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Entscheidungen

Verwaltungsrecht

Löschung personenbezogener Daten in Strafakten, Zuständigkeit, Staatsanwaltschaft, Strafgericht

Gericht / Entscheidungsdatum: OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 27.08.2025 - 16 A 74/24

Leitsatz des Gerichts:

1. Prozesskostenhilfe für einen Antrag auf Zulassung der Berufung kann grundsätzlich nur bei hinreichender Erfolgsaussicht in der Sache selbst bewilligt werden und nicht schon dann, wenn ein Zulassungsantrag als solcher erfolgversprechend erscheint.
2. Die Löschung personenbezogener Daten in Strafverfahrensakten richtet sich nach § 500 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 StPO i. V. m. § 58 Abs. 2 BDSG oder nach speziellen Löschungsvorschriften in der Strafprozessordnung.
3. Zuständig für Löschungen von Daten in Strafakten oder für das Vernichten ganzer Akten sind die Staatsanwaltschaften und die Strafgerichte.




In pp.

Der Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für einen beabsichtigten Antrag auf Zulassung der Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 8. Dezember 2023 wird abgelehnt.
Das Verfahren ist gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

Der Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für einen beabsichtigten Antrag auf Zulassung der Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 8. Dezember 2023 hat keinen Erfolg, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg i. S. v. § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO bietet.

Hinreichende Aussicht auf Erfolg bedeutet mit Blick auf den aus Art. 3 Abs. 1 i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG und Art. 19 Abs. 4 GG folgenden Anspruch auf Rechtsschutzgleichheit einerseits, dass Prozesskostenhilfe nicht erst und nur dann bewilligt werden darf, wenn der Erfolg der beabsichtigten Rechtsverfolgung gewiss oder überwiegend wahrscheinlich ist, andererseits aber auch, dass Prozesskostenhilfe verweigert werden darf, wenn ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, die Erfolgschance aber lediglich eine entfernte ist. Die Prüfung der Erfolgsaussichten darf jedoch nicht dazu dienen, die Rechtsverteidigung selbst in das summarische Verfahren der Prozesskostenhilfe zu verlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen. Das Prozesskostenhilfeverfahren will den Rechtsschutz, den der Rechtsstaatsgrundsatz erfordert, nicht selbst bieten, sondern zugänglich machen. Schwierige, bislang ungeklärte Rechts- und Tatsachenfragen dürfen nicht im Prozesskostenhilfeverfahren entschieden werden. Vielmehr müssen auch wirtschaftlich ungünstig Gestellte die Möglichkeit erhalten, solche Fragen in einem Hauptsacheverfahren, in dem sie anwaltlich vertreten sind, klären zu lassen.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 30. Oktober 2023 1 BvR 687/22 , juris, Rn. 18 f.; OVG NRW, Beschluss vom 16. Juni 2025 - 16 A 254/24 -, juris, Rn. 2.

Ob die Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet, hängt von den Erfolgsaussichten des gesamten Rechtszugs i. S. v. § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. § 119 Abs. 1 Satz 1 ZPO ab. Das Zulassungsverfahren und das (ggf.) anschließende Berufungsverfahren bilden einen einheitlichen Rechtszug im Sinn dieser Vorschriften. Da die Prozesskostenhilfe der Durchsetzung des materiellen Rechts dient, kann sie grundsätzlich nur bei hinreichender Erfolgsaussicht in der Sache selbst bewilligt werden und nicht schon dann, wenn ein Zulassungsantrag als solcher erfolgversprechend erscheint.
Vgl. Hamb. OVG, Beschluss vom 25. März 2019 - 3 Bf 69/18.Z, 3 So 36/18 -, juris, Rn. 11; Bay. VGH, Beschlüsse vom 23. April 2013 - 3 ZB 11.403 -, juris, Rn. 7, und vom 15. November 2012 22 ZB 12.2107 , juris, Rn. 2; OVG Berlin-Bbg, Beschluss vom 19. März 2012 - OVG 10 N 33.10 -, juris, Rn. 10; OVG S.-A., Beschluss vom 25. Mai 2007 - 2 L 28/07 -, juris, Rn. 4; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 29. Juli 1998 - 9 S 1592/98 -, juris, Rn. 4; Riese, in: Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Stand: Februar 2025, § 166 VwGO Rn. 155; Happ, in: Eyermann, VwGO 16. Aufl. 2022, § 166 Rn. 26a; Bader, in: Bader/Funke-Kaiser/Stuhlfauth/von Albedyll, VwGO, 8. Aufl. 2021, § 166 Rn. 45; Neumann/Schaks, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 166 Rn. 73.

Dies ist verfassungsrechtlich unbedenklich, zumal auch ein bemittelter, vernünftiger Beteiligter einen solchen Zulassungsrechtsbehelf nicht erheben würde, wenn er absähe, dass er mit dem zugelassenen Hauptrechtsmittel keinen Erfolg haben kann.
Vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. Juli 2005 - 1 BvR 1041/05 -, juris, Rn. 10 f. (zum Revisionszulassungsverfahren).

Ausgehend von den vorgenannten Maßstäben ist der Klägerin jedenfalls deswegen keine Prozesskostenhilfe zu bewilligen, weil ihre Klagebegehren auch in einem potentiellen Berufungsverfahren voraussichtlich erfolglos blieben.

Unabhängig von der Frage der Zulässigkeit des Klageantrags zu 1. [Nichtigerklärung der „Entscheidung“ des Ministeriums der Justiz des Landes Nordrhein-Westfalen (im Folgenden: Ministerium) vom 20. Januar 2022] hat die Klägerin – wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat – jedenfalls keinen Anspruch darauf, dass das Ministerium über ihre Anträge im Schreiben vom 6. Januar 2022 abweichend von den gesetzlichen Zuständigkeitsregelungen selbst entscheidet.

Die Zuständigkeit für den Antrag der Klägerin gemäß § 123 JustG NRW auf Niederschlagung der in der Rechnung der Staatsanwaltschaft Düsseldorf vom 13. Januar 2021 und deren Schreiben vom 28. Dezember 2021 angeführten Rechnungspositionen liegt gemäß § 123 Abs. 4 Satz 2 JustG NRW i. V. m. § 1 Abs. 1 der Verordnung zur Übertragung von Befugnissen nach § 123 des Justizgesetzes Nordrhein-Westfalen bei der Leiterin oder dem Leiter der mit Vollstreckungsaufgaben betrauten Stelle, nicht beim Ministerium.

Das Ministerium ist auch nicht zuständig für die Entscheidung über den Antrag der Klägerin gemäß „Art. 17, 18 und 21 DS-GVO“ auf „Vernichtung“ von Strafakten. Für einen solchen Antrag sind die von der Klägerin genannten Vorschriften der Datenschutz-Grundverordnung [Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG] nicht einschlägig, weil diese Verordnung nach ihrem Art. 2 Abs. 2 Buchstabe d auf die Verarbeitung personenbezogener Daten durch die zuständigen Behörden zum Zwecke der Verhütung, Ermittlung, Aufdeckung oder Verfolgung von Straftaten oder der Strafvollstreckung keine Anwendung findet.

Die Löschung personenbezogener Daten, die in Akten einer Staatsanwaltschaft oder von Strafgerichten enthalten sind, richtet sich vielmehr nach § 500 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 der Strafprozessordnung (StPO) i. V. m. § 58 Abs. 2 BDSG oder nach speziellen Löschungsvorschriften in der Strafprozessordnung (z. B. § 489 StPO). Diese stellen bereichsspezifische Sonderregelungen im Rahmen von Strafverfahren dar.
Vgl. BGH, Beschluss vom 27. April 2023 - 5 StR 421/22 -, juris, Rn. 4 (zum Datenverwertungsverbot); Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschlüsse vom 30. Juli 2024 204 VAs 36/24 , juris, Rn. 50, und vom 27. Januar 2020 203 VAs 1846/19, juris, Rn. 17; OLG Hamm, Beschluss vom 26. Februar 2021 - III-1 VAs 74/20 -, juris, Rn. 17.

Für Löschungen von Daten in Strafakten oder für das Vernichten ganzer Akten sind gemäß § 500 Abs. 1 StPO i. V. m. § 45 Sätze 1 und 2, § 46 Nr. 7, § 58 Abs. 2, § 75 Abs. 2 BDSG die für die Verhütung, Ermittlung, Aufdeckung, Verfolgung oder Ahndung von Straftaten zuständigen öffentlichen Stellen, hier die Staatsanwaltschaft und die Strafgerichte, als Verantwortliche zuständig, nicht das Ministerium.

Das Verwaltungsgericht hat weiter zu Recht angenommen, dass es sich bei dem Antrag der Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 22. April 2022, die „Entscheidung der Beklagten v. 8.4.2022“ [Schreiben des Präsidenten des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 8. April 2022], für nichtig zu erklären, um einen weiteren Klageantrag mit einem anderen Klagegrund handelt und die darin liegende Klageänderung gemäß § 91 Abs. 1 VwGO unzulässig ist. Ein anderer Klagegrund liegt vor, weil es um einen anderen Lebenssachverhalt geht, nämlich das o. g. Schreiben des Präsidenten des Oberlandesgerichts Düsseldorf im Unterschied zum Schreiben des Ministeriums vom 20. Januar 2022. Dem steht nicht entgegen, dass beide Schreiben die von der Klägerin beantragte Löschung von Akten betreffen. Für die Frage, ob ein einheitlicher oder ein anderer Klagegrund vorliegt, ist es auch nicht entscheidend, ob eine Klage gegen das Schreiben des Präsidenten des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 8. April 2022 ebenfalls gegen den Beklagten zu richten wäre.

Auf die Rügen der Klägerin betreffend die Ausführungen des Verwaltungsgerichts zur Zulässigkeit des Klageantrags zu 1. und betreffend die Pflicht des Verwaltungsgerichts, gemäß § 86 Abs. 3 VwGO auf die Stellung sachdienlicher Anträge hinzuwirken (dazu Nr. 3 bis 7 und 9 in Abschnitt II. ihres Schriftsatzes vom 4. Januar 2024), kommt es damit nicht mehr an. Dass die Klägerin die Kosten- und Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts für falsch hält, begründet keine Erfolgsaussicht ihrer Klageanträge.

Ergänzend merkt der Senat an, dass die von der Klägerin geltend gemachte gravierende Verletzung fundamentaler Verfahrensgrundrechte, der gerichtlichen Aufklärungspflicht, des Amtsermittlungsgrundsatzes, des Überzeugungsgrundsatzes und des Anspruchs auf rechtliches Gehör nicht vorliegt. Der Umstand, dass das Verwaltungsgericht der Rechtsauffassung der Klägerin nicht gefolgt ist, genügt dafür nicht. Soweit die Klägerin rügt, das Verwaltungsgericht habe durch Gerichtsbescheid entschieden, bevor über ihre „Beschwerde v. 24.6.2023 gegen den Beschluss v. 13.7.2023, zugestellt am 15.7.2023 über die PKH-Versagung für die 1. Instanz“ entschieden worden sei, trifft dies nach Aktenlage nicht zu. In der Gerichtsakte des Verwaltungsgerichts findet sich keine Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 13. Juli 2023 über die Versagung von Prozesskostenhilfe. Die Klägerin hat mit einem Schriftsatz, der auf den 24. Juni 2023 datiert und am 26. Juli 2023 beim Verwaltungsgericht eingegangen ist, die Übertragung des Rechtsstreits auf die Einzelrichterin gerügt sowie einen Befangenheitsantrag betreffend die zuständige Berichterstatterin des Verwaltungsgerichts gestellt. Über diesen Befangenheitsantrag hat das Verwaltungsgericht am 8. August 2023 durch Beschluss entschieden. Eine Beschwerde gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe durch den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 13. Juli 2023 ist dem Schriftsatz der Klägerin vom 24. Juni 2023 auch nicht deswegen zu entnehmen, weil sie dort unter I. ausgeführt hat, nach ständiger Rechtsprechung dürfe sie „die rechtsmittelfördernden und sachlichen Vorträge erst nach der rechtskräftigen Entscheidung über PKH-Antrag machen“.

Die Gerichtsgebührenfreiheit ergibt sich aus § 3 Abs. 2 GKG und dem Fehlen einer Kostenstelle in der Anlage 1 zu der genannten Vorschrift (Kostenverzeichnis). Der Ausschluss der Erstattung außergerichtlicher Kosten im Prozesskostenhilfeverfahren folgt aus § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. § 118 Abs. 1 Satz 4 ZPO.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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