattung in Höhe von 574.198,07 Euro an die in Liquidation befindliche Y.GmbH (im Weiteren Y.) stammen soll. Diese Steuerrückerstattung soll er entgegen der sich aus § 70 GmbHG ergebenden Pflicht zur Erfüllung der Ver-bindlichkeiten der aufgelösten Gesellschaft zu eigenen Zwecken verwendet und so die ihm als Liquidator kraft ge-richtlichen Auftrags eingeräumte Vermögensbetreuungs-pflicht zum Nachteil der Gläubiger der Y. verletzt, mithin eine Untreue zum Nachteil der Gläubiger begangen haben. Mit Beschluss vom 10. September 2007 hat das Amtsgericht Tiergarten auf Antrag der Staatsanwaltschaft den dingli-chen Arrest in Höhe von 229.700,- Euro in das Vermögen der Beschuldigten angeordnet. Auf ihre hiergegen eingelegte Beschwerde hat das Landgericht Berlin am 29. Juli 2009 den vorgenannten Beschluss aufgehoben, soweit die Arrestanord-nung die Summe von 41.500,- Euro übersteigt. Der hiergegen gerichteten weiteren Beschwerde der Staatsanwaltschaft Berlin hat der Senat mit Beschluss vom 16. April 2010 nur hinsichtlich eines Betrages von 18.000,- Euro stattgegeben und den Beschluss des Landgerichts Berlin vom 29. Juli 2009 entsprechend abgeändert; im Übrigen wurde die weitere Beschwerde zurückgewiesen. Die Kosten des Verfahrens über die weitere Beschwerde hat der Senat der Landeskasse Ber-lin auferlegt.


1. Der Ergänzungsantrag ist unzulässig. Eine „Ergänzung“ der Entscheidung ist dem Senat verwehrt. Kosten- und Auslagenent-scheidungen sind nach § 464 Abs. 3 Satz 1 StPO nur mit der so-fortigen Beschwerde anfechtbar. Eine „Ergänzung“, die in Wirk-lichkeit eine Abänderung der Entscheidung des Senats wäre, ist gemäß § 311 Abs. 3 StPO unzulässig (vgl. OLG Hamm NJW 1973, 1515). Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs im Sinne des § 311 Abs. 3 Satz 2 StPO liegt nicht vor.

2. Auch als Gegenvorstellung gegen den unanfechtbaren Beschluss des Senats ist der Antrag unzulässig. Denn es ist geklärt, dass Rechtsbehelfe in der geschriebenen Rechtsordnung geregelt sein müssen, weswegen es den Gerichten untersagt ist, tatsächliche oder vermeintliche Lücken im Rechtsschutzsystem eigenmächtig zu schließen (BVerfGE 107, 395 = NJW 2003, 1924; BVerfG NJW 2007, 2538).

3. Die hilfsweise begehrte „Klarstellung“, dass mit den „Kosten des Verfahrens“ auch die notwendigen Auslagen des Beschuldigten im Beschwerdeverfahren gemeint seien, verbietet sich schon wegen der eindeutigen Legaldefinition des § 464a Abs. 1 Satz 1 StPO. Danach sind Kosten des Verfahrens die Gebühren und Auslagen der Staatskasse. Nach inzwischen fast einhelliger Auffassung in Rechtsprechung und Literatur setzt die Erstattung der notwendigen Auslagen eine ausdrückliche Entscheidung in dem das Verfahren abschließenden Urteil oder Beschluss voraus. Da § 464 StPO in den Absätzen 1 und 2 zwischen den Verfahrenskosten einerseits und den Auslagen andererseits unterscheidet, kann die Überbürdung der Verfahrenskosten auf die Landeskasse nicht dahin ausgelegt werden, dass damit auch die notwendigen Auslagen der Landeskasse angelastet werden (vgl. KG NStZ-RR 2004, 190; Hilger, in: Löwe/Rosenberg, StPO 25. Aufl., § 464 Rdn. 24, 25; Gieg, in: KK-StPO 6. Aufl., § 464 Rdn. 4, 6; Meyer-Goßner, StPO 52. Aufl., § 464 Rdn. 12, jew. m.w.N.; a.A. OLG Naumburg NStZ-RR 2001, 189).

Über die Kosten des Beschwerdeverfahrens hatte der Senat zu entscheiden, weil § 464 Abs. 1 StPO (im Gegensatz zu § 464 Abs. 2 StPO, der von verfahrensabschließenden Urteilen und Be-schlüssen spricht) bestimmt, dass „jede eine Untersuchung ein-stellende Entscheidung“ eine Bestimmung über die Kostentra-gungspflicht enthalten muss. Dass auch in einem Zwischenver-fahren über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden ist, ent-spricht daher nahezu einhelliger Meinung (vgl. Huber NStZ 1985, 18, 19 m.w.N. in Fn. 6 und 7).

4. Unbeschadet dessen hätte das Begehren der Antragstellerin auch in der Sache keinen Erfolg. Der Senat hat bewusst davon abgesehen, die notwendigen Auslagen der Beschuldigten der Lan-deskasse aufzuerlegen. Somit hat die Beschuldigte etwaige Aus-lagen zumindest vorläufig selbst zu tragen.

a) Die von der Beschuldigten begehrte Auslagenentscheidung lässt sich nicht auf § 473 Abs. 2 Satz 1 StPO stützen. § 473 StPO enthält in den Absätzen 1 bis 4 für die Rechtsmittelver-fahren Ergänzungen der in §§ 464 ff StPO getroffenen grund-sätzlichen Regelungen. Ein erfolgreiches Rechtsmittel des Be-schuldigten oder ein erfolgloses Rechtsmittel der Staatsan-waltschaft kann nur dann zu einer Belastung der Landeskasse mit den notwendigen Auslagen des Beschuldigten führen, wenn die Entscheidung des Rechtsmittelgerichts ihrem sachlichen Gehalt nach einer der in §§ 465, 467 Abs. 1 StPO bezeichneten Entscheidungen entspricht (vgl. KG JR 1976, 297, 298). Das ist hier aber nicht der Fall, weil erst das erstinstanzlich erken-nende Gericht darüber zu befinden hat, ob und in welcher Höhe ein Verfall des Wertersatzes zu erfolgen hat. Ob die Landes-kasse die der Beschuldigten durch das Verfahren über die wei-tere Beschwerde ggf. entstandenen Auslagen zu tragen haben wird, bestimmt sich deshalb allein nach der bei Abschluss des Verfahrens von dem dafür zuständigen Gericht gemäß den §§ 465, 467 StPO zu treffenden Entscheidung. Bei der durch den Senats-beschluss angeordneten (vorläufigen) Regelung handelt es sich gerade nicht um den Abschluss eines selbständigen Zwischenver-fahrens.

b) Nach § 464 Abs. 2 StPO trifft das Gericht die Entscheidung darüber, wer die notwendigen Auslagen trägt, in dem Urteil oder in dem Beschluss, der das Verfahren (endgültig) abschließt. Diese Vorschrift regelt schon nach dem Wortlaut nur, welche Entscheidungen mit einer Auslagenentscheidung zu versehen sind. Der Sinn der Einfügung dieser Vorschrift (durch Art. 2 Nr. 20 des EGOWiG vom 24. Mai 1968 – BGBl. I S. 503/GVBl. S. 1355) erschöpft sich in der Beseitigung des in § 464 Abs. 4 StPO i.d.F. des StPÄG von 1964 geregelten umständlichen Neben-verfahrens der Entscheidung über die notwendigen Auslagen des Angeklagten nicht im Urteil, sondern durch besonderen Beschluss (vgl. KG JR 1976, 297). Eine Regelung hinsichtlich der Pflicht, wer wessen Auslagen zu tragen hat, enthält § 464 Abs. 2 StPO hingegen nicht. Vielmehr ergibt sich aus § 467 Abs. 1 StPO und den (lückenhaften) Regelungen des § 473 StPO, in welchen Fällen die Staatskasse mit den notwendigen Auslagen des Angeklagten zu belasten ist.

aa) Nach der in § 467 Abs. 1 StPO normierten Grundregel des sachlichen Kostenrechts setzt die Belastung der Landeskasse mit den notwendigen Auslagen eines Beschuldigten voraus, dass er freigesprochen oder das Verfahren gegen ihn nicht eröffnet oder eingestellt worden ist (Ausnahme: § 465 Abs. 2 StPO). Bei der Sachentscheidung muss es sich deshalb um eine solche handeln, durch die über den staatlichen Strafanspruch in einer den Rechtszug beendenden Weise (negativ) entschieden wird. Entsprechendes gilt für den Abschluss selbständiger Zwischen-verfahren, die mit einer Kosten- und Auslagenentscheidung zu versehen sind (vgl. BVerfG, Beschluss vom 16. November 2009 - 1 BvR 3229/06 – juris).

bb) Nicht zu den verfahrensabschließenden Entscheidungen in diesem Sinne gehören dagegen die gerichtlichen Entscheidungen in unselbständigen Zwischenverfahren, also Verfahrensabschnit-ten, die nur eine vorläufige Regelung treffen, etwa Beschwerden gegen die Anordnung der Untersuchungshaft, Anordnungen des Richters im Vollzug der Untersuchungshaft, die vorläufige Ent-ziehung der Fahrerlaubnis, Durchsuchungs- und Beschlagnahmebe-schlüsse sowie die den Antrag auf Wiedereinsetzung verwerfende Entscheidung. Der Senat hält an der Auffassung des Kammerge-richts fest, wonach eine Auslagenentscheidung in solchen Fällen unzulässig ist und nicht jede Entscheidung, die mit einer Kostenentscheidung zu versehen ist, auch eine Auslagenent-scheidung treffen muss (vgl. KG JR 1976, 297; in diesem Sinne auch OLG München AnwBl 1973, 215; OLG Hamm NJW 1973, 1515 (zweifelnd); LG Osnabrück JurBüro 1978, 1351; a.A. Huber NStZ 1985, 18, der danach differenzieren will, ob das materielle Recht eine Auslagenerstattung auch tatsächlich vorschreibt, was wiederum vom Ergebnis der Beschwerde abhängt). Denn sonst besteht für den Fall, dass abschließend eine andere Entschei-dung getroffen wird, die Gefahr einer nicht sachgerechten Auf-splittung der Kostenentscheidung des Verfahrens.

cc) Für das Beschwerdeverfahren betreffend den dinglichen Ar-rest gegen einen Beschuldigten gilt das zuvor Gesagte. Im vor-liegenden Fall betraf das Beschwerdeverfahren den vor dem Hin-tergrund der Rückgewinnhilfe auf §§ 111b Abs. 2, 111d, 111e Abs. 1 StPO in Verbindung mit §§ 73 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3, 73a StGB gestützten dinglichen Arrest in das Vermögen der Beschul-digten. Es war ein unselbständiger und kein das Verfahren end-gültig abschließender Verfahrensabschnitt. Denn der dingliche Arrest ist – wie schon seine gesetzliche Einordnung in die §§ 111 b ff StPO zeigt – ein Mittel zur vorläufigen Sicherung des Verfalls des Wertersatzes, wobei über die endgültige An-ordnung in der Regel abschließend erst durch Urteil entschieden wird (vgl. LG Osnabrück NdsRpfl 2007, 166).

c) Ob es sich anders verhält, wenn Arrestentscheidungen im Zwischenverfahren gegen Nichtbeschuldigte oder sonstige Dritte ergehen und dadurch den Charakter selbständiger, vom Ausgang des Ermittlungsverfahrens unabhängiger Nebenverfahren gewinnen (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 4. Juni 2003 - 1 Ws 135/03 - juris), kann dahinstehen. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor.

5. Abschließend weist der Senat darauf hin, dass für das strafrechtliche Beschwerdeverfahren im RVG für den Verteidiger grundsätzlich keine besonderen Gebühren vorgesehen sind und jedenfalls insoweit keine notwendigen Auslagen entstanden sein können. Denn das Beschwerdeverfahren bildet hier keine beson-dere Angelegenheit, sondern gehört zum Rechtszug; die Vertei-digertätigkeit wird gem. § 15 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 RVG, Vor-bem. 4.1 Abs. 2 Satz 1 VV-RVG grundsätzlich durch die Vertei-digergebühren der jeweiligen Instanz nach Nrn. 4100 ff VV-RVG abgegolten (vgl. Burhoff in Gerold/Schmidt, RVG 19. Aufl., Vorbem. 4 VV Rdn. 12; Volpert in Burhoff, RVG Straf- und Buß-geldsachen, 2. Aufl., Vergütungs-ABC: Beschwerdeverfahren, Ab-rechnung Rdn. 1, 2).

Einsender: RiKG Klaus-Peter Hanschke, Berlin

Anmerkung:


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