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Entscheidungen

OWi

Geschwindigkeitsüberschreitung, Messung mit Provida 2000 modular, Toleranzwert

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Zweibrücken, Beschl. v. 12.02.2025 – 1 ORbs 2 SsBs 50/24

Leitsatz des Gerichts:

Erfolgt die Geschwindigkeitsbestimmung mittels des Messgerätes ProVida 2000 modular durch eine Zeit-/Wegstreckenmessung und eine manuelle Berechnung der Geschwindigkeit durch nachträgliche Auswertung des Videomaterials, sind die spezifischen Toleranzwerte für Zeit- (plus 0,1 % der gemessenen Zeit vermehrt um 0,02 s) und Wegstreckenmessungen (abzüglich 4 % des gemessenen Wegs, mindestens aber 4 m) anzuwenden.


In pp.

Auf die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft Frankenthal (Pfalz) wird das Urteil des Amtsgerichts Ludwigshafen am Rhein vom 24.04.2024 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Verfahrens an dieselbe Abteilung des Amtsgerichts Ludwigshafen am Rhein zurückverwiesen.

Gründe

Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen vorsätzlichen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 40 km/h zu einer Geldbuße von 400 Euro verurteilt. Hiergegen wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer Rechtsbeschwerde.

Der Einzelrichter hat die Sache gemäß § 80a Abs. 3 OWiG dem Bußgeldsenat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen.

Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg.

I.

Das Amtsgericht hat folgende Feststellungen getroffen:

„Am 08.11.2023 befuhr der Betroffene mit einem PKW mit dem amtlichen Kennzeichen pp. um 23.58 Uhr die BAB 650 Fahrtrichtung Ludwigshafen, Gemarkung Ludwigshafen. Der Betroffene fuhr nach Abzug einer Toleranz in Höhe von 5 % mit einer vorwerfbaren Geschwindigkeit von 130 km/h (Geschwindigkeit vor Toleranzabzug: 136,89 km/h). Die Höchstgeschwindigkeit war in diesem Abschnitt auf 90 km/h begrenzt. Der Betroffene hat das 90er-Schild wahrgenommen. Die Messung erfolgte mit dem zum Tatzeitpunkt ordnungsgemäß geeichten Messgerät ProVida 2000 modular per manueller Geschwindigkeitsmessung. Die Messung wurde durch den Zeugen PHK R., der in der Bedienung des Messgeräts geschult ist, und seinem Kollegen PK B. durchgeführt. Das Messfahrzeug war mit Winterreifen bereift. Die Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit hätte der Betroffene erkennen können und müssen.“

Mit der Rechtsbeschwerde rügt die Staatsanwaltschaft, gestützt durch die Zuschrift der Generalstaatsanwaltschaft vom 18.07.2024, die Verletzung materiellen Rechts. Sie beanstandet insoweit den Toleranzabzug in Höhe von 5 % zugunsten des Betroffenen anstelle der in dem Messprotokoll bzw. des polizeilichen Vermerks zur Ermittlung der Geschwindigkeit dargestellten Toleranzwerte von 4 % hinsichtlich der Messstrecke und einem Toleranzaufschlag von 0,1 % (vermehrt um 0,02 Sekunden) hinsichtlich der gemessenen Zeit.

II.

Die zulässige Rechtsbeschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Das Urteil hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.

Das Tatgericht hat bei der mit dem Gerät ProVida 2000 modular vorliegend vorgenommenen Messung unzutreffend einen Toleranzwert von 5 % in Abzug gebracht. Zwar ist es richtig, dass bei automatischen Geschwindigkeitsmessungen mit dem hier verwendeten Gerät bei Geschwindigkeiten von über 100 km/h ein Abzug von 5 % der von dem Gerät ausgegebenen Geschwindigkeit grundsätzlich vorzunehmen ist (vgl. 6. Neufassung der innerstaatlichen Bauartzulassung vom 30.07.2014, Punkt 5.4.3.; S. 35 der Gebrauchsanweisung). Vorliegend hat aber keine Geschwindigkeitsmessung durch das Gerät stattgefunden. Diese wurde - wie es das Tatgericht zutreffend festgestellt hat - erst nachträglich durch Auswertung des Videomaterials (anhand zweier Bilder aus der Videosequenz) manuell errechnet. Gemessen durch das Gerät wurden im vorliegenden Fall „nur“ der zurückgelegte Weg (sog. Wegstreckenmessung) und die dafür benötigte Zeit (sog. Zeitmessung). Es handelt sich demnach um drei unterschiedliche Messgrößen (Geschwindigkeit, Weg, Zeit) mit jeweils unterschiedlichen Verkehrsfehlergrenzen, die im Zulassungsverfahren geprüft worden sind. Die Polizei hat insoweit zutreffend die Verkehrsfehlergrenzen für die Wegstreckenmessung (abzüglich 4 % des gemessenen Wegs, mindestens 4 m) und die Zeitmessung (plus 0,1 % der gemessenen Zeit vermehrt um 0,02 s), wie sie sich auch aus der Gebrauchsanweisung des Geräts (siehe S. 35) ergeben, angewandt. Dem steht auch nicht der in der Richtlinie über die polizeiliche Geschwindigkeitsüberwachung des Ministeriums des Inneren und für Sport (aktuelle Fassung vom 22.07.2022) angegebene Toleranzwert ("über 100 km/h = 5 % des Messwertes“) entgegen, da dieser sich bei dem Einsatz einer Verkehrsvideoanlage auf eine Geschwindigkeitsmessung und gerade nicht auf eine Messung von Weg und Zeit bezieht.

Der Rechtsfehler führt zur Aufhebung des Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht. Eine Entscheidung in der Sache gem. § 79 Abs. 6 Alt. 1 OWiG war dem Senat vorliegend verwehrt. Anlass, von der Möglichkeit Gebrauch zu machen, die Sache an eine andere Abteilung oder ein anderes Amtsgericht zu verweisen, bestand nicht.

Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:

Bei der hier angewendeten Messmethode wird zunächst die Geschwindigkeit des messenden Fahrzeugs errechnet und diese dann auf das Betroffenenfahrzeug übertragen. Um sicherzugehen, dass die Geschwindigkeit des vorausfahrenden Fahrzeugs nicht geringer ist als die des Messfahrzeugs, darf sich der Abstand zwischen Messfahrzeug und vorausfahrendem Fahrzeug bei Vergleich der beiden für die Bestimmung der Geschwindigkeit verwendeten Bilder (hier Bl. 8 d. A.) jedenfalls nicht verringert haben (vgl. Buck/Gieg, Sachverständigenbeweis im Verkehrs- und Strafrecht, § 7 Technische Fragestellungen Rn. 85, beck-online). Dies bedarf weiterer Feststellungen.


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Anmerkung:


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