von RiAG Dr. Axel Deutscher, Bochum, aus StraFo 2024, 483
Die strafrechtliche Hauptverhandlung ist ein dynamisches Geschehen, bei dem sich den beteiligten Juristen häufig verfahrensrechtliche Fragestellungen auftun, die rasches Handeln erfordern. Ein Hilfsmittel ist der verbreitet benutzte Praxis-Kommentar von Meyer-Goßner/Schmitt zur StPO. Hier muss aber erstmal die richtige Stelle gefunden werden und Hinweise für die praktische Problembehandlung fehlen. Diese Lücke füllt das seit nahezu 30 Jahren bewährte Werk von Burhoff zur Hauptverhandlung auf. Wie in den anderen Büchern von Burhoff auch werden alle Fragen der Hauptverhandlung mittels alphabetisch geordneter Stichwörter dargestellt. Damit ist ein sofortiger Zugriff auf den einschlägigen Fragenkreis gewährleistet. Bereits in der Vorauflage hat Burhoff vier erfahrene und sachkundige Mitautoren in die Bearbeitung eingebunden. Diese haben sich nahtlos in das Burhoffsche Darstellungssystem eingefunden. Nennenswerte Unterschiede zwischen den Autoren hinsichtlich der Stoffaufbereitung und der Darstellungstiefe sind nicht zu erkennen - durchaus keine Selbstverständlichkeit bei Werken mit mehreren Autoren.
In der nun vorliegende 11. Auflage wurden die seit der Vorauflage erfolgten Gesetzesänderungen eingearbeitet. Das betrifft vorrangig Änderungen im Beweisantragsrecht, der notwendigen Verteidigung und im Bereich des der Überwachungsmaßnahmen der §§ 100a ff. StPO. Auch die sich aus seit 1.4.2024 geltenden verfahrensrechtlichen Vorgaben des CannabisG wurden bereits berücksichtigt. Die Bearbeitung befindet sich auf den neuesten Stand, es wurden seit der letzten Auflage über 600 (!) neue Entscheidungen eingearbeitet. Querverweise auf andere Stichworte erleichtern die Arbeit wie ein Vielzahl an Verfahrenshinweisen und Antragsmustern.
Inhaltlich wurde das hohe Qualitätslevel durchgehend aufrechterhalten. Besonders praxisrelevante Bereiche erfahren eine breiteangelegte Bearbeitung. So umfasst die Abarbeitung des Komplexes "Ablehnung" von Burhoff alle nur denkbaren Fragen einschließlich umfangreicher Aufstellungen (Befangenheit "bejaht/verneint") zu einschlägigen Fällen aus der Rechtsprechung und Tipps zur praktischen Handhabung. Gleiches gilt für den fehleranfälligen Bereich der Absprachen/Verständigungen und dem Beweisantragrecht sowie die umfangreiche, zusammenhängende Bearbeitung der Beweisverwertungsverbote. Den Komplex "Pflichtverteidigung" hat Hillenbrand fachkundig aufbereitet. Auch die Rechtsmittel der Berufung und der Revision werden behandelt, wenngleich insoweit vorrangig das parallel ebenfalls aktuell in Neuauflage erschienene Handbuch von Burhoff zu Rechtsmitteln und Rechtsbehelfen erste Wahl ist.
Angesichts der Güte des Werks erlaubt sich der Rezensent nur eine Anregung: Seit der Reform 2017 sind Fragen der Einziehung zentraler Teil der Hauptverhandlung geworden. Dabei besteht eine besondere Verzahnung von materiellem Recht und Verfahrensrecht. Gemessen daran sind die recht knappen Ausführungen zur Einziehung/(vorläufigen) Sicherstellung noch ausbaufähig. Einige gebührenrechtliche Hinweise hierzu wären auch sinnvoll. Das ist allerdings Nörgeln auf hohem Niveau.
Da Werk richtet sich naturgemäß in erster Linie an Strafverteidiger. Aber auch Richter und Staatsanwälte profitieren ebenso davon. Es wird von Situationen berichtet, in denen erst der Verteidiger und dann der Vorsitzende den "Burhoff" auf den Tisch vor sich hingelegt haben. Der hier und da von Richterseite zu hörende Einwand, mit solchen Büchern werde Verteidigern geholfen, Richtern das Leben schwer zu machen, verkennt schlicht und einfach den Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung für alle Verfahrensbeteiligten.
Festzuhalten bleibt: Jedem Strafverteidiger sind die Anschaffung und stetige Benutzung dieses Werks dringend anzuraten, am besten in Kombination mit den anderen Handbüchern zum Ermittlungsverfahren und zu den Rechtsmitteln.
RiAG Dr. Axel Deutscher, Bochum
" von RAG Dr. Benjamin Krenberger, Zweibrücken, mit Genehmigung des Bloggers entnommen "Die Rezensenten"
"Das bewährte Handbuch für die strafrechtliche Hauptverhandlung geht in seine elfte Auflage und ganz langsam wird ein Wechsel in der Autorenschaft vollzogen. Der Gründer des Werks gibt den Staffelstab an andere Autoren weiter, sodass inzwischen weitere vier Fachautoren aus dem Strafrecht für das Werk verantwortlich zeichnen. Dadurch dass diese Autoren schon längere Zeit mit Burhoff auch an anderer Stelle zusammenarbeiten, können die Nutzer des Werks sicher sein, dass der hohe Qualitätsanspruch, den Burhoff selbst an seine Bücher hat, auch in Zukunft erhalten bleibt. Über 1500 Seiten mit Ausführungen, Mustern und Verzeichnissen harren fortan der Bearbeitung.
Das Konzept des Handbuchs ist seit Jahren identisch, nämlich die Aufbereitung der Thematik anhand alphabetisch sortierter Stichworte und nicht nach einer anderen Systematik. Das hat dann zwar zur Folge, dass man manche Aspekte einer Themengruppe nicht direkt aufeinanderfolgend lesen kann, aber durch viele Querverweise geht keine Information verloren. Die Themen beginnen mit der Ablehnung der verschiedenen am Verfahren beteiligten Personen (Dolmetscher, Richter, Staatsanwalt, Sachverständiger, Schöffe, Urkundsbeamter) und enden mit dem Stichwort "Zwischenberatung des Gerichts". Dabei finden sich nicht nur klassische Begriffe wie "Aussetzung der Hauptverhandlung", "Plädoyer des Staatsanwalts" oder "Videovernehmung in der Hauptverhandlung", sondern auch sehr detaillierte Unterkapitel wie das "Kreuzverhör", das "Tragen der Robe" des Verteidigers oder auch neue Rechtsinstrumente die die "Psychosoziale Prozessbegleitung".
Auch wenn ich ein großer Anhänger der assoziativen Darstellung von Themen bin, finde ich es überflüssig, dass zahlreiche Stichworte enthalten sind, die mit der "Hauptverhandlung" nicht allzu viel zu tun haben. Dazu gehören meiner Ansicht nach die Zulassungsvoraussetzungen der Berufung sowie das gesamte Revisionsrecht. Diese Bereiche werden durch das Handbuch zu den strafrechtlichen Rechtsmitteln schon bestens abgedeckt. Hier könnte man in den Folgeauflagen durchaus an Verschlankung denken bzw. sich auf die Verhandlungssituation in der Rechtsmittelinstanz fokussieren. Stattdessen wären ausdrückliche Stichworte zum Urteilsaufbau in erster und zweiter Instanz interessant, um die dort vorhandenen Fehlerquellen darzulegen.
Neben der Detaildichte der Stichworte zeichnet sich das Handbuch seit je her durch hohe Aktualität der Nachweise aus. Hier mag pars pro toto Rn. 1287 genannt werden, wo die Rechtsprechung des BGH zum Beweisverwertungsverbot mit der Neuregelung der Pflichtverteidigung in Bezug gesetzt und die Entwicklung - wie gewohnt - pointiert bewertet wird. Auch die Nutzung des Selbstleseverfahrens mitsamt der daraus resultierenden Einhaltung von Förmlichkeiten wird unter Bezugnahme auf Rechtsprechung bis zum Jahr 2024 erläutert, Rn. 3299 ff. Gleichermaßen könnten auch allgemein das Stichwort "Gesetzesnovellen" bzw. die korrelierenden Hinweise auf Neuentwicklungen in den jeweiligen Stichwörtern benannt werden, etwa Rn. 2063 zur Digitalen Dokumentation der Hauptverhandlung anstelle oder neben dem klassischen Protokoll.
Hinzu kommen unzählige Hinweise und taktische Tipps für das Verhalten des Verteidigers rund um den Strafprozess. Diese finden sich in einzelnen, extra benannten Unterkapiteln, aber auch immer wieder in den grau hinterlegten Textpassagen, die besondere Aufmerksamkeit einfordern. Bspw. könnte hier Rn. 1849 zum "opening statement" genannt werden, in welcher abgewogen wird, in welchen Fällen besser auf eine Erklärung verzichtet werden sollte, oder auch Rn. 2122, wo es um die Aufhebung des Haftbefehls und die nachfolgenden Handlungspflichten des Verteidigers geht, um die Haft des Mandanten tatsächlich zu beenden. Unverzichtbar sind die Ausführungen stets dann, wenn konkrete Prozesserfahrungen der Autoren einfließen und sich die Rechtsanwender so ein besseres Bild von der zu meisternden Situation machen können (z.B. Vernehmung von Polizisten, Rn. 3804).
Für den engagierten Strafrechtler, egal in welcher beruflichen Position, ist das Handbuch eine unerschöpfliche Wissensquelle und neben klassischen Kommentaren eine echte Bereicherung im Alltag und Dezernat. Man muss nicht in jeder Situation mit den oftmals eindeutig anwaltlich orientiert schreibenden Autoren übereinstimmen, aber schon die geistige Auseinandersetzung mit einer streitigen Frage bringt den Leser selbst bei vorhandener Gegenmeinung qualitativ weiter. Auch in der elften Auflage kann das Handbuch also guten Gewissens empfohlen werden."
Die Nutzung von Burhoff-Online ist kostenlos. Der Betrieb der Homepage verursacht aber für Wartungs-, Verbesserungsarbeiten und Speicherplatz laufende Kosten.
Wenn Sie daher Burhoff-Online freundlicherweise durch einen kleinen Obolus unterstützen wollen, haben Sie hier eine "Spendenmöglichkeit".