Gericht / Entscheidungsdatum: BayObLG, Urt. v. 06.05.2024 - 203 StRR 111/24
Leitsatz des Gerichts:
1. Eine Äußerung, die bereits bei objektiver Auslegung ihres Erklärungsinhalts für jeden vernünftig denkenden Menschen eine nicht ernstlich gemeinte Erklärung darstellt, und die vom Angeklagten in der Erwartung abgegeben wurde, der Mangel der Ernstlichkeit werde nicht verkannt, erfüllt nicht den Tatbestand des Billigens von Straftaten.
2. Die Teilnehmer an einer Demonstration sind nicht als „Teile der Bevölkerung“ im Sinne von § 130 Abs. 2 Nr. 1a StGB zu betrachten, da sie zwar durch gemeinsame äußere und innere Merkmale verbunden sein mögen, aber nur vorübergehend miteinander verbunden sind.
Bayerisches Oberstes Landesgericht
203 StRR 111/24
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
des Bayerischen Obersten Landesgerichts - 3. Strafsenat
In dem Strafverfahren
gegen pp.
Verteidiger:
wegen Belohnung/Billigung von Straftaten
aufgrund der Hauptverhandlung vom 06.05.2024, an der teilgenommen haben:
pp.
1. Die Revision der Generalstaatsanwaltschaft München gegen das Urteil des Landgerichts Ansbach vom 14.11.2023 wird als unbegründet verworfen mit der Maßgabe, dass der Tenor des Urteils des Landgerichts Ansbach vom 14.11.2023 wie folgt ergänzt wird:
Das Urteil des Amtsgerichts Weißenburg i. Bay. vom 24.05.2023 wird aufgehoben.
Die Berufung der Generalstaatsanwaltschaft München wird zurückgewiesen.
2. Der Staatskasse hat die Kosten des Revisionsverfahrens und die dem Angeklagten in diesem Verfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Gründe:
I.
Das Amtsgericht Weißenburg hat den Angeklagten mit Urteil vom 24.05.2023 der Billigung von Straftaten schuldig gesprochen und ihn zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 50,00 € verurteilt.
Auf die hiergegen gerichtete Berufung des Angeklagten hat das Landgericht Ansbach den Angeklagten mit Urteil vom 14.11.2023 freigesprochen und hierzu unter Ziffer II. 1. der Gründe folgende Feststellungen getroffen:
Dem Angeklagten wurde durch die Generalstaatsanwaltschaft München zur Last gelegt, am 23.02.2022 gegen 13:16 Uhr zu einem durch den Bayerischen Rundfunk (Redaktion BR 24) auf der Internetplattform YouTube veröffentlichten Beitrag mit dem Titel „Verkehrschaos auf Frankenschnellweg: Aktivisten kleben sich auf Straße", dessen Gegenstand eine Reportage über Klimaaktivisten, welche sich am selben Tag auf einer Abfahrt des Frankenschnellwegs mit den Händen auf den Asphalt geklebt hatten, um gegen die Verschwendung von Lebensmitteln zu demonstrieren, unter dem Benutzernamen „F. S." folgenden Kommentar veröffentlicht zu haben:
„Einfach drüber fahren selbst schuld wenn man so blöd is und sich auf die Straße klebt" (Schreibfehler übernommen).
Die Generalstaatsanwaltschaft warf dem Angeklagten vor, mit diesem Kommentar zum Ausdruck bringen haben zu wollen, dass er die Tötung oder jedenfalls erhebliche Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit der auf dem Lichtbild abgebildeten und konkret bestimmbaren Klimaaktivisten gutheißen würde. Da der Kommentar für alle YouTube-Nutzer weltweit einsehbar gewesen sei, was der Angeklagte zumindest billigend in Kauf genommen habe, sei die Größe des Personenkreises, dem der Kommentar zugänglich gemacht wurde, für den Angeklagten nicht mehr kontrollierbar gewesen. Ferner sei der Kommentar auch geeignet gewesen, bei einer nicht unerheblichen Personenanzahl der Bevölkerung der Bundesrepublik Deutschland eine Erschütterung des Vertrauens in die öffentliche Rechtssicherheit hervorzurufen, was der Angeklagte ebenfalls zumindest billigend in Kauf genommen habe.
Der Angeklagte habe nach seiner Einlassung gegenüber dem Landgericht nicht in Abrede gestellt, den Kommentar auf der Plattform YouTube veröffentlicht zu haben. Er habe das Verhalten der Klimaaktivisten als lästig und behindernd empfunden, zumal zu Stoßzeiten, wo Arbeitnehmer zur Arbeit fahren wollen. Seinen Beitrag habe er als Teil einer öffentlichen Debatte, die teilweise heftig geführt werde, gemeint. Er habe keinesfalls jemanden dazu ermutigen wollen, tatsächlich einfach die Klimaaktivisten zu überfahren, vielmehr habe er sich an der Diskussion, ob das Verhalten der Aktivisten Nötigung darstelle und somit Notwehr hiergegen erlaubt sei, beteiligen wollen. Eigentlich habe er statt „drüber fahren" „beiseite schieben" schreiben wollen, dann habe er wohl zu impulsiv formuliert, dies möglicherweise gefördert durch seine bereits in seiner Kindheit diagnostizierte ADHS-Erkrankung, und habe stattdessen den ihm zur Last gelegten Text geschrieben und veröffentlicht. Dies sei aufgrund seines aufgebrachten Zustands und seiner Impulsivität überspitzt formuliert, aber von ihm keineswegs ernst gemeint gewesen. Er sei auch nicht davon ausgegangen, dass jemand einen solchen Kommentar tatsächlich als Aufforderung verstehen könne und dementsprechend handele (Ziffer II. 2. der Gründe).
Das Landgericht hat den Angeklagten aus rechtlichen Gründen freigesprochen und hierbei unter Ziffer II. 3. der Gründe ausgeführt:
Sein Verhalten erfüllt (noch) nicht den Tatbestand des § 140 Nr. 2 StGB. Dieser Straftatbestand bedarf einer einschränkenden Auslegung, da bei einer konsequenten Umsetzung des Wortlauts die mit Wirkung vom 01.07.2021 eingeführte Strafbarkeit der Billigung noch nicht begangener Taten zu einer namentlich im Hinblick auf Artikel 5 Abs. 1 GG problematischen Vorfeld-Strafbarkeit führen würde. Das ausdrückliche „Wünschen", jemandem möge, Schlimmes angetan werden, ist in den meisten Fällen nicht wörtlich zu nehmen, sondern Ausdruck von Herabsetzung (so auch Fischer, StGB, 70. Auflage, § 140, Rn 8). So verhält es sich im Fall des Angeklagten. Seine Äußerung stellt bereits bei objektiver Auslegung ihres Erklärungsinhalts für jeden vernünftig denkenden Menschen eine nicht ernstlich gemeinte Erklärung, die zudem vom Angeklagten in der Erwartung abgegeben wurde, der Mangel der Ernstlichkeit werde nicht verkannt, dar. Der Angeklagte hat für die Berufungskammer glaubhaft versichert, dass sein Kommentar keineswegs ernst gemeint, sondern eine überspitzt formulierte Unmutsäußerung war. Von einer konkreten Aufforderung ist sie aufgrund ihrer allgemein gehaltenen Formulierung, welche sich ausdrücklich nicht auf eine bestimmte Person der Aktivisten bezog, auch weit entfernt. Sie war deshalb auch nicht als solche zu verstehen. Aufgrund dessen war sie zudem nicht geeignet, den öffentlichen Frieden zu stören, da insoweit Voraussetzung wäre, dass ein Großteil der Bevölkerung durch diese Äußerung verunsichert werden könnte. Dies ist bei einer derart allgemein gehaltenen Formulierung nicht der Fall.
Aus den gleichen Gründen ist das Verhalten des Angeklagten auch nicht gem. § 111 StGB strafbar.
Die Generalstaatsanwaltschaft München hat gegen dieses ihr am 14.12.2023 zugestellte Urteil vom 14.11.2023 mittels Fax vom 14.11.2023, eingegangen beim Landgericht Ansbach am 15.11.2023, das Rechtsmittel der Revision eingelegt und hat diese mit Schreiben vom 29.12.2023, elektronisch beim Landgericht Ansbach eingegangen am 03.01.2024, im Original eingegangen am 08.01.2024, begründet.
Die Generalstaatsanwaltschaft beanstandete in ihrer Revisionsbegründung die getroffenen Feststellungen. Diese seien nicht ausreichend. So habe das Berufungsgericht nicht ausgeführt, welchen Sachverhalt es seiner rechtlichen Bewertung konkret zugrunde gelegt habe. Das Tatgericht lasse es mithin im Unklaren, welche Umstände für seine Überzeugungsbildung maßgeblich gewesen seien. Auch die gebotene umfassende Gesamtwürdigung aller beweiserheblichen Umstände sei unterblieben. Im Blick auf die fehlenden Feststellungen sei auch ein anderes Tatgeschehen denkbar.
In rechtlicher Hinsicht sei bei Auslegung der tatgegenständlichen Äußerung von deren objektivem Sinngehalt (Erklärungsinhalt) auszugehen, wie ihn ein unbefangener verständiger Durchschnittsleser (Erklärungsempfänger) verstehe. Dabei seien Anlass und Kontext der Äußerung zu berücksichtigen, soweit sie für den Empfänger erkennbar seien. Für die Deutung einer Aussage unerheblich sei hingegen die subjektive Absicht des sich Äußernden.
Soweit das Landgericht zu dem Schluss komme, dass die tatgegenständliche Äußerung bereits bei objektiver Auslegung ihres Erklärungsinhalts für jeden vernünftig denkenden Menschen eine nicht ernstlich gemeinte Erklärung darstelle, überzeuge dies nicht. Entsprechend den Ausführungen des Amtsgerichts sei der Inhalt und die Bedeutung der vom Angeklagten getätigten Aussage „einfach drüber fahren" von einem unvoreingenommenen und verständigen Durchschnittspublikum vielmehr dahingehend zu verstehen, dass die Klimaaktivisten überfahren und dabei auch deren Tod beziehungsweise jedenfalls erhebliche Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit gebilligt werde. Der Wortlaut sei insoweit eindeutig. Der Angeklagte habe mit seiner Äußerung unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass das Leben der Klimaaktivisten weniger schützenswert sei, als der unbehinderte Straßenverkehr. Für eine derartige Deutung der Äußerung spreche auch der Zusatz „selbst schuld". Der Zusatz impliziere, dass den Klimaaktivisten etwas Negatives widerfahre. Sodann betreffe die Äußerung ein derzeit stark umstrittenes Thema. Der Meinungsaustausch bleibe dabei nicht nur friedlich. Aus den allgemeinen Medien sei vielmehr bekannt, dass es zum Teil auch zu feindlichen und handgreiflichen Tätlichkeiten gegen die am Asphalt festgeklebten Klimaaktivisten komme. So sei in der Presse mehrfach darüber berichtet worden, dass Klimaaktivisten durch aufgebrachte Kraftfahrzeugführer überfahren oder zumindest angefahren worden seien. Dies zeige, dass es sich bei dem in der Äußerung gebilligten Verhalten nicht um ein absolut lebensfremdes, in der Realität nicht vorkommendes Geschehen handele.
Soweit das Landgericht zur Annahme der mangelnden Ernstlichkeit darauf abstelle, dass die Äußerung aufgrund ihrer allgemein gehaltenen Formulierung von einer konkreten Aufforderung weit entfernt und nicht als solche zu verstehen sei, verkenne es, dass es für die Erfüllung des Tatbestands gemäß § 140 Nr. 2 StGB - im Gegensatz zu § 111 StGB - gerade keiner konkreten Aufforderung bedürfe.
Schließlich könne auch bei überspitzt formulierten Unmutsäußerungen eine Strafbarkeit gemäß § 140 StGB verbleiben, wenn nach dem tatsächlichen Erklärungsinhalt der Äußerung bestimmtes strafrechtlich relevantes Verhalten gebilligt werde. Vor diesem Hintergrund habe das erkennende Gericht vorliegend auch nicht nachvollziehbar dargelegt, weshalb die Einlassung des Angeklagten, der Kommentar sei keineswegs ernst gemeint, glaubhaft erscheine. Wenn der Kommentar nicht ernst gemeint gewesen sei, sei nicht plausibel, warum dieser durch den Angeklagten dann abgesetzt worden sei.
Eine Strafbarkeit nach § 140 Nr. 2 StGB liege vor, weil der Angeklagte durch seinen Kommentar die Tötung beziehungsweise Körperverletzung der im Ausgangsbeitrag genannten Klimaaktivisten durch Überfahren gutgeheißen und damit eine Tat i.S.v. § 126 Abs. 1 StGB gebilligt habe. Der Kommentar sei für alle YouTube-Nutzer weltweit einsehbar gewesen und daher öffentlich erfolgt. Er sei ferner dazu geeignet gewesen, bei einer nicht unerheblichen Personenanzahl der Bevölkerung der Bundesrepublik Deutschland eine Erschütterung des Vertrauens in die allgemeine Rechtssicherheit hervorzurufen. Der Angeklagte habe sich mithin in einer Art und Weise geäußert, die geeignet gewesen sei, den öffentlichen Frieden zu stören.
Letzteres verkenne das Landgericht, wenn es ausführe, dass aufgrund der allgemein gehaltenen Formulierung und der dadurch fehlenden konkreten Aufforderung die Äußerung nicht dazu geeignet sei, einen Großteil der Bevölkerung zu verunsichern. Einer konkreten Aufforderung bedürfe es auch nicht für die Erfüllung der sogenannten Friedensschutzklausel, welche auf die Aufrechterhaltung des friedlichen Miteinanders ausgerichtet sei. Entsprechend den Ausführungen des Amtsgerichts sei die Billigung eines Tötungsdelikt im Internet vielmehr dazu geeignet, das Sicherheitsempfinden der Bevölkerung im Sinne eines friedlichen Miteinanders zu gefährden. Das Gutheißen des Überfahrens und damit Tötens von Klimaaktivisten ziele gerade darauf ab, Furcht voreinander zu schüren, wenn Teile der Bevölkerung strafbare Handlungen, wie hier ein Tötungsdelikt, positiv bewertend unterstützten. Denn damit werde die Gefahr heraufbeschworen, dass das friedliche Zusammenleben durch Gewalt aufgebrochen werden könnte, wie es in der Vergangenheit bereits tatsächlich auch der Fall gewesen sei. Feindliche und handgreifliche Tätlichkeiten gegen Klimaaktivisten würden durch eben solche Kommentare wie dem tatgegenständlichen angeheizt.
Entgegen den Ausführungen des Landgerichts verbleibe eine Strafbarkeit des tatgegenständlichen Kommentars auch unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlich garantierten Meinungsfreiheit. Gemäß Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG habe jeder das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern. Das Grundrecht selbst finde indes nach Art. 5 Abs. 2 GG seine Schranken in den allgemeinen Gesetzen, zu denen auch § 140 StGB zähle. Aufgrund der fundamentalen Bedeutung der Meinungsfreiheit für die demokratische Grundordnung müsse das beschränkende Gesetz seinerseits im Lichte des Grundrechts der Meinungsfreiheit ausgelegt und in seiner das Grundrecht begrenzenden Wirkung selbst wieder eingeschränkt werden (sogenannte Wechselwirkungslehre). Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze rechtfertige vorliegend der durch § 140 StGB geschützte öffentliche Friede einen Eingriff in die Meinungsfreiheit des Angeklagten. Im Rahmen der politischen Meinungsdiskussion könne das Vorgehen von Klimaaktivisten zwar missbilligt werden, wobei mitunter auch ein schroffer Ton und derbe Kommentare noch von der Meinungsfreiheit gedeckt sein könnten. Nach Dafürhalten des Amtsgerichts sowie der Generalstaatsanwaltschaft sei dies jedoch bei Kommentaren wie dem tatgegenständlichen, in welchem die körperliche Unversehrtheit in so hohem Maße, als dass ein Verlust des Lebens der Klimaaktivisten gutgeheißen beziehungsweise gebilligt werde, nicht mehr hinnehmbar.
Die Verteidigung hat zur Revision der Generalstaatsanwaltschaft am 18.01.2024 eine Gegenerklärung abgegeben.
Sie rügte zunächst die formfehlerhafte Einlegung sowie Begründung der Revision seitens der Generalstaatsanwaltschaft. § 32b Abs. 3 S. 2 StPO sei eine verpflichtende Vorschrift. Die Revision und die Begründung hätte - korrespondierend mit der Pflicht für Verteidiger nach § 32d StPO - elektronisch an das Landgericht übermittelt werden müssen. Die vorliegende Übermittlung per Fax oder in Papierform genüge nicht.
Auch in der Sache könne die Revision keinen Erfolg haben. So ergebe die Auslegung der Äußerung des Angeklagten, dass es sich um eine unernst gemeinte, reine Unmutsäußerung handele. Die Deutung, dass der Angeklagte tatsächlich gewollt habe, dass über auf der Straße klebende Personen gefahren werde, sei nach dem vorhandenen Empfängerhorizont nicht gerechtfertigt. Die Verteidigung wies darauf hin, dass der Kommentar des Angeklagten „schludrig“ verfasst worden sei, auch verwies er auf die enthaltenen Rechtschreibfehler. Auch sei die Äußerung von der Meinungsfreiheit geschützt. Sodann warf der Verteidiger die Problematik eines möglichen Notwehrrechts gegenüber sogenannten Klimaklebern auf. Abschließend trat die Verteidigung der Störung des öffentlichen Friedens sowohl in objektiver, wie auch in subjektiver Hinsicht entgegen.
Im Vorlageschreiben vom 16.02.2024 wies die Generalstaatsanwaltschaft München zur Wirksamkeit der Revisionseinlegung und -begründung darauf hin, dass § 32d StPO nur Rechtsanwälte und Verteidiger betreffe. In der Sache führte sie aus, dass die Äußerung des Angeklagten vom 23.02.2022 Mord, Totschlag oder mindestens eine gefährliche Körperverletzung billige. Andere Deutungsmöglichkeiten bestünden nicht. Auch könne kein Zusammenhang mit Notwehr gegenüber künftigen Straftaten hergestellt werden. Sodann verkenne das Berufungsgericht den Begriff der Billigung, da es auf eine erforderliche Aufforderung abstelle. Entscheidend sei stattdessen, dass die Billigung den Eindruck der Ernstlichkeit erwecke, unabhängig davon, ob sie wirklich ernst gemeint war. Auch Schreibfehler stünden dem tatsächlich vorhandenen Eindruck der Ernstlichkeit nicht entgegen. Sodann sei die Billigung einer Tat nach § 126 StGB zur Störung des öffentlichen Friedens geeignet und nicht von der Meinungsfreiheit gedeckt. Ferner habe der Angeklagte zumindest bedingt vorsätzlich gehandelt. Die Generalstaatsanwaltschaft beantragte daher die Aufhebung des angefochtenen Urteils und die Zurückverweisung an eine andere Strafkammer des Landgerichts Ansbach.
In ihrer Gegenäußerung vom 08.03.2024 wies die Verteidigung darauf hin, dass sie ihre Rüge nicht auf § 32d StPO stütze, sondern auf § 32b Abs. 3 StPO. Dessen Satz 1 stehe unter der Bedingung elektronischer Aktenführung, nicht hingegen dessen Satz 2. Dieser normiere angesichts der Formulierung „Demgegenüber“ eine generelle Pflicht zur elektronischen Übersendung der dort genannten Dokumente.
II.
Die Revision der Generalstaatsanwaltschaft München ist zulässig.
Sie ist nach § 333 StPO statthaft und wurde form- und fristgerecht durch die Generalstaatsanwaltschaft eingelegt. Die Einlegung mit am 15.11.2023 eingegangenem Fax genügt hierbei § 341 Abs. 1 StPO (vgl. unten Ziffer 1.). Ebenso wurde die Revision ordnungsgemäß und fristgerecht (Eingang 03.01.2024) begründet (§§ 344 Abs. 1, 345 Abs. 1, Abs. 2 StPO; vgl. unten Ziffer 2.).
1. Es trifft nicht zu, dass die Revision zwingend im Wege elektronischer Übermittlung eingelegt hätte werden müssen. So besteht eine Verpflichtung, die Revisionseinlegung als elektronisches Dokument zu übermitteln, nur für Verteidiger und Rechtsanwälte (§ 32d StPO). Für die Strafverfolgungsbehörden und Gerichte gilt hingegen eine hiervon abweichende Regelung, die in § 32b Abs. 3 StPO normiert ist (vgl. BGH, Beschluss vom 15.11.2022 - 3 StR 318/22, juris, Rn. 5) und welche - mangels elektronischer Aktenführung - vorliegend keine Verpflichtung zur elektronischen Übermittlung der Revisionseinlegungsschrift vorsieht.
a) § 32b Abs. 3 StPO setzt eine elektronische Aktenführung voraus (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 66. Aufl., § 32b Rn. 6 unter Hinweis auf BT-Drs. 18/9416, S. 48, 49). Lediglich im Falle einer elektronischen Aktenführung wird die Übermittlung als elektronisches Dokument nach § 32b Abs. 3 S. 1 StPO zum Regelfall dahingehend, dass die Übermittlung elektronisch erfolgen soll. Für bestimmte, besonders bedeutsame Dokumente ist die elektronische Übermittlung bei elektronischer Aktenführung sogar nach § 32b Abs. 3 S. 2 StPO verpflichtend, sofern nicht ausnahmsweise technische Hindernisse entgegenstehen (§ 32b Abs. 3 S. 3 StPO; BT-Drs. 18/9416, S. 49).
b) Die gegenläufige Argumentation der Verteidigung ist nicht tragfähig.
aa) So war zwar im Referentenentwurf vom 23.09.2014 zu § 32d StPO eine generelle Pflicht zur Einreichung elektronischer Dokumente auch für die Staatsanwaltschaft vorgesehen. Die Anklageschrift, der Antrag auf Erlass eines Strafbefehls außerhalb einer Hauptverhandlung, die Privatklage, die Berufung und ihre Rechtfertigung, die Revision und ihre Begründung sowie die Gegenerklärung sollten danach zwingend als elektronische Dokumente zu übermitteln sein, wenn sie durch die Staatsanwaltschaft, den Verteidiger oder einen Rechtsanwalt eingereicht würden. Umgesetzt wurde dieser Referentenentwurf indes nicht. Stattdessen wurde die zwischen Gerichten und Strafverfolgungsbehörden in § 32b StPO einerseits und Rechtsanwälten und Verteidigern in § 32d StPO andererseits differenzierende Lösung Gesetz.
bb) Innerhalb der Regelung des § 32b Abs. 3 StPO ergibt sich nach der Gesetzessystematik, dass sowohl dessen Satz 1 als auch der Satz 2 auf der in Satz 1 enthaltenen Grundvoraussetzung der elektronischen Aktenführung aufbauen, was auch der Gesetzesbegründung zu entnehmen ist (BT-Drs. 18/9416, S. 49: … zu Absatz 3: Wenn Akten elektronisch geführt werden …). Die im selben Absatz der Gesetzesbegründung enthaltene Formulierung „Demgegenüber“ bezieht sich im Anschluss daran auf den Gegensatz zwischen den besonders wichtigen Dokumenten einerseits, deren elektronische Übermittlung zwingend erforderlich ist und den übrigen Dokumenten, deren Übermittlung lediglich elektronisch erfolgen soll. Das Wort „Demgegenüber“ nimmt Satz 2 hingegen nicht von der Grundvoraussetzung der elektronischen Führung der Akten (§ 32b Abs. 3 S. 1 StPO) aus, weder aufgrund der unzutreffenden Bezeichnung der Dokumente in der BT-Drs. 18/9416 auf S. 49 (… den im zweiten Halbsatz des Satzes 1 genannten Dokumenten …), noch im Blick auf den hinsichtlich der Verpflichtung zur elektronischen Übersendung weitergehenden Referentenentwurf vom 23.09.2014. § 32b Abs. 3 S. 2 StPO normiert keine von der elektronischen Führung der Akten losgelöste generelle Pflicht auch der Gerichte und Staatsanwaltschaften zur elektronischen Versendung der dort genannten Schriftstücke (BT-Drs. 18/9416, S. 48; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 66. Aufl. § 32b Rn. 6: … bei elektronischer Aktenführung …; MüKoStPO/Beller/Gründler/Kindler/Rochner, 2. Aufl. 2023, StPO § 32b Rn. 14: … bei elektronischer Aktenführung …).
2. Diese Rechtsausführungen gelten entsprechend auch für die Übermittlung der Begründung der Revision vom 29.12.2023 seitens der Generalstaatsanwaltschaft ungeachtet dessen, dass diese innerhalb der Revisionsbegründungsfrist (bis Montag, 15.01.2024) nicht nur schriftlich (am 08.01.2024), sondern auch elektronisch (am 03.01.2024) übermittelt wurde.
III.
Die Revision hat aber in der Sache mit der ausschließlich erhobenen Sachrüge keinen Erfolg. Die angefochtene Entscheidung ist im Tenor allerdings um die Aufhebung des Urteils erster Instanz und die Zurückweisung der Berufung der Generalstaatsanwaltschaft zu ergänzen.
Die vom Landgericht Ansbach im angefochtenen Urteil vorgenommene Beweiswürdigung und die sich daran anschließende rechtliche, zum Freispruch vom Vorwurf des Billigens von Straftaten nach § 140 Nr. 2 StGB führende Wertung ist im vorliegenden Einzelfall nicht zu beanstanden (vgl. unten Ziffer 1.). Das Verhalten des Angeklagten erfüllt auch nicht den Tatbestand der Volksverhetzung in der Form des § 130 Abs. 2 Nr. 1 StGB (vgl. unten Ziffer 2.).
1. a) Des Billigens von Straftaten nach § 140 Nr. 2 StGB macht sich strafbar, wer eine der dort genannten Katalogtaten in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, öffentlich oder in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts billigt.
aa) Geschütztes Rechtsgut der Strafnorm ist der öffentliche Frieden (BGHSt 22, 282 - 289 = Urteil vom 17.12.1968 - 1 StR 161/68, juris, Rn. 7; Fischer, StGB, 71. Aufl., § 140 Rn. 2). Der öffentliche Frieden, der mit einem objektiven und mit einem subjektiven Element umschrieben wird, ist sowohl der (objektive) Zustand allgemeiner Rechtssicherheit und des befriedeten Zusammenlebens der Bürger als auch das im (subjektiven) Vertrauen der Bevölkerung in die Fortdauer dieses Zustands begründete Sicherheitsgefühl (Schönke/Schröder/Sternberg-Lieben/Schittenhelm, StGB, 30. Aufl., § 126 Rn. 1 mit umfangreichen Nachweisen; Fischer, StGB, 71. Aufl., § 140 Rn. 2 i.V.m. § 126 Rn. 3). Eine Störung des öffentlichen Friedens liegt nicht erst vor, wenn es auf Grund der Drohung oder Ähnlichem tatsächlich zu Panikreaktionen, Taten wie den angedrohten oder gewalttätigen Gegenaktionen kommt, sondern schon dann, wenn einzelne Bevölkerungsteile oder jedenfalls eine nicht unbeträchtliche Personenmehrzahl in der Weise verunsichert werden, dass sie in dieser Rechtsgemeinschaft nicht mehr frei von Angst vor besonders gefährlichen Straftätern leben können, dies einschließlich potentieller Täter, die durch Schaffung eines entsprechenden Klimas zu Taten wie den angedrohten gebracht werden (Schönke/Schröder/Sternberg- Lieben/Schittenhelm, StGB, 30. Aufl., § 126 Rn. 8 mit umfangreichen Nachweisen; Fischer, StGB, 71. Aufl., § 126 Rn. 3). Ziel der Vorschrift des § 140 StGB ist es, die Allgemeinheit vor der Schaffung eines psychischen Klimas zu schützen, in dem neue Delikte dieser Art gedeihen können (BT-Drs. 19/17741, S. 34; BGHSt 22, 282 - 289 = Urteil vom 17.12.1968 - 1 StR 161/68, juris, Rn. 12; Fischer, StGB, 71. Aufl., § 140 Rn. 2). Das Delikt ist ein abstraktes Gefährdungsdelikt (BeckOK StGB/Heuchemer, 60. Ed. 01.02.2024, StGB, § 140 Rn. 1).
bb) Das Rechtsgut liegt im Kollisionsfeld mit der herausragend wichtigen Meinungsfreiheit des Art. 5 GG. Insofern ist die Vorschrift ähnlich wie der in seiner rechtspolitischen Zielsetzung artverwandte § 126 StGB bei der Pönalisierung der Belohnung und Billigung von Straftaten mit besonderer verfassungsrechtlicher Sensibilität anzuwenden. Eine enge Auslegung ist geboten (BeckOK StGB/Heuchemer, 60. Ed. 01.02.2024, StGB, § 140 Rn. 1).
Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG gibt jedem das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern. Bei Meinungen handelt es sich um Äußerungen, die durch das Element der Stellungnahme und des Dafürhaltens geprägt sind. Diese fallen stets in den Schutzbereich von Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG, ohne dass es dabei darauf ankäme, ob sie sich als wahr oder unwahr erweisen, ob sie begründet oder grundlos, emotional oder rational sind, als wertvoll oder wertlos, gefährlich oder harmlos eingeschätzt werden (st. Rspr., vgl nur BVerfG, Beschluss vom 22.06.2018 - 1 BvR 673/18, juris, Rn. 19). Auch wenn es sich um eine von Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG geschützte Äußerung handelt, ist das Grundrecht der Meinungsfreiheit aber nicht vorbehaltlos gewährleistet. Nach Art. 5 Abs. 2 GG unterliegt dieses Grundrecht insbesondere den Schranken, die sich aus den allgemeinen Gesetzen ergeben, wozu auch §§ 140, 138 StGB zählen (BVerfG, Beschluss vom 22.06.2018 - 1 BvR 673/18, juris, Rn. 22; BayObLG, Beschluss vom 26.01.2024 - 206 StRR 362/23, juris, Rn. 14). Der materielle Gehalt der Meinungsfreiheit bleibt hiervon jedoch unberührt. Art. 5 Abs. 1 und 2 GG erlauben nicht den staatlichen Zugriff auf die Gesinnung, sondern ermächtigen erst dann zum Eingriff, wenn Meinungsäußerungen die rein geistige Sphäre des Für-richtig-Haltens verlassen und in Rechtsgutverletzungen oder erkennbar in Gefährdungslagen umschlagen (BVerfG, Beschluss vom 07.07.2020 - 1 BvR 479/20, juris, Rn. 14; Beschluss vom 22.06.2018 - 1 BvR 673/18, juris, Rn. 24; Beschluss vom 04.11.2009 - 1 BvR 2150/08, juris, Rn. 78; BayObLG, Beschluss vom 26.01.2024 - 206 StRR 362/23, juris, Rn. 15). Dies ist der Fall, wenn sie den öffentlichen Frieden als Friedlichkeit der öffentlichen Auseinandersetzung gefährden und so den Übergang zu Aggression oder Rechtsbruch markieren (BVerfG Beschluss vom 07.07.2020, a.a.O., Beschluss vom 04.11.2009, a.a.O.).
Um dem Grundrecht der Meinungsfreiheit gemäß Art. 5 GG angemessen Rechnung zu tragen, ist bei der Prüfung der Strafbarkeit einer Äußerung zunächst deren objektiver Sinn zu ermitteln, wobei nicht die subjektive Absicht des sich Äußernden und nicht das subjektive Verständnis eines von einer Äußerung Betroffenen maßgeblich ist, sondern der Sinn, den sie nach dem Verständnis eines unvoreingenommenen und verständigen Publikums hat. Dabei ist, wenn es sich um eine wortgebundene Äußerung handelt, vom Wortlaut auszugehen, zudem sind der sprachliche Kontext, in dem die Äußerung steht und die Begleitumstände, unter denen sie gefallen ist, zu berücksichtigen; fernliegende Deutungen sind auszuschließen (BVerfG, Beschluss vom 19.12.2021 - 1 BvR 1073/20, juris, Rn. 28 m.w.N; BayObLG, Beschluss vom 26.01.2024 - 206 StRR 362/23, juris, Rn. 16). Im Falle von mehrdeutigen Äußerungen ist maßgeblich, ob eine der nicht auszuschließenden Bedeutungsvarianten straffrei wäre (BVerfGE 93, 266 - 319 = Beschluss vom 10.10.1995 - 1 BvR 1476/91, BvR 102/92, 1 BvR 221/92, juris, Rn. 124 ff.).
Diese für Fälle beleidigender Äußerungen vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Auslegungsgrundsätze sind auch für die Auslegung von Äußerungen, deren Strafbarkeit nach anderen Strafnormen in Betracht kommt, maßgeblich (BayObLG, Beschluss vom 26.01.2024 - 206 StRR 362/23, juris, Rn. 17).
cc) Die Tathandlung nach § 140 Nr. 2 StGB besteht darin, dass der Täter die Tat öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Inhalten (§ 11 Abs. 3 StGB) durch eine auf eine konkrete Tat bezogene und aus sich heraus verständliche Erklärung gutheißt (Fischer, StGB, 71. Aufl., § 140 Rn. 7). Hieran sind strenge Anforderungen zu stellen (BeckOK StGB/Heuchemer, 60. Ed. 01.02.2024, StGB § 140 Rn. 13).
Billigen i.S.v. § 140 Nr. 2 StGB bedeutet Gutheißen, womit verschiedene Stufen des Beifalls umschrieben sind (BGHSt 22, 282 - 289 = BGH, Urteil vom 17.12.1968 - 1 StR 161/68, juris, Rn. 11; BayObLG, Beschluss vom 26.01.2024 - 206 StRR 362/23, juris, Rn. 12). Dies ist bei in der Vergangenheit liegenden Taten gegeben, wenn der Billigende eindeutig seine Zustimmung dazu kundgibt, dass die Tat begangen worden ist, gleich ob ausdrücklich oder konkludent. Die Vorschrift will jedoch nicht eine Gesinnung bestrafen. Strafbar kann demnach nur eine erklärte Billigung und damit eine für andere wahrnehmbare Zustimmung sein (BGH, a.a.O., Rn. 12, 13; BayObLG, a.a.O., Rn. 12). Das Billigen muss zudem eine eigene Erklärung des Äußernden enthalten. Es muss als persönliche Stellungnahme erkennbar sein. Eine ausdrückliche Billigung ist insoweit nicht verlangt, es genügt vielmehr auch ein anderes unmissverständliches äußeres Verhalten. Die zustimmende Kundgebung muss jedoch immer aus sich heraus verständlich sein; sie muss als solche unmittelbar ohne Deuteln als Befürwortung der Straftat erkannt werden. Erforderlich ist die eindeutig, aus sich verständliche Kundgebung eigener Zustimmung. Dabei kommt es darauf an, dass ein Erklärungsempfänger mit normalem Durchschnittsempfinden zu der Schlussfolgerung kommen würde, durch dieses Verhalten solle eine positive Bewertung der Straftat zum Ausdruck gebracht werden (BGH, a.a.O., Rn. 13; BayObLG, a.a.O., Rn. 12).
dd) Seit 01.07.2021 erfasst § 140 Nr. 2 StGB nicht mehr nur die Billigung von in der Vergangenheit liegenden Taten, sondern auch die Billigung noch nicht begangener Straftaten.
Der Gesetzgeber (Deutscher Bundestag, Drucksache 19/17741, 19. Wahlperiode 10.03.2020, Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD, Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität, S. 34) sah in dem insbesondere in sozialen Medien zu beobachtenden Phänomen, dass von Nutzern die Begehung einer zukünftigen rechtswidrigen Tat gutgeheißen werde, ohne dass die Tat hinreichend konkret angedroht werde, eine Strafbarkeitslücke. Wenn beispielsweise der Nutzer eines sozialen Netzwerks unter einem politischen Beitrag eines Verfassers in einem Kommentar zum Ausdruck bringe, dass man den Verfasser „mal einen Kopf kürzer machen müsste“, sei dies, ebenso wie die Zustimmung anderer Nutzer zu dieser Idee, geeignet, den Zustand allgemeiner Rechtssicherheit erheblich zu erschüttern, wenn dies öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften erfolge.
Daher wurde mit dem Gesetz vom 30.03.2021 die Tathandlung der Billigung von Straftaten vom Erfordernis gelöst, dass die Straftat begangen oder in strafbarer Weise versucht worden sein muss. Für eine Strafbarkeit nach § 140 Nr. 2 StGB soll nunmehr genügen, dass der Täter die Katalogtat in ihren wesentlichen Merkmalen umreiße, ohne die Einzelheiten der Katalogtat zu kennen, und in dem Bewusstsein handele, durch sein Verhalten eine Katalogtat eines ihm nicht notwendigerweise bekannten Haupttäters zu billigen. Eine Billigung könne auch durch ein Gutheißen einer solchen Tat erfolgen, insbesondere durch eine Kundgabe der Zustimmung des Äußernden, durch die er sich moralisch hinter den Täter stelle (BT-Drs. 19/17741, S. 34).
ee) Beim subjektiven Tatbestand ist zumindest bedingter Vorsatz erforderlich. Dieser muss sich auf die konkrete Vortat, deren tatsächliche Eigenschaften, die sie zur Katalogtat machen, auf deren Rechtswidrigkeit und die Tathandlung nach § 140 Nr. 2 StGB beziehen (BeckOK StGB/Heuchemer, 60. Ed. 01.02.2024, StGB, § 140 Rn. 15).
b) Dies zugrunde gelegt sind die Beweiswürdigung, welche das Landgericht Ansbach für den vorliegenden Einzelfall im angefochtenen Urteil vorgenommen hat, und die sich daran anschließende rechtliche Würdigung nicht zu beanstanden.
aa) Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatgerichts (§ 261 StPO). Ihm allein obliegt es, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen. Die revisionsgerichtliche Prüfung ist darauf beschränkt, ob ihm Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht lediglich dann der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen ein Denkgesetz oder einen gesicherten Erfahrungssatz verstößt. Anderenfalls hat das Revisionsgericht die tatrichterliche Überzeugungsbildung selbst dann hinzunehmen, wenn eine andere Beurteilung nähergelegen hätte oder überzeugender gewesen wäre. Die Schlussfolgerungen des Tatgerichts brauchen dabei nicht zwingend zu sein. Es genügt vielmehr, dass sie möglich sind. Die Urteilsgründe müssen allerdings erkennen lassen, dass die Beweiswürdigung auf einer tragfähigen, verstandesmäßig einsehbaren Tatsachengrundlage beruht und die vom Tatgericht gezogenen Schlüsse nicht bloße Vermutungen sind und dass der Tatrichter solche Umstände, die geeignet sind, die Entscheidung zu Gunsten oder zu Ungunsten des Angeklagten zu beeinflussen, erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat. Aus den Urteilsgründen muss sich ferner ergeben, dass die einzelnen Beweisergebnisse nicht nur isoliert gewertet, sondern in eine umfassende Gesamtwürdigung eingestellt wurden (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 12.08.2021 - 3 StR 441/20, juris, Rn. 29, 30 m.w.N.; BGH, Urteil vom 26.10.2016 - 2 StR 275/16, juris, Rn. 12 m.w.N.).
bb) Diesen Anforderungen wird die angefochtene Berufungsentscheidung gerecht. Die vom Landgericht vorgenommene Beweiswürdigung ist frei von Rechtsfehlern.
aaa) Bei der Bewertung des Kommentars des Angeklagten „einfach drüber fahren selbst schuld wenn man so blöd is und sich auf die Straße klebt" vom 23.02.2022 auf der Internetplattform YouTube zum Beitrag des Bayerischen Rundfunks „Verkehrschaos auf Frankenschnellweg: Aktivisten kleben sich auf Straße“ hat das Landgericht alle verfügbaren Erkenntnisse und Umstände berücksichtigt.
Die Berufungskammer hat ihre Entscheidung auf den Wortlaut der Äußerung des Angeklagten vom 23.02.2022, auf den Ort der Äußerung auf der Internetplattform YouTube und deren Reichweite gestützt sowie auf die eigenen Angaben des Angeklagten dazu, weshalb er den Kommentar eingestellt, was er sich dabei gedacht habe und was er bezwecken wollte. Die Berufungskammer hatte auch die unterschiedlichen Möglichkeiten der Wirkung der Aussage nach dem Empfängerhorizont im Lichte des vorhandenen politischen und gesellschaftlichen Kontextes im Blick.
Entgegen den Revisionsausführungen ist der festgestellte Sachverhalt klar erkennbar. So ergeben sich die Feststellungen, welche die Strafkammer getroffen hat, aus den Ziffern II. 1. und II. 2. der Gründe (UA S. 3 und 4). Indem das Berufungsgericht der Einlassung des Angeklagten in Ziffer II. 3. der Gründe (UA S. 4) ohne Einschränkungen gefolgt ist, handelt es sich auch bei Ziffer II. 2. um Feststellungen, auf denen die rechtliche Würdigung unter Ziffer II. 3. der Gründe aufbaut. Es ist im Übrigen nicht ersichtlich, welche Feststellungen das Berufungsgericht zusätzlich hätte treffen können.
bbb) Mit seiner - wenngleich knappen - sachlich-rechtlichen Würdigung der vorgenannten, relevanten Aspekte nahm das Berufungsgericht im vorliegenden Einzelfall eine Bewertung der Äußerung des Angeklagten vom 23.02.2022 vor, welche nach dem oben dargelegten revisionsrechtlichen Prüfungsmaßstab durch das Revisionsgericht nicht zu beanstanden ist. Hierbei ging das Landgericht zum einen davon aus, dass die Äußerung des Angeklagten objektiv nach dem Empfängerhorizont keine ernstlich gemeinte Erklärung darstellte, zum anderen stellte es das Fehlen der subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen des Billigens von Straftaten nach § 140 Nr. 2 StGB fest. Nach den vom Berufungsgericht rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen handelte der Angeklagte danach ohne den mindestens erforderlichen bedingten Vorsatz sowohl bezüglich des Billigens der Katalogtat des § 140 StGB als auch hinsichtlich der Eignung seiner Äußerung zur Störung des öffentlichen Friedens. Dies ist durch das Revisionsgericht hinzunehmen.
(1) Im Einzelnen nahm das Berufungsgericht frei von Rechtsfehlern eine Auslegung der Äußerung dahingehend vor, dass bei objektiver Auslegung vom Empfängerhorizont für jeden vernünftig denkenden Menschen kein ernstlich gemeintes Billigen des Überfahrens von Menschen gegeben sei. Zudem sei diese vom Angeklagten subjektiv in der Erwartung abgegeben worden, der Mangel der Ernstlichkeit werde nicht verkannt. Frei von Rechtsfehlern festgestellt wurde, dass der Angeklagte gerade nicht gutheißen wollte, wenn bei zukünftigen Straßenblockaden von so bezeichneten Klimaaktivisten diese durch Autofahrer überfahren würden und dabei schwer verletzt würden oder zu Tode kämen. Festgestellt wurde weiterhin, dass der Angeklagte so auch nicht verstanden werden wollte und dass er davon ausgegangen sei, dass er nicht demgemäß verstanden werde. Die Berufungskammer ist hierbei rechtsfehlerfrei der Einlassung des Angeklagten gefolgt, sein Kommentar sei lediglich eine unüberlegte, spontan abgegebene und überspitzt formulierte Unmutsäußerung gewesen ohne die Eignung, den öffentlichen Frieden zu stören.
(2) Die Gegenargumentation der Generalstaatsanwaltschaft in der Revisionsbegründung zeigt weder Widersprüche in der Beweiswürdigung, noch Unklarheiten, Lücken oder Verstöße gegen ein Denkgesetz oder einen gesicherten Erfahrungssatz auf. Vielmehr nimmt sie mit ihrer Bewertung des Teils der Äußerung „… selbst schuld …“ dahingehend, dass dies impliziere, dass den Aktivisten etwas Negatives widerfahre und der Argumentation, dass die Äußerung des Angeklagten, wenn sie nicht ernst gemeint gewesen wäre, gerade nicht abgesetzt worden wäre, eine eigene, vom angefochtenen Urteil abweichende Beweiswürdigung vor. Dies kann die Revision nicht begründen.
(3) Zutreffend ist der Revisionseinwand, dass das Berufungsgericht nicht ausreichend zwischen den Straftatbeständen der öffentlichen Aufforderung zu Straftaten nach § 111 StGB und dem Billigen von Straftaten nach § 140 Nr. 2 StGB differenzierte. So verwendete das Landgericht bereits im Rahmen der Erörterung von § 140 Nr. 2 StGB den Begriff der konkreten Aufforderung. Indes handelt es sich hierbei um ein Tatbestandsmerkmal des Straftatbestandes der öffentlichen Aufforderung zu Straftaten nach § 111 StGB, dessen Verwirklichung das Berufungsgericht (erst) am Ende von Ziffer II. 3. der Gründe richtigerweise ablehnte. Allerdings ist aufgrund der unmittelbar vorangegangenen Darlegungen des Berufungsgerichts, dass die Äußerung bereits bei objektiver Auslegung ihres Erklärungsinhalts für jeden vernünftig denkenden Menschen eine nicht ernstlich gemeinte Erklärung darstelle, die zudem vom Angeklagten in der Erwartung abgegeben worden sei, der Mangel der Ernstlichkeit werde nicht verkannt, klar ersichtlich, dass das Landgericht vorliegend nicht nur eine konkrete Aufforderung, sondern auch ein Billigen beziehungsweise Gutheißen in jeder Form ausgeschlossen hat.
(4) Das Berufungsgericht hat auch die dem vorliegenden Verfahren zugrundeliegende, vom Angeklagten in seiner Einlassung aufgeworfene besondere Konfliktsituation gesehen, dass als Nötigung strafbares Verhalten der so bezeichneten Klimaaktivisten (vgl. BayObLG, Beschluss vom 21.04.2023 - 205 StRR 63/23, juris) die Reaktion des Angeklagten in Form seines Kommentars erst ausgelöst hat.
(5) Die vom Angeklagten hierzu angesprochene Notwehrproblematik spielt für die hier zu treffende Entscheidung dagegen keine Rolle und konnte daher unerörtert bleiben.
(6) Die im Kommentar enthaltenen Rechtschreibfehler hat das Berufungsgericht ebenfalls nicht thematisiert. Dies musste es auch nicht, da die Rechtschreibfehler im vorliegenden Einzelfall keine durchgreifende Auswirkung auf die im Kommentar des Angeklagten enthaltene Botschaft haben.
ccc) Das Berufungsgericht hatte bei seiner Beweiswürdigung das Grundrecht der Meinungsfreiheit aus Art. 5 GG im Blick. So hat es im Rahmen seiner Entscheidung unter Ziffer II. 3. der Gründe, der Einlassung des Angeklagten vollumfänglich zu folgen, auf das Erfordernis der einschränkenden Auslegung und auf die im Hinblick von Art. 5 GG problematische Vorfeld-Strafbarkeit bei (verfehlter) konsequenter Umsetzung des Wortlauts von § 140 Nr. 2 StGB unter Bezugnahme auf die Kommentierung bei Fischer, StGB, § 140 Rn. 8 hingewiesen. Dies zu Grunde legend gelangte das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei zur Erkenntnis, das dem Kommentar entnehmbare Wünschen, jemandem möge Schlimmes angetan werden, sei hier, wie auch in vielen vergleichbaren Fällen, nicht wörtlich zu nehmen, sondern nur Ausdruck von Herabsetzung.
ddd) Offen bleiben kann im Anschluss daran, ob auch die knappen Ausführungen des Gerichts zutreffen, dass die Äußerung des Angeklagten nicht zur Friedensstörung geeignet sei. Wenn das Gericht von einer überspitzten, ersichtlich nicht ernst gemeinten Unmutsäußerung ausging, die nicht so zu verstehen war, dass die tatsächliche Verletzung und Tötung von Straßenblockierern gutgeheißen werde, dann konnte es auch eine Störung des öffentlichen Friedens verneinen. Ersichtlich nicht ernst gemeinte Äußerungen erschüttern nicht den Zustand allgemeiner Rechtssicherheit und des befriedeten Zusammenlebens der Bürger beziehungsweise das Vertrauen der Bevölkerung in die Fortdauer des diesen Zustand begründenden Sicherheitsgefühls (Schönke/Schröder/Sternberg-Lieben/Schittenhelm, StGB. 30. Aufl., § 126 Rn. 1; Fischer, StGB, 71. Aufl., § 140 Rn. 2 i.V.m. § 126 Rn. 3).
eee) Die vorliegende Auslegung des Landgerichts Ansbach entspricht auf den ersten Blick nicht dem Ziel, das der Gesetzgeber mit der Neuregelung von § 140 Nr. 2 StGB hatte. So ist die vom Angeklagten verbreitete Formulierung, „einfach drüber fahren …“ durchaus vergleichbar mit der in der Gesetzesbegründung explizit enthaltenen Formulierung, dass man den Verfasser eines politischen Kommentars „mal einen Kopf kürzer machen müsste“ (BT-Drs. 19/17741, S. 34). Dennoch ist die angefochtene Entscheidung nicht zu beanstanden. Sie entspricht der in der Revisionsbegründung und oben unter Ziffer 1. a) bb) dargelegten Wechselwirkungslehre. § 140 StGB muss als allgemeines Gesetz, welches nach Art. 5 Abs. 2 GG die Meinungsfreiheit beschränkt, seinerseits im Lichte des Grundrechts der Meinungsfreiheit ausgelegt werden (vgl. nur BeckOK GG/Schemmer, 57. Ed. 15.01.2024, GG Art. 5 Rn. 100 ff.). Dies zugrunde gelegt, wäre es verfehlt, Äußerungen wie „einfach drüber fahren“ oder „einen Kopf kürzer machen“ schematisch als generell strafbar zu bewerten. Dies würde die Meinungsfreiheit verfassungswidrig einschränken und zu einer Vorfeld-Gesinnungsstrafbarkeit (ausführlich zur Problematik des § 140 Nr. 2 StGB: BeckOK StGB/Heuchemer, 60. Ed. 01.02.2024, StGB, § 140 Rn. 1, 3, 3.1) führen, die auch Äußerungen erfasst, die im konkreten Fall noch nicht den Übergang zu Aggression oder Rechtsbruch markieren. Äußerungen müssen statt dessen immer nach dem Sinn, den sie nach dem Verständnis eines unvoreingenommenen und verständigen Publikums haben, bewertet werden, wobei vom Wortlaut auszugehen und der sprachliche Kontext, in dem die Äußerung steht und die Begleitumstände, unter denen sie gefallen ist, zu berücksichtigen sind. Fernliegende Deutungen sind auszuschließen (BVerfG, Beschluss vom 19.12.2021 - 1 BvR 1073/20, Rn. 28 m.w.N). Im Falle von mehrdeutigen Äußerungen ist maßgeblich, ob eine der nicht auszuschließenden Bedeutungsvarianten straffrei wäre. Vorliegend hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei einer nicht strafbaren Bedeutungsvariante den Vorzug gegeben. Hierbei handelt es sich neben der Friedensschutzklausel um das zur Wahrung der Meinungsfreiheit erforderliche Korrektiv, welches ermöglicht, den weit gefassten abstrakten Gefährdungstatbestand durch Berücksichtigung der konkreten Umstände restriktiv auszulegen (zur Friedensschutzklausel vgl. Fischer, StGB, 71. Aufl., § 140 Rn. 8a).
2. Das Verhalten des Angeklagten erfüllt auch nicht den Tatbestand der Volksverhetzung in der Form des § 130 Abs. 2 Nr. 1 StGB.
Die Tathandlungen müssten sich dafür - soweit eine Strafbarkeit im vorliegenden Fall in Betracht kommt - gegen „Teile der Bevölkerung“ oder Einzelne wegen deren Zugehörigkeit zu einer solchen Gruppe richten. Die Teilnehmer an einer Demonstration - auf die sich die Äußerung des Angeklagten allgemein bezieht - sind allerdings nicht als „Teile der Bevölkerung“ im Sinne dieser Bestimmung zu betrachten, da sie zwar durch gemeinsame äußere und innere Merkmale verbunden sein mögen, aber nur vorübergehend miteinander verbunden sind (vgl. MüKoStGB/Schäfer/Anstötz, 4. Aufl. 2021, StGB, § 130 Rn. 30, 33; Schönke/Schröder/Sternberg-Lieben/Schittenhelm, StGB, 30. Aufl., § 130 Rn. 3; Krauß in: Leipziger Kommentar zum StGB, 13. Auflage, § 130 StGB Rn. 36; BeckOK StGB/Rackow, 60. Ed. 01.11.2023, StGB, § 130 Rn. 16, 16.2; OLG Braunschweig vom 06.03.2007 - Ss 2/07, juris, Rn. 6). Anhaltspunkte, dass der Angeklagte über die Teilnehmer an der konkreten Aktion hinaus eine bestimmte Organisation und deren Mitglieder - etwa die „Letzte Generation“ - gemeint hat, liegen nicht vor, so dass es nicht darauf ankommt, ob diese ihrerseits als Teil der Bevölkerung anzusehen wären.
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1 StPO.
Einsender: 3. Strafsenat des BayObLG
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