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Entscheidungen

Haftfragen

Strafvollzug, OK-Vermerk, Voraussetzungen, Entscheidung der StVK, Begründungsanforderungen

Gericht / Entscheidungsdatum: KG, Beschl. v. 15.08.2025 - 5 Ws 138/25

Eigener Leitsatz:

1. Die von den Strafvollstreckungskammern erlassenen Beschlüsse müssen grundsätzlich den Anforderungen genügen, die § 267 StPO an die Begründung strafrechtlicher Urteile stellt. Hieraus folgt, dass die Strafvollstreckungskammer die entscheidungserheblichen Tatsachen und rechtlichen Erwägungen so vollständig darzulegen hat, dass sie eine rechtliche Überprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht.
2. Ein konkreter Verdacht, dass ein Gefangener der Organisierten Kriminalität zuzurechnen ist und ob aufgrund dessen die Anbringung eines „OK-Vermerks“ gerechtfertigt ist, kann sich grundsätzlich aus einer entsprechenden Mitteilung der Staatsanwaltschaft ergeben. Die dort genannten Beweisanzeichen sind jedoch von der Vollzugsbehörde eigenverantwortlich in Beziehung zu dem Verhalten des Gefangenen in der Haft, zu den Urteilsgründen und zu allen anderen Umständen zu setzen, die für die Zuordnung zur Organisierten Kriminalität von Belang sein können. Bleibt ein konkreter Verdacht, so ist die Eintragung gerechtfertigt. Wenn ein konkreter Verdacht besteht, hat die Vollzugsbehörde ferner auf den Einzelfall bezogen zu prüfen, ob und gegebenenfalls welche Maßnahmen sie treffen muss und ob die Eintragung des „OK-Vermerks“ von vornherein oder noch gerechtfertigt.


Kammergericht
5 Ws 138/25

Beschluss

In der Strafvollzugssache pp.

Verteidiger:
Rechtsanwalt

wegen Löschung des Vermerks „Organisierte Kriminalität"

hat das Kammergericht - 5. Strafsenat - am 15. August 2025 beschlossen:

1. Auf die Rechtsbeschwerde des Gefangenen wird der Beschluss des Landgerichts Berlin I - Strafvollstreckungskammer - vom 17. Juni 2025 mit Ausnahme der Streitwertfestset-zung aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Entscheidung - auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde -an die Strafvollstreckungskammer zurückverwiesen.

Gründe:

I.

1. Der Beschwerdeführer verbüßt derzeit eine Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und acht Monaten wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen in der Justizvollzugsanstalt des Offenen Vollzuges Berlin. Zwei Drittel der Strafe werden am 14. Dezember 2025 verbüßt sein; das Strafende ist auf den 6. März 2028 notiert.

a) Bereits während der Untersuchungshaft im Jahr 2021 nahm die Justizvollzugsanstalt Moabit eine anstaltsinterne Kenntlichmachung einer Zugehörigkeit des Beschwerdeführers zur Organisierten Kriminalität vor (sog. „OK-Vermerk“). Im Zusammenhang mit seinem Strafantritt am 22. Juni 2022 übermittelte die für das Ausgangsverfahren zuständige Staatsanwaltschaft Berlin der Justizvollzugsanstalt Tegel am 20. Mai 2022 eine mit „Stellungnahme gemäß Nr. 7.2. der Gemeinsamen Richtlinien der Senatsverwaltungen für Inneres sowie für Justiz über die Zusammenarbeit von Staatsanwaltschaft und Polizei bei der Bekämpfung der Organisierten Kriminalität“ überschriebene Mitteilung, in welcher eine Einbindung des Beschwerdeführers in Strukturen Organisierter Kriminalität angenommen wurde. Aufgrund dieser Stellungnahme und eigener Erkenntnisse des Aufnahmebereichs nahm die Justizvollzugsanstalt Tegel nach eingehender Prüfung den „OK-Vermerk“ im Personalblatt des Beschwerdeführers auf. Der Beschwerdeführer wurde zunächst in den geschlossenen Vollzug eingewiesen. In der Justizvollzugsanstalt Tegel wurde der „OK-Vermerk“ seitdem regelmäßig im Rahmen der Vollzugsplanungen überprüft und aufrechterhalten. Gleichwohl wurde der Beschwerdeführer am 27. März 2024 in den offenen Vollzug verlegt und dort sukzessive zu Vollzugslockerungen zugelassen.

b) Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 14. September 2024 beantragte der Beschwerdeführer bei der Justizvollzugsanstalt des Offenen Vollzuges Berlin, den ihn betreffenden „OK-Vermerk“ aus seiner Personalakte zu entfernen. Daraufhin fragte die Vollzugsbehörde diesbezüglich bei der Staatsanwaltschaft Berlin sowie beim Landeskriminalamt Berlin nach dortigen aktuellen Erkenntnissen. Am 19. September 2024 fand aufgrund des Antrags des Beschwerdeführers eine Fallbesprechung der an der Behandlung maßgeblich Beteiligten in der Justizvollzugsanstalt statt. Hierbei wurde festgestellt, dass sich der Beschwerdeführer mit einer Ausnahme – nämlich einer dienstlichen Meldung wegen des Besitzes eines manipulierten DVD-Players in seinem Haftraum am 26. August 2024 – regelkonform verhalten habe. Gleichzeitig merkten die Beteiligten der Fallbesprechung an, dass sich der Beschwerdeführer gegenüber den Beamten etwa hinsichtlich der anstaltsinternen Arbeit übertrieben bemüht zeige, so dass diese den Eindruck hätten, er wolle als äußert motivierter Gefangener wahrgenommen werden. Die Staatsanwaltschaft Berlin teilte am 30. September 2024 mit, dass zwischenzeitlich keine weiteren Erkenntnisse bezüglich des Beschwerdeführers vorlägen; es bestünden aber auch keine Anhaltspunkte dafür, dass sich der Beschwerdeführer aus der Organisierten Kriminalität ernsthaft und dauerhaft gelöst habe. Mit Vollzugsplan vom 1. Oktober 2024 wurde der „OK-Vermerk“ aufrechterhalten. Darin heißt es u. a., dass die Tatsache, dass ein ehemaliger Gefangener, der seinerseits eine Freiheitsstrafe wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln verbüßt habe, den Beschwerdeführer wiederholt in der Haft besucht habe, die Argumentation der Staatsanwaltschaft eher stützen als entkräften dürfte; vor diesem Hintergrund bleibe die Zuschreibung des Beschwerdeführers zur Organisierten Kriminalität bestehen. Mit Bescheid vom 9. Januar 2025, welcher dem Beschwerdeführer am 5. Februar 2025 ausgehändigt wurde, lehnte die Justizvollzugsanstalt dessen Antrag vom 14. September 2024 schließlich ab.

c) Der Beschwerdeführer beantragte mit anwaltlichem Schriftsatz vom 14. Februar 2025 – ein-gegangen beim Landgericht Berlin I am selben Tage –, den Bescheid vom „3. Februar 2025“, mit dem es die Justizvollzugsanstalt des Offenen Vollzugs abgelehnt habe, den „OK-Vermerk“ aus der Gefangenenpersonalakte zu entfernen, aufzuheben und jene zu verpflichten, den Beschwerdeführer unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden. Zur Begründung trug er im Wesentlichen vor, dass die Aufrechterhaltung des „OK-Vermerks“ angesichts des beanstandungsfreien Vollzugsverhaltens des Beschwerdeführers keinen Bestand mehr haben könne. Bereits die Tatsachengrundlage habe die Justizvollzugsanstalt unvollständig erhoben, da sie den Zeitraum zwischen der Mitteilung der Staatsanwaltschaft im September 2024 bis zum Erlass des ablehnenden Bescheids nicht berücksichtigt habe. Zudem habe die Justizvollzugsanstalt das ihr zustehende Ermessen fehlerhaft ausgeübt, indem sie die Einstufung des Beschwerdeführers als zur Organisierten Kriminalität weiterhin zugehörig durch die Staatsanwaltschaft ohne die erforderliche eigene Prüfung übernommen habe.

2. Mit dem hier angefochtenen Beschluss hat die Strafvollstreckungskammer den Antrag des Beschwerdeführers auf gerichtliche Entscheidung als unbegründet zurückgewiesen und den Streitwert auf 800 Euro festgesetzt. Sie hat ausgeführt, dass die Justizvollzugsanstalt nach den im Einzelnen dargestellten obergerichtlichen Maßstäben zur Aufnahme und Aufrechterhaltung eines „OK-Vermerks“ aus ihrer Sicht (der Justizvollzugsanstalt) ausreichende Gründe für ihren in der Personalakte dokumentierten Verdacht vorgetragen habe, dass der Beschwerdeführer der Organisierten Kriminalität zuzurechnen sei. Ein derartiger Verdacht könne sich aus der Mitteilung der Staatsanwaltschaft ergeben. Die dort genannten Beweisanzeichen seien zu dem Verhalten des Gefangenen in der Haft, zu den Urteilsgründen und zu allen anderen Umständen in Beziehung zu setzen, welche für die Zuordnung zur Organisierten Kriminalität von Belang sein könnten. Gemessen an diesen Maßstäben lasse sich nach summarischer Prüfung derzeit ein solcher konkreter Verdacht nicht von der Hand weisen, sodass die Ablehnung des Entfernens des „OK-Vermerks“ durch die Justizvollzugsanstalt nicht zu beanstanden sei. Zu Recht weise die Justizvollzugsanstalt darauf hin, dass die Aufhebung eines bestehenden „OK-Vermerks“ neue Erkenntnisse erfordere, wenn sich aus den Urteilsfeststellungen bezüglich der zugrundeliegenden Taten tiefgreifende Kontakte in die Kreise der Organisierten Kriminalität ergäben. So liege der Fall hier, da der Beschwerdeführer mit Betäubungsmitteln im Kilogrammbereich unter Einsatz hochprofessionell umgebauter Transportfahrzeuge mit anderen Bandenmitgliedern gemeinschaftlich Handel getrieben habe. Auch das von den Beteiligten geschilderte Verhalten des Beschwerdeführers in der Haft könne diesen Verdacht der Zugehörigkeit zur Organisierten Kriminalität nicht entscheidend entkräften. Denn es fehle hier an Umständen, die allein diesen bestehenden Verdacht abschwächen oder entkräften könnten, wie etwa eine tätige Abkehr von nunmehr eingestandenen Beziehungen zur Organisierten Kriminalität oder beispielsweise die Offenbarung weiterer Tatumstände, die einen „OK-Bezug“ ausschließen würden. Die Sachverhaltsermittlung der Justizvollzugsanstalt sei als erschöpfend anzusehen, da sie die Stellungnahmen der Staatsanwaltschaft und Polizei eingeholt habe. Ferner habe die Justizvollzugsanstalt die bisherige Vollzugsentwicklung des Beschwerdeführers umfassend gewürdigt und nachvollziehbar begründet, weshalb allein das durch die Inhaftierung bedingte bloße Ruhen der bestehenden tiefgehenden Kontakte in die Kreise der Organisierten Kriminalität keine Lösung aus diesen erkennen lasse. Allein ein voll-zugskonformes Verhalten eines von einem „OK-Vermerk“ betroffenen Gefangenen genüge insofern nicht. Wegen der weiteren Einzelheiten nimmt der Senat Bezug auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses, der dem Beschwerdeführer nicht vor dem 18. Juni 2025 zugestellt worden ist.

3. Mit seiner am 20. Juni 2025 beim Landgericht Berlin I erhobenen Rechtsbeschwerde rügt der Gefangene die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Hierbei bemängelt er die im Sinne von § 267 StPO unzureichenden Tatsachenfeststellungen der Kammer, da diese seinen Sach-vortrag aus den Schriftsätzen vom 4. und 19. März 2025 und vom 15. April 2025 nicht aufgreife und nur hierauf verweise. Zugleich macht der Beschwerdeführer der Sache nach eine Verletzung seines Rechts auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) geltend, indem er vorträgt, dass die Strafvollstreckungskammer hierdurch den umfassenden Sachvortrag des Beschwerdeführers weitgehend übergangen habe. Denn der Verweis auf die Schriftsätze des Beschwerdeführers im Tatbestand lasse nicht erkennen, ob das Gericht den darin enthaltenen Vortrag überhaupt zur Kenntnis genommen habe. Die pauschale Wertung, wonach „allein vollzugskonformes Verhalten“ nicht ausreiche, stehe im Widerspruch zum umfangreichen Sachvortrag des Beschwerdeführers. Denn dieser befinde sich seit über einem Jahr im offenen Vollzug, wo er fortlaufend beanstandungsfrei Freigang erhalte; dies sei nicht als bloßes „vollzugskonformes Verhalten“ zu werten, sondern indiziere eine weit fortgeschrittene Straftataufarbeitung und eine ernsthafte Distanzierung von kriminogenen Strukturen. Zudem habe die Strafvollstreckungskammer den Prüfungsmaßstab verkannt, indem sie den Sachverhalt nur summarisch und damit oberflächlich geprüft habe. Hierbei werde aus dem Beschluss nicht hinreichend deutlich, ob die Kammer den entscheidenden Umstand, dass die Justizvollzugsanstalt der Stellungnahme der Staatsanwaltschaft eine maßgebliche Bedeutung für ihre Entscheidung beigemessen habe, überhaupt zur Kenntnis genommen und in ihre rechtliche Würdigung einbezogen habe. Schließlich gehe die Strafvollstreckungskammer hinsichtlich der Aufrechterhaltung des „OK-Vermerks“ von einer fehlerhaften Beweislastverteilung aus, da es nicht dem Beschwerdeführer obliege, die Austragung zu begründen, sondern der Vollzugsbehörde, die Eintragung zu rechtfertigen und deren Fortbestand fortlaufend zu evaluieren. Hinsichtlich des Beschwerdevorbringens im Einzelnen verweist der Senat auf den anwaltlichen Schriftsatz vom 20. Juni 2025.

II.

Die statthafte (§ 116 StVollzG) Rechtsbeschwerde des Gefangenen ist frist- und formgerecht er-hoben (§ 118 StVollzG) und auch im Übrigen zulässig (vgl. unten 1.). Sie hat bereits mit der Sachrüge Erfolg (vgl. unten 2. bis 4.), so dass es eines Eingehens auf die Verfahrensrügen nicht bedarf.

1. Die Rechtsbeschwerde ist nicht deshalb unzulässig, weil es an einem zulässigen Antrag auf gerichtliche Entscheidung fehlen würde. Zu den allgemeinen Verfahrensvoraussetzungen gehört es, dass ein zulässiger Antrag auf gerichtliche Entscheidung vorliegt, was der Senat im Rechts-beschwerdeverfahren von Amts wegen zu überprüfen hat (st. Rspr.; vgl. nur Senat, Beschlüsse vom 10. September 2021 – 5 Ws 162/21 Vollz –, juris Rn. 8, und vom 1. Oktober 2019 – 5 Ws 168/19 Vollz –, juris Rn. 8, jew. m. w. N.). Gegenstand eines solchen Antrags kann nur eine Maßnahme zur Regelung einzelner Angelegenheiten auf dem Gebiet des Strafvollzuges oder des Vollzuges freiheitsentziehender Maßregeln der Besserung und Sicherung sein (§ 109 Abs. 1 Satz 1 StVollzG). Der „OK-Vermerk“ in der Gefangenenpersonalakte, wonach der Verdacht einer Zugehörigkeit des Gefangenen zur Organisierten Kriminalität besteht, ist als Maßnahme in diesem Sinne zu qualifizieren. Ihm kommt angesichts der damit verbundenen Heraushebung des Betroffenen aus dem Kreis aller Gefangenen und deren Auswirkungen im Haftalltag eine Regelungswirkung auch dann zu, wenn die Anstalt auf den Eintrag keine aktuellen Maßnahmen stützt (vgl. im Einzelnen: KG, Beschluss vom 4. Februar 1998 – 5 Ws 586/97 Vollz –, juris Rn. 4 ff.; dem folgend OLG Naumburg, Beschluss vom 30. Dezember 2013 – 1 Ws 345/13 –, juris Rn. 6 ff.). Auch im Übrigen ist der Antrag auf gerichtliche Entscheidung zulässig – insbesondere am 14. Februar 2025 nach Aushändigung des ablehnenden Bescheids am 5. Februar 2025 rechtzeitig gestellt (§ 112 Abs. 1 StVollzG).

2. Die Sachrüge ist – unabhängig von den besonderen Voraussetzungen des § 116 Abs. 1 StVollzG – bereits deshalb zulässig, weil der angefochtene Beschluss nicht den gesetzlichen Begründungsanforderungen genügt.

a) Die Rechtsbeschwerde ist nicht nur zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (vgl. § 116 Abs. 1 StVollzG), sondern auch dann zulässig, wenn die tatsächlichen Feststellungen oder rechtlichen Erwägungen der angefochtenen Entscheidung so unzureichend sind, dass das Rechtsbeschwerdegericht die Voraussetzungen des § 116 Abs. 1 StVollzG nicht überprüfen kann, jedoch das Vorliegen einer erörterungsbedürftigen Rechtsfrage naheliegt oder nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Strafvollstreckungskammer das sachliche Recht nicht richtig auf den ermittelten Sachverhalt angewendet hat und ihre Entscheidung darauf beruht (st. Rspr.; vgl. nur Senat, Beschlüsse vom 11. April 2025 – 5 Ws 21/25 Vollz –, vom 1. November 2019 – 5 Ws 178-179/19 Vollz – und vom 18. August 2016 – 5 Ws 97/16 Vollz –, juris Rn. 4 ff., jew. m. w. N.).

In der obergerichtlichen Rechtsprechung ist anerkannt, dass die von den Strafvollstreckungskammern erlassenen Beschlüsse grundsätzlich den Anforderungen genügen müssen, die § 267 StPO an die Begründung strafrechtlicher Urteile stellt. Hieraus folgt, dass die Strafvollstreckungskammer die entscheidungserheblichen Tatsachen und rechtlichen Erwägungen so vollständig darzulegen hat, dass sie eine rechtliche Überprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht ermöglichen (vgl. Senat, jew. a. a. O. und m. w. N.).

Nach § 115 Abs. 1 Satz 2 StVollzG stellt der Beschluss der Strafvollstreckungskammer den Sach- und Streitstand seinem wesentlichen Inhalt nach gedrängt zusammen. Eine Verweisung nach § 115 Abs. 1 Satz 3 StVollzG auf bei den Akten befindliche – nach Herkunft und Datum konkret zu bezeichnende – Schriftstücke, soweit sich aus ihnen der Sach- und Streitstand ergibt, soll (nur) wegen der weiteren Einzelheiten erfolgen. Der Tatbestand muss für die Beteiligten ebenso wie für Dritte eine aus sich selbst heraus verständliche, klare, vollständige und richtige Entscheidungsgrundlage bieten. Für verfahrensgegenständliche Bescheide gilt, dass ihr Inhalt und ihre tragenden Erwägungen wiederzugeben sind (vgl. Senat, Beschlüsse vom 24. Oktober 2024 – 5 Ws 128/24 Vollz –, vom 4. Mai 2020 – 5 Ws 39/20 Vollz –, juris Rn. 13, und vom 6. August 2019 – 5 Ws 58/19 Vollz –, juris Rn. 37, jew. m. w. N.).

b) aa) Die Strafvollstreckungskammer hat hier schon nicht den wesentlichen Inhalt dieses Bescheides – mithin die Begründung der Justizvollzugsanstalt für die Ablehnung der Löschung des „OK-Vermerks“ zum Zeitpunkt des Erlasses dieses Bescheids – dargestellt. Stattdessen übernimmt sie nach der Erwähnung des streitgegenständlichen Bescheids die chronologische Darstellung des Sachverhalts von der Eintragung des „OK-Vermerks“ bis zu dessen Aufrechterhaltung im Vollzugsplan vom 1. Oktober 2024 aus der Stellungnahme der Justizvollzugsanstalt vom 26. Februar 2025 zum Antrag auf gerichtliche Entscheidung des Beschwerdeführers. An späterer Stelle des Beschlusses gibt die Strafvollstreckungskammer dann lediglich wieder, wie die Justizvollzugsanstalt im gerichtlichen Verfahren in ihrer Stellungnahme vom 26. Februar 2025 die Aufrechterhaltung des „OK-Vermerks“ begründet hat (zu einem ähnlichen Darstellungsmangel vgl. Senat, Beschluss vom 18. August 2016 – 5 Ws 97/16 Vollz –, juris Rn. 8, 10).

Dieser Darstellungsmangel wird nicht dadurch beseitigt, dass der Beschluss an anderer Stelle nach § 115 Abs. 1 Satz 3 StVollzG u. a. auf die Stellungnahme der Justizvollzugsanstalt vom 26. Februar 2025 nebst Anlagen mit den entsprechenden Blattzahlen der Akte verweist. Denn Voraussetzung für eine solche Bezugnahme auf Schriftstücke – insbesondere auf die Entscheidung der Vollzugsbehörde – ist, dass diese sich auch tatsächlich bei den Gerichtsakten befinden (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 8. Juni 2005 – 1 Ws 185/05 StrVollz –, juris Rn.18). Dies ist hier nicht der Fall. Zwar wird der Bescheid vom 9. Januar 2025 in der Übersicht der Anlagen der Stellungnahme der Vollzugsbehörde vom 26. Februar 2025 genannt, jedoch fehlt dieser dann in den Anlagen, befindet sich mithin nicht in den in Bezug genommenen Teilen der Akte. Die Verweisung ist nach dem Gesetz ohnehin nur „wegen der Einzelheiten“ zulässig; sie entbindet die Strafvoll-streckungskammer nicht von ihrer Verpflichtung, die Tatsachengrundlage so vollständig und zutreffend zu umschreiben, dass sie eine aus sich heraus verständliche und klare Grundlage für die anschließende rechtliche Würdigung der Kammer bietet (vgl. etwa Senat, Beschluss vom 1. November 2019, a. a. O., m. w. N.). Daran fehlt es hier aber bezüglich der tragenden Erwägungen, mit denen die Justizvollzugsanstalt die Löschung des „OK-Vermerks“ im Personalblatt des Beschwerdeführers im Bescheid vom 9. Januar 2025 abgelehnt hat.

bb) Lediglich ergänzend weist der Senat darauf hin, dass die Kammer die Einschränkung der Verweisungsmöglichkeit auf bei den Akten befindliche Schriftstücke auch bei der Darstellung des Sachvortrags des Gefangenen in dem angefochtenen Beschluss nicht beachtet hat, da sie sich hinsichtlich seiner Ausführungen in den anwaltlichen Schriftsätzen vom 4. und 19. März 2025 sowie vom 15. April 2025 im gerichtlichen Verfahren darauf beschränkt, auf diese Schriftsätze Bezug zu nehmen, ohne deren wesentlichen Inhalt mitzuteilen.

3. Aufgrund dieser ungenügenden Darstellung des Verfahrensgegenstandes kann der Senat nicht die Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 116 Abs. 1 StVollzG überprüfen (dazu sogleich unter 4.). Die Ausführungen der Strafvollstreckungskammer zur rechtlichen Würdigung lassen unter dem Gesichtspunkt der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (vgl. dazu nur Senat, Beschlüsse vom 2. Januar 2025 – 5 Ws 252/23 –, vom 10. September 2021, a. a. O., Rn. 21 f., vom 1. November 2019, a. a. O., und vom 27. Juni 2019 – 5 Ws 55/19 Vollz –, juris Rn. 33, jew. m. w. N.) besorgen, dass sie hier den Prüfungsgegenstand verkannt hat, indem sie nicht den ablehnenden Bescheid der Vollzugsbehörde vom 9. Januar 2025 überprüft hat (vgl. dazu auch Senat, Beschluss vom 2. Januar 2025, a. a. O. [fehlerhafte isolierte Prüfung der Stellungnahme der Staatsanwaltschaft durch die Strafvollstreckungskammer]). Sie hätte bezogen auf diesen Bescheid erörtern müssen, ob die Vollzugsbehörde in eigener Verantwortung geprüft hat, ob ein konkreter Verdacht besteht, der Gefangene sei der Organisierten Kriminalität zuzurechnen, und ob aufgrund dessen die Anbringung eines „OK-Vermerks“ gerechtfertigt ist. Ein derartiger Verdacht kann sich grundsätzlich aus der entsprechenden Mitteilung der Staatsanwaltschaft ergeben. Die dort genannten Beweisanzeichen sind jedoch von der Vollzugsbehörde eigenverantwortlich in Beziehung zu dem Verhalten des Gefangenen in der Haft, zu den Urteilsgründen und zu allen anderen Umständen zu setzen, die für die Zuordnung zur Organisierten Kriminalität von Belang sein können. Bleibt ein konkreter Verdacht, so ist die Eintragung gerechtfertigt (vgl. nur KG, Beschluss vom 4. Februar 1998, a. a. O., Rn. 10; Senat, Beschlüsse vom 2. Januar 2025, a. a. O., vom 10. September 2021, a. a. O., Rn. 20 ff. und vom 24. Januar 2017 – 5 Ws 141/16 Vollz –). Wenn ein konkreter Verdacht besteht, hat die Vollzugsbehörde ferner auf den Einzelfall bezogen zu prüfen, ob und gegebenenfalls welche Maßnahmen sie treffen muss und ob die Eintragung des „OK-Vermerks“ von vornherein oder noch gerechtfertigt ist (vgl. Senat, Beschlüsse vom 2. Januar 2025, a. a. O., und vom 10. September 2021, a. a. O., Rn. 20, jew. m. w. N.). Dabei ist von zentraler Bedeutung, dass die Vollzugsbehörde die in der Stellungnahme der Staatsanwaltschaft und gegebenenfalls in zusätzlich eingeholten Auskünften der Polizeibehörde enthaltenen Tatsachen ihrer Entscheidung jedenfalls nicht unkritisch zugrunde legen darf, sondern zumindest auf ihre Plausibilität und Validität zu prüfen hat (vgl. Senat, Beschluss vom 2. Januar 2025, a. a. O.).

4. Aus den vorstehend genannten Gründen für die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde folgt zugleich ihre Begründetheit. Mangels Mitteilung des Inhalts des streitgegenständlichen Bescheids vermag der Senat nicht umfassend zu prüfen, ob die Voraussetzungen des § 116 Abs. 1 StVollzG erfüllt sind. Damit steht auch eine Rechtsverletzung fest (vgl. Senat, Beschlüsse vom 24. Oktober 2024, a. a. O., und vom 18. August 2016, a. a. O., Rn. 12, jew. m. w. N.).

5. Der angefochtene Beschluss war daher mit Ausnahme der Streitwertfestsetzung aufzuheben (§ 119 Abs. 4 Satz 1 StVollzG). Die Sache ist nicht spruchreif; denn aufgrund des aufgezeigten Begründungsmangels fehlt es an einer zureichenden Grundlage für eine Entscheidung des Senats. Der Senat verweist das Verfahren daher – auch zur Entscheidung über die Kosten der Rechtsbeschwerde – nach § 119 Abs. 4 Satz 3 StVollzG an die Strafvollstreckungskammer zurück.


Einsender: RA M. Rakow, Rostock/Berlin

Anmerkung:


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