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Entscheidungen

KCanG u.a.

KCanG, Cannabisbesitz, Haftraum, gewöhnlicher Aufenthalt

Gericht / Entscheidungsdatum: KG, Urt. v. 28.05.2025 – 5 ORs 17/25

Leitsatz des Gerichts:

1. Der Besitz von bis zu 50 Gramm Cannabis durch einen Strafgefangenen in seinem Haftraum während der Verbüßung einer mehrjährigen Haftstrafe unterfällt der Erlaubnisnorm des § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 KCanG, die eine Ahndung als Straftat oder Ordnungswidrigkeit ausschließt. Insoweit handelt es sich bei dem Haftraum um den gewöhnlichen Aufenthalt des Gefangenen.
2. Der Gesetzgeber hat die Legaldefinition des gewöhnlichen Aufenthalts in § 1 Nr. 17 KCanG explizit an diejenige in § 9 AO und § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I angelehnt, die nach der hierzu ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung auch den Aufenthalt eines Strafgefangenen in einer Justizvollzugsanstalt bei Vollzug einer mehrjährigen Freiheitsstrafe erfassen. Auf die Freiwilligkeit des Aufenthalts kommt es dabei nicht an; entscheidend sind vielmehr (allein) die tatsächlichen Verhältnisse.
3. Der Gesetzeszweck des § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 KCanG rechtfertigt keine andere Auslegung. Die den Gesetzesmaterialien zu entnehmende Zielrichtung der Vorschrift, Personen von einer Strafbarkeit auszunehmen, die neben dem nach § 3 Abs. 1 KCanG erlaubten Besitz von 25 Gramm Cannabis zum Eigenkonsum in zulässiger Weise Cannabispflanzen anbauen und abernten, hat im Gesetzeswortlaut ebenso wenig Niederschlag gefunden wie eine mögliche Begrenzung der Erlaubnis auf private Räumlichkeiten. Die Gestattung des Besitzes von bis zu 50 Gramm Cannabis gilt vielmehr unabhängig davon, ob die betreffen-de Person zugleich auch lebende Cannabispflanzen besitzt – was in einer Justizvollzugsanstalt möglicherweise nicht von der Erlaubnisnorm erfasst ist.
4. Bei der Einordnung als gewöhnlicher Aufenthalt kommt es nicht darauf an, dass der Haft-raum nicht vom Schutzbereich des in Art. 13 GG gewährleisteten Wohnungsgrundrechts erfasst ist.
5. Allgemeine Erwägungen zur Sicherheit und Ordnung der Justizvollzugsanstalt oder zur Gefährdung des Vollzugsziels haben im Konsumcannabisgesetz keinen Ausdruck gefunden und können daher nicht zur Einschränkung des Erlaubnistatbestandes des § 3 Abs. 2 Satz 1 KCanG herangezogen werden. Sonderregelungen, wie sie etwa für militärische Be-reiche der Bundeswehr, Schulen, Kinderspielplätze oder Kinder- und Jugendeinrichtungen gelten, hat der Gesetzgeber für Justizvollzugsanstalten gerade nicht getroffen. Eine erweiternde Auslegung dieser Normen verbietet sich mit Blick auf Art. 103 Abs. 2 GG.
6. Hiervon unberührt bleibt die Möglichkeit, den Besitz und Konsum von Cannabis in Justizvollzugsanstalten und Maßregelvollzugseinrichtungen auf der Grundlage der jeweils geltenden Vollzugsgesetze etwa im Wege der Allgemeinverfügung beziehungsweise in der Hausordnung mit Blick auf die Sicherheit und Ordnung der Anstalt generell zu untersagen und entsprechende Verstöße mit vollzuglichen Maßnahmen zu ahnden.


In pp.

Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 6. Dezember 2024 wird auf Kosten der Landeskasse Berlin, die auch die notwendigen Auslagen des Angeklagten zu tragen hat, verworfen.

Gründe

I.

1. Das Amtsgericht Tiergarten verurteilte den Angeklagten wegen Besitzes von Betäubungsmitteln zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je zehn Euro und gewährte ihm Zahlungserleichterungen nach § 42 StGB. Von dem weiteren Tatvorwurf des Besitzes von Cannabis (§ 34 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a) KCanG) sprach es den Angeklagten aus rechtlichen Gründen frei. Nach den insoweit getroffenen Feststellungen verwahrte der Angeklagte, der seit dem 7. September 2023 eine Haftstrafe von zwei Jahren und drei Monaten in der Justizvollzugsanstalt P. verbüßt, am 23. April 2024 in seinem Haftraum 45,06 Gramm Cannabisharz mit einer Wirkstoffmenge von 13,64 Gramm Tetrahydrocannabinol, das zum Eigenkonsum bestimmt war. Das Amtsgericht bewertete dies als gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 KCanG erlaubten Besitz von bis zu 50 Gramm Cannabis am gewöhnlichen Aufenthalt des Angeklagten. Ein Haftraum in einer Justizvollzugsanstalt sei jedenfalls dann gewöhnlicher Aufenthalt im Sinne der Legaldefinition des § 1 Nr. 17 KCanG, wenn die Haftdauer auf mindestens sechs Monate angelegt sei. Auf eine Freiwilligkeit des Aufenthalts komme es ebensowenig an wie auf die Frage, ob die Räume dem Schutzbereich des Art. 13 GG unterfielen.

2. Gegen den Teilfreispruch wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer (Sprung-) Revision, mit der sie die Verletzung sachlichen Rechts rügt. Sie vertritt die Auffassung, der Erlaubnistatbestand des § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 KCanG sei nicht erfüllt. Bei einem Haftraum handele es sich nicht um den gewöhnlichen Aufenthalt eines Strafgefangenen. Wenngleich sich der Gesetzgeber bei der Begriffsbestimmung an §§ 8 f. AO und § 30 Abs. 3 SGB I angelehnt habe, sei eine restriktive Auslegung geboten. Die Norm gestatte den eigenverantwortlichen Konsum von Cannabis innerhalb privater Wohnräume. Eine Legalisierung des Besitzes von Cannabis in Hafträumen einer Justizvollzugsanstalt sei von dem Gesetzeszweck nicht erfasst. Er gefährde die Sicherheit und Ordnung der Anstalt und unterlaufe die Ziele des Strafvollzugs. Als Auslegungshilfe könne die Regelung über den Gerichtsstand des gewöhnlichen Aufenthaltsorts in § 8 Abs. 2 StPO herangezogen werden, der nur freiwillig begründet werden könne. Der Haftraum sei im Übrigen auch nicht als Wohnsitz (§ 1 Nr. 16 KCanG) zu bewerten, weil er von den Gefangenen nur im Rahmen der Weisungen der Anstaltsleitung genutzt werden dürfe. Die Staatsanwaltschaft beantragt, den Angeklagten unter Aufhebung des Freispruchs wegen Besitzes von Cannabis schuldig zu sprechen und die Sache insoweit zu neuer Verhandlung und Entscheidung über den Strafausspruch an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Tiergarten zurückzuverweisen.

II.

Das zulässig erhobene und wirksam auf den (Teil-)Freispruch beschränkte Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft bleibt ohne Erfolg. Das Urteil hält, soweit es angefochten ist, der sachlich-rechtlichen Überprüfung stand. Der festgestellte Besitz von Cannabis durch den Angeklagten unterfällt der Erlaubnisnorm des § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 KCanG, die eine Ahndung als Straftat oder Ordnungswidrigkeit ausschließt.

1. Nach § 3 Abs. 1 KCanG ist Personen, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, der Besitz von bis zu 25 Gramm Cannabis, bei Pflanzenmaterial bezogen auf das Gewicht nach dem Trocknen, zum Eigenkonsum erlaubt. Abweichend hiervon gestattet § 3 Abs. 2 Satz 1 KCanG den genannten Personen an ihrem Wohnsitz oder an ihrem gewöhnlichen Aufenthalt den Besitz von bis zu 50 Gramm Cannabis sowie von bis zu drei lebenden Cannabispflanzen. Der Senat teilt die Auffassung des Amtsgerichts, dass es sich bei dem Haftraum des Angeklagten in der Justizvollzugsanstalt P. um dessen "gewöhnlichen Aufenthalt" im Sinne dieser Vorschrift handelt.

a) Der Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts ist ebenso wie der des Wohnsitzes in § 1 KCanG legaldefiniert. Wohnsitz ist danach der Ort, an dem eine Person seit mindestens sechs Monaten eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, dass sie die Wohnung beibehalten und benutzen wird (§ 1 Nr. 16 KCanG). Demgegenüber ist gewöhnlicher Aufenthalt der Ort, an dem sich eine Person unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass sie an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt; solche Umstände sind bei einem zeitlich zusammenhängenden Aufenthalt an einem Ort von mindestens sechs Monaten Dauer anzunehmen, wobei kurzfristige Unterbrechungen unberücksichtigt bleiben (§ 1 Nr. 17 KCanG). Die Definitionen hat der Gesetzgeber erklärtermaßen an diejenigen in §§ 8 und 9 AO sowie § 30 Abs. 3 Satz 1 und 2 SGB I angelehnt (BT-Drucks. 20/8704, Seite 93; vgl. Hollering/Köhnlein in: BeckOK BtMG, 26. Ed. 15.03.2025, KCanG § 1 Rn. 29 f.; Patzak in: Patzak/Fabricius, BtMG 11. Aufl., § 1 KCanG Rn. 37 f.). Bei der Auslegung und Anwendung der Erlaubnisnorm des § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 KCanG ist daher auf die Bedeutung der Begrifflichkeiten zurückzugreifen, wie sie Rechtsprechung und Literatur zu den in Bezug genommenen Normen entwickelt haben.

aa) Bei dem gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne des § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I handelt es sich um den Ort, an dem die Person sozial integriert ist und ihren auf längere Zeit angelegten tatsächlichen Lebensmittelpunkt hat. Auf den Willen, den Aufenthaltsort zum Mittelpunkt oder Schwerpunkt der Lebensverhältnisse zu machen, kommt es dabei nicht an; entscheidend sind vielmehr (allein) die tatsächlichen Verhältnisse (vgl. BGH, Beschluss vom 14. August 2024 – XII ZB 440/23 –, juris Rn. 19 [zu § 5 Abs. 1 Nr. 2 VBVG unter Rückgriff auf § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I], m. w. Nachw.). Die für einen gewöhnlichen Aufenthalt erforderliche Dauer – zu der § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I anders als § 1 Nr. 17 KCanG keine Bestimmung enthält – ist unter Berücksichtigung des jeweiligen Normzwecks nach den Umständen des Einzelfalles zu bestimmen (vgl. BGH, a. a. O.). Danach kann auch die zwangsweise Unterbringung in einer stationären Einrichtung einen gewöhnlichen Aufenthalt begründen, wie etwa im Fall eines Strafgefangenen in einer Justizvollzugsanstalt bei Vollzug einer mehrjährigen Freiheitsstrafe (vgl. BGH, a. a. O., Rn. 20 f., unter Bezugnahme auf BGH, Beschluss vom 14. Dezember 2011 – XII ZB 521/10 –, juris Rn. 11, 15 ff.; ebenso Hollering/Köhnlein, a. a. O., KCanG § 3 Rn. 3a). Denn der Strafgefangene verbringt die weit überwiegende Zeit in der Vollzugsanstalt, empfängt dort seine Besucher und unterhält dort seine sozialen Kontakte. Ohne Auswirkung auf den aktuellen gewöhnlichen Aufenthalt sind dabei vorübergehende Unterbrechungen wie die Gewährung von Hafturlaub oder die Möglichkeit einer späteren Rückkehr in eine eventuell weiterhin verfügbare Wohnung (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Dezember 2011, a. a. O., Rn. 18). Anderes gilt für die Untersuchungshaft, weil diese nicht auf Dauer angelegt ist und jederzeit beendet werden kann (vgl. BGH, Beschluss vom 14. August 2024, a. a. O., Rn. 21).

bb) In Übereinstimmung mit diesen Maßstäben erfordert auch die Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts im Sinne des § 9 AO lediglich eine tatsächliche Anwesenheit, die nach den objektiven Umständen nicht nur vorübergehender Natur ist (vgl. Gersch in: Klein, AO 18. Aufl., § 9 Rn. 2 f.; Koenig, AO 5. Aufl., § 9 Rn. 6). Auf Freiwilligkeit kommt es dabei ebenfalls nicht an, so dass auch die Verbüßung von Strafhaft in einer Justizvollzugsanstalt erfasst sein kann (vgl. BFH, Beschluss vom 14. November 1986 – VI B 97/86 –, juris Rn. 10; Gersch, a. a. O., Rn. 2; Koenig, a. a. O.).

cc) Soweit die Staatsanwaltschaft bei der Auslegung demgegenüber die Regelung über den Gerichtsstand des gewöhnlichen Aufenthalts in § 8 Abs. 2 1. Alt. StPO heranziehen will, der durch eine zwangsweise Unterbringung etwa in einer Justizvollzugsanstalt nicht begründet wird (vgl. Ellbogen in: Münchener Kommentar, StPO 2. Aufl., § 8 Rn. 5; Geilhorn in: Karlsruher Kommentar, StPO 9. Aufl., § 8 Rn. 2; Schmitt in: Schmitt/Köhler, StPO 68. Aufl., § 8 Rn. 3), findet dies weder im Gesetz noch in den Gesetzgebungsmaterialien eine Stütze. Der Gesetzgeber hat bei der Schaffung der Legaldefinitionen in § 1 Nr. 16 und 17 KCanG ausdrücklich (nur) auf § 8 f. AO und § 30 Abs. 3 SGB I Bezug genommen, nicht hingegen auf § 8 StPO (vgl. BT-Drucks. 20/8704, a. a. O.). Daraus ist zu schließen, dass er die Begriffe des Wohnsitzes und des gewöhnlichen Aufenthalts in ihrer Bedeutung angewendet wissen wollte, wie sie für die in Bezug genommenen Normen gelten – anderenfalls erschlösse sich der Sinn der Inbezugnahme gerade dieser Vorschriften nicht.

Entgegen der Auffassung der Generalstaatsanwaltschaft kann § 8 StPO auch nicht über die Verweisung des § 385 Abs. 1 AO auf die Verfahrensvorschriften der Strafprozessordnung herangezogen werden. Die Vorschrift betrifft nach ihrem Wortlaut lediglich das Strafverfahren wegen Steuerstraftaten und (nur) insoweit auch den hierfür begründeten Gerichtsstand. Die materiellrechtliche Begriffsbestimmung des § 9 AO bleibt davon jedoch unberührt; an ihr – und nicht an dem genannten Verfahrensrecht – soll sich nach dem Willen des Gesetzgebers die Auslegung des § 1 Nr. 17 KCanG orientieren.

b) Der Gesetzeszweck des § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 KCanG rechtfertigt ebenfalls keine andere Auslegung.

aa) Der Gesetzgeber wollte mit der Sonderregelung vermeiden, dass sich jemand im Bereich eines verwaltungsrechtlichen Besitzverbots (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 KCanG) und der Strafbarkeit (§ 34 Abs. 1 Nr. 1 KCanG) bewegt, der in zulässiger Weise angebaute Cannabispflanzen (§ 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, § 9 Abs. 1 KCanG) sukzessive aberntet und dieses Cannabis im Umfang von bis zu 25 Gramm neben der nach § 3 Abs. 1 KCanG erlaubten Menge von ebenfalls 25 Gramm zum Eigenkonsum besitzt (vgl. BT-Drucks. 20/8704, Seite 96). Im Gesetzestext hat diese Zielrichtung allerdings keinen ausdrücklichen Niederschlag gefunden. Die Gestattung des Besitzes von bis zu 50 Gramm Cannabis gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 KCanG gilt unabhängig davon, ob die betreffende Person zugleich auch lebende Cannabispflanzen besitzt.

Offen bleiben kann daher an dieser Stelle, ob im Haftraum einer Justizvollzugsanstalt (auch) ein Eigenanbau von Cannabispflanzen von der Ahndung als Straftat oder Ordnungswidrigkeit ausgenommen wäre oder ob § 9 Abs. 1 KCanG, der nach seinem Wortlaut lediglich den "privaten Eigenanbau" gestattet und der ausweislich der Gesetzesbegründung (nur) den Anbau von Cannabispflanzen "in der eigenen Häuslichkeit" regeln soll (BT-Drucks. 20/8704, Seite 101), eine Beschränkung des erlaubten Anbaus auf privaten Wohnzwecken gewidmete Räumlichkeiten zu entnehmen ist, so dass unter öffentlicher Verwaltung stehende Einrichtungen wie Justizvollzugsanstalten hiervon ausgenommen sind (so Hollering/Köhnlein, a. a. O., § 9 Rn. 8, 9.1.). Die mögliche Beschränkung der Gestattung des § 9 Abs. 1 KCanG auf den privaten Bereich folgt gegebenenfalls aus der expliziten Bezugnahme der Vorschrift auf den "privaten Eigenanbau", nicht hingegen aus einer abweichenden Definition des Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts im Sinne (auch) des § 3 Abs. 2 Satz 1 KCanG. Die Begrifflichkeiten sind in § 1 Nr. 16 und 17 KCanG für das Konsumcannabisgesetz übergreifend und einheitlich legaldefiniert und gelten daher gleichermaßen für die Auslegung des § 3 Abs. 2 Satz 1 wie auch des § 9 Abs. 1 KCanG. Keiner Klärung bedarf danach auch, wie nach der gesetzlichen Konzeption ein Anbau im Sinne des § 9 Abs. 1 KCanG vom Besitz lebender Cannabispflanzen nach § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 KCanG abzugrenzen wäre und welche Auswirkungen dies gegebenenfalls auf das Verhältnis der Gestattungen des § 9 Abs. 1 KCanG einerseits und des – hier nicht in Rede stehenden – § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 KCanG andererseits hätte.

bb) Auch soweit die Gesetzesmaterialien mit Blick auf § 3 Abs. 1 KCanG klarstellen, die dort geregelte Erlaubnis zum Besitz von Cannabis beziehe sich auf den "privaten Raum" ebenso wie auf ein Mitführen in der Öffentlichkeit (BT-Drucks. 20/8704, Seite 96), folgt hieraus kein Ausschluss von Justizvollzugsanstalten oder anderer öffentlicher Einrichtungen. Eine räumliche Begrenzung der Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 KCanG sieht der Gesetzeswortlaut – anders als in Abs. 2 – gerade nicht vor. Der genannte Hinweis des Gesetzgebers kann daher nur so verstanden werden, dass sich die Erlaubnis nach Abs. 1 auf sämtliche Örtlichkeiten, gleich ob öffentlich oder privat, erstreckt (zu eng daher LG Stralsund, Beschluss vom 29. Mai 2024 – 23 StVK 114/24 –, juris Rn. 10 ff.).

cc) Soweit der gewöhnliche Aufenthalt im Sinne der vorgenannten Maßgaben gleichwohl einen gewissen persönlichen Bezug zu der Örtlichkeit voraussetzt, ist dieser jedenfalls für Strafgefangene mit einer den in § 1 Nr. 17 KCanG genannten Zeitraum erreichenden oder übersteigenden Haftdauer und in Bezug auf den ihnen zugewiesenen Haftraum gegeben (vgl. insoweit nochmals BGH, Beschluss vom 14. Dezember 2011, a. a. O., Rn. 18). Dem kann nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, der Haftraum unterfalle nicht dem Schutzbereich des Art. 13 GG und sei daher nicht in diesem Sinne als Wohnung anzusehen (so aber im Ergebnis Schleswig-Holsteinisches OLG, Beschluss vom 1. August 2024 – 1 Ws 123/23 –, juris Rn. 11, unter Verweis auf Patzak, a. a. O., Rn. 39, der wiederum auf Kunze in: BeckOK StVollzR Hessen, 23. Ed. 01.01.2025, HStVollzG § 18 Rn. 3 Bezug nimmt). Ungeachtet der Frage, ob der Begriff der Wohnung nach Art. 13 GG einerseits oder im Strafvollzugsrecht andererseits (vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom 30. Mai 1996 – 2 BvR 727/94 u. a. –, juris Rn. 13; Senat, Beschluss vom 1. Oktober 2019 – 5 Ws 168/19 Vollz –, juris Rn. 14) sich mit demjenigen des Wohnsitzes in § 3 Abs. 2 Satz 1 KCanG deckt, verfängt die Argumentation deshalb nicht, weil der gewöhnliche Aufenthalt, der im Haftraum nach der hier vertretenen Auffassung (nur) begründet wird, gerade keinen Wohnsitz darstellt und nach der vorstehenden Begriffsbestimmung lediglich das Bestehen eines tatsächlichen Lebensmittelpunkts für eine gewisse Dauer voraussetzt (den Haftraum als einer Wohnung "gleichstehend" bewertet allerdings das LG Bonn, Beschluss vom 16. April 2024 – 50 KLs 33/20 –, juris Rn. 20, m. zust. Anm. Bode, StV 2024, 599, 600). Eine Einschränkung dahingehend, dass es sich sowohl bei dem Wohnsitz als auch bei dem Ort des gewöhnlichen Aufenthalts gleichermaßen um von Art. 13 GG geschützte (Wohn-)Räume handeln müsste, findet im Gesetz keine Stütze. Sie unterliefe zudem die gesetzliche Differenzierung zwischen den beiden Begriffen und nähme dem gewöhnlichen Aufenthalt seine eigenständige Bedeutung. Wenngleich der Haftraum daher nicht am Schutz des Art. 13 GG teilnimmt, so dass er dem Gefangenen nur unter Fortgeltung des Hausrechts der Anstalt zur Verfügung steht und von Anstaltsbediensteten jederzeit betreten werden kann (vgl. BVerfG, a. a. O.; Senat, a. a. O.), erhält der Gefangene mit der Zuweisung des Haftraums einen persönlichen, vom allgemeinen Anstaltsbereich abgegrenzten Lebensbereich zur Verfügung gestellt (vgl. BVerfG, a. a. O.). Dies kommt nicht zuletzt darin zum Ausdruck, dass dieser taugliches Tatobjekt eines Hausfriedensbruchs sein kann (vgl. Bode, a. a. O., m. w. Nachw.).

c) Allgemeine Erwägungen zur Sicherheit und Ordnung der Justizvollzugsanstalt sowie zur Gefährdung des Vollzugsziels können nicht zur Einschränkung des Erlaubnistatbestandes des § 3 Abs. 2 Satz 1 KCanG herangezogen werden; denn sie haben im Konsumcannabisgesetz keinen Ausdruck gefunden. Die Gesetzessystematik legt vielmehr nahe, dass ein Ausschluss der Erlaubnis für Hafträume gerade nicht dem Willen des Gesetzgebers entspricht. Dieser hat in § 2 Abs. 3 Satz 2, § 5 Abs. 3 KCanG für militärische Bereiche der Bundeswehr den Umgang mit Cannabis ebenso wie dessen Konsum als Gegenausnahme zu den jeweiligen Gestattungen zur Vermeidung von Gefahren generell untersagt (vgl. BT-Drucks. 20/8704, Seite 95, 98). Ebenso hat er Konsumverbote für andere besondere Örtlichkeiten wie etwa Schulen, Kinderspielplätze oder Kinder- und Jugendeinrichtungen erlassen (vgl. § 5 Abs. 2 Satz 1 KCanG). Eine entsprechende Regelung für Justizvollzugsanstalten oder vergleichbare Einrichtungen des Maßregelvollzugs hat er nicht getroffen. Einer erweiternden Auslegung – etwa unter Heranziehung allgemeiner Gesichtspunkte der Gefahrenabwehr oder der Ziele des Strafvollzuges – sind die genannten Ausnahmetatbestände nicht zugänglich. Angesichts der strafbegründenden Wirkung, die eine derartige Ausweitung hätte, bedürfte sie mit Blick auf Art. 103 Abs. 2 GG vielmehr einer expliziten gesetzlichen Regelung.

d) Ungeachtet dessen bleibt es den Anstaltsleitungen selbstverständlich unbenommen, auf der Grundlage der jeweils geltenden Vollzugsgesetze etwa im Wege der Allgemeinverfügung beziehungsweise in der Hausordnung den Besitz und Konsum von Cannabis in Justizvollzugsanstalten und Einrichtungen des Maßregelvollzugs mit Blick auf die Sicherheit und Ordnung der Anstalt generell zu untersagen und entsprechende Verstöße mit vollzuglichen Maßnahmen zu ahnden (vgl. Hollering/Köhnlein, a. a. O., § 3 Rn. 3a). Eine Strafbarkeit ist innerhalb der Grenzen des § 3 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 KCanG jedoch nicht begründet.

2. Danach war dem Angeklagten der festgestellte Besitz von 45,06 g Cannabisharz in seinem Haftraum in der Justizvollzugsanstalt P. nach § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 KCanG in einer die Strafbarkeit und die Ahndung als Ordnungswidrigkeit ausschließenden Weise erlaubt. Er verbüßte dort zur Tatzeit – und verbüßt weiter – eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten, so dass insoweit ein gewöhnlicher Aufenthalt begründet ist.

III.

Die Kosten- und Auslagenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 StPO.


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