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Entscheidungen

Verwaltungsrecht

Abschleppkosten, Pkw mit Verbrennermotor, Parken auf E-Auto-Parkplatz, Ladesäule, nicht betriebsbereit

Gericht / Entscheidungsdatum: VG Hamburg, Urt. v. 18.03.2025 - 21 K 3886/24

Leitsatz des Gerichts:

Die Sicherstellung eines verbotswidrig auf einem Parkplatz für elektrisch betriebene Fahrzeuge während des Ladevorganges abgestellten Fahrzeugs mit Verbrennungsmotor ist unverhältnismäßig, wenn offensichtlich ist, dass die zu dem Parkplatz gehörende Ladesäule längerfristig funktionsunfähig ist.


In pp.

Der Bescheid vom XXX und der Widerspruchsbescheid vom XXX werden aufgehoben.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 472,10 EUR zu zahlen.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen einen Gebührenbescheid, mit dem die Beklagte ihn für die Kosten der Sicherstellung seines Pkw heranzieht.

Der Kläger ist Fahrer und Halter eines Pkw mit dem amtlichen Kennzeichen XXX. Das Fahrzeug ist mit einem Verbrennungsmotor ausgestattet. Am XXX stellte der Kläger das Fahrzeug jedenfalls ab 9:57 Uhr auf einem Parkplatz gelegen in der G-Straße, Hamburg ab. Mit Blick von der Zufahrtsstraße auf diesen Parkplatz stand unmittelbar rechts von seinem Fahrzeug, etwa einen Meter entfernt auf dem Gehweg ein Schildermast mit dem Verkehrszeichen 314 (Parken) der lfd.Nr. 7der Anlage 3 zu § 42 Abs.2 StVO, das mit einem weißen Pfeil nach links in Richtung des Parkplatzes versehen war. Unmittelbar unter dem Verkehrszeichen 314 befand sich ein weißes Zusatzzeichen, auf dem ein Pkw mit einem Elektrostecker entsprechend dem Sinnbild nach § 39 Abs.10 StVO abgebildet war, das zum Inhalt die Bevorrechtigung elektrisch betriebener Fahrzeuge hat (im Folgenden: Zusatzzeichen "E-Auto"). Unmittelbar darunter befand sich ein zweites weißes Zusatzzeichen, auf dem der Schriftzug "während des Ladenvorgangs" (Zeichen 1050-32) zu sehen war. Wiederum darunter befand sich ein Zusatzzeichen entsprechend Bild 318 (Parkscheibe) der lfd. Nr. 11 der Anlage 3 zu § 42 Abs. 2 StVO mit der Angabe "1 Std" (im Folgenden: Zusatzzeichen "Parkscheibe"). Gegenüber dem Schildermast zur linken Seite des Parkplatzes befand sich eine Ladesäule für Elektrofahrzeuge auf dem Gehweg.

Um 9.57 Uhr nahm ein Bediensteter der Beklagten das Fahrzeug des Klägers wahr und veranlasste um 10:43 Uhr das Abschleppen des Fahrzeugs. Der Abschleppvorgang wurde um 11:01 Uhr durch ein privates Abschleppunternehmen durchgeführt. Das Fahrzeug wurde zu einem Verwahrplatz verbracht. Der Kläger holte sein Fahrzeug am selben Tag um 13.39 Uhr gegen Bezahlung der Abschleppgebühren (hierzu sogleich) bei der Verwahrstelle ab.

Mit "Gebührenbescheid zur Sicherstellung eines verkehrsbehindernd abgestellten Fahrzeugs" vom XXX setzte die Beklagte gegen den Kläger Gebühren und Auslagen in Höhe von insgesamt 472,10 EUR fest. Diese setzen sich wie folgt zusammen: Amtshandlungsgebühr gemäß § 1 Abs. 1 i.V. m. Ziff. 25 der Anlage 1 GebG in Höhe von 70,70 EUR, besondere Auslagen/Abschleppkosten gemäß § 5 Abs. 2 GebG in Höhe von 297,50 EUR sowie eine Verwahrgebühr gemäß § 1 Abs. 1 i.V. m. Ziff. 26 - 26.6 der Anlage 1 GebOSiO in Höhe von 103,90 EUR. Zur Begründung heißt es in dem Gebührenbescheid, das Fahrzeug des Klägers sei verbotswidrig abgestellt gewesen, da es sich auf einem Parkplatz mit einer Ladesäule befunden habe, der elektrisch betriebenen Fahrzeugen vorbehalten sei. Elektrisch betriebene Fahrzeug hätten den Parkplatz aber nicht mehr nutzen können. So sei eine Beeinträchtigung der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs oder eine Gefährdung, Behinderung oder Belästigung anderer Verkehrsteilnehmer nicht auszuschließen gewesen. Der Störung habe die Beklagte aufgrund fehlender Abstellmöglichkeit in der Nähe des Einsatzortes nicht mit einer Umsetzung begegnen können. Die Beklagte habe das Fahrzeug daher nach § 14 Abs. 1 Satz 2 HmbSOG sicherstellen müssen. Dem Kläger seien nach § 14 Abs. 3 Satz 3 HmbSOG die dafür angefallenen Kosten aufzuerlegen.

Gegen diesen Gebührenbescheid erhob der Kläger am XXX Widerspruch. Zur Begründung führte er aus, sein Fahrzeug sei nicht verkehrsbehindernd, sondern auf einem Parkplatz abgestellt gewesen. An diesem Parkplatz sei entgegen der Behauptung der Beklagten keine Ladesäule gewesen. Die Beklagte habe bereits vor über einem Jahr die Ladesäule entfernt und bis heute keine neue installiert. Der Kläger fügte seinem Widerspruch Fotos bei, die nach seinen Angaben zeigen sollen, dass an dem Parkplatz, von dem der Kläger abgeschleppt wurde, keine Ladesäule stand. Auf den beigefügten Fotos ist eine Ladesäule zu erkennen, auf der ein Schild mit der Aufschrift "Wir treiben die Verkehrswende voran. Hier entsteht in Kürze ein neuer HPC-Standort. Sobald er an unser Stromnetz angeschlossen ist, können Sie hier mit 150kW laden" angebracht ist. Außerdem ist zu erkennen, dass an dem Kabel, welches zu dem Auto-Stecker führt, eine kleine Tüte befestigt ist, die einer Zubehör-Tüte ähnelt. Ergänzend trug der Kläger vor, dass ein mit dem hiesigen Verfahrensgegenstand zusammenhängendes Ordnungswidrigkeitsverfahren inzwischen gerichtlich eingestellt worden sei. Die Ladesäule sei an dem Abschlepport zum Zeitpunkt des Abschleppvorgangs außer Betrieb gewesen. Dieser Zustand dauere bereits seit vier Jahren an.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom XXX zurück. Das Fahrzeug des Klägers sei verbotswidrig abgestellt gewesen, da es sich, ohne dazu berechtigt gewesen zu sein, im Geltungsbereich eines aus Verkehrszeichen 314 i.V.m. dem Zusatzschild Elektrofahrzeug resultierenden Parkverbots befunden habe. Durch die vorbenannte Verkehrszeichenkombination werde nach den § 42 Abs. 2 StVO i.V.m. Anlage 3 lfd. Nr. 7 Spalte 3 eine Parkerlaubnis für elektrisch betriebene Fahrzeuge begründet und gleichzeitig das Parken entgegen der auf dem Zusatzschild angezeigten Beschränkung verboten. Die Behauptung des Klägers, die Ladesäule habe zum Zeitpunkt der Anordnung des Abschleppvorgangs nicht existiert oder sei jedenfalls außer Betrieb gewesen, ließe sich nach Anhörung des handelnden Polizeibeamten nicht bestätigen. Überdies sei die Behauptung ohnehin unerheblich. Für Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor, wie das des Klägers, gelte das Parkverbot unabhängig davon, ob die in Rede stehende Ladesäule vorhanden oder funktionstüchtig gewesen sei, da das Verbot aus der Beschilderung, nicht etwa der Ladesäule folge. Durch den Verstoß gegen das vorbezeichnete Parkverbot sei eine Beeinträchtigung der Sicherheit oder Leichtigkeit des Verkehrs oder eine Gefährdung, Behinderung oder Belästigung anderer Verkehrsteilnehmer eingetreten. Der Beklagten habe keine gleich geeignete und verhältnismäßigere Möglichkeit offen gestanden, die Störung zu beheben. So habe eine Umsetzung aufgrund fehlender Abstellmöglichkeiten in der Nähe des Abschlepportes außer Betracht bleiben müssen und ein Abwarten auf die völlig ungewisse Rückkehr des Fahrers sei angesichts dessen, dass die Behinderung auf unabsehbare Zeit angedauert hätte, unzumutbar. Die alleinige Verhängung eines Verwarnungs- oder Bußgeldbescheides hätte nicht ausgereicht, da sie die eingetretene Störung nicht beseitigt hätte, sondern nur die Ahndung des Fehlverhaltens bezwecke. So stünde die Rechtmäßigkeit der Sicherheitsanordnung und des daraufhin ergangenen Gebührenbescheids auch nicht deshalb in Frage, weil ein mit dem hiesigen Verfahren zusammenhängendes Ordnungswidrigkeitsverfahren eingestellt worden ist. Die hier in Rede stehende Haftung trete im Gegensatz zum Ordnungswidrigkeitsrecht verschuldensunabhängig ein, sodass es für die Rechtmäßigkeit der Kostenerhebung unerheblich sei, dass das Ordnungswidrigkeitsverfahren eingestellt worden ist. Zudem gehe aus den vom Kläger übersandten Unterlagen der Grund für die Einstellung nicht hervor. Die festgesetzten Gebühren seien auch der Höhe nach nicht zu beanstanden.

Der Kläger hat am XXX Klage erhoben und wiederholt zur Begründung sein Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren.

Mit Beschluss vom XXX hat das Gericht das Verfahren abgetrennt, soweit der Kläger mit dem Klagantrag Ausgleich desjenigen Schadens begehrt hat, der ihm infolge des aus seiner Sicht rechtswidrigen Abschleppvorgangs entstanden sei, insbesondere Beschädigungen an dem Fahrzeug und sein Verdienstausfall.

Mit Schreiben vom XXX teilte die Betreiberin der Ladesäule, die A. GmbH, mit, dass die hier streitgegenständliche Ladesäule am XXX nicht in Betrieb gewesen sei. Die Errichtung sei am XXX, die Inbetriebnahme am XXX erfolgt. Ob erkennbar gewesen sei, dass die Ladesäule außer Betrieb war, sei nicht bekannt.

Der Kläger beantragt nunmehr,
den Gebührenbescheid vom XXX und den Widerspruchbescheid vom XXX aufzuheben, sowie
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 472,10 EUR zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen

und bezieht sich zur Begründung auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung der Berichterstatterin anstelle der Kammer erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 18. März 2025, die Gerichtsakte und die beigezogene Sachakte der Beklagten Bezug genommen.

Gründe

I.

Das Gericht entscheidet im Einverständnis der Beteiligten gemäß § 87a Abs. 2 und Abs. 3 VwGO durch die Berichterstatterin anstelle der Kammer.

II.

Die Klage hat Erfolg. Sie ist zulässig (dazu 1.) und begründet (dazu 2.).

1. Die Klage ist zulässig, insbesondere als Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 Var. 1 VwGO statthaft. Soweit der Kläger die anschließende Erstattung der bereits erbrachten Leistungen durch die Behörde begehrt, handelt es sich um einen Annexantrag mit Leistungsbegehren nach § 113 Abs. 1 Satz 2 VwGO.

2. Die Klage hat auch in der Sache Erfolg. Der Kläger kann sowohl die Aufhebung des Gebührenbescheides (dazu a.) als auch die Erstattung der gezahlten Gebühren (dazu b.) beanspruchen.

a) Der angefochtene Gebührenbescheid der Beklagten vom XXX und der Widerspruchbescheid vom XXX sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

aa) Rechtsgrundlage für den angefochtenen Gebührenbescheid sind § 14 Abs. 3 Satz 3 SOG, §§ 2 Abs. 1 Satz 1, 3 Abs. 1 Nr. 4, 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5, Satz 2 GebG und § 1 Abs. 1 der Gebührenordnung für Maßnahmen auf dem Gebiet der öffentlichen Sicherheit und Ordnung (GebOSiO) i.V.m. den Ziffern 25 und 26.3.1 sowie 26.3.2 der Anlage 1 zur GebOSiO, allesamt in der bei Erlass des angefochtenen Widerspruchsbescheids bzw., was die einzelnen Gebührensätze anbelangt, in der bei Durchführung der Maßnahme geltenden Fassung.

bb) Der Gebührenbescheid der Beklagten und der Widerspruchbescheid sind materiell rechtswidrig. Voraussetzung für eine rechtmäßige Gebührenerhebung ist, dass die zugrundeliegende Amtshandlung ihrerseits rechtmäßig ist und dass die gebührenrechtlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Klägers erfüllt sind. Vorliegend fehlt es bereits an der Rechtmäßigkeit der zugrundeliegenden Amtshandlung, nämlich der Sicherstellung. Die Voraussetzungen des hier allein anwendbaren § 14 Abs. 1 Satz 2 HmbSOG lagen im maßgeblichen Zeitpunkt nicht vor. Gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 des HmbSOG wird ein verbotswidrig abgestelltes oder liegengebliebenes Fahrzeug in der Regel sichergestellt, wenn es die Sicherheit oder Leichtigkeit des Verkehrs beeinträchtigt oder eine Gefährdung, Behinderung oder Belästigung anderer Verkehrsteilnehmer nicht auszuschließen ist und der vom Fahrzeug ausgehenden Gefahr nicht mit einer Umsetzung auf einen in unmittelbarer Nähe gelegenen freien und geeigneten Platz im öffentlichen Verkehrsraum begegnet werden kann. Maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit ist dabei der Zeitpunkt der Abschleppanordnung, die der vor Ort den ruhenden Verkehr kontrollierende Polizeibedienstete trifft (OVG Hamburg, Urt. v. 4.8.2021, 3 Bf 1/20, n. v., S. 13 BA; Urt. v. 16.11.2011, 5 Bf 292/10, juris Rn. 22; Beschl. v. 8.5.2009, 3 Bf 96/09.Z, n. v., S. 3 BA; VG Hamburg, Urt. v. 12.4.2011, 21 K 1902/09, juris Rn. 20).

Diese Voraussetzungen lagen hier nicht vor. Das Fahrzeug war zwar verbotswidrig geparkt (dazu (1)), jedoch begegnet die gewählte Rechtsfolge rechtlichen Bedenken (dazu (2)).

(1) Das Parkverbot folgt vorliegend aus §§ 39 Abs. 2, Abs. 3, 42 Abs. 2 StVO i. V. m. Anlage 3, Zeichen 314 ("Parken") sowie den Zusatzzeichen 1010-66 ("Elektrisch betriebene Fahrzeuge") und 1053-54 ("während des Ladevorgangs"), wodurch das Parken zugunsten elektrisch betriebener Fahrzeuge beschränkt wurde. Aus dieser Beschränkung folgt spiegelbildlich das Parkverbot für nicht elektrisch betriebene Fahrzeuge und für elektrisch betriebene Fahrzeuge, die keinen Ladevorgang durchführen (vgl. VG Hamburg, Urt. v. 25.5.23, 20 K 3081/21, S. 7 UA, n.v.).

Das Parkverbot ist als Allgemeinverfügung nach § 35 Satz 2 HmbVwVfG durch Aufstellung (vgl. § 45 Abs. 4 StVO) zudem auch dem Kläger gegenüber wirksam nach § 43 Abs. 1 HmbVwVfG bekanntgegeben worden. Insbesondere sind die Anforderungen des Sichtbarkeitsgrundsatzes erfüllt. Verkehrszeichen für den ruhenden Verkehr äußern ihre Rechtswirkung gegenüber jedem von der Regelung betroffenen Verkehrsteilnehmer, gleichgültig, ob er das Verkehrszeichen tatsächlich wahrnimmt oder nicht, wenn sie so aufgestellt oder angebracht sind, dass ein durchschnittlicher Kraftfahrer bei Einhaltung der nach § 1 StVO erforderlichen Sorgfalt und ungestörten Sichtverhältnissen während der Fahrt oder durch einfache Umschau beim Aussteigen ohne Weiteres erkennen kann, dass ein Ge- oder Verbot durch ein Verkehrszeichen verlautbart wurde (vgl. BVerwG, Urt. v. 6.4.2016, 3 C 10/15, juris Rn. 21). Auch liegen die Anforderungen für die Aufstellung von Verkehrszeichen zur Bevorrechtigung elektrisch betriebener Fahrzeuge nach § 45 Abs. 1g StVO und § 3 Abs. 1, Abs. 4 Nr. 1 des Elektromobilitätsgesetzes vom 5. Juni 2015 (BGBl. I S. 898, EmoG) – hiernach ist insbesondere eine Bevorrechtigung für das Parken auf öffentlichen Straßen oder Wegen möglich – vor.

Das Parkverbot bezieht sich in seinem räumlichen Geltungsbereich auch auf den von dem Kläger gewählten Parkplatz. Dies ergibt sich aus der Aufstellung des Schildes ungefähr auf Höhe der Grenze zweier Parkplätze zueinander sowie dem auch nach links weisenden Pfeil, der jedenfalls den unmittelbar links angrenzenden Parkplatz, auf dem sich das Fahrzeug des Klägers befunden hat, miterfasst. Dass die Ladesäule unstreitig nicht funktionsfähig war, steht dem nicht entgegen. Denn das Parkverbot folgt allein aus dem Verkehrszeichen 314 mit Zusatzzeichen nach Anlage 3, Abschnitt 3, laufende Nr. 7, Spalte 3 Nr. 3a) StVO i.V.m. § 42 Abs. 2 StVO. Der Ladesäule kommt hingegen keine Verkehrszeichenqualität zu (vgl. zu Bodenmarkierungen VG Hamburg Urt. v. 22.5.2018, 3 K 5435/17 n.v. S. 7).

(2) Es kann offen bleiben, ob die übrigen Tatbestandsvoraussetzungen des § 14 Abs. 1 Satz 2 HmbSOG vorliegen. Denn selbst wenn dies zugunsten der Beklagten angenommen wird, war die Sicherstellung dennoch rechtswidrig. Die Beklagte hat von ihrem nach § 14 Abs. 1 Satz 2 SOG eröffneten Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht, § 114 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 14 Abs. 1 Satz 2 HmbSOG für die Sicherstellung des Fahrzeugs vor, so ist es "in der Regel" sicherzustellen. Bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen sieht § 14 Abs. 1 Satz 2 HmbSOG der Beklagten auf Rechtsfolgenseite ein intendiertes Ermessen vor. Vorliegend kann dahinstehen, ob ein atypischer Fall vorliegt, der ausnahmsweise eine Ermessenserwägung durch die Beklagte erfordert hätte. Denn jedenfalls war die Sicherstellungsanordnung unter Berücksichtigung der bei einer Sicherstellung nach § 14 Abs. 1 Satz 2 HmbSOG im Einzelfall stets zu prüfenden Anforderungen des bundesverfassungsrechtlichen Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 27.11.2009, 3 Bf 36/06, juris Rn. 29) rechtswidrig.

Bei der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit ist es im Regelfall unerheblich, ob der Kläger durch das verbotswidrige Abstellen konkret ein bevorrechtigtes Elektrofahrzeug am Parken und Laden hinderte. Denn bei der rechtswidrigen Inanspruchnahme von Parkraum, der Bevorrechtigten zur Verfügung stehen soll, darf ein Fahrzeug auch ohne konkrete Behinderung der bevorrechtigten Verkehrsteilnehmer und ohne Einhaltung einer besonderen Wartezeit regelmäßig zwangsweise entfernt werden. Nur so kann dem mit der Einrichtung von bevorrechtigten Parkplätzen verfolgten Anliegen hinreichend effektiv Rechnung getragen werden. Die parkbevorrechtigten Benutzerkreise sollen nach der gesetzgeberischen Wertung darauf vertrauen können, dass der gekennzeichnete Parkraum ihnen unbedingt zur Verfügung steht. Zudem kann den Verkehrsordnungsbehörden nicht die Pflicht auferlegt werden, den Bedarf an freizuhaltenden Plätzen fortlaufend zu überprüfen und hiervon ein Einschreiten abhängig zu machen (zu Taxenständen: BVerwG, Urt. v. 9.4.2014, 3 C 5/13, juris Rn. 11; zu Behindertenparkplätzen: BVerwG, Beschl. v. 11.8.2003, 3 B 74/03, juris Rn. 3; OVG Hamburg, Urt. v. 25.3.2003, 3 Bf 113/02, juris Rn. 32; OVG Münster, Beschl. v. 21.3.2000, 5 A 2339/99, juris Rn. 2 ff.). Diese Grundsätze sind auf die für bevorrechtigte Elektrofahrzeuge vorgesehenen Parkplätze an Ladesäulen zu übertragen. Auch deren Funktion wird nur gewährleistet, wenn sie jederzeit von nicht parkberechtigten Fahrzeugen freigehalten werden (VG Hamburg, Urt. v. 17.4.2019, 21 K 1539/18, n. v., S. 9 BA; Urt. v. 19.3.2019, 11 K 9122/17, n. v., S. 8 BA; GB v. 25.5.2018, 2 K 7467/17, juris Rn. 43).

Im vorliegenden Einzelfall ergibt sich jedoch ausnahmsweise ein von den vorstehenden Maßgaben abweichendes Abwägungsergebnis. Maßgeblich in die Abwägung einzustellen ist, dass die Ladesäule, die Anlass für die entsprechende Beschilderung gab, zum Zeitpunkt der Sicherstellungsanordnung erkennbar funktionsunfähig war. Dabei verkennt das Gericht nicht, dass – wie auch die Beklagte im Rahmen der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat – die Funktionsfähigkeit einer Ladesäule nicht zwingend auf den ersten Blick erkennbar ist und dass es dem handelnden Polizeibeamten regelmäßig nicht zuzumuten sein dürfte, Nachforschungen betreffend die Funktionsfähigkeit und gegebenenfalls betreffend die Dauer der Funktionsunfähigkeit anzustellen. Dies gilt auch deshalb, weil letzteres im Regelfall nicht absehbar sein und eine Wiederherstellung der Funktionsfähigkeit in unmittelbarer zeitlicher Nähe nicht ausgeschlossen sein dürfte.

So liegt es hier jedoch nicht. Vorliegend war ausweislich der in der Sachakte enthaltenen Lichtbilder auf der Ladesäule ein deutlich erkennbares, offenbar DIN-A4-großes Schild angebracht, welches die folgende Aufschrift trug: "Wir treiben die Energiewende voran. Hier entsteht in Kürze ein neuer HPC-Standort. Sobald er an unser Stromnetz angeschlossen ist, können Sie hier mit 150 kW laden." Dafür, dass diese Lichtbilder, welche der Kläger zur Akte gereicht hat, nicht in dem hier streitgegenständlichen Zeitraum aufgenommen worden sind, sind Anhaltspunkte weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Zusätzlich zu dem Schild war an der Ladesäule mit Kabelbindern eine Tüte angebracht, die – soweit erkennbar – Zubehörteile enthalten haben wird. Auch dies lässt einen objektiven Beobachter annehmen, dass sich die Ladesäule noch im Aufbau befand. Diese offensichtlichen Hinweise hätten den Polizeibeamten vor Ort dazu veranlassen müssen, sich über die Funktionsfähigkeit der Ladesäule zu vergewissern. Dies hat der handelnde Polizeibeamte ausweislich seiner Stellungnahme vom XXX jedoch nicht getan.

Der offensichtlich nicht bestehenden Funktionsfähigkeit kommt im vorliegenden Fall auch deshalb ein besonderes Gewicht zu, weil die Parkbevorrechtigung ausweislich der Verkehrszeichen gerade für Elektrofahrzeuge während des Ladevorganges und nicht etwa für Elektrofahrzeuge im Allgemeinen angeordnet war. Die Funktionsunfähigkeit hatte somit zur Folge, dass kein Fahrzeug dort hätte parken können, unabhängig von der Antriebsart. Der Parkplatz wäre somit dem Verkehrsraum vollständig entzogen gewesen. Vor diesem Hintergrund kann auch der vorgenannte Grundsatz, dass bei der rechtswidrigen Inanspruchnahme von Parkraum, der Bevorrechtigten zur Verfügung stehen soll, ein Fahrzeug auch ohne konkrete Behinderung der bevorrechtigten Verkehrsteilnehmer und ohne Einhaltung einer besonderen Wartezeit regelmäßig zwangsweise entfernt werden darf, um dem mit der Einrichtung von bevorrechtigten Parkplätzen verfolgten Anliegen hinreichend effektiv Rechnung zu tragen, ausnahmsweise nicht zum Tragen kommen. Denn selbst den parkbevorrechtigten Benutzerkreisen stand der gekennzeichnete Parkraum nicht zur Verfügung und dessen Funktion konnte durch das Freihalten von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor nicht gewährleistet werden.

b) Der auf Erstattung der gezahlten Gebühren gerichtete Leistungsantrag ist begründet. Dem Kläger steht ein Vollzugsfolgenbeseitigungsanspruch gerichtet auf die Zahlung der Abschleppkosten in Höhe von 472,10 EUR zu, da die Kosten – wie dargestellt – nicht rechtmäßig erhoben wurden.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Vollstreckbarkeitsentscheidung aus §§ 167 Abs. 1 und Abs. 2 VwGO i. V. m. 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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