Gericht / Entscheidungsdatum: KG, Beschl. v. 23.6.2025 – 3 ORs 28/25
Leitsatz des Gerichts:
1. § 267 Abs. 1 Satz 1 StPO erfordert, dass die Urteilsgründe im Falle einer Verurteilung die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Die sinngemäße Wiedergabe des Gesetzestextes genügt - insbesondere bei Fällen der Kinder- und Jugendpornografie nach §§184b, 1843c StGB - dafür nicht.
2. Zwischen dem Besitz kinderpornografischer Inhalte nach §§ 184b Abs. 3 StGB und dem gleichzeitigen Besitz jugendpornografischer Inhalte nach § 184c Abs. 3 StGB besteht Tateinheit gemäß § 52 Abs. 1 StGB.
3 ORs 28/25
Beschluss
In dem Strafverfahren
gegen pp.
wegen Besitzes kinderpornografischer Inhalte u.a.
hat das Kammergericht - 3. Strafsenat - am 23. Juni 2025 beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 11. März 2025 gemäß § 349 Abs. 4 StPO mit den getroffenen Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an eine andere Abteilung des Amtsgerichts zurückverwiesen.
Gründe:
I.
Das Amtsgericht Tiergarten hat den Angeklagten am 11. März 2025 wegen Besitzes kinder- und jugendpornografischer Inhalte nach §§ 184b Abs. 3, 184c Abs. 3 StGB in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Monaten verurteilt und die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung ausgesetzt.
Nach den getroffenen Feststellungen wurden am 22. Juni 2022 anlässlich einer Vernehmung des Angeklagten auf dessen Mobiltelefon zwei Bilddateien und zwei Videodateien - jeweils mit entsprechend inkriminierten kinderpornografischen Inhalten - sichergestellt. Daneben verwahrte der Angeklagte am 6. Oktober 2022 in seiner Wohnung auf einem Notebook und einem Tablet-PC nebst Speicherkarte drei kinderpornografische Bilddateien und eine jugendpornografische Bilddatei. Zum Schuldspruch hat das Amtsgericht ausgeführt, dieser stehe nach der geständigen Einlassung des Angeklagten fest; das Gericht habe keinerlei Anlass zu Zweifeln an diesen Angaben (UA S. 3). Als Strafrahmen hat das Amtsgericht für beide Taten jeweils Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu zehn Jahren zugrunde gelegt und im Rahmen der Strafzumessung unter anderem ausgeführt, zu Lasten des Angeklagten sei der Weg zu berücksichtigen, auf dem dieser die Bilder erhalten habe (UA S. 3).
Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner (Sprung-) Revision, die er auf die allgemeine Sachrüge stützt. Die Generalstaatsanwaltschaft Berlin hat beantragt, die Revision gemäß § 349 Abs. 2 StPO als offensichtlich unbegründet zu verwerfen.
II.
Die nach § 335 Abs. 1 StPO statthafte und auch im Übrigen zulässige (Sprung-) Revision ist begründet.
1. Bereits die getroffenen Feststellungen erweisen sich als lückenhaft.
Um dem Revisionsgericht die Prüfung zu ermöglichen, ob ein Angeklagter die Straftatbestände von § 184b Abs. 3 StGB oder 184c Abs. 3 StGB erfüllt hat, bedarf es hinreichend konkreter Feststellungen zum Inhalt der Abbildungen (vgl. BGH, Beschluss vom 26. September 2023 - 5 StR 245/23 -, juris; BeckRS 2018, 19227; OLG Brandenburg, Beschluss vom 5. Dezember 2024 - 2 ORs 26/24 -, juris; Fischer, StGB 72. Aufl., § 184b Rn. 10). Wird ein Angeklagter wegen mehrerer selbstständiger Straftaten verurteilt, so müssen die einzelnen Taten so präzise dargestellt werden, dass das Revisionsgericht in Bezug auf jede einzelne Tat in der Lage ist zu prüfen, ob sie den Straftatbestand in objektiver und in subjektiver Hinsicht erfüllt. Denn nach § 267 Abs. 1 Satz 1 StPO müssen die Urteilsgründe im Falle einer Verurteilung die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden, wobei es dem Gericht unbenommen bleibt, hinsichtlich von Einzelheiten gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO auf bei den Akten befindliche Lichtbilder zu verweisen. Die bloße - wörtliche oder sinngemäße - Wiedergabe des Gesetzestextes genügt nicht (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Juli 2007 - 2 StR 279/07 -, juris; BayObLG, Beschluss vom 16. Dezember 2024 - 203 StRR 589/24 -, juris; OLG Oldenburg, Beschluss vom 3. Mai 2023 - 1 ORs 85/23 -, juris; OLG Celle BeckRS 2024, 12389).
Diesen Anforderungen hält das angefochtene Urteil nicht stand. Es gibt lediglich sinngemäß die Gesetzestexte von § 184b Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 StGB und § 184c Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 StGB wieder. Zum Inhalt der Dateien der Fälle 1 und 2 wird im Sachverhalt lediglich abstrakt verallgemeinernd und jeweils gleichlautend dargelegt, dass „die Dateien ohne Bezug zu anderen Lebenssachverhalten und in einer den Menschen zum bloßen Objekt geschlechtlicher Begierde degradierenden Weise ausschließlich weibliche Kinder“ (Fall 1) und „ausschließlich weibliche Kinder und einen männlichen Jugendlichen (Fall 2) bei unnatürlichem Posieren unter besonderer Betonung von Geschlechtsteilen sowie weibliche Kinder bei sexuellen Aktivitäten an sich selbst zeigen“ (UA S. 2). Es fehlt die Mitteilung der konkreten Inhalte der Bilder. Das Urteil enthält - wegen der Einzelheiten - auch keine Bezugnahme auf bei den Akten befindliche Abbildungen nach § 267 Abs. 3 Satz 1 StPO). Ebenso wenig werden Tatsachen mitgeteilt, die eine Differenzierung zwischen kinder- und jugendpornografischen Abbildungen ermöglichen.
2. Auch die Beweiswürdigung ist mit durchgreifenden Mängeln behaftet. Zwar lässt sich aus § 267 StPO, der den Inhalt der Urteilsgründe festlegt, eine Verpflichtung des Gerichts nicht unmittelbar ableiten, dass eine Beweiswürdigung im Urteil vorzunehmen ist, in der die Einlassung des Angeklagten mitgeteilt und diese unter Bewertung der sonstigen Beweismittel gewürdigt wird. Doch ist unter sachlich-rechtlichem Blickwinkel regelmäßig eine Wiedergabe der Einlassung des Angeklagten erforderlich, damit das Revisionsgericht nachprüfen kann, ob sich der Tatrichter unter Berücksichtigung der erhobenen Beweise eine tragfähige Grundlage für seine Überzeugungsbildung verschafft und das materielle Recht richtig angewendet hat (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Juni 2020 - 2 StR 416/19 -, juris; NStZ 2015, 299; NStZ-RR 2013, 134, 135 m.w.N;1999, 45; Senat NZV 2023, 461 und Beschluss vom 12. Januar 2022 - 3 Ws (B) 8/22 -, juris; OLG Hamm StraFo 2003, 133; OLG Köln StraFo 2003, 313). Es bedarf somit einer geschlossenen und zusammenhängenden Wiedergabe wenigstens der wesentlichen Grundzüge der Einlassung des Angeklagten, um die Beweiswürdigung des Tatrichters auf sachlich-rechtliche Fehler hin überprüfen zu können (vgl. BGH NStZ-RR a.a.O.; NStZ 2024, 380; NStZ 2015, 299; Senat a.a.O.).
Diesen Anforderungen genügt das angefochtene Urteil nicht. Das Amtsgericht teilt lediglich pauschal mit, der Sachverhalt stehe nach der geständigen Einlassung des Angeklagten fest, ohne darzulegen, wie er sich eingelassen hat. Damit ist dem Senat eine revisionsrechtliche Überprüfung der tatrichterlichen Überzeugungsbildung nicht möglich. Ohnehin bleibt ohne nähere Erläuterung unklar, wie sich das Amtsgericht auf der Grundlage des Geständnisses des Angeklagten vom Inhalt der Bilddateien überzeugt haben will.
3. Die Rechtsfolgenentscheidung hält der revisionsrechtlichen Überprüfung ebenso wenig stand.
a) Bereits die Wahl der für die Taten anzuwendenden Strafrahmen ist fehlerhaft.
Die ab dem 1. Juli 2021 geltende Fassung des § 184b Abs. 3 StGB sah als Strafrahmen Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu fünf Jahren vor. In der seit dem 28. Juni 2024 geltenden Fassung reicht der Strafrahmen von drei Monaten bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe. Dieser Strafrahmen wäre als das mildere Gesetz im Sinne von § 2 Abs. 3 StGB auf die abgeurteilten Taten anzuwenden gewesen. Der vom Amtsgericht demgegenüber zugrunde gelegte Strafrahmen (Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu zehn Jahren) hat deshalb keine gesetzliche Grundlage.
b) Die Strafzumessung erweist sich als lückenhaft. Das Amtsgericht hat zu Lasten des Angeklagten den Weg berücksichtigt, auf dem dieser die Bilder erlangt hat, ohne mitzuteilen, wie dies geschehen ist. Dem Senat ist daher die Prüfung versagt, ob es sich dabei um eine rechtlich zulässige Strafzumessungserwägung handelt.
4. Auf den dargelegten Fehlern beruht das Urteil, weil dem Senat bereits die Überprüfung verwehrt ist, ob die Tatbestände verwirklicht worden sind. Der Senat hebt deswegen das angefochtene Urteil auf und verweist die Sache an eine andere Abteilung des Amtsgerichts zurück.
Zur weiteren Sachbearbeitung weist der Senat auf Folgendes hin:
Sollte sich das Amtsgericht nach erneut durchzuführender Beweisaufnahme die Überzeugung verschaffen, dass der Angeklagte die in der Anklage der Staatsanwaltschaft vom 31. Januar 2025 aufgeführten Taten begangen hat, wäre der Angeklagte nicht wegen Besitzes kinder- und jugendpornografischer Inhalte in zwei Fällen zu verurteilen, sondern wegen Besitzes kinderpornografischer Inhalte in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Besitz jugendpornografischer Inhalte gemäß §§ 184b Abs. 3, 184c Abs. 3, 52, 53 StGB. Der gleichzeitige Besitz kinder- und jugenpornografischer Inhalte stellt eine Tat im Sinne von § 52 Abs. 1 Satz 1 StGB dar (vgl. BGH, Beschluss vom 3. April 2025 - 1 StR 494/24 -, juris und NStZ 2024, 669).
Einsender: RiKG U. Sandherr, Berlin
Anmerkung: