Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Celle, Urt. v. 21.08.2025, 3 ORs 2/25
Eigener Leitsatz:
1. Der Senat tendiert dazu, zukünftig den Richtwert für die Annahme eines Eintritts eines bedeutenden Schadens bei 2000,- EUR anzusetzen.
2. Auch unterhalb der Grenze des bedeutenden Schadens gemäß § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB kommt eine Entziehung der Fahrerlaubnis in Betracht, wenn sich aus der Tat ergibt, dass die Angeklagte zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet ist (§ 69 Abs. 1 StGB). Ist besagte Schadenshöhe knapp nicht erreicht, wird der Täter dennoch regelmäßig als ungeeignet zum Führen eines Kfz anzusehen sein, wenn er ein hohes Maß an Gleichgültigkeit gegenüber den Rechtsgütern und Interessen anderer zeigt.
3. Im tatrichterlichen Urteil muss sich für die Frage der Entziehung der Fahrerlaubnis im tatrichterlichen Urteil nicht nur der (ggf.) bedeutende Schaden betragsmäßig wiederfinden, sondern es sind auch hinreichende Feststellungen zu den "subjektiven" Merkmalen des § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB zu treffen.
4. Das Rechtsmittel der Revision kann auch auf die Nichtanordnung einer Maßregel wie die Anordnung der Entziehung der Fahrerlaubnis und Anordnung einer Sperre für die Wiedererteilung einer Fahrerlaubnis wirksam beschränkt werden. Eine Beschränkung ist jedoch dann unzulässig, wenn sich die Frage der unterbliebenen Maßregelanordnung nicht unabhängig von den Strafzumessungserwägungen beurteilen lässt.
In pp.
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Amtsgerichts Hildesheim vom 16. Oktober 2024 im Rechtsfolgenausspruch, soweit die Anordnung der Entziehung der Fahrerlaubnis der Angeklagten und die Anordnung einer Sperrfrist unterlassen und stattdessen nur ein Fahrverbot verhängt worden ist, aufgehoben.
2. Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Hildesheim zurückverwiesen.
Gründe
A.
Mit Urteil des Amtsgerichts Hildesheim vom 16. Oktober 2024 - 116 Cs 42 Js 20024/24 (72/24) - wurde die Angeklagte infolge ihres wirksam im Rahmen der Hauptverhandlung auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkten Einspruchs gegen den Strafbefehl des Amtsgerichts Hildesheim vom 14. Juni 2024 wegen "unerlaubten Entfernens vom Unfallort" zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu jeweils 40 € verurteilt und ihr untersagt, für die Dauer von drei Monaten ab Rechtskraft des Urteils im Straßenverkehr Kraftfahrzeuge jeglicher Art zu führen. Gegen dieses Urteil wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer auf den Rechtsfolgenausspruch und innerhalb dessen auf die unterlassene Anordnung der Entziehung der Fahrerlaubnis (§§ 69, 69a StGB) und anstelle dessen der Anordnung des Fahrverbots beschränkten Revision.
I.
Nachdem die Angeklagte in der Hauptverhandlung mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft die Beschränkung des Einspruchs auf die Rechtsfolge wirksam erklärt hatte, sind die folgenden Feststellungen aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Hildesheim vom 14. Juni 2024 in Rechtskraft erwachsen:
"Am 02.04.2024 gegen 12:07 Uhr befuhr die Angeklagte als Führerin des Personenkraftwagens ..., amtliches Kennzeichen XX-XX XXX, öffentliche Straßen, u.a. die B.straße und ordnete sich zum Linksabbiegen in Richtung B. S. ein. An der Kreuzung zur B... wechselte sie jedoch plötzlich die Spur nach rechts, um anschließend nach rechts Richtung H. abzubiegen, weshalb die ordnungsgemäß hinter ihr fahrende Zeugin N. mit ihrem PKW S. mit dem amtlichen Kennzeichen XX-XX XXXX eine Vollbremsung durchführen musste, jedoch ein Streifen der beiden PKWs nicht verhindern konnte, wodurch an dem Fahrzeug der Zeugin N. ein Lackschaden vorne links entstand (Schadensbetrag: netto 1792,20 €). Anschließend verließ die Angeklagte in Kenntnis des Unfalls den Ort und fuhr mit dem Fahrzeug davon, so dass die notwendigen Feststellungen vereitelt wurden."
Das Amtsgericht hat in dem angefochtenen Urteil folgende ergänzenden Feststellungen getroffen:
"Die Angeklagte hielt den Eintritt eines erheblichen Sachschadens am Fahrzeug der Zeugin bereits unmittelbar nach dem Unfall für möglich und nahm diesen beim Wegfahren billigend in Kauf. Als die Zeugin N. die Angeklagte kurze Zeit nach dem Unfall an der nächstgelegenen roten Ampel auf Höhe des H. in H. eingeholt hatte, konfrontierte sie die Angeklagte mit dem Unfallgeschehen. Dabei wies sie die Angeklagte ausdrücklich darauf hin, dass ein Unfall stattgefunden habe. Die Angeklagte leugnete, dass es einen Verkehrsunfall gegeben habe und das Fahrzeug der Zeugin beschädigt worden sein könnte, und äußerte, dass sie (die Angeklagte) jedenfalls geblinkt habe. Die Zeugin teilte der Angeklagten sodann mit, dass sie nun prüfen werde, ob an ihrem Fahrzeug ein Schaden entstanden ist. Daraufhin fuhr die Angeklagte, die noch immer keine Feststellungen ermöglicht hatte, mit ihrem Fahrzeug davon, ohne die Prüfung der Zeugin abzuwarten."
II.
Die ergänzenden Feststellungen beruhen auf den Bekundungen der Zeugin N., die bekundete, die Angeklagte nach dem Unfall in der dargestellten Art und Weise zu Rede gestellt zu haben, wobei die Angeklagte dies nach den Ausführungen des Amtsgerichts nicht in Abrede genommen habe. Zudem führt das Amtsgericht aus, dass die Zeugin N. die Schadenshöhe bestätigt und angegeben habe, dass es sich um Netto-Reparaturkosten gehandelt habe, einen merkantilen Minderwert in Folge des Unfallschadens habe die Zeugin verneint.
III.
Zur Strafzumessung führte das Amtsgericht aus, dass das Gesetz für ein Entfernen vom Unfallort gemäß § 142 Abs. 1 StGB die Verhängung einer Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren vorsehe. Im Rahmen der konkreten Strafzumessung hat das Amtsgericht zu Gunsten der Angeklagten berücksichtigt, dass sie straf- und verkehrsrechtlich bislang nicht Erscheinung getreten und in der Hauptverhandlung Einsicht und Reue gezeigt habe, ferner sei sie durch die wirksame Beschränkung auf die Rechtfolge als vollumfänglich geständig zu betrachten. Zuungunsten der Angeklagten berücksichtigte das Amtsgericht, dass die Angeklagte die erforderlichen Feststellungen nicht einmal dann ermöglicht habe, als sie kurz nach dem Verkehrsunfall ein weiteres Mal auf die geschädigte Zeugin traf und von dieser mit dem Verkehrsunfall konfrontiert worden sei, wodurch sie eine besonders deutliche Missachtung gegenüber ihren Pflichten aus § 142 StGB gezeigt habe. Insgesamt erachtete das Amtsgericht nach Abwägung der für und gegen die Angeklagte sprechenden Faktoren unter Berücksichtigung der Einkünfte der Angeklagten eine Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu jeweils 40 € als tat- und schuldangemessen.
Das Amtsgericht hat das Vorliegen der Voraussetzungen der Entziehung der Fahrerlaubnis und Verhängung einer Sperre für die Wiedererteilung gemäß §§ 69, 69a StGB verneint. Hierzu führt das Amtsgericht aus, dass die Angeklagte zwar im Sinne des § 69 Abs. 1 S. 1 1.HS StGB wegen einer rechtswidrigen Tat verurteilt worden sei, bei der sie die Pflichten einer Kraftfahrzeugführerin verletzt habe. Allerdings ergebe sich aus der Tat nicht, dass die Angeklagte im Sinne des § 69 Abs. 1 S. 1 2. HS StGB zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet sei. Zwar käme vorliegend § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB in Betracht, nach der ein Regelfall der Nichteignung vorliege, wenn es sich bei der Tat, wie hier, um eine solche nach § 142 StGB handele und der Täter darüber hinaus weiß oder wissen kann, dass - vorliegend - an fremden Sachen bedeutender Schaden entstanden sei. Das Amtsgericht führt aus, dass in der Rechtsprechung die Frage, wann ein bedeutender Sachschaden vorliege, nicht einheitlich beantwortet werde. Es bestehe noch Einigkeit, dass sich der Schaden aus den (Netto-)Reparatur- und Bergungskosten sowie einem etwaigen merkantilen Minderwert des Fahrzeugs zusammensetze. Uneinigkeit bestehe aber bei der erforderlichen Schadenshöhe, wobei die Wertgrenze in den Jahren 2002 bis 2013 überwiegend bei 1.300,00 Euro festgesetzt worden sei (etwa OLG Dresden, NJW 2005, 2633, juris Rn. 12; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 11.07.2013 - III-3 Ws 225/13, juris Rn. 6; OLG Hamburg, ZfS 2007, 409 [OLG Hamburg 08.03.2007 - 2 Ws 43/07], juris Rn. 19; OLG Hamm, NZV 2011, 356juris Rn. 9; Thüringer OLG, NStZ-RR 2005, 183, juris Rn. 5; LG Berlin, NStZ-RR 2007, 281, juris Rn, 9; LG Heidelberg, Beschluss vom 13.02.2006 - 2 Qs 9/06, juris Rn. 4; LG Paderborn, ZfS 2006, 112, juris Rn. 8; LG Wuppertal, DAR 2007, 660 juris Rn. 3). Während die Wertgrenze von 1.300,00 Euro zumindest bis zum Jahr 2015 noch vereinzelt vertreten worden sei (vgl. OLG Hamm, StRR 2015, 112 juris Rn. 12; LG Mühlhausen, Beschluss vom 28.12.2015-3Qs212/15, jurisRn,27; LG Schwerin, Beschluss vom 21.10.2015-32 Qs 56/15, juris Rn. 4), hätten sich schon früh einige Gerichte für eine Anpassung dieser Wertgrenze "nach oben" mit Rücksicht auf allgemeine Preissteigerungen ausgesprochen (etwa Landgericht Nürnberg-Fürth, VD 2018, 276, juris Rn. 10 für 1.800 €; Landgericht Landshut, DAR 2013, 588, juris Rn. 9 für 2.500 €). In jüngerer Zeit würden Wertgrenzen zwischen 1.500 € und 2.500 € vertreten (OLG Hamm, Beschl. v. 05.04.2022 - 5 RVs 31/22 = "jedenfalls nicht unter 1.500 €"; LG Hamburg, Beschl. v. 09.08.2023 - 612 Qs 75/23 = 1.800 €; LG Nürnberg-Fürth, Beschl. v. 05.12.2019 - 53 Qs 71/19 = 2.500 €; LG Hanau, Beschluss vom 26.03.2019 - 4b Qs 26/19 = 1.600 €). Das Amtsgericht konstatiert, dass die Wertgrenze von 1.300 €, die damals unter Berücksichtigung "der allgemeinen Preis- und Einkommensentwicklung, auch in den neuen Bundesländern" (vgl. OLG Dresden, Beschl. vom 12. 5. 2005 - 2 Ss 278/05), festgesetzt worden sei, sich im Jahr 2002 als angemessen dargestellt habe. Allerdings sei diese Wertgrenze nach nunmehr 22 Jahren an die zwischenzeitlich weiterentwickelte Preis- und Einkommenslage anzupassen. Hierbei orientierte sich das Amtsgericht unter Anlehnung an eine Entscheidung des Landgericht Hanau aus dem Jahr 2019 am Verbraucherindex, der die allgemeine Preis- und Einkommensentwicklung abbilde. Das Amtsgericht zitiert das Landgericht Hanau wie folgt:
"Bei der Interpretation ausfüllungsbedürftiger Tatbestandsmerkmale wie dem bedeutenden Schaden i. S. d. § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB kann jedoch die allgemeine Geldentwicklung nicht außer Betracht bleiben, sodass bei einem seit dem Jahre 2002 unveränderten Wert nunmehr nach 17 Jahren eine Anpassung vorzunehmen ist. Als belastbarer Anhaltspunkt für die durchschnittliche Preisentwicklung ist nach Auffassung der Kammer die Entwicklung des Verbraucherpreisindexes heranzuziehen. Nach dem aktuell geltenden Verbraucherpreisindex für Deutschland mit dem Basisjahr 2010 (2010 = 100) erreichte der Verbraucherindex im Jahr 2002 einen Jahresdurchschnittsstand von 88,6. Im Jahr 2018 betrug dieser 111,4. Die Veränderung in Prozent zwischen diesen beiden Jahren berechnet sich wie folgt:
111,4: 88,6 x 100 - 100 = 25,73 %.
Der Wert von 1.300,- Euro aus dem Jahre 2002 wäre daher unter Zugrundelegung einer Preissteigungsrate von 25,73 % im Vergleichszeitraum auf 1634,49 Euro gestiegen."
Dies zugrunde gelegt führt das Amtsgericht aus, dass sich ein Verbraucherindexwert, der für die Jahre 2002 und 2024 gleichermaßen anwendbar sei, auf der Website des Bundesamtes für Statistik derzeit nicht finde, da die aktuellsten Verbraucherindizes das Jahr 2020 als Basisjahr zugrunde legten und für dieses Basisjahr lediglich Zahlen seit Januar 2019 vorlägen. Allerdings könnten die Zahlen für Ende Dezember 2022 zugrunde gelegt werden, weil für diesen Zeitpunkt ebenso wie für das Jahr 2002 (vergleichbare) Zahlen mit demselben Basisjahr (2015) existierten. Der Verbraucherindex habe demnach ausweislich der Statistik des Statistischen Bundesamtes unter Berücksichtigung des Jahres 2015 als Basisjahr im Dezember 2022 120,6 Punkte, der höchste Wert im Jahr 2002 83,1 Punkte betragen (Quelle: https://www.destatis.de/DE/Themen/Wirtschaft/Konjunkturindikatoren/Preise/kpre510.html#250156;https://www.destatis.de/DE/Themen/Wirtschaft/PreiseA/erbraucherpreisindex/Publikationen/Downloads-Verbraucherpreise/verbraucherpreisindex-lange-reihenpdf561H03.pdf?_blob=publicationFile, beide Stand 18.11.2024). Die Berechnung der prozentualen allgemeinen Preissteigerung laute somit:
120,6: 83,1 x 100 -100 = 45,13 (%)
1,300 x 1,4513=1.886,69 €
Dieser Betrag liege bereits über der hier festgestellten Schadenshöhe von 1.792,20 €.
Hinzu komme, dass es im Bereich der Reparaturkosten zu einer besonders erheblichen Preissteigerung gekommen sei. So seien die Stundensätze bei Lackierarbeiten und solchen für Tätigkeiten in den Bereichen Mechanik, Elektrik und Karosserie allein zwischen 2017 und 2022 um 29,5 % bzw. 28 % angestiegen, während die Inflation für diesen Zeitraum insgesamt nur 14,3 % betragen habe (Quelle: www.adac.de/news/autorearatur-kosten-werkstatt/,18.11.2024). Die Kosten einer PKW-Reparatur hätten im Jahr 2023 mit 4.000 € im Schnitt 1.300 € mehr als im Jahr 2017 mit 2.700 € gekostet (Quelle: www.tagesschau.de/wirtschaft/verbraucher/kfz-reparaturenwerkstatt-kosten-IOO.html,18.11.2024), was eine Kostensteigerung von über 48 % in nur etwa sieben Jahren bedeute. Vor diesem Hintergrund sei aus Sicht des Amtsgerichts eine bloße Orientierung am Verbraucherindex nicht ausreichend, die Erhöhung der Wertgrenze müsse deutlicher ausfallen (im Ergebnis ebenso, mit weiteren Beispielen und Ausführungen: LG Nürnberg-Fürth, Beschl. v. 05.12.2019 - 53 Qs 71/19). Während eine präzise Quantifizierung der angemessenen Erhöhung schwierig sei, ermögliche die folgende Rechnung eine ungefähre Einschätzung. Zunächst werde, mangels präziser Zahlen für Preissteigerungen im Kfz-Reparatursegment, für den Zeitraum zwischen den Jahren 2002 und 2017 der allgemeine Verbraucherindex herangezogen. Nach einer Statistik des Statistischen Bundesamtes, bei welcher das Jahr 2015 als Basisjahr zugrunde gelegt worden sei, habe der Verbraucherindex Anfang des Jahres 2017 100,6 Punkte (Quelle: https://www.destatis.de/DE/Themen/Wirtschaft/PreiseA/erbraucherpreisindex/Publikationen/Downloads-Verbraucherpreise/verbraucherpreisindex-lange-reihen-pdf 5611103.pdf?_blob=publicationFile, Stand 18.11.2024) betragen.
Somit sei es zwischen den Jahren 2002 und 2017 zu folgender allgemeiner Preissteigerung gekommen:
100,6: 83,1 x 100 -100 = 12,76 (%)
Zwischen den Jahren 2017 und 2023 seien die Kfz-Reparaturkosten sodann von durchschnittlich 2.700 € auf 4.000 € angestiegen (Quelle: www.tagesschau.de/wirtschaft/verbraucher/kfzreparaturen-werkstatt-kosten-IOO.html,18.11.2024), was einer Preissteigerung von ca. 48,15 % entspreche.
Nach dieser Rechnung koste eine Kfz-Reparatur, welche im Jahr 2002 noch 1.300 € gekostet hätte, Ende des Jahres 2023 2.171,70 € (1.300 x 1,1276 x 1,4815 = 2.171,70 €). Zwar erachtet das Amtsgericht die vorliegende Rechnung nicht als ausreichend, um eine präzise Wertgrenze festzusetzen, aber sie genüge jedenfalls, um die Frage zu beantworten, ob der hier vorliegende Schadensbetrag einen erheblichen Schaden im Sinne des § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB darstelle. Ein Schadensbetrag, der - wie hier - 1.800 € nicht überschreite und damit bereits unter dem Wert liege, der lediglich die allgemeine Preissteigerung berücksichtigt, stelle im Jahr 2024 nach der Auffassung des Amtsgerichts jedenfalls keinen erheblichen Sachschaden im Sinne des § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB mehr dar. Eine Festsetzung der neuen Wertgrenze bei jenseits von 2.000 € festzusetzen, werde als angemessen erachtet, um nicht nur den allgemeinen Preissteigerungen, sondern auch der besonders signifikanten Erhöhung von Kfz-Reparaturkosten gerecht zu werden.
Unabhängig davon, dass das Amtsgericht keinen Regelfall des § 69 Abs. 2 StGB angenommen hat, vermochte dieses eine Nichteignung der Angeklagten zum Führen von Kraftfahrzeugen auch im Übrigen nicht festzustellen. Zwar führte das Amtsgericht auch an dieser Stelle das Nachtatverhalten der Angeklagten zu ihren Ungunsten an, es sei jedoch zu berücksichtigen, dass die Angeklagte straf- und verkehrsordnungsrechtlich noch nicht in Erscheinung getreten sei sowie Reue und Einsicht gezeigt habe. Daher gehe das Amtsgericht nicht davon aus, dass es zu einer nicht hinnehmbaren Gefährdung der Verkehrssicherheit führen würde, wenn der Angeklagten ihre Fahrerlaubnis belassen werde und es sei davon überzeugt, dass die Angeklagte sich in ähnlichen Situationen in Zukunft rechtstreu verhalten werde.
Das Amtsgericht hat jedoch ein Fahrverbot im Sinne des § 44 StGB Abs. 1 StGB für die Dauer von drei Monaten verhängt. Es sei insbesondere vor dem Hintergrund der Warnungs- und Besinnungsfunktion der Regelung geboten, ein empfindliches Fahrverbot zu verhängen, welches die Angeklagte auch über die Hauptverhandlung hinaus an das von ihr begangene Unrecht erinnere. Eine Dauer von drei Monaten erscheine angemessen, weil diese Dauer ausreichend lang sei, um sich spürbar auf den Lebensalltag der Angeklagten, welche ihr Kraftfahrzeug fast täglich nutzte und damit auch zur Arbeit fahre, auszuwirken, aber die Angeklagte, die nunmehr erstmals auf ihren Führerschein verzichten müsse, nicht in einer Weise belaste, die Tat und Schuld nicht mehr gerecht werde.
IV.
Gegen das Urteil richtet sich die Revision der Staatsanwaltschaft Hildesheim. Sie erhebt die Sachrüge und beantragt, das Urteil im Rechtsfolgenausspruch aufzuheben, soweit die Anordnung der Entziehung der Fahrerlaubnis der Angeklagten und die Anordnung einer Sperrfrist unterlassen und stattdessen nur ein Fahrverbot verhängt worden ist, und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Hildesheim zurückzuverweisen. Die Staatsanwaltschaft rügt die Verletzung der §§ 69, 69a StGB; das Amtsgericht habe zu Unrecht das Vorliegen eines bedeutenden Schadens im Sinne des § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB verneint. Zwar stimmt die Staatsanwaltschaft zu, dass bei der Bewertung eines Schadens als bedeutend im Sinne des § 69 Abs.2 Nr. 3 StGB die fortschreitende Entwicklung der Reparaturkosten und die Einkommensentwicklung zu berücksichtigen sei, das Amtsgericht setze die Schwelle jedoch zu hoch an. Der festgestellte Schaden sei objektiv ein bedeutender Schaden und aus den ergänzenden Feststellungen des Amtsgerichts ergebe sich zudem, dass die Angeklagte den Eintritt eines solchen erheblichen Schadens beim Verlassen der Unfallstelle billigend in Kauf genommen habe. Umstände, die die Indizwirkung des § 69 Abs. 2 StGB entfallen ließen, seien nicht ersichtlich, die Ausführungen auf Seite 9 des Urteils seien nicht ausreichend.
Dem Verteidiger ist die Revisionsbegründung zur Kenntnis gebracht worden.
Die Generalstaatsanwaltschaft vertritt das Rechtsmittel und macht geltend, dass die Ablehnung eines Regelfalls des § 69 Abs. 2 StGB rechtfehlerhaft erfolgt sei. Der bedeutende Sachschaden stelle eine veränderliche Größe dar; zwar erscheine eine Orientierung am Verbraucherindex möglich, aber nicht zwingend. Vor dem Hintergrund der Inflation und der angestiegenen Reparaturkosten erscheine eine moderate Erhöhung der Wertgrenze geboten, eine rein mathematische Berechnung sei jedoch nicht angezeigt. Es sei von einem Wert auszugehen, der unterhalb des hiergegenständlichen Schadens in Höhe von 1792,20 Euro liege. Die subjektiven Elemente seien ebenfalls erfüllt, Anhaltspunkte für einen Ausnahmecharakter der Tat, die ein Abweichen von der Regelvermutung rechtfertigen, seien den Urteilsausführungen nicht zu entnehmen.
B.
Die Revision der Staatsanwaltschaft ist zulässig und begründet.
Die Frage der Nichtanordnung der Maßregel, worauf die Revision wirksam beschränkt ist (I.), hält einer sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand (II.).
I.
Die Revision erfasst allein die Frage der Maßregelanordnung, die innerhalb des Rechtsfolgenausspruchs vorgenommene Beschränkung auf die Nichtanordnung der Maßregel der Besserung und Sicherung und stattdessen die Anordnung des Fahrverbots ist wirksam.
1. Infolge der wirksamen Beschränkung des Einspruchs gegen den Strafbefehl auf den Rechtsfolgenausspruch im Rahmen der amtsgerichtlichen Hauptverhandlung sind der Schuldspruch und die zugehörigen Feststellungen in Rechtskraft erwachsen.
Die gemäß § 410 Abs. 2 StPO statthafte Beschränkung ist wirksam erfolgt, die Feststellungen zum Schuldspruch lassen den für den Rechtsfolgenausspruch maßgeblichen Unrechts- und Schuldgehalt (noch) hinreichend erkennen.
2. Die Revisionsbeschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch, soweit die Anordnung der Entziehung der Fahrerlaubnis der Angeklagten und die Anordnung einer Sperrfrist unterlassen worden und stattdessen nur ein Fahrverbot verhängt worden ist, ist wirksam.
§ 344 Abs. 1 StPO eröffnet die Möglichkeit, die Revision auf bestimmte Punkte zu beschränken. Eine Revisionsbeschränkung ist wirksam, wenn sie sich auf Beschwerdepunkte bezieht, die nach dem inneren Zusammenhang des Urteils losgelöst von seinem nicht angegriffenen Teil rechtlich und tatsächlich selbständig beurteilt werden können, ohne eine Prüfung des Urteils im Übrigen erforderlich zu machen, und wenn die infolge des Teilrechtsmittels stufenweise entstehende Gesamtentscheidung frei von inneren Widersprüchen bleibt (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 12. März 2020 - 4 StR 537/19, juris Rn. 6; vom 17. Juni 2010 - 4 StR 126/10, BGHSt 55, 174, 175 f.; vom 2. März 1995 - 1 StR 595/94, BGHSt 41, 57, 59; Beschluss vom 21. Oktober 1980 - 1 StR 262/80, BGHSt 29, 359, 364; BGH Urt. v. 15. Juli 2020 - 2 StR 288/19, BeckRS 2020, 21348 Rn. 8 mwN.)
Gemessen daran kann das Rechtsmittel auch auf die Nichtanordnung einer Maßregel wie vorliegend die Anordnung der Entziehung der Fahrerlaubnis und Anordnung einer Sperre für die Wiedererteilung einer Fahrerlaubnis wirksam beschränkt werden. Eine Beschränkung ist jedoch dann unzulässig, wenn sich die Frage der unterbliebenen Maßregelanordnung nicht unabhängig von den Strafzumessungserwägungen beurteilen lässt (vgl. BGH, Urteil vom 13. April 1978 - 4 StR 120/78 - mitgeteilt bei Hürxthal DRiZ 1978, 277, 278; BGHR StGB § 69 I Entziehung 3; BGH NStZ 1992, 586; BGH Urt. v. 28.8.1996 - 3 StR 241/96, BeckRS 1996, 30403013; BGH Beschl. v. 28.6.2001 - 1 StR 229/01, BeckRS 2001, 6216; KK-StPO/Gericke StPO § 344 Rn. 12).
Der unterbliebene Maßregelausspruch ist dann losgelöst von dem restlichen Strafausspruch beurteilbar, wenn sich aus den Gründen des angefochtenen Urteils keine Wechselwirkung mit der konkreten Strafzumessung ergeben und der Rechtsmittelführer die (doppelrelevanten) Feststellungen, welche die Entscheidung über die Maßregelanordnung tragen, nicht in Abrede nimmt, sondern unter Zugrundelegung dieser Feststellungen die Ansicht vertritt, dass diese eine Anordnung tragen (zum Fall der Anordnung OLG Zweibrücken, BA, 2021, 265 (266) mwN; OLG Dresden NStZ-RR 2005, 385 [OLG Dresden 09.07.2005 - 2 Ss 130/05] (Ls)).
Vorliegend kann der unterbliebene Maßregelausspruch losgelöst von der Strafzumessung beurteilt werden. Die zugrundeliegenden Feststellungen werden von dem Rechtsmittelführer nicht angegriffen. Eine Wechselwirkung zwischen der verhängten Strafe und der Nichtanordnung der Maßregel ist nicht erkennbar, insbesondere lässt sich den Ausführungen zur konkreten Strafzumessung nicht entnehmen, dass die Strafe mit Blick auf die nicht erfolgte Anordnung der Maßregel des § 69 StGB höher ausgefallen sei. Eine innere Abhängigkeit zur Straffrage ist nicht ersichtlich.
II.
Die Entscheidung über die Nichtanordnung der Entziehung der Fahrerlaubnis und stattdessen der Anordnung eines Fahrverbotes im angefochtenen Urteil hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Das Urteil weist insoweit Rechtsfehler zugunsten der Angeklagten auf, worauf der Rechtsfolgenausspruch insoweit beruhen kann.
1. Die der Entscheidung zugrundeliegenden und ergänzend getroffenen Feststellungen sind bereits lückenhaft, weshalb die Entscheidung keinen Bestand haben konnte. Die Tatsachenfeststellungen sind unvollständig. Jedes Tatbestandsmerkmal muss in den Feststellungen so aufgelöst sein, dass eine rechtliche Nachprüfung möglich ist. Lediglich formelhafte Wiedergaben des Gesetzeswortlautes oder Leerformeln genügen nicht.
Mithin muss sich für die Frage der Entziehung der Fahrerlaubnis im tatrichterlichen Urteil nicht nur der (ggf.) bedeutende Schaden betragsmäßig wiederfinden, sondern es sind auch hinreichende Feststellungen zu den "subjektiven" Merkmalen des § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB zu treffen. Dies folgt bereits aus § 267 Abs. 6 S. 1 StPO (vgl. Krumm, NJW 2012, 829, beck-online). Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil nicht gerecht. In den ergänzenden Feststellungen heißt es: "Die Angeklagte hielt den Eintritt eines erheblichen Sachschadens am Fahrzeug der Zeugin bereits unmittelbar nach dem Unfall für möglich und nahm diesen beim Wegfahren billigend in Kauf."
Die Bezeichnung "erheblicher Schaden" ist eine Leerformel und versetzt den Senat nicht in die Lage, eine rechtliche Nachprüfung der Frage der Anordnung nach § 69 StGB vorzunehmen. Das Vorstellungsbild der Angeklagten bleibt offen. Auch in der Zusammenschau mit den weiteren Urteilsgründen, aus denen sich ergibt, dass der Tatrichter einen bedeutenden Schaden im Sinne des § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB erst ab einer Summe von 2.500 € annimmt, bleibt für den Senat unklar, von welchen Umständen, die einen Schaden begründen, die Angeklagte zum Zeitpunkt unmittelbar nach dem Unfall ausgegangen ist, mithin welchen Schadensumfang die Angeklagte zum Zeitpunkt des Wegfahrens für möglich erachtet hat, insbesondere von welcher Schadenshöhe sie ausgegangen ist.
Dieser Darstellungsmangel führt bereits zur Aufhebung und Zurückverweisung in dem im Tenor ersichtlichen Umfang.
Einer Aufhebung der in weiten Teilen doppelrelevanten (ergänzenden) Feststellungen bedarf es indes nicht. Da es sich lediglich um lückenhafte Feststellungen handelt, welche einer Ergänzung und Konkretisierung bedürfen (vgl. zu Erörterungs- und Wertungsfehlern: BGH, Urteil vom 21. 2. 2006 - 1 StR 456/05 (LG Nürnberg-Fürth; zur Aufrechterhaltung: KK-StPO/Gericke StPO § 353 Rn. 23ff.), können die im übrigen rechtsfehlerfrei zustande gekommenen Feststellungen Bestand haben. Es sind ergänzende Feststellungen zu treffen, die sich ihrerseits nicht im Widerspruch zu den bisherigen Feststellungen setzen dürfen.
III.
Ungeachtet dessen, dass das Urteil bereits aus den unter II. genannten Gründen in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang aufzuheben und das Verfahren zurückzuverweisen war, geben die Ausführungen im Urteil sowie die Revisionsbegründung Anlass zu ergänzenden Ausführungen, soweit es die vom Tatgericht angenommene Höhe eines bedeutenden Schadens im Sinne des § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB (1.) und die Ausführungen zu der Frage eines unbenannten Falls der Ungeeignetheit im Sinne des § 69 Abs. 1 StGB (2.) betrifft.
1. Der Senat tritt der Auffassung bei, dass der bisher geltende Richtwert der Höhe des bedeutenden Schadens im Sinne des § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB an die heutigen wirtschaftlichen Verhältnisse anzupassen ist. Nach vorläufiger Würdigung erachtet der Senat die vom Amtsgericht angenommene Summe von 2.500,- € jedoch als zu hoch angesetzt.
a) Ausgangspunkt zur Bestimmung des Schadensbegriffs des § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB ist der Normzweck des § 142 StGB. § 142 StGB ist im Kern ein Vermögensdelikt. Geschützt werden durch die Norm die zivilrechtlichen Ersatzansprüche von Unfallbeteiligten, die nicht dadurch vereitelt werden sollen, dass ein anderer Unfallbeteiligter keine Feststellungen zum Unfallhergang bzw. zu seiner Identität ermöglicht (vgl. BeckOK StGB/Kudlich, 64. Ed. 1.2.2025, StGB § 142 Rn. 1, beck-online; BGH, Beschluss vom 28. September 2010 - 4 StR 245/10 - Rn 9, juris). Maßgeblich ist daher nicht der reine Sachschaden, sondern der Geldbetrag, der erforderlich ist, den Geschädigten so zu stellen, als wäre das schädigende Ereignis nicht eingetreten (BGH, aaO, Rn 9).
Ab wann es sich um einen bedeutenden Schaden im Sinne des § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB handelt ist, wird nicht einheitlich beantwortet. Der Gesetzgeber selbst hat keine starre Schadensgrenze festgelegt. Vielmehr handelt es sich um eine ausfüllungsbedürftiges Tatbestandsmerkmal. Mit Blick auf die obigen Ausführungen bemisst sich dieser jedoch nach rein wirtschaftlichen Kriterien und ist an dem Geldbetrag zu beurteilen, in dessen Höhe das Vermögen des Geschädigten als direkte Folge des Unfalls gemindert ist (vgl. BayOBLG, Beschl. vom 17. Dezember 2019 - 204 StRR 1940/19 mwN; MüKoStGB/v. Heintschel-Heinegg/Huber StGB § 69 Rn. 71).
b) In der bisherigen Rechtsprechung und wissenschaftlichen Diskussion wird die konkrete Bezifferung der Höhe des bedeutenden Schadens nicht einheitlich vorgenommen.
Ab dem Jahr 2002 wird in gefestigter Rechtsprechung verschiedener Oberlandesgerichte die Wertgrenze für einen bedeutenden Schaden bei etwa 1.300,- € angenommen. In der überwiegenden Kommentarliteratur wird an einer Wertgrenze in diesem Bereich (1.300 - 1.500 €) festgehalten, wobei dies regelmäßig mit Rückgriff auf die Rechtsprechung erfolgt. Während die Wertgrenze in den 90er Jahren bei 2.000 DM (= 1.022 €) (Tröndle/Fischer, StGB, 50. Aufl., § 69 Rn. 13 m.w.N.) lag, hat sich u.a. unter Berücksichtigung der Preisentwicklung zu Beginn der 2000er Jahre zunehmend eine Anhebung auf 1.300,- € herauskristallisiert (noch unter 1.300 im Jahr 2002 und 2003: Himmelreich/Lessing NStZ 2002, 301, 302; 2003, 301, 303; Janker (Anm.) DAR 2002, 569, 570; Himmelreich, zfs 2003, 217; ders. in Ferner (Hrsg.), Hdb. StraßenverkehrsR, 1. Aufl., Teil 6, IV, S. 964; LG Düsseldorf NZV 2003, 103 [OLG Hamm 29.10.2002 - 2 Ss OWi 789/02]; Gebhardt aaO, Teil 4, Kap. 13, § 50, B, II, 2, Rn 63, S. 570 ("bis maximal 1.300 Euro") u. § 52, A, II, Rn 4, S. 589); Janiszewski/Jagow/Burmann aaO, § 69 StGB, Rn 17: "bei 1.200- 1.300 €"; 1282,50 +: LG Bielefeld NZV 2002, 48 = DAR 2003; LG Braunschweig DAR 2002, 469; LG Düsseldorf, Beschl. vom 4. November 2002 - X Qs 144/02 Js 4763/02 (1.300); OLG Dresden, Beschl. vom 12. Mai 2005 - 2 Ss 278/05 (1.300); OLG Hamm Beschl. v. 6. November 2014 - 5 RVs 98/14, BeckRS 2015, 921: 1.300; 1.300: OLG Celle, 3 Ws 299/17). Der Senat hat in einer Entscheidung aus dem Jahr 2017 ebenfalls auf die Wertgrenze von 1.300,- € verwiesen.
Verstärkte Anhebungstendenzen sind in der Rechtsprechung ab 2015 zu beobachten, so hat der hiesige 1. Strafsenat bereits einen Betrag zwischen 1.300,- bis 1.500,- € angenommen (OLG Celle, Beschluss vom 13. November 2014 - 1 Ss 69/14). Wiederholt wurde unter Berücksichtigung der Teuerungsraten und vereinzelt der statistisch messbaren höheren Regulierungsschäden bzw. der Verbraucherindex unter Berücksichtigung der Veränderungsrate angenommen, dass es sich jedenfalls um einen 1.500,- € übersteigenden Betrag handeln müsse (AG Berlin-Tiergarten Beschl. v. 15.5 Mai 2015 - (288 Gs) 3014 Js 2061/15 (48/15), BeckRS 2015, 17028 mwN; LG Braunschweig Beschl. v. 3. Juni 2016 - 8 Qs 113/16, BeckRS 2016, 10302).
Mehrheitlich wurde an dieser Grenze (1.500 €) bis zum Beginn der 2020er festgehalten (vgl. MüKoStGB/v. Heintschel-Heinegg/Huber, 4. Aufl. 2020, StGB § 69 Rn. 70-73; Schönke/Schröder/Kinzig, 30. Aufl. 2019, StGB § 69 Rn. 39; im Jahr 2022 so noch: OLG Zweibrücken, BA, 2021, 265 (266)); jedenfalls nicht unter 1.500,-: OLG Hamm Beschl. v. 5. April 2022 - 5 RVs 31/22, BeckRS 2022, 8400 Rn. 9, beck-online).
Ab 2023/2024 ist erneut eine Tendenz zur Anhebung dieser Grenze zu beobachten, insoweit wird verschiedentlich auf die allgemeine Preissteigerung, die Einkommensentwicklung und die Preisentwicklung verwiesen und ein Betrag von (jedenfalls bzw. mindestens) 1.800,- € angenommen (LG Hamburg Beschl. v. 9. August 2023 - 612 Qs 75/23, BeckRS 2023, 21289; LG Bielefeld, Beschl. vom 2. Februar 2024 - 10 Qs 51/24, BeckRS 2024, 1262; LG Darmstadt, Beschl. vom 01. Oktober 2024 - 3 Qs 299/24).
Vereinzelt geblieben sind höhere Summen: Bereits 2012 und 2018 ist teilweise 2.500,- € als Wertgrenze angenommen worden (LG Nürnberg-Fürth Beschl. v. 12. November 2018 - 5 Qs 73/18, BeckRS 2018, 30496; LG Landshut, Beschl. vom 24. September 2012 - 6 Qs 242/12), ohne dass sich eine entsprechende ständige Rechtsprechung entwickelt hätte. Soweit das Bayerische Oberstes Landesgericht (BayObLG) eine Schadenssumme von 1.900,- € als bedeutenden Schaden angenommen hat (BayObLG, Beschl. v. 17. Dezember 2019 - 204 StRR 1940/19), hat es mit dieser Entscheidung keine neue Wertgrenze festgelegt, sondern eine solche offengelassen, weil im konkreten Fall sowohl die Wertgrenze 1.300,- € (st. Rspr.) als auch 1.500,- € (Kommentarliteratur) sowie die vereinzelt von Landgerichten angenommene Wertgrenze von 1.600/1.800,- € überschritten worden war. Das BayObLG hat in dieser Entscheidung jedoch ausgeführt, eine Anhebung der Wertgrenze auf 2.500,- € zu verneinen und u.a. argumentiert, dass eine solche insbesondere nicht wegen der Änderung des § 44 StGB oder wegen der aktuellen Preisentwicklung angezeigt sei. Das Landgericht Oldenburg hat mit einer Entscheidung aus 2023 angekündigt, zukünftig zu einer Wertgrenze von 2.000,- € zu tendieren und sich dabei auf die Preissteigerung bei Kfz-Reparaturen und die hohe anhaltende Inflation bezogen (LG Oldenburg, Beschl. v. 12.Januar 2023 - 3 Qs 425/22).
Vereinzelt wird auch heute noch (nur) ein Wert von 1.250,- € angenommen (BeckOK StGB/Heuchemer, 64. Ed., StGB § 69 Rn. 41, beck-online), wobei dies damit begründet wird, dass derselbe Wert zugrunde zu legen sei, wie er auch bei § 315 c StGB gelte. Dies Argument vermag jedoch nicht zu verfangen, weil die Normen unterschiedliche Schutzrichtungen verfolgen.
c) Bei der Frage, ob bei einem Schaden ein bedeutender Schaden vorliegt, handelt es sich um ein ausfüllungsbedürftiges Tatbestandsmerkmal, welches ein wertendes Element besitzt. Anhaltspunkte können dabei sicher die Preis- und Lohnentwicklung, und damit auch der Verbraucherindex sein. Eine rein rechnerische Bestimmung unter Berücksichtigung des jährlichen Verbraucherindexes indessen verbietet sich schon aus dem Grunde, weil andernfalls eine Neuberechnung in kürzeren Abständen erfolgen müsste. Dies dürfte bereits aus verfassungsrechtlichen Gründen (Bestimmtheitsgebot) nicht in Betracht kommen.
Der vom Amtsgericht vorgenommene Rückgriff auf den Verbraucherindex und die Preissteigerung im Bereich der Kfz-Reparaturkosten ist geeignet, um sich der Frage eines bedeutenden Schadens zu nähern. Diese Faktoren sind jeweils als Anhaltspunkte für die Bemessung eines bedeutenden Schadens geeignet. Allein vermag der ausfüllungsbedürftige Begriff damit jedoch nicht bestimmt zu werden. Eine rein rechnerische Beurteilung kommt nicht in Betracht. Eine solche Herangehensweise hätte - wie bereits ausgeführt - zur Folge, dass es einer ständigen Neubestimmung des Wertes bedürfe. Vielmehr bedarf es der Betrachtung einer Mehrzahl von Kriterien, um die Annahme eines bedeutenden Schadens feststellen zu können (so auch OLG Stuttgart, Urt. v. 27. April 2018 - 2 Rv 33 Ss 959/17, BeckRS 2018, 26686 Rn. 28, beck-online). Rechtsgut der Vorschrift des § 142 StGB ist die Feststellung und Sicherung der durch einen Unfall entstandenen zivilrechtlichen Ansprüche und damit der Schutz des Vermögens. Auch § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB dient dem Schutz der Interessen des Geschädigten, der im Falle eines unerlaubten Entfernens vom Unfallort auf seinem finanziellen Schaden (jedenfalls in Form der Hochstufung bei der Vollkaskoversicherung) "hängen bleibt" (vgl. LG Darmstadt, Beschl. vom 01. Oktober 2024 - 3 Qs 299/24).
Neben der eingetretenen Preissteigerung ist daher auch die Lohnentwicklung und das durchschnittliche Nettoeinkommen zu betrachten, und zwar neben Berücksichtigung der allgemeinen Einkommensentwicklung im Verbraucherindex (auch auf die Einkommensentwicklung abstellend: Fischer StGB, 65. Aufl., § 142 Rn. 2; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 28. Januar 1991 - 2 Ss 1/91; OLG Stuttgart Urt. v. 27. April 2018 - 2 Rv 33 Ss 959/17, BeckRS 2018, 26686 Rn. 28, beck-online)). Auch insoweit ist festzustellen, dass seit 2010 die Nettolöhne jährlich gestiegen sind. Das durchschnittliche Nettoeinkommen aus unselbständiger Arbeit betrug ausweislich der Angaben des Statistischen Bundesamtes im Jahr 2023 2.425,- € im Monat. 2015 betrug dieses noch knapp 2.000,- €. Für 2024 ist von einer Steigerung um 8 % auszugehen und damit von einem durchschnittlichen Nettoeinkommen von 2.698,- € (Quelle: Nettolohn/Nettogehalt im Jahr je Arbeitnehmer bis 2024| Statista). Der Median des monatlichen Bruttoeinkommens betrug 2024 3.645,- €, dies entspricht einem Nettoeinkommen von etwa 2.400,- €, woraus folgt, dass die Hälfte der Arbeitnehmer ein unter 2.400,- € liegendes Nettoeinkommen zur Verfügung hatte.
Bei der Annahme einer Wertgrenze von 2.500,- wäre für die Behebung dieses Schadens der nahezu vollständige Einsatz eines durchschnittlichen Nettoeinkommens erforderlich. Betrachtet man den Median des Nettoeinkommens, würde dieser Betrag das monatlich zur Verfügung stehende Nettoeinkommen der Hälfte der Arbeitnehmer sogar übersteigen. Allgemeinhin ist davon auszugehen, dass der Einsatz von mehr als der Hälfte des verfügbaren Monatseinkommens vom Durchschnittsverbraucher als eine außergewöhnliche Belastung empfunden werden wird, jedenfalls aber bei zwei Dritteln der Verbraucher spürbare Folgen eintreten. Dies würde regelmäßig eine wirtschaftliche Überforderung des Betroffenen zur Folge haben. Das Ansetzen von Zweidritteln der Durchschnittseinkommen würde auch in etwa der Relation im Jahre 2015 entsprechen.
Zudem sind bei der Bestimmung einer Wertgrenze die weiteren Regelbeispiele des § 69 StGB in den Blick zu nehmen und zu prüfen, ob sich eine systematische Einfügung ergibt und die Relation untereinander passend ist ((OLG Stuttgart Urt. v. 27. April 2018 - 2 Rv 33 Ss 959/17, BeckRS 2018, 26686 Rn. 28, beck-online). Aus den weiteren Regelbeispielen (Gefährdung Straßenverkehr, verbotene Kraftfahrzeugrennen, Trunkenheit im Verkehr; nicht unerhebliche Verletzung eines Menschen), lässt sich herleiten, dass dem (wirtschaftlichen) Schaden ein spürbares Gewicht zukommen muss, weil anderenfalls ein Missverhältnis bestünde.
Abschließend ist zu berücksichtigen, dass aus verfassungsrechtlichen Gründen, insbesondere im Hinblick auf die Tatbestandsbestimmtheit, eine Anhebung der Wertgrenze nur bei einer grundlegenden Veränderung der wirtschaftlichen Verhältnisse in Betracht kommt (vgl. zur Bestimmung der Wertgrenze bei § 315b StGB: BGH, Beschluss vom 28. September 2010 - 4 StR 245/10, juris Rn. 11).
Verbindet man diese Erwägungen und Kriterien mit den rechnerisch nachvollziehbaren Berechnungen zur Entwicklung des Verbraucherindex aus dem angefochtenen Urteil, tendiert der Senat dazu, zukünftig den Richtwert für die Annahme eines Eintritts eines bedeutenden Schadens bei 2000,- € anzusetzen. Um einen längerfristig vertretbaren Wert zu erhalten, hat der Senat sich hierbei an der oberen Grenze der zuvor erörterten Spannbreite orientiert.
2. Soweit das Tatgericht das Vorliegen eines unbenannten Falls des § 69 StGB verneint hat, geben die Ausführungen im angefochtenen Urteil Anlass zu folgenden Anmerkungen: Auch unterhalb der Grenze des bedeutenden Schadens gemäß § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB kommt eine Entziehung der Fahrerlaubnis in Betracht, wenn sich aus der Tat ergibt, dass die Angeklagte zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet ist (§ 69 Abs. 1 StGB). Dies erfordert eine Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls, namentlich der Tat selbst, aber auch der Persönlichkeit, soweit sie sich in der Tat manifestiert hat (BeckOK StGB/Heuchemer StGB § 69 Rn. 29). Charakterliche Mängel rechtfertigen die Anordnung der Maßregel dann, wenn sie sich in besonderer Rücksichtslosigkeit gegenüber anderen Verkehrsteilnehmern äußern (BeckOK StGB/Heuchemer StGB § 69 Rn. 26). Ist besagte Schadenshöhe - wie vorliegend - knapp nicht erreicht, wird der Täter dennoch regelmäßig als ungeeignet zum Führen eines Kfz anzusehen sein, wenn er ein hohes Maß an Gleichgültigkeit gegenüber den Rechtsgütern und Interessen anderer zeigt, z.B. wenn der Täter sich mit dem Fahrzeug vom Unfallort entfernt, obwohl er in Form einer unübersehbaren gestikulierenden Ansprache durch einen Zeugen auf den Unfall hingewiesen wurde (vgl. LG Berlin NZV 10, 467 m. Anm. Staub DAR 11, 156; (BeckOK StGB/Heuchemer StGB § 69 Rn. 26 ff.). Die Ausführungen des Amtsgerichts zur Gesamtabwägung geben Anlass zur Sorge, dass nicht alle Aspekte in die Abwägung eingeflossen sind. Das Amtsgericht führt aus, dass sich das Nachtatverhalten (Weiterfahren trotz ausdrücklichen Hinweises auf einen Schaden) zwar zu Ungunsten auswirke, aber zu berücksichtigen sei, dass die Angeklagte straf- und verkehrsordnungsrechtlich noch nicht in Erscheinung getreten sei, in der Hauptverhandlung Reue gezeigt und den Eindruck vermittelt habe, durch das Strafverfahren nachhaltig beeindruckt worden zu sein.
Es steht zu befürchten, dass der Tatrichter hierbei nicht in den Blick genommen hat, dass die Angeklagte nach den getroffenen Feststellungen hinsichtlich der Frage des bedeutenden Schadens nicht nur fahrlässig, was ausreichend wäre, sondern vielmehr mit Vorsatz gehandelt hat. Dies wirkt sich jedoch maßgeblich auf das Tatgepräge und der in dem Nachtatverhalten der Angeklagten ohnehin zum Ausdruck gekommenen absoluten Gleichgültigkeit aus. Insoweit führt das Amtsgericht selbst im Rahmen der Strafzumessung aus, dass sich in diesem Verhalten eine besonders deutliche Missachtung ihrer Pflichten aus § 142 StGB gezeigt habe. Zudem hat das Amtsgericht in seiner Gesamtwürdigung die Höhe des Schadens, welche sich jedenfalls nahe einem bedeutenden Schaden im Sinne des § 69 StGB bewegt, nicht berücksichtigt.
Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Tatgericht bei einer vollständigen Gesamtwürdigung zu einer anderen Beurteilung gekommen wäre.
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