Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Celle, Beschl. v. 14.04.2025 - 2 Ws 93/25
Leitsatz:
Für Ermittlungseingriffe gegenüber Personen, gegen die wegen der Beteiligung an einer bereits angeklagten Tat noch ein gesondertes Ermittlungsverfahren geführt wird, gilt nicht § 162 Abs. 3 S. 1, sondern § 162 Abs. 1 StPO.
Oberlandesgericht Celle
Beschluss
2 Ws 93/25
In der Strafsache
gegen pp.
wegen versuchten Mordes u.a.
hier: Einwendung des Drittbetroffenen gegen die Art und Weise der Durchführung einer Durchsuchung
Drittbetroffener:
- Verfahrensbevollmächtigter:
hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Celle nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht und die Richter am Oberlandesgericht am 14. April 2025 beschlossen:
1. Auf die Beschwerde des Drittbetroffenen wird der Beschluss der 1. großen Strafkammer des Landgerichts Verden vom 3. März 2025 aufgehoben.
2. Eine weitere Entscheidung des Senats in der Sache ist nicht veranlasst.
3. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem Drittbetroffenen insoweit entstandenen notwendigen Auslagen hat die Landeskasse zu tragen.
Gründe:
I.
Die Staatsanwaltschaft Verden führte unter dem Az.: 453 Js 24649/15 ein Ermittlungsverfahren gegen die Beschuldigten K., G. und S.
Mit Beschluss vom 29. Juli 2024 (Az.: 9a Gs 2526/24) ordnete der Ermittlungsrichter des Amtsgerichts Verden in diesem Ermittlungsverfahren die Durchsuchung der Wohnung des Drittbetroffenen gem. §§ 103, 105 StPO zur Ergreifung des Beschuldigten B. G. sowie die Beschlagnahme elektronischer Kommunikationsmittel des Drittbetroffenen sowie zielfahndungsrelevanter Gegenstände und Unterlagen an, welche Hinweise auf den Aufenthaltsort von B. G. enthalten.
Die Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnung wurde am 5. August 2024 vollstreckt, wobei im Rahmen der Durchführung der Maßnahme durch die Ermittlungsbehörden zahlreiche Lichtbilder angefertigt wurden.
Mit der durch Schriftsatz seines Verfahrensbevollmächtigten vom 18. August 2024 erhobenen Beschwerde wandte sich der Drittbetroffene gegen den Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschluss vom 29. Juli 2024 und beantragte zugleich gem. § 98 Abs. 2 S. 2 StPO analog festzustellen, dass die Anfertigung der Lichtbilder im Rahmen der Durchführung der Maßnahme rechtswidrig war. Zugleich begehrte er die Löschung der angefertigten Lichtbilder einschließlich sämtlicher Auszüge und Abdrücke.
Nachdem das Amtsgericht Verden mit Beschluss vom 23. September 2024 der Beschwerde des Drittbetroffenen nicht abgeholfen hatte, verwarf die 2. große Strafkammer als Beschwerdekammer des Landgerichts Verden mit Beschluss vom 1. November 2024 (Az.: 2 Qs 66/24) die Beschwerde des Drittbetroffenen vom 18. August 2024. Zugleich wies das Landgericht in den Gründen der Entscheidung darauf hin, dass die Kammer zur Entscheidung über die Anträge auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der angefertigten Lichtbilder und Löschung derselben nicht berufen sei, weil insoweit zunächst das nach § 162 Abs. 1 StPO zuständige Amtsgericht Verden (Aller) zu entscheiden habe.
Mit der am 5. November 2024 erfolgten Anklageerhebung gegen die am 26. Februar 2024 festgenommene Angeklagte K. trennte die Staatsanwaltschaft Verden das Verfahren gegen die weiter flüchtigen Beschuldigten G. und S. ab. Dieses wird nunmehr unter dem Az.: 1128 Js 56288/24 geführt.
Nachdem der Verfahrensbevollmächtigte des Drittbetroffenen mit Schriftsatz vom 19. Februar 2025 die Anträge nach § 98 Abs. 2 S. 2 StPO analog ergänzend begründete, verwarf die 1. große Strafkammer des Landgerichts Verden, die für die Durchführung der Hauptverhandlung gegen die Angeklagte K. zuständig ist, die Anträge mit Beschluss vom 3. März 2025 als unbegründet. Die Kammer erachtet ihre Zuständigkeit für die Entscheidung über die Anträge auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der angefertigten Lichtbilder und Löschung derselben gemäß § 162 Abs. 3 StPO infolge der am 5. November erfolgten Anklageerhebung gegen die Angeklagte K. für gegeben, weil die Durchsuchungsmaßnahme vor Erhebung der Anklage erfolgte, sich das Verfahren zum damaligen Zeitpunkt gegen die Beschuldigten K., G. und S. richtete, das Sonderheft „Beschwerde Drittbetroffener B. M.“ Teil der Akten ist, die der Kammer mit Anklageerhebung übersandt wurden und eine unnatürliche Aufspaltung des Lebenssachverhaltes gegeben sei, würde man die Durchsuchungsmaßnahme allein dem nunmehr abgetrennten Verfahren gegen den Beschuldigten G. zuordnen.
Gegen diesen Beschluss wendet sich der Drittbetroffene mit seiner Beschwerde vom 17. März 2025, mit der u.a. die fehlende Zuständigkeit der 1. großen Strafkammer als Schwurgericht geltend macht. Die Kammer hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Beschwerde als unbegründet zu verwerfen.
II.
Die gem. § 304 StPO statthafte und im Übrigen zulässige Beschwerde ist begründet, weil die 1. große Strafkammer des Landgerichts Verden für die Entscheidung über die Anträge gemäß § 98 Abs. 2 S. 2 StPO analog nicht zuständig ist, so dass der angefochtene Beschluss deswegen aufzuheben war. Zuständig für die Entscheidung ist vielmehr der Ermittlungsrichter des Amtsgerichts Verden.
Für den Fall, dass die richterliche Durchsuchungsanordnung – wie hier - keine ausdrückliche Regelung über die Modalitäten der Durchsuchung enthält, ist die Überprüfung der Art und Weise des Vollzugs der Durchsuchung durch die richterliche Entscheidung entsprechend § 98 Abs. 2 Satz 2 StPO zu beantragen (BGH, Beschluss vom 13. Oktober 1999 – StB 7/99 –, juris; Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, Beschluss vom 20. Januar 1999 – 1 VAs 3/98 –, juris). Zuständig für diese richterliche Entscheidung ist bis zur Anklageerhebung gem. §§ 98 Abs. 2 S. 3 i.V.m. § 162 Abs. 1 S. 1 StPO der Ermittlungsrichter bei dem Amtsgericht, in dessen Bezirk die Staatsanwaltschaft ihren Sitz hat, hier mithin der Ermittlungsrichter des Amtsgerichts Verden.
Dessen Zuständigkeit ist vorliegend entgegen der Auffassung der 1. großen Strafkammer des Landgerichts Verden mit der am 5. November 2024 erfolgten Anklageerhebung gegen die Angeklagte K. nicht entfallen.
Denn für Ermittlungseingriffe gegenüber Personen, gegen die wegen der Beteiligung an einer bereits angeklagten Tat noch ein gesondertes Ermittlungsverfahren geführt wird, gilt nicht § 162 Abs. 3 S. 1, sondern § 162 Abs. 1 StPO (vgl. MüKoStPO/Kölbel/Ibold, 2. Aufl. 2024, StPO § 162 Rn. 16; Ziegler in: Satzger/Schluckebier/Widmaier, StPO, 3. Auflage, 2018, § 162, Rn. 19).
So liegt der Fall hier, nachdem die Staatsanwaltschaft Verden das Verfahren gegen die Beschuldigten G. und S. abgetrennt hat und dieses unter dem Az.: 1128 Js 56288/24 gesondert führt. Vor diesem Hintergrund kommt dem Umstand, dass das Verfahren im Zeitpunkt der Durchführung der Durchsuchungsanordnung noch gegen alle drei Beschuldigte gemeinsam geführt wurde, keine Relevanz zu. Denn der in § 162 Abs. 3 S. 1 StPO geregelte Zuständigkeitswechsel vom Ermittlungsrichter zum Hauptsachegericht soll divergierende Entscheidungen verhindern, die einer Parallelzuständigkeit des Ermittlungsrichters innewohnen würden (MüKoStPO/Kölbel/Ibold, a.a.O., § 162, Rn. 19). Eine solche Gefahr divergierender Entscheidungen ist hier wegen der erfolgten Abtrennung des Verfahrens nicht gegeben. Die vom Landgericht angenommene „unnatürliche Aufspaltung des Lebenssachverhaltes“ ist zudem nicht gegeben, denn die angeordnete Durchsuchung diente allein der Ergreifung des weiterhin flüchtigen Beschuldigten G., so dass auch der vom Landgericht angenommene Sachbezug der Durchsuchungsmaßnahme zum Verfahren gegen die Angeklagte K. nicht gegeben ist.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 467 Abs. 1 StPO.
Gegen diese Entscheidung ist kein Rechtsmittel gegeben (§ 304 Abs. 4 Satz 2 StPO).
Einsender: 2. Strafsenat des OLG Celle
Anmerkung:
Die Nutzung von Burhoff-Online ist kostenlos. Der Betrieb der Homepage verursacht aber für Wartungs-, Verbesserungsarbeiten und Speicherplatz laufende Kosten.
Wenn Sie daher Burhoff-Online freundlicherweise durch einen kleinen Obolus unterstützen wollen, haben Sie hier eine "Spendenmöglichkeit".