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Entscheidungen

StPO

Pflichtverteidiger, Schwere der Tat, Freiheitsstrafe von einem Jahr, Wiederbestellung als Steuerberater

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Naumburg, Beschl. v. 23.12.2024 – 1 Ws 498/24

Leitsatz des Gerichts mit Ergänzungen/Änderungen:

1. Die Verteidigung ist nach § 140 Abs. 2 StPO wegen der Schwere der Tat oder der der zu erwartenden Rechtsfolge notwendig, wenn eine Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr zu erwarten ist.
2. Zu den Voraussetzungen einer Pflichtverteidigerbestellung im Berufungsverfahren für einen Angeklagten, der seine Wiederbestellung als Steuerberater nach dem StBerG anstrebt.


In pp.

Die sofortige Beschwerde des Angeklagten gegen den Beschluss des Landgerichts Dessau-Roßlau vom 3. November 2024 wird auf seine Kosten als unbegründet verworfen.

Gründe:

I.

Mit Urteil des Amtsgerichts Wittenberg vom 11. Juli 2024 wurde der Angeklagte wegen gewerbsmäßigen Betruges zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde, verurteilt. Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte Berufung eingelegt.

Der Vorsitzende der Berufungskammer des Landgerichts Dessau-Roßlau hat mit Beschluss vom 3. November 2024 den Antrag des Angeklagten, ihm für das Berufungsverfahren einen Pflichtverteidiger zu bestellen, zurückgewiesen.

Gegen diesen ihm am 9. November 2024 zugestellten Beschluss wendet sich der Angeklagte mit seiner sofortigen Beschwerde vom 13. November 2024, die am selben Tag bei dem Landgericht Dessau-Roßlau eingegangen ist.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat mit Zuschrift vom 2. Dezember 2024 beantragt, die sofortige Beschwerde als unbegründet zu verwerfen. Der Angeklagte hatte hierzu rechtliches Gehör.

II.

Die statthafte sofortige Beschwerde des Angeklagten ist nach den §§ 142 Abs. 7 i.V.m. § 311 StPO zulässig.

Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

1. Entgegen der Ansicht des Angeklagten ist der Beschluss nicht wegen eines Formmangels unwirksam. Die vom Angeklagten vermisste Unterschrift des zuständigen Richters ist auf dem in den Akten befindlichen Original des Beschlusses vorhanden.

2. Das Landgericht hat zu Recht eine Pflichtverteidigerbestellung abgelehnt.

a) Dem Angeklagten war nicht nach § 140 Abs. 1 Nr. 3 StPO ein Pflichtverteidiger zu bestellen. Nach dieser Vorschrift liegt ein Fall der notwendigen Verteidigung vor, wenn das Verfahren zu einem Berufsverbot nach § 70 StGB führen kann. Die Verhängung eines Berufsverbotes ist jedoch bereits deshalb ausgeschlossen, weil das Amtsgericht eine solche Maßregel nicht verhängt hat und allein der Angeklagte Berufung eingelegt hat.

Die Voraussetzungen der weiteren Alternativen des § 140 Abs. 1 StPO sind ersichtlich nicht erfüllt.

b) Auch die Voraussetzungen des § 140 Abs. 2 StPO sind nicht gegeben.

Einem Beschuldigten ist ausweislich des § 140 Abs. 2 StPO ein Pflichtverteidiger zu bestellen, wenn wegen der Schwere der Tat, der Schwere der zu erwartenden Rechtsfolge oder wegen der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage die Mitwirkung eines Verteidigers geboten erscheint oder ersichtlich ist, dass sich der Beschuldigte nicht selbst verteidigen kann.

Dies ist hier nicht der Fall.

aa) Eine notwendige Verteidigung nach § 140 Abs. 2 StPO folgt zunächst nicht aus der Schwere der Tat oder der der zu erwartenden Rechtsfolge. Regelmäßig ist hierfür die Erwartung einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr erforderlich (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 67. Auflage, § 140 Rn. 23a m. w. N.). Die Verhängung einer solchen Freiheitsstrafe ist jedoch nicht zu erwarten, da das Amtsgericht lediglich eine Freiheitsstrafe von sieben Monaten verhängt hat und allein auf die Berufung des Angeklagten keine höhere Freiheitsstrafe verhängt werden kann.

Allerdings können auch sonstige schwerwiegende Nachteile, die der Angeklagte im Fall einer Verurteilung zu gewärtigen hat, in die Beurteilung der Schwere der zu erwartenden Rechtsfolge einfließen (vgl. Willnow in Karlsruher Kommentar zur StPO, 9. Auflage, § 140 Rn. 27a m. w. N.). Dass dem Angeklagten schwerwiegende mittelbare Folgen einer Verurteilung drohen, ist jedoch nicht ersichtlich. Insbesondere gibt es keine greifbaren Anhaltspunkte dafür, dass dem Angeklagten infolge einer Verurteilung die offenbar von ihm beantragte Wiederbestellung zum Steuerberater versagt werden könnte:

Nach § 48 Abs. 2 i. V. m. § 40 Abs. 2 S. 2 StBerG ist die Wiederbestellung zu versagen, wenn der Bewerber 1. nicht in geordneten wirtschaftlichen Verhältnissen lebt, 2. infolge strafgerichtlicher Verurteilung die Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter nicht besitzt, 3. aus gesundheitlichen Gründen nicht nur vorübergehend unfähig ist, den Beruf des Steuerberaters ordnungsgemäß auszuüben oder 4. sich so verhalten hat, dass die Besorgnis begründet ist, er werde den Berufspflichten als Steuerberater nicht genügen.

Bedeutung für die Wiederbestellung als Steuerberater kann eine strafrechtliche Verurteilung demnach haben, wenn sie zum Verlust der Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter nach § 45 StGB führt. Nach dieser Vorschrift verliert derjenige die Fähigkeit, öffentliche Ämter zu bekleiden, der wegen eines Verbrechens zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt wird (§ 45 Abs. 1 StGB) oder dem das Gericht diese Fähigkeit aberkannt hat (§ 45 Abs. 2 StGB). Hier droht dem Angeklagten aber weder die Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr wegen eines Verbrechens oder der Entzug seiner Amtsfähigkeit.

Weiterhin könnte die Verurteilung wegen einer Straftat unmittelbare Relevanz für die Wiederbestellung als Steuerberater erlangen, wenn die Tat die Besorgnis begründet, der Angeklagte werde den Berufspflichten als Steuerberater nicht genügen. Das ist dann der Fall, wenn durch das Verhalten des Verurteilten zum Ausdruck gekommen ist, dass er eine mit den Berufsgrundsätzen unvereinbare Einstellung besitzt (vgl. Koslowski, StBerG, 8. Auflage § 40 Rn. 17.) Dies wird generell bejaht, wenn der Bewerber schwerwiegend gegen die allgemeine Berufsauffassung von korrekter Berufsausübung verstoßen hat sowie in den Fällen, in denen er wiederholt oder in erheblichem Umfang Wirtschafts- bzw. Vermögensdelikte begangen hat (vgl. Finanzgericht des Saarlandes, Urteil vom 11. Juni 2014 – 1 K 1001/13 –, Rn. 24; Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom 18. April 2013 – 6 K 381/12 –, Rn. 27; Finanzgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 28. Oktober 2009 – 12 K 12040/09 –, Rn. 20; jeweils zitiert nach juris). Hier wird dem nicht vorbestraften Angeklagten ein einzelner, wenn auch gewerbsmäßiger, Betrug vorgeworfen, den er nicht im Zusammenhang mit einer Tätigkeit als Steuerberater begangen hat und für den erstinstanzlich eine Freiheitsstrafe im unteren Bereich verhängt worden ist. Es handelt sich damit weder um ein wiederholtes noch um ein schwerwiegendes Vermögensdelikt, das auch keinen Bezug zu seiner Berufsausübung aufweist, so dass nicht ohne Weiteres angenommen werden kann, der dem Angeklagten vorgeworfene Betrug werde im Fall einer Verurteilung die Besorgnis begründen, der Angeklagte werde seinen Berufspflichten als Steuerberater nicht genügen.

bb) Weiterhin ist die Sach- und Rechtslage nicht als schwierig einzuschätzen. Dem Angeklagten wird ein Sozialleistungsbetrug durch falsche Angaben im Leistungsantrag vorgeworfen. Besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten des Falles sind nicht erkennbar.

cc) Schließlich ist nicht ersichtlich, dass der Angeklagte sich nicht selbst verteidigen kann.

III.

Die Kostenfolge beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.


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