Gericht / Entscheidungsdatum: LG Magdeburg, Beschl. v. 14.05.2025 - 25 Qs 10/25
Eigener Leitsatz:
Wurde einem Beschuldigten ein Betreuer mit dem Aufgabenkreis „Vertretung gegenüber Behörden" bestellt, liegen in der Regel zugleich die Voraussetzungen des § 140 Abs. 2 StPO vor.
Beschluss
25 Qs 767 Js 4038/25 (10/25)
In dem Ermittlungsverfahren
gegen pp.
Verteidiger:
wegen Diebstahls
hat die 5. Große Strafkammer - Beschwerdekammer - des Landgerichts Magdeburg durch die unterzeichnenden Richter am 14. Mai 2025 beschlossen:
Auf die sofortige Beschwerde des Beschuldigten wird ihm unter Aufhebung des Beschlusses des Amtsgerichts Halberstadt vom 31. Januar 2025, Az. 5 Gs 767 Js 4038/25 (227/25), Rechtsanwalt pp. als Pflichtverteidiger bestellt.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der darin entstandenen notwendigen Auslagen des Beschuldigten hat die Landeskasse zu tragen.
Gründe
I.
Die Staatsanwaltschaft Magdeburg führt gegen den Beschuldigten ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des Diebstahls. Er soll am 18. November 2024 im Kaufland in Oschersleben, Lüneburger Straße 1, Waren im Wert von 51,82 Euro mitgenommen haben, ohne sie zu bezahlen.
Mit Schriftsatz vom 8. Januar 2025 zeigte Rechtsanwalt pp. die rechtliche Vertretung des Beschuldigten an und beantragte zugleich die Beiordnung als Pflichtverteidiger.
Mit Beschluss vom 31. Januar 2025, Az. 5 Gs 767 Js 4038/25 (227/25), wies das Amtsgericht Magdeburg den Antrag des Beschuldigten auf Bestellung eines Pflichtverteidigers mit der Begründung zurück, dass die Voraussetzungen des § 140 StPO nicht vorlägen.
Gegen diesen, dem Beschuldigten am 5. Februar 2025 zugestellten Beschluss, legte er mit anwaltlichem Schriftsatz vom 6. Februar 2025, der noch am selben Tag beim Amtsgericht Magdeburg einging, sofortige Beschwerde ein.
Mit Verfügung vom 12. Februar 2025 stimmte die Staatsanwaltschaft Magdeburg einer Pflichtverteidigerbestellung zu.
II.
Die gemäß §§ 142 Abs. 7 Satz 1, 311 statthafte sofortige Beschwerde ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt, und hat in der Sache Erfolg.
Das Amtsgericht hat die beantragte Beiordnung des Verteidigers, Rechtsanwalt pp., zu Unrecht abgelehnt. Dem Beschuldigten ist schon deshalb ein Pflichtverteidiger zu bestellen, da ersichtlich ist, dass er sich nicht selbst verteidigen kann (§ 140 Abs. 2 StPO).
Bei dem Beschuldigten liegt ausweislich des in seiner Betreuungssache erstellten psychiatrischen Gutachtens der Fachärztin für Psychiatrie Dipl. med. pp. vom 12. November 2022 eine seelische Behinderung in Form einer psychotischen Störung durch multiplen Substanzgebrauch (ICD 10: F19.5) vor. Es wurde eingeschätzt, dass der Beschuldigte ständige Hilfe bei der Bewältigung der Aufgaben des täglichen Lebens benötige. Als Angelegenheit, die der Beschuldigte nicht selbst besorgen könne, wurde unter anderem die „Vertretung gegenüber Ämtern, Behörden und der Krankenkasse” benannt. Die Dauer des Unvermögens zur Besorgung der bezeichneten Angelegenheiten wurden als zeitlebens fortbestehend eingeschätzt. Mit Beschluss des Amtsgerichts Quedlinburg vom 22. November 2022, Az. 6 XVII 309/22 (TH), wurde dem Beschuldigten daraufhin ein Betreuer für die Gesundheitssorge, die Vermögenssorge, die Durchsetzung sozialer Leistungen sowie für Wohnungsangelegenheiten bestellt. Auf den Antrag des zuletzt tätigen Betreuers vom 17. November 2023 wurde die Betreuung zwar aufgehoben. Hintergrund dieser Aufhebung ist jedoch nicht etwa die nicht mehr bestehende Notwendigkeit, sondern die aus Verhaltensweisen des Beschuldigten resultierende Unzumutbarkeit dieser für jeden Betreuer.
Vor diesem Hintergrund bestehen gravierende Zweifel daran, dass der Beschuldigte sich selbst verteidigen kann. Das im Betreuungsverfahren eingeholte psychiatrische Gutachten schätzt den Beschuldigten als dauerhaft unfähig ein, seine Angelegenheiten bei Behörden, Ämtern und der Krankenkasse selbst wahrzunehmen. Dementsprechend wurde vom Amtsgericht auch ein Betreuer, unter anderem für die Durchsetzung sozialer Leistungen, bestellt. Wurde einem Beschuldigten ein Betreuer mit dem Aufgabenkreis „Vertretung gegenüber Behörden" bestellt, liegen in der Regel zugleich die Voraussetzungen des § 140 Abs. 2 StPO vor (OLG Celle, Beschluss vom 04. Mai 2023 — 2 Ws 135/23 — mit weiteren Nachweisen, StV 2024, S. 151 f.).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 467 Abs. 1 StPO analog.
Einsender: RA J. R. Funck, Braunschweig
Anmerkung: