Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Schleswig, Beschl. v. 28.08.2025 - 1 Ws 129/25
Leitsatz des Gerichts:
1. Die Terminsbestimmung des Vorsitzenden unterliegt gemäß § 305 Satz 1 StPO nicht der Beschwerde. Eine Beschwerde ist auch nicht ausnahmsweise statthaft, weil dem Angeklagte hinreichende Rechtsschutzmöglichkeiten zur Verfügung stehen.
2. Die Frage der Statthaftigkeit eines Rechtsmittels ist generell und unzweifelhaft und nicht im Rahmen eines Regel-Ausnahme-Prinzips zu entscheiden, aufgrund dessen ein unzuständiges Beschwerdegericht letztlich doch eine inhaltliche Prüfung vorzunehmen hätte.
3. Liegt ein Fall fehlender Statthaftigkeit vor, so hat hierüber das Gericht zu entscheiden, dessen Entscheidung angegriffen wird, denn unstatthafte Rechtsmittel eröffnen den Weg zu einem Rechtsmittelgericht nicht.
In pp.
Eine Entscheidung des Senats ist nicht veranlasst.
Ein Rechtsmittel zum Oberlandesgericht ist nicht eröffnet.
Gründe
I.
Der Vorsitzende der 2. Großen Strafkammer des Landgerichts … hat mit der angefochtenen Entscheidung Termine zur Hauptverhandlung anberaumt. Bei dem gegenständlichen Strafverfahren handelt es sich um eine Haftsache. Dem Angeklagten war Rechtsanwältin … als notwendige Verteidigerin beigeordnet worden, mit der die Termine abgesprochen worden sind. Nach Anklageerhebung am 8. Mai 2025 durch die Staatsanwaltschaft … und Eingang der Akten bei dem Landgericht Itzehoe hat sich unter dem … Rechtsanwalt … als Wahlverteidiger für den Angeklagten gemeldet; eine Terminsabsprache mit ihm erfolgte nicht.
Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Beschwerde, mit der er geltend macht, sein Wahlverteidiger sei bei den anberaumten Terminen überwiegend verhindert. Es sei ermessensfehlerhaft, dass der Vorsitzende die Termine nicht mit diesem abgesprochen habe, weil er dadurch in seinem Recht, sich durch den Verteidiger seines Vertrauens vertreten zu lassen, verletzt werde.
Der Vorsitzende der 2. Großen Strafkammer hat der Beschwerde mit Beschluss vom 11. August 2025 nicht abgeholfen und zur Begründung ausgeführt, dass diese nicht zulässig, sondern gemäß § 305 Satz 1 StPO ausgeschlossen sei. Darüber hinaus hat er ergänzende Ausführungen zu den Einzelheiten der Terminierung gemacht; insoweit wird auf den Nichtabhilfebeschluss Bezug genommen.
II.
Eine Entscheidung des Senats ist nicht veranlasst. Die Beschwerde gegen die Terminsbestimmung ist unstatthaft und daher eine Entscheidungszuständigkeit des Senats als Beschwerdegericht nicht gegeben (hierzu unter 1.). Die Sachentscheidung hat allein der Vorsitzende zu treffen (hierzu unter 2.).
1. Termine zur Hauptverhandlung werden gemäß § 213 Abs. 1 StPO von dem Vorsitzenden des Gerichts anberaumt. Die Frage, ob die Terminsverfügung des Vorsitzenden mit der Beschwerde anfechtbar ist, ist umstritten. Es besteht jedoch Einigkeit dahingehend, dass die Voraussetzungen des § 305 Satz 1 StPO grundsätzlich vorliegen.
Zum Teil wird allerdings die Auffassung vertreten, in der Entscheidung könne dann eine selbständige Beschwer liegen, wenn diese offensichtlich rechtswidrig sei bzw. in Fällen evidenter Ermessensfehler des Vorsitzenden. Nach gegenläufiger Ansicht ist die Beschwerde gegen Terminsbestimmungen des Vorsitzenden stets unstatthaft. Aus der Rechtswidrigkeit einer Entscheidung könne eine selbständige Beschwer nicht hergeleitet werden, da sich eine Beschwer nur aus dem Entscheidungsausspruch, nicht aber aus den Gründen eines Beschlusses oder eines Urteils ergeben könne. Außerdem werde so die Begründetheitsprüfung systemwidrig in die Zulässigkeitsprüfung vorverlagert (vgl. zum Meinungsstand und mit weiteren Nachweisen: KG Berlin, Beschluss vom 15. März 2022 – 2 Ws 27/22 –, juris).
Das Kammergericht hat in der zitierten Entscheidung ausgeführt:
"Der Senat ist der Auffassung, dass die Beschwerde gegen Terminsverfügungen des Vorsitzenden grundsätzlich unstatthaft ist. Die Terminierung stellt geradezu einen "Musterfall" für den vom Gesetzgeber gewollten Ausschluss der Beschwerde nach § 305 Satz 1 StPO dar. Dem Angeklagten stehen auch ohne die (gegen den Wortlaut der Vorschrift konstruierte) Fiktion einer ausnahmsweise doch statthaften Beschwerde effektive Rechtsschutzmöglichkeiten zur Verfügung. So kann er im Falle der Verhinderung des Verteidigers sein Vorbringen ohne weiteres in der Hauptverhandlung gemäß §§ 228 Abs. 2, 265 Abs. 4 StPO im Rahmen eines Aussetzungsantrages geltend machen. Wird der Antrag zu Unrecht abgelehnt, kann der Angeklagte seine Revision auf eine Verletzung des § 338 Nr. 8 StPO stützen, so dass für eine selbständige Beschwerdemöglichkeit kein Bedarf besteht (vgl. MüKo-StPO/Arnoldi, 1. Aufl., StPO, § 213 Rn. 16). In Betracht käme in anderen Fällen mangelnder Rücksichtnahme auf die berechtigten Interessen eines Angeklagten auch die Rüge einer Verletzung des Grundsatzes des fairen Verfahrens (Art. 2 Abs. 2 Satz 2, Art. 20 Abs. 3 GG, Art. 6 Abs. 1 EMRK)."
Der erkennende Senat schließt sich dieser Auffassung an.
Über die Statthaftigkeit von Rechtsmitteln muss für alle Verfahrensbeteiligten Rechtsklarheit herrschen. Dem widerspricht es, auslegungsbedürftige und unbestimmte Rechtsbegriffe zum Statthaftigkeitskriterium zu machen. Die Frage der Statthaftigkeit ist generell und unzweifelhaft und nicht im Rahmen eines Regel-Ausnahme-Prinzips zu entscheiden, aufgrund dessen ein unzuständiges Beschwerdegericht letztlich doch eine inhaltliche Prüfung vorzunehmen hätte. Diese inhaltliche Prüfung wäre dann - dies systemwidrig - schon im Rahmen der Statthaftigkeit vorzunehmen. Auch überzeugt es nicht, das Rechtsmittel der Beschwerde zu eröffnen, diese dann aber - vergleichbar mit dem Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde - auf Fälle fehlerhafter Ermessensentscheidung bzw. greifbarer Rechtswidrigkeit zu beschränken. Ist das Rechtsmittel der (einfachen) Beschwerde eröffnet, hätte das Beschwerdegericht konsequenterweise eine eigene Sachentscheidung zu treffen (§ 309 StPO). Dass dies aber bei einer Terminsbestimmung weder möglich noch sachgerecht wäre, liegt auf der Hand. Ebenso wenig wäre aber dem Rechtsschutzziel eines Angeklagten dadurch gedient, dass die Terminsbestimmung lediglich aufgehoben wird. Denn dadurch geriete das Verfahren hinsichtlich der Hauptverhandlung in einen "Schwebezustand", der den Interessen aller Verfahrensbeteiligten - in Haftsachen insbesondere der des Angeklagten selbst - eklatant zuwiderliefe. Schon deshalb muss es bei der unanfechtbaren Alleinzuständigkeit der Vorsitzenden bleiben.
2. Liegt ein Fall fehlender Statthaftigkeit vor, so hat hierüber das Gericht zu entscheiden, dessen Entscheidung angegriffen wird, denn unstatthafte Rechtsmittel eröffnen den Weg zu einem Rechtsmittelgericht gerade nicht (vgl. KG Berlin, Beschluss vom 29. Oktober 2024 – 5 W 147/24 –, juris; OLG Karlsruhe Beschluss vom 6. August 2024 – 7 W 54/24, BeckRS 2024, 47907).
Diese Entscheidung hat der Vorsitzende der 2. Großen Strafkammer richtigerweise bereits getroffen. Seine Nichtabhilfeentscheidung vom 11. August 2025 ist als Verwerfungsentscheidung entsprechend auszulegen.
3. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.
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