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Entscheidungen

Gebühren/Kosten/Auslagen

Pauschgebühr, Zeitpunkt der Bewilligung, abgeschlossenes Verfahren, Rechtskraft

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Braunschweig, Beschl. v. 07.03.2025 - 1 AR 21/24

Eigener Leitsatz:

Eine Pauschgebühr gemäß § 51 Abs. 1 S. 1 RVG kommt - zumindest bei Fortbestand der Beiordnung - auch für abgeschlossene Verfahrensabschnitte nur nach Eintritt der Rechtskraft in Betracht. Dass die Regelung des § 51 Abs. 1 S. 1 und S. 3 RVG auch die Möglichkeit vorsieht, eine Pauschgebühr für einzelne Verfahrensabschnitte zu bewilligen, ändert daran nichts.


Oberlandesgericht Braunschweig
1 AR 21/24

Beschluss

In der Strafsache
betreffend pp.

- Pflichtverteidiger:
Rechtsanwalt
wegen Vergewaltigung

hier: Antrag des Pflichtverteidigers pp. auf Festsetzung einer Pauschgebühr

Der Antrag des Pflichtverteidigers auf Bewilligung einer Pauschgebühr wird zurückgewiesen.

Gründe:

Die Staatsanwaltschaft Braunschweig hat gegen den Angeklagten unter dem 5. Oktober 2022 wegen sexueller Nötigung in Form der Vergewaltigung gemäß §§ 177 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 Nr. 2 StGB in der Fassung vom 13. November 1998 in zwei Fällen, wegen sexueller Nötigung in Form der Vergewaltigung unter Verwendung eines gefährlichen Werkzeugs gemäß §§ 177 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 Nr. 2, Abs. 4 Nr. 1 StGB in der Fassung vom 13. November 1998 in einem weiteren Fall, wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern gemäß § 176 Abs. 4 Nr. 1 StGB in der Fassung vom 27. Dezember 2003 und wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern gemäß § 176 Abs. 4 Nr. 1 StGB in der Fassung vom 21. Januar 2015 Anklage vor dem Landgericht Braunschweig erhoben. Von diesen Vorwürfen hat das Landgericht Braunschweig den Angeklagten am 8. Oktober 2024 freigesprochen. Die Staatsanwaltschaft hat das freisprechende Urteil indes mit der Revision angegriffen. Eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs steht noch aus, so dass keine Rechtskraft eingetreten ist.

Der Antragsteller hat als Pflichtverteidiger mit Schriftsatz vom 23. Oktober 2024, auf dessen Inhalt verwiesen wird, dennoch bereits die Bewilligung einer Pauschgebühr für das erstinstanzliche Verfahren beantragt. Die Höhe der Pauschgebühr stellt er in das Ermessen des Gerichts. Der Bezirksrevisor hält in seiner Stellungnahme vom 20. November 2024 einen Antrag gemäß § 51 Abs. 1 S. 1 RVG unter Hinweis auf die nachfolgend dargestellte Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Frankfurt jedenfalls für verfrüht. Auch die Voraussetzungen zur Bewilligung eines Vorschusses auf die Pauschgebühr (§ 51 Abs. 1 S. 5 RVG) lägen nicht vor. Der Antragsteller ist dem mit Schreiben vom 27. November 2024 entgegengetreten. Eine auf die erstinstanzliche Tätigkeit beschränkte Pauschgebühr könne bewilligt werden, sobald diese Instanz abgeschlossen sei.

Der Antrag ist abzulehnen, weil die Voraussetzungen des § 51 RVG derzeit nicht vorliegen.

Eine Pauschgebühr gemäß § 51 Abs. 1 S. 1 RVG kommt - zumindest bei Fortbestand der Beiordnung - auch für abgeschlossene Verfahrensabschnitte nur nach Eintritt der Rechtskraft in Betracht. Dass die Regelung des § 51 Abs. 1 S. 1 und S. 3 RVG auch die Möglichkeit vorsieht, eine Pauschgebühr für einzelne Verfahrensabschnitte zu bewilligen, ändert daran nichts (OLG Frankfurt, Beschluss vom 2. Juli 2024, 2 ARs 12/24, juris, Rn. 4; OLG Bamberg, Beschluss vom 7. Juni 2017, 10 AR 30/16, juris, Rn. 7; OLG Celle, Beschluss vom 16. Juni 2016, 1 ARs 34/16 P, juris, Rn. 3; KG Berlin, Beschluss vom 15. April 2015, 1 ARs 22/14, juris, Rn. 7, 10; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13. Dezember 2005, 111-3 (s) RVG 154/05, juris, Rn. 4f). Diese Rechtsprechung ist verfassungsrechtlich unbedenklich (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 8. August 2024, 1 BvR 1680/24, juris, Rn. 3) und folgt daraus, dass der Anspruch auf Bewilligung einer Pauschgebühr - insoweit abweichend von § 8 Abs. 1 S. 2 RVG - erst mit rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens fällig wird (KG Berlin, a.a.O.; OLG Celle, a.a.O., Rn. 4; OLG Düsseldorf, a.a.O.). Denn zuvor ist die gebotene Gesamtbetrachtung des gesamten Verfahrens nicht möglich (KG Berlin, a.a.O.; OLG Düsseldorf a.a.O.; OLG Celle, a.a.O., Rn. 4). Die Annahme einer Fälligkeit des Anspruchs auf Bewilligung einer Pauschgebühr bereits im Zeitpunkt des § 8 Abs. 1 S. 2 RVG könnte zudem in Konflikt mit potentiellen Anträgen gemäß § 42 Abs. Abs. 1, Abs. 2 S. 2 RVG treten, die erst nach Rechtskraft der Kostenentscheidung zulässig sind (§ 42 Abs. 2 S.1 RVG). Denn zuvor kann jedenfalls nicht beurteilt werden, ob der Angeklagten gegen die Staatskasse einen Erstattungsanspruch hat (vgl. § 52 Abs. 2 RVG).

Die begehrte Pauschgebühr kann dem Antragsteller auch nicht als Vorschuss auf die zu erwartende Pauschgebühr (§ 51 Abs. 1 Satz 1 und Satz 5 RVG) bewilligt werden. Unabhängig davon, dass kein „Vorschussantrag" (vgl. Burhoff in Burhoff/Volpert, RVG, Straf- und Bußgeldsachen, § 51 Rn. 100) gestellt ist, liegen jedenfalls die Voraussetzungen für die Bewilligung eines Vorschusses nicht vor. Denn ein solcher ist nur zu bewilligen, wenn eine Pauschgebühr nicht nur mit Sicherheit zu erwarten ist und das Verfahren lange gedauert hat/dauern wird, sondern dem Verteidiger zudem nicht zugemutet werden kann, die endgültige Festsetzung abzuwarten (BVerfG, Beschluss vom 1. Juni 2011, 1 BvR 3171/10, juris, Rn. 20). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss vom 10. Januar 2007, 2 13vR 2592/06, juris, Rn. 5; Beschluss vom 1. Juni 2011, 1 BvR 3171/10, juris, Rn. 31) ist für das letztgenannte Erfordernis eine detaillierte Einnahmen-Ausgaben Aufstellung der Kanzlei zu verlangen, weil das Gericht sonst nicht prüfen kann, ob und in welcher Höhe ein Vorschuss notwendig ist, um die Einbußen auszugleichen, die auf der Übernahme der Pflichtverteidigung beruhen. Daran fehlt es.

Braunschweig, 7. März 2025
Oberlandesgericht, 1. Strafsenat
Der Einzelrichter


Einsender: RA Dr. F. S. Fülscher, Kiel

Anmerkung:


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