Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Saarbrücken, Beschl. v. 11.02.2025 – 1 Ss 3/25
Eigener Leitsatz:
1. Eine ausdrücklichen Ermächtigung durch den Angeklagten nach § 302 Abs. 2 StPO zur Berufungsrücknahme/-beschränkung ist konkludent erteilt, wenn der Angeklagte zu einer durch seinen Verteidiger in der Berufungshauptverhandlung in seiner Anwesenheit erklärten Rechtsmittelbeschränkung schweigt.
2. Schweigt das Protokoll der Hauptverhandlung zu der nach § 303 Satz 1 StPO erforderlichen Zustimmung der Staatsanwaltschaft beweist das nur, dass keine ausdrückliche Zustimmung nach § 303 Satz 1 StPO erteilt wurde Ob die Staatsanwaltschaft ihre Zustimmung gegebenenfalls konkludent erklärt hat, ist hingegen im Wege des Freibeweises zu klären.
In pp.
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Saarbrücken – 11. Kleine Strafkammer – vom 4. November 2024 mit den ihm zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an eine andere Kleine Strafkammer des Landgerichts Saarbrücken zurückverwiesen.
Gründe
I.
Der Angeklagte wurde durch Urteil des Amtsgerichts Saarbrücken vom 20. März 2023 (117 Ls 416/22) wegen Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen zu einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr und 3 Monaten verurteilt. Gegen dieses Urteil legten der Angeklagte am 20. März 2023 und die Staatsanwaltschaft Saarbrücken am 21. März 2023 Berufung ein. Die Berufung der Staatsanwaltschaft wurde mit Verfügung vom 26. April 2023 damit begründet, dass im Hinblick auf die Vorstrafen des Angeklagten und seine manifest rechtsradikale Einstellung eine wesentlich höhere Freiheitsstrafe hätte verhängt werden müssen.
Der Angeklagte wurde außerdem durch Urteil des Amtsgerichts Saarbrücken vom 15. April 2024 (125 Ds 138/23) wegen Beleidigung in drei tateinheitlichen Fällen in Tatmehrheit mit Beleidigung in fünf tateinheitlichen Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 6 Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Gegen dieses Urteil legte die Staatsanwaltschaft am 22. April 2024 Berufung ein und beschränkte diese mit Verfügung vom 28. Mai 2024 auf den Rechtsfolgenausspruch.
Mit Beschluss vom 27. Juni 2024 übernahm die für das Verfahren 117 Ls 416/22 unter dem Aktenzeichen 11 NBs 58/23 zuständige 11. Kleine Strafkammer des Landgerichts Saarbrücken das in der Sache 125 Ds 138/23 unter dem Aktenzeichen 12 NBs 79/24 anhängige Berufungsverfahren unter gleichzeitiger Verbindung zu dem Verfahren 11 NBs 58/23.
Im Berufungshauptverhandlungstermin vom 4. November 2024 erklärte der Verteidiger des Angeklagten in dessen Anwesenheit, die Berufung des Angeklagten werde auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt. Eine Zustimmung der Staatsanwaltschaft hierzu ist im Protokoll der Berufungshauptverhandlung nicht vermerkt.
Durch Urteil vom 4. November 2024 hob das Landgericht die Urteile des Amtsgerichts Saarbrücken vom 20. März 2023 und vom 15. April 2024 „auf die Berufung der Staatsanwaltschaft“ auf und verurteilte den Angeklagten wegen „Verwendens von Kennzeichen verfassungsfeindlicher Organisationen“, Beleidigung in drei tateinheitlichen Fällen und Beleidigung in fünf tateinheitlichen Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr und 6 Monaten. Die Berufung des Angeklagten wurde verworfen.
Gegen dieses Urteil legte der Verteidiger des Angeklagten am 5. November 2024 Revision ein und begründete diese zugleich mit der unausgeführten Rüge einer Verletzung materiellen Rechts. Eine weitere Revisionsbegründung erfolgte nach der am 26. November 2024 erfolgten Zustellung des schriftlichen Urteils nicht.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Revision als offensichtlich unbegründet zu verwerfen. Eine Gegenerklärung zu diesem ihm am 17. Januar 2025 zugestellten Antrag hat der Verteidiger nicht abgegeben.
II.
1. Die zulässige Revision des Angeklagten führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung.
a) Zutreffend hat das Landgericht die Begründung der Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Amtsgerichts Saarbrücken vom 20. März 2023 als nachträgliche konkludente Berufungsbeschränkung angesehen.
b) Zu Recht hat es auch die in der Berufungshauptverhandlung allein von dem Verteidiger erklärte nachträgliche Beschränkung der Berufung des Angeklagten auf den Rechtsfolgenausspruch für wirksam gehalten.
(1) Zwar bedurfte der Verteidiger für die nachträgliche Berufungsbeschränkung, in der zugleich eine Teilrücknahme des zunächst unbeschränkt eingelegten Rechtsmittels liegt, einer ausdrücklichen Ermächtigung durch den Angeklagten nach § 302 Abs. 2 StPO (vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 16. Juli 2018 – Ss 44/2018 (27/18) – und vom 23. Oktober 2020 – Ss 60/2020 (54/20) –; Schmitt in: Meyer-Goßner/Schmitt, 67. Aufl., § 302 Rn. 28, 29). Eine solche ist jedoch konkludent erteilt, wenn der Angeklagte – wie hier – zu einer durch seinen Verteidiger in der Berufungshauptverhandlung in seiner Anwesenheit erklärten Rechtsmittelbeschränkung schweigt (BGH GA 1968, 86; BayObLG NJW 1985, 754; OLG Hamm, Beschluss vom 19. Februar 2019 – III-5 RVs 23/19 –, juris; OLG Celle, Beschluss vom 23. November 2020 – 3 Ss 48/20 –, juris; KG Berlin, Beschluss vom 16. Februar 2022 – 3 Ws (B) 24/22 –, juris; Senatsbeschluss vom 21. Januar 2004 – Ss 80/2003 (98/03) –).
(2) Die nachträgliche Berufungsbeschränkung erweist sich auch nicht deshalb als unwirksam, weil das Protokoll der Hauptverhandlung zu der nach § 303 Satz 1 StPO erforderlichen Zustimmung der Staatsanwaltschaft schweigt. Das Schweigen des Protokolls beweist nur, dass keine ausdrückliche Zustimmung nach § 303 Satz 1 StPO erteilt wurde (vgl. OLG Hamm, Entscheidung vom 5. September 1968 – 2 Ss 915/68 –, juris und Beschluss vom 9. Juni 2015 – III-1 RVS 14/15 –, juris; OLG Celle, Beschluss vom 8. Februar 2017 – 1 Ss 3/17 –, juris; BayObLG, Beschluss vom 1. Dezember 2023 – 204 StRR 527/23 –, juris; Allgayer in: MüKo-StPO, 2. Aufl., § 303 Rn. 6 m.w.N.). Ob die Staatsanwaltschaft ihre Zustimmung – was zulässig ist (Schmitt in: Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., § 303 Rn. 5 f.) – gegebenenfalls konkludent erklärt hat, ist hingegen im Wege des Freibeweises zu klären (OLG Celle, a.a.O.; OLG Düsseldorf, Urteil vom 29. April 1976 – 3 Ss 321/76 –, juris; OLG Stuttgart, Beschluss vom 6. Februar 1990 – 3 Ss 562/89 –, juris; OLG Hamm, Beschluss vom 9. Juni 2015 – III-1 RVs 14/15 –, juris; Paul in: KK-StPO, 9. Aufl., § 303 Rn. 4). Eine konkludente Zustimmung, die auch in einem bloßen Schweigen liegen kann (OLG Celle, a.a.O.; OLG Düsseldorf, a.a.O.; OLG Stuttgart, a.a.O.; OLG Hamm, a.a.O.; Schmitt in: Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., § 303 Rn. 6), liegt nahe, wenn sicher ist, dass der Rechtsmittelgegner die Beschränkungserklärung zur Kenntnis genommen hat, ihm Bedeutung und Tragweite bewusst gewesen sind und sein weiteres Prozessverhalten keine Anhaltspunkte dafür bietet, dass er mit der Beschränkung nicht einverstanden gewesen sein könnte (OLG Celle, a.a.O.; OLG Stuttgart, Beschluss vom 6. Februar 1990 – 3 Ss 562/89 –, juris; OLG Hamm, Beschluss vom 13. Oktober 2009 – 3 Ss 422/09 –, juris; BayObLG, Beschluss vom 1. Dezember 2023 – 204 StRR 527/23 –, juris). So liegt der Fall hier, nachdem die Staatsanwaltschaft der erklärten Berufungsbeschränkung nicht widersprochen hat und diese im Einklang mit ihrem eigenen im Berufungsverfahren verfolgten Rechtsschutzziel einer Änderung nur des Strafausspruchs der erstinstanzlichen Urteile stand.
(3) Schließlich tragen die Feststellungen des Amtsgerichts auch eine Strafbarkeit des Angeklagten wegen Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen, Beleidigung in drei tateinheitlichen Fällen sowie Beleidigung in fünf tateinheitlichen Fällen. Insbesondere handelt es sich jedenfalls bei den Bezeichnungen der eingesetzten Polizeibeamten als „Arschloch“ und „Wichser“ (Tat vom 18. März 2023) bzw. „Wichser“ und „Hurensöhne“ (Tat vom 2. April 2023) um dem Tatbestand des § 185 StGB unterfallende Formalbeleidigungen, bei denen die Meinungsfreiheit des Angeklagten hinter den Ehrenschutz der Beamten zurückzutreten hat, ohne dass es insoweit einer Einzelfallabwägung bedurft hätte (vgl. BVerfGE 82, 43, 51; 85, 1, 16; 90, 241, 248; 93, 266, 293 f; 99, 185, 196; Senatsbeschlüsse vom 23. März 2022 – 1 Ss 5/22 – und vom 22. Mai 2023 – 1 Ss 5/23 –).
c) Das angefochtene Urteil unterliegt nicht bereits deshalb der Aufhebung, weil die Berufungskammer trotz der als wirksam erachteten Beschränkung der Berufungen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten eigene Ausführungen zum Schuldspruch gemacht hat. Zwar ist dies rechtsfehlerhaft, da der Schuldspruch aufgrund der Rechtsmittelbeschränkungen bereits in Rechtskraft erwachsen war (vgl. hierzu bereits Senatsurteil vom 28. Oktober 2024 – 1 Ss 23/24 – und Senatsbeschlüsse vom 5. Dezember 2024 – 1 Ss 40/24 – und vom 3. Januar 2025 – 1 Ss 42/24 – m.w.N.; vgl. auch KG Berlin, Urteil vom 26. Februar 2020 – (3) 161 Ss 10/20 –, juris). Der Rechtsfehler wirkt sich im konkreten Fall aber nicht zum Nachteil des Angeklagten aus, da die rechtliche Einordnung der Taten des Landgerichts nicht von den in den Urteilen des Amtsgerichts Saarbrücken vom 20. März 2023 und vom 15. April 2024 getroffenen Schuldsprüchen abweicht, sondern sich mit diesen deckt (vgl. hierzu auch, KG Berlin, a.a.O.; Senatsbeschluss vom 3. Januar 2025 – 1 Ss 42/24 –).
d) Das Urteil kann jedoch deshalb keinen Bestand haben, weil der allein getroffene Strafausspruch an durchgreifenden Rechtsfehlern leidet.
(1) Zwar ist die Strafzumessung grundsätzlich Sache des Tatgerichts und ist es seine Aufgabe, auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den es in der Hauptverhandlung von der Tat und der Persönlichkeit des Täters gewonnen hat, die wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände festzustellen, sie zu bewerten und hierbei gegeneinander abzuwägen (vgl. nur BGH, Urteil vom 9. Oktober 2024 – 2 StR 103/24 –, juris). Das Revisionsgericht hat allerdings dann in diese Einzelakte der Strafzumessung einzugreifen, wenn die Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, das Tatgericht gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstoßen hat oder sich die verhängte Strafe nach oben oder unten von ihrer Bestimmung löst, gerechter Schuldausgleich zu sein (BGH, a.a.O.).
(2) Hinsichtlich der für die Tat vom 23. Juli 2022 verhängten Strafe sind die Strafzumessungserwägungen des Landgerichts rechtsfehlerhaft.
(a) Das Gericht hat dem Angeklagten insoweit zu Gute gehalten, dass er die öffentlich gezeigten Tätowierungen nachträglich habe übertätowieren lassen. Das Gewicht dieses Strafmilderungsgrundes hat es jedoch relativiert, indem es in Ergänzung zu den bindenden Feststellungen des Amtsgerichts festgestellt hat, dass sich der Angeklagte zwar gegenüber seinem Bewährungshelfer selbstkritisch zu seinen Straftaten geäußert habe, dies jedoch nicht mit einer an einem „durchgreifenden Perspektivänderung“ einhergehe, er „weiterhin der Hooliganszene nahe“ stehe und „sich nicht durchgreifend von rechtsextremem Gedankengut abgegrenzt“ habe (UA S. 6). Zwar hat das Gericht die genannten Umstände ausdrücklich nur im Rahmen seiner Bewährungsentscheidung erörtert. In Ansehung der Bedeutung der Gesinnung, die aus der Tat spricht, für die Strafzumessung (§ 46 Abs. 2 Satz 2 StGB), vermag der Senat jedoch nicht auszuschließen, dass sie auch Einfluss auf die Höhe der verhängten Strafe hatten.
(b) Rechtsfehlerhaft sind die genannten Erwägungen, weil sie nicht auf einer tragfähigen Tatsachen- und Beweisgrundlage beruhen.
Zwar ist die Beweiswürdigung grundsätzlich Sache des Tatgerichts (§ 261 StPO), dem allein es obliegt, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen, so dass das Revisionsgericht die Würdigung der wesentlichen beweiserheblichen Umstände grundsätzlich hinnehmen muss (vgl. nur BGH NStZ 1991, 548 m.w.N.; NStZ-RR 2006, 82, 83; Senatsbeschlüsse vom 17. Februar 2022 – Ss 62/21 (1 Ss 1/22) – und vom 29. November 2022 – Ss 54/22 (37/22)). Das Revisionsgericht hat jedoch zu prüfen, ob dem Tatgericht im Rahmen der Beweiswürdigung Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht insbesondere dann der Fall, wenn die Beweiswürdigung lückenhaft, widersprüchlich oder unklar ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr., vgl. nur BGH, Urteile vom 20. April 2021 – 1 StR 286/20 –, juris und vom 26. Januar 2021 – 1 StR 376/20 –, juris; Beschluss vom 14. April 2021 – 4 StR 91/21 –, juris, jeweils m.w.N.; Senatsbeschlüsse vom 4. März 2016 – Ss 11/2016 (10/16) –, vom 18. Mai 2016 – Ss 30/2016 (23/16) – und vom 29. November 2022 – Ss 54/22 (37/22) –), sie sich auf nicht existierende Erfahrungssätze stützt (vgl. z.B. BGH, Beschluss vom 15. März 2017 – 2 StR 270/16 –, juris) oder sich in den Schlussfolgerungen so weit von einer gesicherten Tatsachengrundlage entfernt, dass die Ergebnisse sich letztlich als bloße Vermutung darstellt (BGH, Beschluss vom 18. Juni 2008 – 2 StR 225/08 –, juris).
Letzteres ist hier der Fall. Das Landgericht hat seine Annahme, der Angeklagte habe „sich nicht durchgreifend von rechtsextremem Gedankengut abgegrenzt“, tragend auf ein von ihm festgestelltes Tatgeschehen vom 13. Mai 2023 gestützt, bei dem der Angeklagte noch nach seiner Verurteilung in erster Instanz wegen der Tat vom 23. Juli 2022 erneut bei einem Fußballspiel eine Hakenkreuz-Tätowierung öffentlich gezeigt hat (UA S. 7, 8). Dass zum Zeitpunkt der Berufungshauptverhandlung vom 4. November 2024 sämtliche verbotenen Motive übertätowiert waren, hat es zwar in den Blick genommen, dies jedoch mit der Begründung als nicht „ehrlich gemeinte Abkehr von rechtsextremem Gedankengut“ gewertet, dass „die zur Überdeckung der rechtsextremen Symbolik (…) gewählten Symbole (Bengalo-Fackel und Fenris-Wolf) ihrerseits eine fortdauernde Affinität des Angeklagten zur Hooliganszene und zu nordischer Mythologie“ zum Ausdruck brächten (UA S. 8 und 11). Aus welchen Gründen die Tätowierung einer Bengalo-Fackel bzw. eines Fenris-Wolfs Rückschlüsse auf die fortbestehend rechtsextreme Gesinnung des Angeklagten erlauben soll, legen die Urteilsgründe nicht nachvollziehbar dar. Bei dem behaupteten Zusammenhang zwischen den genannten Symbolen und einer Affinität zum Nationalsozialismus handelt es sich weder um eine allgemein bekannte Tatsache, von der verständige Menschen regelmäßig Kenntnis haben oder über die sie sich aus zuverlässigen Quellen ohne besondere Fachkunde sicher unterrichten können (BGHSt 6, 292 und 26, 56; BGH, Urteil vom 17. Mai 2018 – 3 StR 508/17 –, juris) noch um einen allgemein-gültigen wissenschaftlichen Erfahrungssatz, der keine Ausnahme zulässt und zu schlechthin zwingenden Folgerungen führt (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 16. Mai 2002 – 1 StR 40/02 –, juris; Bartel in: MüKo-StPO, 2. Aufl., § 261 Rn. 94; Franke in: Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 337 Rn. 144). Die Urteilsgründe legen auch nicht nachvollziehbar dar, dass die Symbole typischerweise in der rechtsextremen Szene verwendet werden (vgl. zur generellen Zulässigkeit der Verwertung sogenannter „einfacher“ Erfahrungssätze im Rahmen der Beweiswürdigung Bartel in: MüKo-StPO, a.a.O., § 261 Rn. 94; Franke in: Löwe-Rosenberg, a.a.O., § 337 Rn. 147 f.).
(3) Hinsichtlich der Strafaussprüche für die Taten vom 18. März 2023 und vom 2. April 2023 unterliegt das angefochtene Urteil deshalb der Aufhebung, weil das Landgericht seiner Entscheidung über den Strafausspruch den erhöhten Strafrahmen des § 185 Alt. 2 StGB zu Grunde gelegt hat, ohne dass die Feststellungen belegen, dass die dem Angeklagten zur Last gelegten Beleidigungen öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts begangen wurden.
(a) Für das Vorliegen einer vom Landgericht angenommenen öffentlichen Beleidigung genügt es nicht, dass die ehrenrührige Kundgabe an einem öffentlichen Ort begangen wurde (vgl. zum gleichlautenden Begriff der Öffentlichkeit in § 186 StGB Hilgendorf in LK-StGB, 13. Aufl., § 186 Rn. 13; Eisele/Schittenhelm in: Schönke/Schröder, StGB, 30. Aufl., § 186 Rn. 19). Von dem Qualifikationstatbestand des § 185 Alt. 2 StGB werden vielmehr nur Äußerungen erfasst, die von einem größeren, nach Zahl und Individualität unbestimmten oder durch nähere Beziehungen nicht verbundenen Personenkreis wahrgenommen werden können (BT-Drs. 19/17741, S. 35; Eisele/Schittenhelm, a.a.O.). Entsprechendes ist für die Tat vom 18. März 2023 bereits deshalb nicht belegt, weil nicht festgestellt ist, dass bei den beleidigenden Äußerungen des Angeklagten über die betroffenen Polizeibeamten hinaus weitere Personen anwesend waren, die die Äußerungen wahrnehmen konnten. Nichts anderes gilt im Ergebnis für die Tat vom 2. April 2023. Auch hier ist die „etwa zehnköpfigen Gruppe von Saarbrücken-Anhängern“ zahlenmäßig umgrenzt. Dass die Gruppenmitglieder durch nähere Beziehungen miteinander verbunden sind, lässt sich anhand der Urteilsfeststellungen jedenfalls nicht ausschließen (vgl. zu insoweit erforderlichen Feststellungen auch KG Berlin, Beschluss vom 12. März 2024 – (5) 161 Ss 153/22 (33/22) –, juris).
(b) Die landgerichtlichen Feststellungen belegen auch nicht, dass die Tat vom 2. April 2023 „in einer Versammlung“ begangen wurden. Eine Versammlung im Sinne des § 185 StGB ist nur eine räumlich zu einem bestimmten Zweck vereinigte größere Anzahl von Menschen (BT-Drs. 19/17741, S. 35; vgl. auch KG Berlin, Beschluss vom 12. März 2024 – (5) 161 Ss 153/22 –, juris zu § 86a StGB). Ein zufälliges zeitweiliges Beisammensein genügt nicht (Eisele/Schnittenhelm in: Schönke/Schröder, StGB, a.a.O., § 187 Rn. 7 unter Bezugnahme auf Sternberg-Lieben, a.a.O., § 90 Rn. 5). Dass die „Gruppe von Saarbrücken-Anhängern“, in der der Angeklagte sich nach dem Fußballspiel auf dem Bahnhofsvorplatz befand, sich mit ihm gezielt zur Verfolgung eines gemeinsamen Zwecks zusammengeschlossen hat, ist nicht festgestellt. Hinsichtlich der Tat vom 18. März 2023 scheidet eine Tatbegehung „in einer Versammlung“ mangels Anwesenheit unbeteiligter Dritter von vornherein aus.
(c) Die Wahl des unzutreffenden Strafrahmens zwingt zur Urteilsaufhebung, da der Senat nicht auszuschließen vermag, dass das Gericht bei zutreffender Anwendung des Grundtatbestandes des § 185 StGB mit einer nur halb so hohen Strafobergrenze ein milderes Strafmaß verhängt hätte als unter Zugrundelegung des Strafrahmens Qualifikationstatbestandes.
2. Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, dass die Berufungskammer zur Frage einer möglichen Einschränkung der Schuldfähigkeit auf der Grundlage einer eigenen Beweiswürdigung eigene Feststellungen zu treffen hat und insoweit nicht an die Feststellungen des Amtsgerichts gebunden ist (vgl. nur Hanseatisches OLG Hamburg, Beschluss vom 21. November 2019 – 2 Rev 89/19 –, juris; OLG Celle, Beschluss vom 23. November 2020 – 3 Ss 48/20 –, juris; Schmitt in: Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., § 318 Rn. 5).
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