Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Hamm, Beschl. v. 26.08.2025 – 3 ORs 29/25
Leitsatz des Gerichts:
1. Erklärungen des Verteidigers sind seine eigenen Prozesserklärungen. Eine Einlassung des Angeklagten kann ihnen - neben den gesetzlich vorgesehenen Vertretungsfällen - nur dann entnommen werden, wenn sich feststellen lässt, dass der Angeklagte die Erklärung als eigene Äußerung zur Sache verstanden wissen will.
2. Einer vom Angeklagten verfassten und unterzeichneten Erklärung, die der Verteidiger in der Hauptverhandlung verliest, kann nach der gewählten Formulierung unter Umständen entnommen werden, dass es sich um eine ergänzende Einlassung des Angeklagten zur Sache handelt (hier bejaht für die Formulierung "... sind Nachfragen und Erklärungsbedarf aufgetreten... diverse Fragen, die wie folgt beantwortet werden...").
3. In Beweisanträgen aufgestellte Beweisbehauptungen dürfen im Regelfall nicht ohne Weiteres in eine Einlassung des Angeklagten umgedeutet werden. Bei der Formulierung "Wenn die Zeugen die aufgestellte Behauptung bestätigen, steht fest, dass ..." liegt es auch bei dem nicht schweigenden Angeklagten fern, dass der Angeklagte die von ihm selbst schriftlich verfasste und vom Verteidiger verlesene Beweisbehauptung als Einlassung verstanden wissen wollte.
In pp.
Das angefochtene Urteil wird mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Bielefeld zurückverwiesen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht - Schöffengericht - Bielefeld hat den Angeklagten mit Urteil vom 21.03.2024 wegen Urkundenfälschung "in 15 besonders schweren Fällen" zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und fünf Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Wegen der Verfahrensdauer hat es zwei Monate der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe für vollstreckt erklärt.
Die hiergegen eingelegte Berufung des Angeklagten hat die XIV. kleine Strafkammer des Landgerichts Bielefeld mit dem angefochtenen Urteil mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass der Schuldspruch in "Urkundenfälschung in 15 Fällen" geändert wird.
In der Sache hat die Kammer festgestellt, dass der Angeklagte - ein damals bei dem Amtsgericht T. tätiger Richter - in dem Zeitraum zwischen dem 02.02.2016 und dem 30.12.2016 anwaltliche Tätigkeiten ausgeübt habe, indem er fünfzehn vermeintliche anwaltliche Schriftsätze gefertigt habe, die im Ergebnis mit dem Briefkopf des vormals in T. tätigen Rechtsanwalts O. und dessen eingescannter Unterschrift versehen worden seien und an die jeweiligen Empfänger - unter anderem die Zweigstelle der G.-bank in F. und die Betreuungsabteilung des Amtsgerichts Bielefeld; teils per (Computer-)Fax - versandt worden seien, um auf diese Weise vorzutäuschen, dass ein Rechtsanwalt tätig geworden sei. Teils seien mit den entsprechenden Schreiben auch anwaltliche Gebühren geltend gemacht worden. Der Briefkopf des Rechtsanwalts sei jedoch dahingehend abgeändert worden, dass dieser mit der privaten Anschrift, der Festnetznummer, einer eigens eingerichteten Fax- und Mobilfunknummer und einer eigens eingerichteten E-Mail-Adresse sowie Kontodaten des Angeklagten versehen worden sei. Ob es der Angeklagte oder - mit seinem Wissen und Wollen - die ehemalige Sekretärin des Rechtsanwalts O., die Zeugin Q., gewesen sei, die bzw. der den Briefkopf abgeändert habe und jeweils den von dem Angeklagten verfassten Text sowie die eingescannte Unterschrift des Rechtsanwalts auf dem Dokument eingefügt habe, hat die Kammer offengelassen. Ausweislich der getroffenen Feststellungen habe Rechtsanwalt O. keine Kenntnis von den erstellten Schriftsätzen gehabt. Auch habe dieser weder den Angeklagten noch die Zeugin Q. bevollmächtigt oder in sonstiger Form ermächtigt, Schriftsätze unter Nutzung seines Briefkopfes und seiner eingescannten Unterschrift zu fassen. Dies sei dem Angeklagten, der in allen Fällen in der Absicht gehandelt habe, sich durch die wiederholte Tatbegehung eine fortlaufende Einnahmequelle von einiger Dauer und einigem Umfang zu verschaffen, auch bewusst gewesen.
Der Angeklagte hat sich im Verlaufe der Hauptverhandlung nicht nur durch mehrere von seinem Verteidiger verlesene Erklärungen, die zudem in schriftlicher Form - jeweils durch den Angeklagten unterschrieben - an die Kammer ausgehändigt worden sind, sondern hierzu auch ergänzend mündlich zur Sache eingelassen. Dabei hat er im Grundsatz eingeräumt, die tatgegenständlichen Schriftsätze inhaltlich verfasst zu haben. Indes habe die ehemalige Sekretärin des Rechtsanwalts, die Zeugin Q., die Schriftsätze auf dem Briefkopf - mitsamt der eingescannten Unterschrift von Rechtsanwalt O. - ausgefertigt und versandt. Hierzu sei sie von Rechtsanwalt O. auch bevollmächtigt gewesen. Jedenfalls sei er - der Angeklagte - von einer solchen Generalvollmacht ausgegangen. Ihre Überzeugung davon, dass Rechtsanwalt O. weder die Zeugin Q. noch den Angeklagten zu einem Handeln unter seinem Namen bevollmächtigt hatte, hat die Kammer - neben anderen Umständen - maßgeblich auch auf die Aussage des Zeugen O. gestützt.
Gegen das am 29.01.2025 in seiner Anwesenheit verkündete Urteil hat der Angeklagte durch per beA am 05.02.2025 bei dem Landgericht Bielefeld eingegangenen Schriftsatz seines Verteidigers vom selben Tag Revision eingelegt. Die Revision ist - nachdem die Urteilsgründe am 10.03.2025 seinem Pflichtverteidiger zugestellt worden waren - mit dem am 03.04.2025 bei dem Landgericht Bielefeld eingegangenen Schriftsatz seines im Revisionsverfahren mandatierten Wahlverteidigers vom selben Tag mit der Verletzung formellen und materiellen Rechts, wobei sowohl die Sach- als auch die Verfahrensrügen näher ausgeführt worden sind, begründet worden. Die Revision ist darüber hinaus auch durch den am 09.04.2025 bei dem Landgericht Bielefeld eingegangenen Schriftsatz seines Pflichtverteidigers vom selben Tag mit der nicht näher ausgeführten Sachrüge begründet worden.
Die Generalstaatsanwaltschaft beantragt, die Revision des Angeklagten gemäß § 349 Abs. 2 StPO als offensichtlich unbegründet zu verwerfen.
II.
Die gemäß § 333 StPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Revision des Angeklagten führt bereits auf eine der erhobenen Verfahrensrügen hin gemäß §§ 349 Abs. 4, 354 Abs. 2 S. 1 StPO zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Bielefeld.
1. Der Angeklagte macht mit der im Ergebnis - teilweise - durchgreifenden und gemäß § 344 Abs. 2 S. 2 StPO in zulässiger Weise erhobenen Verfahrensrüge geltend, die Kammer habe entgegen § 261 StPO ihre Überzeugung von der Schuld des Angeklagten nicht aus dem Inbegriff der Hauptverhandlung geschöpft, da sie Sachvortrag, der in einem Beweisantrag (Anlage 9 des Hauptverhandlungsprotokolls vom 12.12.2024) sowie in einer seitens des Verteidigers in der Hauptverhandlung verlesenen und von dem Angeklagten unterschriebenen schriftlichen Erklärung des Angeklagten (Anlage 2 des Hauptverhandlungsprotokolls vom 26.11.2024) enthalten gewesen sei, ohne Weiteres in die Beweiswürdigung habe einfließen lassen. Sie habe jene Prozesserklärungen - jeweils zu Unrecht - zum Teil als Einlassung des Angeklagten und zum Teil als Beleg für stattgefundenen Chat-Verkehr zwischen dem Angeklagten und der Zeugin B. - der gesetzlichen Betreuerin des Mandanten, für den der Angeklagte bei der Verfassung der überwiegenden Anzahl der verfahrensgegenständlichen vermeintlichen anwaltlichen Schriftsätze tätig geworden war - zugrunde gelegt.
Zwar ist die Verfahrensrüge unbegründet, soweit sie beanstandet, dass die Strafkammer die von dem Verteidiger verlesene und durch den Angeklagten unterschriebene schriftliche Erklärung vom 26.11.2024 als dessen Einlassung gewertet hat. Sie ist jedoch begründet, soweit die Strafkammer ihrer Beweiswürdigung zur inneren Tatseite eine Beweisbehauptung aus dem im Hauptverhandlungstermin vom 12.12.2024 durch den Verteidiger verlesenen und von dem Angeklagten unterschriebenen Beweisantrag als Einlassung des Angeklagten zugrunde gelegt hat.
a) Rechtsfehlerfrei hat die Strafkammer die von dem Verteidiger in der Hauptverhandlung verlesene und durch den Angeklagten unterschriebene schriftliche Erklärung vom 26.11.2024 als dessen Einlassung gewertet.
aa) Im Hinblick auf Erklärungen eines Verteidigers zur Sache ist nach den von der Rechtsprechung aufgestellten Grundsätzen (vgl. nur BGH, Urt. vom 11.03.2020 - 2 StR 69/19, juris; KG, Beschl. v. 05.12.2022 - 3 Ws (B) 310/22 - 122 Ss 135/22, BeckRS 2022, 45413, Rn. 13-16, beck-online; OLG Stuttgart, Beschl. v. 17.05.2021 - 1 Rv 26 Ss 334/21 - juris) nämlich im Grundsatz wie folgt zu differenzieren:
Äußert sich der Verteidiger in Form eines Schriftsatzes zur Sache, handelt es sich grundsätzlich um eine Prozesserklärung des Verteidigers, die dieser aus eigenem Recht und in eigenem Namen abgibt, und nicht um eine Sacheinlassung des Angeklagten. Ihrer Bedeutung nach ist sie einem Parteivorbringen im Zivilprozess vergleichbar. Eine solche Erklärung kann daher in der Hauptverhandlung nicht als Urkunde verlesen werden (BGH, Urt. v. 6.4.1994 - 2 StR 76/94, NStZ 1994, 449; OLG Celle, Urt. v. 31.5.1988 - 1 Ss 117/88, NStZ 1988, 426; OLG Hamm, Urt. v. 27.3.1979 - 4 Ss 2376/78, JR 1980, 82). Der Angeklagte kann sie sich in der Hauptverhandlung auch nicht - rückwirkend - zu eigen machen (vgl. BGH, Beschl. v. 20.9.2007 - 1 StR 385/07, NStZ-RR 2008, 21). Dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn der Verteidiger in der Erklärung Äußerungen schriftlich fixiert, die der Angeklagte ihm gegenüber gemacht hat (BGH Urt. v. 24.8.1993 - 1 StR 380/93, NJW 1993, 3337; Beschl. v. 13.12.2001 - 4 StR 506/01, NStZ 2002, 556).
Gleiches gilt grundsätzlich für Erklärungen, die der Verteidiger in der Hauptverhandlung zur Sache abgibt. Da der Verteidiger Beistand und nicht Vertreter des Angeklagten ist (st. Rspr. seit RGSt 66, 209 (211)), handelt es sich insoweit - genauso wie bei allgemeinen Äußerungen, prozessualen Erklärungen oder Tatsachenbehauptungen in Beweisanträgen (vgl. BGH, Beschl. v. 29.5.1990 - 4 StR 118/90, NStZ 1990, 447; Beschl. v. 22.3.1994 - 1 StR 100/94, NStZ 1994, 352; Beschl. v. 12.4.2000 - 1 StR 623/99, NStZ 2000, 495 (496); Beschl. v. 7.8.2014 - 3 StR 105/14, NStZ 2015, 207 (208)) - um seine eigenen Prozesserklärungen.
Schriftliche und mündliche Erklärungen des Verteidigers können ausnahmsweise als Einlassung des Angeklagten entgegengenommen und verwertet werden, wenn ein gesetzlich vorgesehener Fall der Vertretung vorliegt (§§ 234, 329, 350, 387, 411 StPO) oder wenn der Angeklagte ausdrücklich erklärt, sie als eigene gelten zu lassen (BGH, Beschl. v. 28.6.2005 - 3 StR 176/05, NStZ 2005, 703). Bei Verteidigerschriftsätzen muss - etwa durch Unterschrift oder durch Formulierung in der Ich-Form - erkennbar sein, dass der Angeklagte die Erklärung als eigene Äußerung verstanden wissen will und sich seines Verteidigers gleichsam als "Schreibhilfe" bedient. Bei in der Hauptverhandlung verlesenen schriftlichen Ausführungen des Verteidigers, in denen er Angaben des schweigenden Angeklagten wiedergibt, muss der Angeklagte diese Erklärung bestätigen oder erklären, dass er sie als eigene Einlassung verstanden wissen will (BGH, Beschl. v. 28.6.2005 - 3 StR 176/05, NStZ-RR 2005, 353).
bb) Zwar hat der Angeklagte vorliegend nicht ausdrücklich erklärt, dass er die durch seinen Verteidiger verlesene Erklärung vom 26.11.2024 als eigene Einlassung gelten lassen wolle. Eine solche ausdrückliche Erklärung, welche die Rechtsprechung insbesondere für ansonsten schweigende Angeklagte verlangt (vgl. Park, StV 1998, 59f. und darauf Bezug nehmend BGH, Beschl. v. 28.6.2005 - 3 StR 176/05, NStZ-RR 2005, 353; OLG Stuttgart, Beschl. v. 17.05.2021 - 1 Rv 26 Ss 334/21, juris; KG, Beschl. v. 05.12.2022 - 3 Ws (B) 310/22, Beck RS 2022, 45413, beck-online; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 06.05.2002, 2b Ss 59/02-30/02 IV, NJW 2002, 2728, beck-online; OLG Hamm, Beschluss vom 19. Juli 2001 - 3 Ss 478/01 -, juris), ist jedoch jedenfalls dann nicht erforderlich, wenn sich anhand des sonstigen Prozessverhaltens des Angeklagten mit hinreichender Sicherheit feststellen lässt, dass er sich die von seinem Verteidiger vorgetragene Erklärung als seine Einlassung zu eigen machen möchte - etwa anhand des Umstands, dass ein ansonsten zur Sache schweigender Angeklagter die von seiner Verteidigerin vorgetragene teilgeständige Einlassung dadurch ergänzt, dass er gegenüber den Eltern des Nebenklägers ausführt, dass es ihm leid tue, was passiert sei (BGH, Beschluss vom 28.06.2005 - 3 StR 176/05, NStZ-RR 2005, 353).
Derartige Umstände, die mit hinreichender Sicherheit feststellen lassen, dass der Angeklagte sich die von seinem Verteidiger vorgetragene Erklärung vom 26.11.2024 als seine Einlassung zu eigen machen wollte, liegen hier vor. So ist zunächst in den Blick zu nehmen, dass der Angeklagte sich bereits im ersten Hauptverhandlungstermin vom 14.11.2024 selbst zur Sache eingelassen hatte. Mit der von ihm unterschriebenen und durch seinen Verteidiger am zweiten Hauptverhandlungstag vom 26.11.2024 vorgetragenen Erklärung nahm der Angeklagte hierauf erkennbar Bezug, indem er formulierte:
"Im Ergebnis bedeutet die gescheiterte Verständigung, dass nunmehr eine umfängliche Beweisaufnahme zu erfolgen hat. Diese hat bereits begonnen.
[...] In der bereits am 14.11.2024 begonnenen Beweisaufnahme sind Nachfragen und Erklärungsbedarf aufgetreten. Hierbei geht es um:
[...] Die Staatsanwaltschaft hatte hinsichtlich des Mietvertrages vom 15.11.2025 diverse Fragen, die wie folgt beantwortet werden:
[...] Auf die geschuldete Miete hat der Angeklagte angerechnet die Zahlungen vom [...] 28.07.2016 über 733,14 Euro [...]"
Da der Verteidiger im Zusammenhang mit der Verlesung der schriftlichen Erklärung seines Mandanten ein von dem Angeklagten unterschriebenes Exemplar jener Erklärung an die Kammer überreichte, bestehen keine Zweifel, dass sich der Angeklagte die von seinem Verteidiger vorgetragene Erklärung zu eigen machen wollte. Darüber hinaus lassen die in der Erklärung enthaltene Bezugnahme auf die Fragen der Staatsanwaltschaft im ersten Hauptverhandlungstermin und die Formulierung, dass diese wie folgt "beantwortet" würden, keinen Zweifel daran aufkommen, dass der Angeklagte jene Erklärung auch als eigene Einlassung verstanden wissen wollte. Auch im Nachgang der durch seinen Verteidiger vorgetragenen Erklärung ließ er sich weiter ergänzend zur Sache ein.
Bei einer Gesamtschau jener Umstände ist mit hinreichender Sicherheit festgestellt, dass der Angeklagte sich die von seinem Verteidiger vorgetragene Erklärung zur Sache als Einlassung zu eigen machen wollte. Einer diesbezüglichen ausdrücklichen Erklärung des Angeklagten bedurfte es bei dieser Sachlage nicht.
Es begegnet daher keinen Bedenken, dass die Strafkammer im Rahmen der Beweiswürdigung die Erklärung zu den Mieteinnahmen (UA S. 39) und die Erklärungen zu dem Inhalt des Chat-Verkehrs zwischen dem Angeklagten und der Zeugin B. (UA S. 30/ 31) als dessen Einlassung zugrunde gelegt hat.
b) Demgegenüber erweist es sich als rechtsfehlerhaft, dass die Strafkammer die in dem Beweisantrag vom 12.12.2024 aufgestellte Beweisbehauptung ohne Weiteres als Einlassung des Angeklagten gewertet hat.
Zwar bestehen - nach den oben dargelegten Grundsätzen - auch hier keine Zweifel daran, dass der Angeklagte den von seinem Verteidiger vorgetragenen Beweisantrag auch als eigene Prozesserklärung verstanden wissen wollte. Denn auch in diesem Fall hatte der Verteidiger im zeitlichen Zusammenhang mit der Verlesung des Beweisantrags ein von dem Angeklagten unterschriebenes Exemplar an die Kammer ausgehändigt.
Von der Frage der Zuordnung der Prozesserklärung getrennt zu beurteilen ist - nach den oben dargelegten Grundsätzen - aber stets die Frage der Einordnung der Erklärung als Einlassung des Angeklagten, also die Frage, ob mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden kann, dass der Angeklagte die von seinem Verteidiger vorgetragene Prozesserklärung auch als eigene Einlassung verstanden wissen wollte.
Ein solcher Schluss ist bei in Beweisanträgen aufgestellten Beweisbehauptungen nicht ohne Weiteres zulässig. Vielmehr dürfen diese im Regelfall nicht ohne Weiteres in eine Einlassung des Angeklagten umgedeutet werden (BGH, Beschl. vom 29.05.1990 - 4 StR 118/90, NStZ 1990, 447, beck-online; BGH, Beschl. v. 7.8.2014 − 3 StR 105/14, NStZ 2015, 207, beck-online; BGH, Urt. v. 21.7.2016 − 2 StR 383/15, NStZ 2017, 96, beck-online). Dies gilt auch dann, wenn der Angeklagte sich ansonsten selbst zur Sache einlässt (BGH, Beschl. vom 12. 4. 2000 - 1 StR 623/99, NStZ 2000, 495, beck-online). Diese restriktive Handhabung liegt in der Rechtsnatur des Beweisantrags begründet. Denn ein Beweisantrag muss - um die förmlichen Voraussetzungen eines solchen nach § 244 Abs. 3 S. 1 StPO überhaupt zu erfüllen - notwendigerweise eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache enthalten. Dass jene unter Beweis gestellte Beweisbehauptung nicht notwendigerweise eine Einlassung des Angeklagten darstellt, ergibt sich bereits daraus, dass auch ein ansonsten schweigender Angeklagter das Recht haben muss, Beweisanträge zu stellen. Auch muss der Angeklagte in der Lage sein können, außerhalb seiner eigenen Wahrnehmung stattgefundene Umstände, die nicht Gegenstand seiner Einlassung sind, unter Beweis zu stellen (vgl. Becker in: Löwe-Rosenberg, StPO, 27. Auflage, § 244 StPO, Rn. 103). Vor dem Hintergrund jener Erwägungen bedarf die Frage, ob der Angeklagte eine in einem von seinem Verteidiger vorgetragenen Beweisantrag aufgestellte Beweisbehauptung als eigene Einlassung verstanden wissen will, einer besonders sorgfältigen Prüfung. Ob es hierzu - wie vom Bundesgerichtshof jedenfalls für den schweigenden Angeklagten verlangt (BGH, Beschl. vom 29.05.1990 - 4 StR 118/90, NStZ 1990, 447, beck-online; BGH, Beschl. v. 7.8.2014 − 3 StR 105/14, NStZ 2015, 207, beck-online; BGH, Urt. v. 21.7.2016 − 2 StR 383/15, NStZ 2017, 96, beck-online) - auch für den sich ansonsten zur Sache einlassenden Angeklagten stets einer ausdrücklichen Erklärung des Angeklagten bedarf, dass er die von seinem Verteidiger vorgetragene Beweisbehauptung als eigene Einlassung verstanden wissen will, oder ob sich dies im Einzelfall auch bei Beweisbehauptungen aus dem sonstigen Prozessverhalten des Angeklagten ergeben kann, kann der Senat vorliegend offenlassen.
Denn - anders als bei der Verteidigerklärung vom 26.11.2024 - liegen hinsichtlich des Beweisantrags vom 12.12.2024 keine Umstände vor, die mit hinreichender Sicherheit feststellen ließen, dass der Angeklagte die darin aufgestellte Beweisbehauptung bzw. das darin angestrebte Beweisziel als eigene Einlassung verstanden wissen wollte. Vielmehr liegt dies angesichts der in dem Beweisantrag gewählten - und in dem Urteil teilweise wörtlich als Einlassung wiedergegebenen - Formulierung sogar fern. Denn dort war formuliert: "Wenn die Zeugen die aufgestellte Behauptung bestätigen, steht fest, dass die Zeugin Q. die Kanzlei in Zivilsachen vollumfänglich allein betrieben hat und dazu auch von dem Zeugen O. bevollmächtigt war, der selbst "keine Lust" dazu hatte. Es entbehrt jeder Logik und ist abwegig, dass jemand inhaltlich einen Entwurf kontrollieren will, der den Sachverhalt nicht mit dem Betroffenen besprochen hat und ihm dieser auch nicht von Dritten mitgeteilt worden ist." Anders als bei der Erklärung vom 26.11.2024 nahm der Angeklagte mit der Begründung des Beweisantrags auch nicht konkret auf in der Hauptverhandlung aufgekommene Fragen der Staatsanwaltschaft oder des Gerichts Bezug.
Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Urteil auf dem hierin liegenden Verstoß gegen § 261 StPO beruht. Denn die Strafkammer hat die als Einlassung des Angeklagten gewertete Begründung des Beweisantrags in ihre Gesamtwürdigung der Beweise zur inneren Tatseite - hier konkret zu dem Umstand, dass dem Angeklagten bewusst gewesen sei, dass eine von Rechtsanwalt O. erteilte Ermächtigung zu einem Handeln unter seinem Namen, nicht vorgelegen habe - eingestellt, indem sie ausgeführt hat:
"Dafür spricht auch die Darstellung des Angeklagten in der Begründung seines verlesenen Antrags vom 12.12.2024 (Anlage 9 zum Protokoll vom 12.12.2024), dass die Zeugin Q. alle Mandate in Zivilsachen ohne Kenntnis des Zeugen O., der keine Kenntnis von auch nur einem einzigen Sachverhalt eines ihm erteilten Mandats in Zivilsachen gehabt habe, der in Zivilsachen weder jemals ein Telefonat noch ein persönliches Gespräch mit einem Mandaten geführt habe, noch sich den Sachverhalt von Frau Q. habe mitteilen lassen, selbständig bearbeitet und "die Kanzlei in Zivilsachen vollumfänglich allein betrieben" habe, sodass dem Angeklagten also offensichtlich auch bewusst war, dass es in der Kanzlei des Rechtsanwalts O. nicht mit rechten Dingen zuging."
Damit zwingt bereits der Verstoß gegen § 261 StPO zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Bielefeld (§ 354 Abs. 2 StPO).
c) Eines Eingehens auf die weiteren Verfahrensrügen, mit denen jeweils die rechtsfehlerhafte Ablehnung von Beweisanträgen gerügt wird, bedurfte es - da diese im Falle ihrer Begründetheit weder zum Freispruch noch zur Verfahrenseinstellung geführt hätten - nicht mehr.
2. Nur ergänzend bemerkt der Senat daher, dass auch die erhobene Sachrüge zur Aufhebung des Urteils und zur Zurückverweisung an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts führen würde.
Denn die Beweiswürdigung der Strafkammer hält auch eingedenk des eingeschränkten revisionsrechtlichen Prüfungsmaßstabes sachlich-rechtlicher Prüfung nicht stand.
Zwar ist die Beweiswürdigung Sache des Tatgerichts (§ 261 StPO). Ihm allein obliegt es, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen. Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein; es genügt, dass sie möglich sind. Daher ist die revisionsgerichtliche Prüfung darauf beschränkt, ob dem Tatgericht Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 22. November 2016 - 1 StR 329/16; und vom 12. Februar 2015 - 4 StR 420/14, NStZ-RR 2015, 148, jeweils m.w.N).
Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze erweist sich die vorgenommene Beweiswürdigung zumindest in einem wesentlichen Punkt als lückenhaft.
Zu Recht macht die Revision nämlich geltend, dass die Strafkammer bei der Würdigung der Aussage des Zeugen O., auf die sie ihre Überzeugung hinsichtlich einer nicht bestehenden Vollmacht zu einem Handeln des Angeklagten unter fremdem Namen maßgeblich stützt, als naheliegendes Falschaussagemotiv des Zeugen vollständig außerachtgelassen hat, dass dieser sich als Rechtsanwalt für den Fall, dass er den Betrieb seiner Kanzlei ohne jedwede Kontrolle dem Angeklagten und seiner ehemaligen Sekretärin, der Zeugin Q., überlassen hätte, einer erheblichen berufsrechtlichen Verfehlung hätte bezichtigen müssen.
Dass die Kammer jenes naheliegende Falschaussagemotiv in ihrer Beweiswürdigung vollständig außerachtgelassen hat, ergibt sich nicht nur daraus, dass sie diese Erwägung unerwähnt gelassen hat, sondern insbesondere daraus, dass sie ausdrücklich ausgeführt hat: "Darüber hinaus ist nicht ersichtlich, warum der Zeuge O. das tatsächliche Vorhandensein einer Vollmacht hätte leugnen sollen" (UA S. 22).
In Anbetracht der maßgeblichen Bedeutung, welche die Strafkammer der Aussage des Zeugen O. beigemessen hat, macht die Außerachtlassung jenes naheliegenden Falschaussagemotivs die Beweiswürdigung insgesamt lücken- und damit rechtsfehlerhaft.
Ob es darüber hinaus auch rechtlich zu beanstanden ist, dass die Strafkammer im Hinblick auf das Aussageverhalten der Zeugin Q. ausgeführt hat, dass diese sich im Falle einer bestehenden Generalvollmacht des Rechtsanwalts O. nicht auf ein Zeugnisverweigerungsrecht nach § 53a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 StPO hätte berufen müssen, kann letztlich dahinstehen.
3.
Der Senat weist für die neu durchzuführende Verhandlung und Entscheidung ergänzend auf Folgendes hin:
a) Bei einer Gesamtbetrachtung der im angefochtenen Urteil getroffenen Feststellungen war diesen mit Blick auf den Urkundenbegriff zwar gerade noch hinreichend zu entnehmen, dass auf entsprechende Veranlassung des Angeklagten bzw. - auf der Grundlage eines gemeinsamen Tatplanes - auf Veranlassung der Zeugin Q. eine Verkörperung der Gedankenerklärungen bei den jeweiligen Empfängern auch in den Fällen stattgefunden hat, in denen eine Versendung per Computerfax (vgl. insoweit: Zieschang in: Leipziger Kommentar zum StGB, 13. Auflage, § 267 StGB, Rn. 133) erfolgte. Gleichwohl wird die neu zur Entscheidung berufene Kammer die Gelegenheit haben, hierzu klarstellende Feststellungen zu treffen.
b) Wie bereits im Zusammenhang mit den Ausführungen des Senats zur Sachrüge angedeutet, wird die neu zur Entscheidung berufene Kammer sich mit der Frage zu befassen haben, ob der Zeugin Q. im Hinblick auf die allgemeine - und nicht konkret mandatsbezogene - Ausgestaltung der Arbeitsabläufe in der Kanzlei tatsächlich das - in diesem Fall wohl gemäß § 53a Abs. 1 S. 2 StPO von Rechtsanwalt O. ausgeübte - Zeugnisverweigerungsrecht nach § 53a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 StPO zusteht. Dabei wird in den Blick zu nehmen sein, dass das Zeugnisverweigerungsrecht nach §§ 53, 53a StPO nicht ein etwaiges Vertrauensverhältnis zwischen dem Rechtsanwalt und seinen Hilfspersonen, sondern das Vertrauensverhältnis zwischen dem Rechtsanwalt und seinen Mandanten schützt. Bei dem der jeweiligen Hilfsperson gemäß § 53a StPO zustehenden Zeugnisverweigerungsrecht handelt es sich insoweit nur um ein von dem Hauptberufsträger abgeleitetes und insoweit deckungsgleiches Zeugnisverweigerungsrecht (MüKoStPO/Kreicker, 2. Aufl. 2023, StPO, § 53a, Rn. 8, beck-online).
c) Da mit dem unter Ziff. III. 15) der Urteilsgründe dargestellten Schriftsatz vom 30.12.2016 die Beendigung des Mandates angezeigt wurde, bedarf die Frage, ob der Angeklagte auch in diesem Fall in der Absicht handelte, sich durch die wiederholte Tatbegehung eine fortlaufende Einnahmequelle von einiger Dauer und einigem Umfang zu verschaffen, jedenfalls einer näheren Erörterung im Rahmen der Beweiswürdigung.
Einsender:
Anmerkung: