Gericht / Entscheidungsdatum: KG, Beschl. v. 25.02.2025 – 22 W 66/24
Leitsatz des Gerichts:
1. Über einen Antrag auf Einsicht in Vereinsregisterakten, der nicht nur auf die für jedermann einsehbaren Unterlagen nach § 79 Abs. 1, 66 BGB beziehen, sondern auch den sonstigen Schriftverkehr betreffen, ist im Verfahren nach § 23 EGGVG zu entscheiden.
2. Derjenige, der ein Löschungsverfahren nach § 395 FamFG anregt, wird dadurch nicht zwingend zu einem formell Beteiligten i.S.d. § 6 FamFG.
3. Eine journalistische Tätigkeit ist durch Art. 5 Abs. 1 GG besonders geschützt. Dieser Schutz umfasst auch die Informationsbeschaffung. Er darf allerdings nicht nur vorgeschoben sein.
In pp.
Der Antrag des Beteiligten zu 2) auf Einsicht in die als Stellungnahmen für den Beteiligten zu 2) eingereichten Originalschreiben vom 19. April 2024 und 23. Juli 2024 wird abgelehnt.
Der Beteiligte zu 2) hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Der Geschäftswert des Verfahrens wird auf 5.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Der Beteiligte zu 1) ist am 23.09.1984 errichtet worden und seitdem zunächst im Vereinsregister des Amtsgerichts Bonn und seit dem 13.10.2000 im Vereinsregister des Amtsgerichts Charlottenburg eingetragen. Sein Zweck ist nach § 2 der Satzung die treuhänderische Übernahme und treuhänderische Verwaltung von unbeweglichem Vermögen sowie Forderungen und sonstigen vermögenswerten Rechten für die Partei ... sowie die Wahrnehmung von deren Interessen in Grundstücksangelegenheiten. Mitglieder des Vereins sind nach § 3 Abs. 1 der Satzung die jeweiligen Mitglieder des Bundesvorstands und die jeweiligen Mitglieder der Bundesgeschäftsführung der Partei ....
Der Beteiligte zu 2) regte zunächst mit Schreiben vom 5. März 2024 gegenüber dem Registergericht die dringende Einleitung eines Verfahrens auf Löschung des Beteiligten zu 1) nach § 395 FamFG an, weil dieser seiner Auffassung nach als wirtschaftlicher Verein anzusehen sei. Nachdem das Registergericht ihm nach Anhörung des Beteiligten zu 1) mitteilte, dass und inwieweit die von ihm aufgestellten Behauptungen über Grundvermögen und Tätigkeiten nicht zutreffen, stellte er mit Schreiben vom 27. Mai 2024 weitere Behauptungen auf. Diesen trat der Verein wiederum mit einem dem Beteiligten zu 2) auf Bitten des Vereins nicht übersandten Schreiben entgegen. Daraufhin teilte das Registergericht mit Schreiben vom 5. August 2024 mit näherer Begründung auch zu den aufgestellten Behauptungen mit, dass die Einleitung eines Amtslöschungsverfahrens nicht gerechtfertigt sei. Zugleich teilte es weiter mit, dass der vom Beteiligten zu 2) gestellte weitergehenden Akteneinsichtsantrag, den dieser, nachdem er Einsicht in die Registerakte genommen hatte, in erster Linie auf die Übersendung der Stellungnahme des Beteiligten zu 1) vom 19.04.2024 bezog, die Glaubhaftmachung eines berechtigten Interesses erfordere.
Mit einem Beschluss vom 10. September 2024 hat das Amtsgericht den Antrag auf eine solche Akteneinsicht verweigert, weil dem Beteiligten zu 2) alle Informationen weitergegeben worden seien und er sich nicht auf ein weitergehendes berechtigtes Interesse berufen könne. Der Beschluss, der einen Hinweis auf eine Beschwerdemöglichkeit nach § 58 FamFG enthält, ist dem Beteiligten zu 2) am 18.09.2024 zugestellt worden. Daraufhin beantragte der Beteiligte zu 2) mit Schreiben vom 15.10.2024 eine gerichtliche Entscheidung nach § 23 EGGVG, vorsorglich legte er auch Beschwerde gegen den Beschluss ein. Er berief sich wegen eines berechtigten Interesses auf seine nebenberufliche journalistische Tätigkeit im Bereich der Parteifinanzierung und Parteivermögen. Zudem habe er als Bürger und Wähler auch ein legitimes tatsächliches Interesse daran, Informationen über Vermögen und Finanzen der Parteien zu erhalten, erst Recht wenn dieses auf andere Rechtssubjekte ausgegliedert wird. Mit einem Beschluss vom 08.11.2024 hat das Amtsgericht dem Beschluss nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
II.
1. Die Beschwerde vom 15.10.2024 ist entsprechend der Rechtsbehelfsbelehrung aus der angegriffenen Entscheidung vom 18.09.2024 nach § 58 Abs. 1 FamFG statthaft und auch im Übrigen zulässig. Allerdings weist der Beteiligte zu 2) zu Recht darauf hin, dass über sein Akteneinsichtsantrag im Verfahren nach § 23 Abs.1 Satz 1 EGGVG zu entscheiden gewesen wäre, denn bei dem Akteneinsichtsbegehren eines Dritten nach § 13 Abs. 2 FamFG steht keine Verfahrensentscheidung, sondern eine Entscheidung der Gerichtsverwaltung im Raum (vgl. BGH, Beschluss vom 15. November 2023 – IV ZB 6/23 –, juris rn. 17; Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 24. Oktober 2024 – 102 VA 105/24 –, juris Rn. 19; Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 9. Dezember 2024 – 102 VA 138/24 –, juris Rn. 15). Die Zuständigkeit des Senats für eine derartige Entscheidung ergibt sich dabei aus Rz. 111 des Geschäftsverteilungsplans des Kammergerichts 2024.
Dass das Registergericht entgegen dem Vorstehenden durch Beschluss entschieden hat, schadet nach dem Meistbegünstigungsgrundsatz nicht. Denn danach geht eine Unklarheit oder ein Fehler zu Lasten des Gerichts mit der Folge, dass der betroffene Rechtssuchende auch das Rechtsmittel einlegen darf, das nach der getroffenen Entscheidung richtig wäre (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Februar 2018 – XII ZR 87/17 –, juris Rn. 13; Dutta/Jacoby/Müther, FamFG, 4. Aufl., § 58 Rn. 12; Sternal/Sternal, FamFG, 21. Aufl., § 68 Rn. 91). Dies ist hier geschehen. Insoweit sind auch die Beschwerdefrist und die Form der Beschwerdeeinlegung gewahrt. Der Beteiligte zu 2) ist beschwert, weil seinem Antrag nicht, jedenfalls nicht in vollem Umfang stattgegeben worden ist. Des Erreichens eines Beschwerwertes bedarf es nicht. Im Übrigen liegen auch die Voraussetzungen für eine Entscheidung nach § 25 Abs. 1 EGGVG vor, weil diese sich mit den Zulässigkeitsvoraussetzungen einer Beschwerde nach § 58 Abs. 1 FamFG weitgehend decken.
2. Der Antrag auf erweiterte Akteneinsicht hat aber keinen Erfolg. Der Ablehnung durch das Amtsgericht war nicht rechtswidrig, der Antragsteller wird auch nicht in seinen Rechten verletzt.
Gegenstand des Verfahrens ist allein noch die Frage, ob dem Beteiligten zu 2) unmittelbar Einsicht in die als Stellungnahmen zu den von ihm aufgestellten Behauptungen über einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb des Beteiligten zu 1) eingereichten Schreiben vom 19. April 2024 und 23. Juli 2024 entgegen den Bitten des Stellungnehmenden zu gewähren ist. Denn der Beteiligte zu 2) hat bereits eine umfassende Einsicht in die Registerakte erhalten, wie sich aus seiner Stellungnahme vom 27.05.2024 ergibt. Die Akte enthielt nicht nur die nach § 79 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 66 BGB jedermann zur Einsicht zur Verfügung stehenden Unterlagen, sondern auch den weiteren Schriftverkehr, weil das Registergericht bisher nicht von der Möglichkeit nach § 7 Abs. 1 Satz 2 VRV Gebrauch gemacht hat und lediglich eine Akte führt.
Die Gewährung eines weitergehenden Akteneinsichtsrechts entgegen der Bitte des Beteiligten zu 1) kommt nicht in Betracht, weil es insoweit an einem berechtigten Interesse im Sinne des § 13 Abs. 2 FamFG fehlt.
a) Wäre der Beteiligte zu 1) als Beteiligter des vorangegangenen und mittlerweile erledigten Verfahrens nach § 395 FamFG anzusehen, wäre zwar von einem berechtigten Interesse auszugehen (vgl. dazu Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 24. Oktober 2024 – 102 VA 105/24 –, juris Rn. 30ff). Denn als berechtigtes Interesse genügt jedes vernünftigerweise gerechtfertigte Interesse tatsächlicher, wirtschaftlicher oder wissenschaftlicher Art (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 5. Oktober 2020 – I-2 Wx 219/20 –, juris Rn. 9). Der Beteiligte zu 2) war aber nicht Beteiligter im verfahrensrechtlichen Sinne des FamFG. Eine solche Beteiligtenstellung folgt nicht aus dem Umstand, dass er gegenüber dem Registergericht die Einleitung eines Verfahrens nach § 395 FamFG gegen den Beteiligten zu 1) "beantragt" hat. Denn er selbst ist insoweit nicht antragsbefugt, so dass seine Eingabe lediglich als Anregung anzusehen war, die nicht dazu führt, dass eine Beteiligtenstellung im Sinne des § 7 FamFG erworben wird (vgl. Sternal/Sternal, FamFG, 21. Aufl., § 7 Rn. 16; MüKoFamFG/Pabst, 4. Aufl., § 7 Rn. 5). Auch im Übrigen liegen die Voraussetzungen des § 7 FamFG in der Person des Beteiligten zu 2) nicht vor. Eine Berufung auf ein allgemeines Informationsbedürfnis eines interessierten Bürgers reicht insoweit nicht aus.
Als Anregender des Verfahrens nach § 395 FamFG lässt sich ein berechtigtes Interesse nicht herleiten. Denn dem Beteiligten zu 2) sind alle von dem Beteiligten zu 1) mitgeteilten Umstände zu den von ihm aufgestellten Behauptungen übermittelt worden. Ein weitergehendes irgendwie geartetes Interesse ist nicht ersichtlich und nicht dargelegt. Dann kommt auch eine Akteneinsicht nicht in Betracht (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 5. Oktober 2020 – I-2 Wx 219/20 –, juris Rn. 9; Sternal/Sternal, FamFG, 21. Aufl., § 13 Rn. 30). Auf eine falsche oder unvollständige Wiedergabe des Inhalts der Stellungnahmen beruft sich der Beteiligte zu 2) auch nicht. Sie liegt auch nicht vor.
b) Der Beteiligte zu 2) kann sich schließlich auch nicht auf seine journalistische Tätigkeit berufen. Eine solche Tätigkeit wird allerdings durch Art. 5 Abs. 1 GG besonders geschützt. Dieser Schutz umfasst dabei auch die Informationsbeschaffung (vgl. BGH, Beschluss vom 17. August 2011 – V ZB 47/11 –, juris Rn. 6). Aus diesem Grund stehen dem Senat insoweit nur stark eingeschränkte Prüfungsmöglichkeiten zu. So hat sowohl die Qualität der journalistischen Tätigkeit unbeachtet zu bleiben, als auch die Frage, ob die erwarteten Informationen hilfreich oder notwendig sind (vgl. BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 28. August 2000 – 1 BvR 1307/91 –, juris Rn. 29). Gegen die Annahme, dass der Beteiligte zu 2) die weitergehende Akteneinsicht aufgrund seines journalistischen Interesses erstrebt, spricht aber, dass der Hinweis auf eine journalistische Tätigkeit erst in dem Moment erfolgt ist, als ihm wegen des Fehlens eines berechtigten Interesses eine weitergehende Akteneinsicht verwehrt worden ist. Die Schreiben sind darüber hinaus auch nur auf der Grundlage der von ihm aufgestellten Behauptungen im Verfahren nach § 395 FamFG erstellt worden und deshalb von ihm provoziert worden. Registerakten enthalten in der Regel keine Angaben zu den Vermögensverhältnissen und wirtschaftlichen Beziehungen der Vereine. Dann aber muss dem Betroffenen – hier dem Beteiligten zu 1) – das Recht verbleiben, einer unmittelbaren Übersendung seiner Stellungnahmen zu widersprechen. Dies gilt vor allem dann, wenn der Inhalt der Stellungnahmen bereits dem die Akteneinsicht Begehrenden bekannt gegeben worden ist.
3. Eine Kostenentscheidung ist nicht zu treffen. Die Verpflichtung zur Tragung der Gerichtskosten ergibt sich aus dem Gesetz, wobei von einem Wert des Verfahrens von 5.000 EUR auszugehen ist, § 36 Abs. 3 GNotKG. Die Anordnung einer außergerichtlichen Kostenerstattung ist nach Ansicht des Senats nicht veranlasst, weil es sich nicht um ein kontradiktorisches Verfahren handelt und auch das Entstehen besonderer außergerichtlicher Kosten nicht ersichtlich ist.
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