Gericht / Entscheidungsdatum: AG Tiergarten, Beschl. v. 15.08.2025 - 347 OWi 154/24
Eigener Leitsatz:
Erfolgt die Einstellung des Bußgeldverfahrens nicht aus Ermessensgründen gem. § 47 Abs. 1 OWiG, sondern aufgrund mangelnden hinreichenden Tatverdachts nach § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 170 Abs. 1 StPO, ist die Ausnahmeregelung des § 467 Abs. 4 StPO nicht anwendbar.
Amtsgericht Tiergarten
347 OW1154/24
Beschluss
In dem Bußgeldverfahren
gegen pp.
Verteidiger:
wegen Verkehrsordnungswidrigkeit
hat das Amtsgericht Tiergarten am 15. August 2025 beschlossen:
1. Auf Antrag des Betroffenen vom 05.12.2023 auf die Entscheidung über die Kosten in der Einstellungsentscheidung der Polizei Berlin -Bußgeldstelle- vom 24.11.2023, Az.: 58.75.866357.2 dahingehend abgeändert, dass neben den Kosten des Verfahrens auch die notwendigen Auslagen der Betroffenen der Landeskasse zur Last fallen.
2. Die Kosten des gerichtlichen Verfahrens einschließlich der in diesem entstandenen notwendigen Auslagen der Betroffenen trägt die Landeskasse.
3. Diese Entscheidung des Gerichts ist nicht anfechtbar, § 62 Abs. 2 Satz 3 OWiG.
Gründe:
Die Polizei Berlin - Bußgeldstelle - führte gegen den Betroffenen ein Verfahren wegen einer Verkehrsordnungswidrigkeit und erließ am 09.11.2023 einen Bußgeldbescheid gegen den Betroffenen, der diesem am 15.11.2023 zugestellt wurde. Dem Verfahren lag der Vorwurf eines fahrlässigen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um 8 km/h zugrunde.
Am 21.11.2023 wurde gegen den Bußgeldbescheid durch den Verteidiger des Betroffenen formgerecht Einspruch eingelegt.
Mit Schreiben vom 24.11.2023 teilte die Bußgeldbehörde mit, dass sie das Verfahren geprüft habe und wegen fehlender Beweiskraft eingestellt habe. Im Einstellungsbescheid vom 24.11.2025 heißt es unter anderem:
„Das gegen Sie eingeleitete Ordnungswidrigkeitenverfahren habe gem. § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 170 Abs. 2 StPO eingestellt.
Die Einstellung erfolgt auf Kosten der Verwaltungsbehörde. Ihre notwendigen Auslagen haben Sie jedoch selbst zu tragen.“
Mit Schriftsatz vom 05.12.2023 beantragte der Verteidiger des Betroffenen die gerichtliche Entscheidung über die Versagung der Auferlegung der notwendigen Auslagen des Betroffenen im Einstellungsbeschluss vom 24.11.2023.
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 OWiG, § 62 OWiG statthaft und auch sonst zulässig.
Der Antrag ist auch begründet. Die Auferlegung der notwendigen Auslagen des Betroffenen war unrechtmäßig.
Die Verwaltungsbehörde kann, wenn sie den Bußgeldbescheid nach Einspruch des Betroffenen nicht aufrechterhalten will, diesen entweder zurücknehmen oder - ggf. auch in Verknüpfung mit der Rücknahme des Bußgeldbescheides - das Verfahren nach § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 170 Abs. 2 StPO einstellen. Die Kostenfolge bei der Einstellung richtet sich nach § 105 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 467a Abs. 1 und Abs. 2 StPO (AG Maulbronn Beschl. v. 12.3.2024 - 4 OWi 15/24, BeckRS 2024, 5300 Rn. 6; BeckOK OWiG/Gertler, 47. Ed. 1.7.2025, OWiG § 69 Rn. 68; KK-OWiG/Ellbogen, 6. Aufl. 2025, OWiG § 69 Rn. 51, 52, OWiG § 69 Rn. 52 ff.).
Damit sind die Kosten des Verfahrens immer und die notwendigen Auslagen des Betroffenen jedenfalls grundsätzlich der Staatskasse aufzuerlegen (§ 467a Abs. 1 Satz 1 StPO).
Gem. § 467a Abs. 1 Satz 2, 467 Abs. 4 StPO kann die Behörde dann, wenn die Einstellung auf-grund einer Ermessensentscheidung beruht - im Ordnungswidrigkeitenverfahren also bei Einstellungen nach § 47 Abs. 1 OWiG - davon absehen, die notwendigen Auslagen des Betroffenen der Staatskasse aufzuerlegen (§ 467 Abs. 4 StPO). Da die Einstellungsentscheidung hier jedoch nicht aus Ermessensgründen gem. § 47 Abs. 1 OWiG erfolgte, sondern laut Einstellungsbescheid aufgrund mangelnden hinreichenden Tatverdachts nach § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 170 Abs. 1 StPO, ist die Ausnahmeregelung des § 467 Abs. 4 StPO bereits nicht anwendbar. Die notwendigen Auslagen des Betroffenen hätten der Staatskasse gem. § 467a Abs. 1 StPO auferlegt werden müssen.
Die Kostenentscheidung für das vorliegende Verfahren beruht auf der nach § 62 Abs. 2 OWiG i.V.m. § 467 Abs. 1 StPO.
Einsender: RA D. Engels, Düsseldorf
Anmerkung: