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Entscheidungen

Gebühren/Kosten/Auslagen

Auslagenerstattung, Einstellung des Verfahrens, Verfahrenshindernis

Gericht / Entscheidungsdatum: LG Dortmund, Beschl. v. 17.02.2025 - 53 Qs 6/25

Eigener Leitsatz:

Die Möglichkeit, nach § 467 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 StPO von einer Erstattung der notwendigen Auslagen abzusehen, besteht nur dann, wenn zusätzlich zu dem Verfahrenshindernis als alleinigem eine Verurteilung hindernden Umstand weitere besondere Umstände hinzutreten, die es als billig erscheinen lassen, dem Betroffenen die Auslagenerstattung zu versagen. Das ist, wenn der Grund für den Eintritt des Verfahrenshindernisses der Verjährung darin liegt , dass eine wirksame Zustellung des Bußgeldbescheids beim früheren Betroffenen wegen fehlender Datumsangabe der Zustellung auf dem Briefumschlag nicht erfolgt ist, nicht der Fall.


53 Qs 6/25

Landgericht Dortmund

Beschluss

In dem Beschwerdeverfahren

betreffend pp.

Verteidiger: Rechtsanwalt Alexander Gratz,
Winkelstr. 24, 66359 Bous,

wegen: Ordnungswidrigkeit

(hier: sofortige Beschwerde gegen Auslagenentscheidung)

hat die Kammer für Bußgeldsachen des Landgerichts Dortmund auf die sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts Unna vom 20.12.2024 - Az: 181 OWi 135/24 - durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht, die Richterin am Landgericht und die Richterin am Landgericht am 17.02.2025 beschlossen:

Auf die sofortige Beschwerde des Beschwerdeführers wird der Beschluss des
Amtsgerichts Unna vom 20.12.2024 abgeändert und wie folgt neu gefasst:

"Das Verfahren wird gemäß § 46 OWiG i.V.m. § 206a StPO eingestellt. Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten fallen der Staatskasse zur Last."

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers werden der Staatskasse auferlegt.

Gründe:

I.

Wegen des Sachverhalts wird auf den Einstellungsbeschluss des Amtsgerichts Unna vom 20.12.2024 (Bl. 172 f. d.A.) verwiesen, der dem früheren Betroffenen ausweislich der zur Akte gelangten Postzustellungsurkunde am 10.01.2025 zugestellt wurde (vgl. Bl. 179 f. d.A.). Die Kostenentscheidung (nach § 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO) hat das Amtsgericht damit begründet, dass „nach dem Akteninhalt eine Verurteilung des Betroffenen ohne das Verfahrenshindernis wahrscheinlich gewesen wäre" (vgl. Bl. 173 d.A.).

Gegen die Versagung der Auslagenerstattung in diesem Beschluss wendet sich der Beschwerdeführer mit der am selben Tag beim Amtsgericht eingegangenen (vgl. Bl. 185 d.A.) sofortigen Beschwerde vom 10.01.2025 (Bl. 186 ff. d.A.). Weder sei ein ausreichender Tatverdacht belegt noch lägen zusätzlich zu dem Verfahrenshindernis weitere besondere Umstände vor, welche es als billig erscheinen lassen, dem Betroffenen die Auslagenerstattung zu versagen.

II.

1. Die sofortige Beschwerde des Betroffenen vom 10.01.2025 ist statthaft (§§ 464 Abs. 3 S. 1 StPO, 46 OWiG). Sie wurde insbesondere auch form- und fristgerecht binnen einer Woche nach Bekanntmachung der Entscheidung (§ 311 Abs. 2 StPO) eingelegt.

2. Die Kostenentscheidung des Amtsgerichts Unna vom 20.12.2024 war auf die sofortige Beschwerde des Betroffenen insoweit aufzuheben, als darin angeordnet wurde, dass der Betroffene seine notwendigen Auslagen selbst zu tragen hat. Diese waren der Staatskasse aufzuerlegen.

Gemäß § 467 Abs. 1 StPO fallen grundsätzlich die Auslagen der Staatskasse und die notwendigen Auslagen des Betroffenen der Staatskasse zur Last, soweit das Verfahren gegen ihn eingestellt wird. Über § 46 Abs. 1 OWiG gilt diese Vorschrift sinngemäß auch für das Bußgeldverfahren. Gemäß §§ 467 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 StPO, 46 OWiG kann das Gericht jedoch davon absehen, die notwendigen Auslagen des Betroffenen der Staatskasse aufzuerlegen, wenn er nur deshalb nicht verurteilt wird, weil ein Verfahrenshindernis besteht.

Ein Fall der §§ 467 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 StPO, 46 OWiG ist indes in vorliegender Sache im Ergebnis nicht gegeben:

Soweit in dem Beschluss des Amtsgerichts zur Begründung auf den „Akteninhalt" abgestellt wird, bleibt schon unklar, ob damit ein Tatverdacht gegen den Betroffenen in einem für eine Anwendbarkeit des § 467 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 StPO erforderlichen Maß begründet werden sollte.

In Rechtsprechung und Literatur gehen hinsichtlich der insoweit zu fordernden Tatverdachtsstufe die Ansichten auseinander: § 467 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 StPO verlangt, dass der Angeschuldigte wegen einer Straftat „nur deshalb nicht verurteilt wird“, weil ein Verfahrenshindernis besteht. Teilweise wird insoweit verlangt, dass bei Hinwegdenken des Verfahrenshindernisses mit Sicherheit von einer Verurteilung auszugehen sein müsse (vgl. etwa KK-StPO/Gieg, 9. Aufl. 2023, StPO § 467, Rn. 10a). Dies erscheint vorliegend mangels einer Beweisaufnahme zum Tatvorwurf in der Sache zumindest zweifelhaft. Nach anderer Ansicht und wohl herrschender Rechtsprechung genügt eine niedrigere Tatverdachtsstufe und insbesondere ein auf die bisherige Beweisaufnahme gestützter erheblicher Tatverdacht (vgl. etwa OLG Bamberg, Beschluss vom 20.07.2010 – 1 Ws 218/10, SVR 2011 Heft 1, 33, beck-online; OLG Hamm, Beschluss vom 07.04. 2010 – 2 Ws 60/10, NStZ-RR 2010, 224, beck-online).

Letztlich kann die Frage der Verdachtsstufe aber vorliegend offen bleiben.

Die Möglichkeit, nach § 467 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 StPO von einer Erstattung der notwendigen Auslagen abzusehen, besteht nämlich nur dann, wenn zusätzlich zu dem Verfahrenshindernis als alleinigem eine Verurteilung hindernden Umstand weitere besondere Umstände hinzutreten, die es als billig erscheinen lassen, dem Betroffenen die Auslagenerstattung zu versagen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 26.05.2017, BvR 1821/16, NJW 2017, 2459).

Die erforderlichen besonderen Umstände dürfen dabei aber gerade nicht in der voraussichtlichen Verurteilung und der zu Grunde liegenden Tat gefunden werden, denn dies ist bereits Tatbestandsvoraussetzung für die Ermessensentscheidung des Gerichts (vgl. OLG Bamberg, a.a.O.). Grundlage für ein Absehen von der Erstattung notwendiger Auslagen muss vielmehr ein hinzutretendes vorwerfbar prozessuales Fehlverhalten des Betroffenen sein. Bei einem in der Sphäre der Verwaltungsbehörde oder des Gerichtes eingetretenen Verfahrenshindernis hingegen wird es regelmäßig der Billigkeit entsprechen, die notwendigen Auslagen des Betroffenen der Staatskasse aufzubürden (vgl. BVerfG, a.a.O.; KK-StPO/Gieg, a.a.O., Rn 10b; LG Ulm, Beschluss vom 06.11.2020 – 2 Qs 46/20, BeckRS 2020, 32961, beck-online; zuletzt LG Karlsruhe, Beschluss vom 31.01.2024 – 4 Qs 46/23, BeckRS 2024, 3088 Rn. 11, beck-online).

Im vorliegenden Fall liegt ein prozessuales Fehlverhalten des Betroffenen nicht vor. Der Grund für den Eintritt des Verfahrenshindernisses der Verjährung liegt vielmehr darin, dass eine wirksame Zustellung des Bußgeldbescheids beim früheren Betroffenen (wegen fehlender Datumsangabe der Zustellung auf dem Briefumschlag) nicht erfolgt ist.

Vor diesem Hintergrund erscheint es im Rahmen der zu treffenden Ermessensentscheidung nach §§ 467 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 StPO, 46 OWiG unbillig, den Betroffenen entgegen der gesetzlichen Regel nach §§ 467 Abs. 1 StPO, 46 OWiG mit seinen notwendigen Auslagen zu belasten.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 467 Abs. 1 StPO, 46 OWiG in entsprechender Anwendung.


Einsender: RA A. Gratz, Bous

Anmerkung:


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