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Entscheidungen

Gebühren/Kosten/Auslagen

Vergütungsvereinbarung, Zusatzvereinbarung, Bonus, Formerfordernis, Textform, Abschluss des Mandats

Gericht / Entscheidungsdatum: LG Koblenz, Urt. v. 27.11.2024 - 15 O 97/24

Eigener Leitsatz:

1. Nach dem Wortlaut und Wortsinn liegt eine Vergütungsvereinbarung i.S. von § 3a RVG vor, wenn mit der Vereinbarung für erbrachte anwaltliche Tätigkeit - wenn auch zusätzlich - entlohnt, mithin vergütet werden soll.
2. Auch für eine solche Zusatzvereinbarung gilt das Formerfordernis der Textform, und zwar auch dann, wenn zwischen dem Rechtsanwalt und dem Mandanten nach Abschluss des Mandats ein wie auch immer gestalteten Zuschlag oder Bonus vereinbart wird.


15 O 97/24

Landgericht Koblenz

IM NAMEN DES VOLKES

Urteil

In dem Rechtsstreit pp.

wegen Ungerechtfertigte Bereicherung
-
hat die 15. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht, den Richter und die Richterin am Landgericht auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 27.11.2024 für Recht erkannt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 23.800,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 02.05.2023 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu voll-streckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert wird auf 23.800,00 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Klägerin verlangt von der Beklagten die Zahlung von 23.800 € zuzüglich Zinsen.

Die Parteien waren durch Anwaltsvertrag miteinander verbunden. Die Beklagte machte für die Klägerin auftragsgemäß außergerichtlich Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche aus einem Unfallereignis zum Nachteil der Klägerin geltend.
Bei Mandatserteilung im Februar 2022 schlossen die Parteien die als Anlage K 2 vorgelegte, weitere schriftliche Vereinbarung die mit „Zusatzvereinbarung zur anwaltlichen Vergütung“ überschrieben ist. Darin heißt es unter anderem:

„Die Parteien sind sich einig, dass im Falle des Erfolgs, die Frage einer zusätzlichen, über die gesetzliche Regelung hinausgehenden Vergütung noch einmal besprochen wird.“
Über diese Vorgehensweise, insbesondere die Freiwilligkeit einer solchen Zahlung und auch deren übliche Höhe, wurde die Klägerin bereits mit E-Mail der Beklagten vom 12.01.2022 in-formiert.

In der Folge setzte die Beklagte zugunsten der Klägerin im Zuge außergerichtlich geführter Verhandlungen, die im Frühjahr 2023 zu einem erfolgreichen Abschluss kamen, einen Vergleichsbetrag durch. Jedenfalls erfolgte in diesem Zusammenhang eine Zahlung in Höhe von 150.000 € zugunsten der Klägerin auf ein Konto der Beklagten.
Nach Abschluss der Tätigkeit kam es zu einem vorher vereinbarten Telefonat zwischen den Parteien, in dem ausschließlich über die Zahlung einer freiwilligen zusätzlichen Vergütung gesprochen wurde. Der genaue Inhalt des Gesprächs ist zwischen den Parteien streitig.

Mit Kostenrechnung vom 31.03.2023 (Anlage K4) stellte die Beklagte der Klägerin sodann eine „Erfolgsunabhängige Vergütung, Vergütungsvereinbarung § 3a RVG, §§ 4, 3a RVG“ über einen Betrag in Höhe von 20.000 € zuzüglich 19% Mehrwertsteuer, insgesamt somit 23.800 € in Rechnung. In einer Textnachricht an die Klägerin vom gleichen Tag (Anlage K 3) bedankte sich die Beklagte für die „entgegenkommende und anerkennende Zahlung der zwischen uns besprochenen Zusatzvergütung von 20.000 € netto“ und erteilte Abrechnung. Dabei zog sie von einem „geleisteten Abfindungsbetrag HUK Haftpflicht“ in Höhe von 150.000 € Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 23.800 € „gemäß anliegender Kostenrechnung“ ab. Den danach verbleibenden Zahlbetrag in Höhe von 126.200 € kehrte die Beklagte sodann an die Klägerin aus.
Nachdem die Klägerin mit Schreiben vom 02.04.2023 den Betrag in Höhe von 23.800 € zurückforderte und die Beklagte dem mit Schreiben vom 04.04.2023 entgegen getreten war, forderte der Klägervertreter mit Schreiben vom 14.04.2024 die Beklagte vorgerichtlich zur Über-weisung von 23.800 € binnen zwei Wochen auf.
Eine Zahlung durch die Beklagte erfolgte darauf nicht.

Die Klägerin trägt vor:
Eine wirksame Vertragsgrundlage für den Abzug von 23.800 € liege nicht vor. Abgesehen da-von, dass es sowieso bei einer reinen Absichtserklärung geblieben sei, hätte ein Erfolgshonorar gem. § 49b Abs. 2 Satz 1 BRAO nicht wirksam vereinbart werden können. Die Vorausset-zungen für die Ausnahmeregelung des § 4a Abs. 1 Nr.3 RVG hätten nicht vorgelegen.

Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie einen Betrag in Höhe von 23.800,00 € nebst 5 % Punkten über Basiszinssatz seit dem 1. Mai 2023 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Die Beklagte trägt vor:
In dem vor der Verrechnung erfolgten Telefongespräch hätten die Parteien eine keinerlei Formvorschriften unterliegende Bonusvereinbarung getroffen. Die Klägerin habe dabei in Kenntnis aller Umstände, insbesondere dass der Beklagten ein Rechtsanspruch auf diese Zahlung nicht zustand, gehandelt. Es sei der Klägerin gelungen, den üblichen Bonus auf 10 % der Gesamtentschädigung, mithin 20.000 € netto, „herunter zu handeln“. Hiermit habe sich die Klägerin in diesem Telefonat nicht nur erfreut einverstanden erklärt, sondern sie habe sich auch nochmals für die komplexe, anspruchsvolle und erfolgreiche Tätigkeit von Rechtsanwalt G. bedankt.
Selbstverständlich sei in diesem Telefonat auch abgesprochen worden, dass die Beklagte von dem eingehenden restlichen Entschädigungsbetrag unmittelbar die vereinbarte Bonuszahlung entnehmen solle, da auch die Klägerin eine „Hin- und Herzahlung“ der einzelnen Beträge für überflüssig gehalten habe.
Es handele sich bei der Bonusvereinbarung nicht um eine Erfolgshonorarvereinbarung.

Die Erfordernisse einer Vergütungsvereinbarung nach RVG – insbesondere das Textformerfordernis - seien hier ohne Bedeutung, weil weder eine Gebührenvereinbarung noch eine Vergütungsvereinbarung i.S.d. § 3a RVG Gegenstand der Verhandlungen gewesen sei. Schutz-vorschriften, insbesondere bei Vergütungsvereinbarungen, die vom Gesetzgeber als zwingend notwendig angesehen worden sind, verlören nach Beendigung des Mandates jegliche Bedeutung, da es dann nur noch um freiwillige Bonuszahlungen gehe, der Mandant also ent-scheide, ob er eine angedachte Bonuszahlung nun akzeptiere oder nicht. Wenn er sich dann gleichwohl bei völliger Transparenz entscheide, einen Bonus in der bekannten Höhe zu ak-zeptieren und einer Verrechnung zuzustimmen, erscheine es mehr als befremdlich, sich so-dann auf eine fehlende Textform im Nachhinein berufen zu wollen. Dies verstoße gegen Treu und Glauben.

Eine Rückforderung scheitere auch unter Berücksichtigung von § 814 BGB.

Das Gericht hat die Klägerin und den Partner G. der Beklagten persönlich – insbesondere zu Verlauf und Inhalt des Telefonates über die streitige Bonusvereinbarung – angehört. Hinsichtlich des Ergebnisses der Anhörung wird auf das Terminsprotokoll vom 27.11.2024 (Bl. 18 – 21 GA) verwiesen.
Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im Einzelnen wird im Übrigen auf die von den Parteien zur Akte gereichten Schriftsätze samt Anlagen sowie das Terminsprotokoll vom 27.11.2024 verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist ganz überwiegend - mit Ausnahme von Zinsen für einen Tag - begrün-det.

I.

Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist das Landgericht Koblenz gem. §§ 23, 71 GVG sachlich und gem. §§ 12, 17 ZPO örtlich zuständig.

II.

Die Beklagte ist gem. §§ 675, 667 BGB zur Herausgabe des einbehaltenen Fremdgeldes in Höhe von 23.800 € verpflichtet. Die von der Beklagten vorgenommene Verrechnung mit dem behaupteten Honoraranspruch hat nicht zum Erlöschen des Anspruchs der Klägerin geführt.

1. Zwischen den Parteien bestand ein Mandatsverhältnis. Auf den Anwaltsdienstvertrag finden nach § 675 BGB auch die Vorschriften der §§ 666, 667 BGB Anwendung. Der Anspruch der Klägerin auf Herausgabe des Geldes, das die Beklagte in Ausführung ihrer anwaltlichen Tätigkeit für die Klägerin erlangt hat, folgt aus § 667 BGB.
Unstreitig hat die Beklagte für die Klägerin Geld in Höhe von 150.000 € in Empfang genommen, von denen sie lediglich 126.200 € an die Klägerin weitergeleitet hat.

2. Der weitergehende Auszahlungsanspruch der Klägerin in Höhe von 23.800 € ist nicht erloschen. Der von Beklagtenseite geltend gemachte – und mit dem Auszahlungsanspruch der Klägerin verrechnete – Honoraranspruch in Höhe von 23.800 € ist nicht wirksam entstanden.
Denn die Vereinbarung ist aufgrund Verstoßes gegen die Formvorschrift des § 3a RVG nicht formwirksam zustande gekommen.

a) Der geltend gemachte Zahlungsanspruch beruht nicht auf einer Schenkung. Denn die Verknüpfung mit einer Gegenleistungspflicht kann auch noch durch nachträgliche Gewährung einer Vergütung für eine Leistung erfolgen, die ursprünglich ohne Anspruch auf dieses Entgelt erbracht worden ist. In diesem Fall liegt unstreitig dann keine unentgeltliche Zuwendung vor, wenn die ursprüngliche Leistung schon gleich in der erkennbaren Absicht erbracht worden ist, für sie unter bestimmten Umständen – etwa im Fall eines erstrebten Erfolges – eine Entlohnung zu fordern. Dann ist diese Leistung eine vorweggenommene Erfüllungshandlung in Bezug auf einen noch abzuschließenden entgeltlichen Vertrag, der sodann durch die nachträgliche Zuwendung als Entlohnung zustande kommt. (MüKoBGB/Koch, 9. Aufl. 2023, BGB § 516 Rn. 30).
So liegt der Fall hier. Die Beklagte hat die außergerichtliche Vertretung der Klägerin auf Grundlage der gesetzlichen Vergütungsregelungen erbracht. Gleichwohl war bereits zu Beginn des Mandates zwischen den Parteien – schriftlich – vereinbart worden, dass im Falle des Erfolgs, die Frage einer zusätzlichen, über die gesetzliche Regelung hinausgehenden Vergütung noch einmal besprochen werde. Die Beklagte hat ihre Leistung somit in der erkennbaren Absicht erbracht, für sie im Falle des Erfolgs eine zusätzliche Entlohnung zu fordern.

b) Entgegen der Ansicht der Klägerin handelt es sich bei dem geltend gemachten Vergütungs-anspruch auch nicht um ein Erfolgshonorar.
Gemäß der Legaldefinition des § 49b Abs. 2 Satz 1 BRAO ist ein Erfolgshonorar gegeben, wenn der Vergütungsanspruch eines Rechtsanwalts oder zumindest die Anspruchshöhe vom Ausgang der Sache oder vom Erfolg der anwaltlichen Tätigkeit abhängig gemacht wird. Vor-liegend ist keine Vergütung vereinbart worden, deren Entstehen von einer aufschiebenden Bedingung (§ 158 BGB) eines – je nach Einzelfall näher definierten – Erfolges der anwaltlichen Tätigkeit abhängt.
Mit der Vereinbarung zu Beginn des Mandatsverhältnisses, über eine weitere Vergütung zu sprechen, ist noch keine Vergütungsvereinbarung getroffen worden. Die nach Erfolg der Tätigkeit von der Beklagten behauptete Vergütungsvereinbarung steht nicht mehr unter der auf-schiebenden Bedingung des Erfolgseintritts.

c) Bei dem von Beklagtenseite zur Aufrechnung gestellten Anspruch handelt es sich um eine dem § 3a RVG unterfallende Vergütung. Die fernmündliche Absprache der Parteien über diese Vergütung war jedoch formunwirksam.

aa) Die Parteien haben telefonisch eine zusätzliche Vergütung zugunsten der Beklagten vereinbart. Nach der Anhörung der Parteien ist das Gericht aufgrund der insoweit übereinstimmenden Angaben davon überzeugt, dass eine fernmündliche Absprache über die Gewährung einer zusätzlichen Vergütung in Höhe von 23.800 € zugunsten der Beklagten zwischen der Klägerin und dem Partner G. der Beklagten getroffen worden ist.

Während die Klägerin schriftsätzlich den Abschluss einer Vereinbarung noch bestritten hatte, hat sie bei der Anhörung erklärt:

„In dem Telefonat selbst habe ich mich dann hinsichtlich der Zusatzvergütung unter Druck gesetzt gefühlt. Die Beklagtenseite sprach von einer Größenordnung von 10 oder 15 %. Dies erschien mir sehr viel, dennoch war ich durchaus bereit, der Beklagtenseite entgegenzukommen.
[...]
Noch am selben Abend habe ich dann meine in dem Gespräch abgegebene Erklärung widerrufen.“

Diese Aussage der Klägerin, ihre im Gespräch abgegebene Erklärung später widerrufen zu haben, bezog sich nach Auffassung der Kammer eindeutig auf die Vereinbarung der Zusatzvergütung, die auch nach Schilderung der Klägerin Gesprächsinhalt war.

Dies wird durch die sachliche, in sich stimmige und glaubhafte Aussage des Partners G. der Beklagten bestätigt:

„In dem Telefonat habe ich dann letztlich eine Zahlung von 20.000,00 € zuzüglich Mehrwert-steuer vorgeschlagen. Die Klägerin sagte hierzu dann: „Ja“.
Auf meine weitergehende Frage, ob man so verfahren könne, dass dieser Betrag von dem an sie auszukehrenden Fremdgeld abgezogen und insoweit verrechnet werden könne, sagte die Klägerin ebenfalls „Ja“.“

bb) Diese telefonische Vereinbarung war formunwirksam, da das Erfordernis des § 3a RVG - die Textform - mit dieser nicht erfüllt ist.
Bereits dem Wortlaut und Wortsinn nach liegt eine Vergütungsvereinbarung vor, da mit dieser Vereinbarung die Beklagte für ihre erbrachte anwaltliche Tätigkeit (wenn auch zusätzlich) entlohnt, mithin vergütet werden sollte. Die Beklagte spricht selbst in der von ihr vorformulierten „Zusatzvereinbarung zur anwaltlichen Vergütung“ vom 23.02.2022 (Anlage K2), in der Textnachricht vom 31.03.2023 (Anlage K 3), der Textnachricht vom 04.04.2023 (Anlage zur Klageerwiderung Bl. zu 16 GA) und der Kostenrechnung vom 31.03.2023 (Anlage K 4) stets von einer „Vergütung“.

Die getroffene Vereinbarung stellt eine Vergütungsvereinbarung i.S.d. § 3a RVG und insbesondere keine Gebührenvereinbarung gem. § 34 RVG, für die § 3a RVG nicht gilt, dar.
Beide Begriffe lassen sich systematisch klar voneinander unterscheiden: Danach verwendet das Gesetz den Begriff „Vergütungsvereinbarung“ dann, wenn eine höhere oder eine niedrigere als die gesetzlich festgelegte Vergütung zwischen Anwalt und Mandant vereinbart werden soll. Im Anwendungsbereich des § 34 Abs. 1 Satz 1 RVG fehlt es jedoch an gesetzlich festgelegten Gebühren, so dass die von § 34 Abs. 1 Satz 1 RVG geforderte primäre Vereinbarung des Honorars zwischen Anwalt und Mandant folgerichtig als „Gebührenvereinbarung“ vom Gesetzgeber bezeichnet wird (Mayer in Gerold/Schmidt/Mayer, 26. Aufl. 2023, RVG § 34 Rn. 4, v. Seltmann in BeckOK RVG § 3a, Rn. 14, 65. Edition, Stand: 01.12.2021).

Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe - die im Übrigen auch die Beklagte ausweislich ihrer Ausführungen im Schriftsatz vom 06.12.2024 unter Rz. 25 – 27 zugrundelegt - ist hier eindeutig eine Vergütungsvereinbarung gegeben, da bereits eine gesetzlich festgelegte Vergütung – nämlich die Geschäftsgebühr - entstanden ist, die die Beklagte auch erhalten hat. Die Beklagte spricht zudem selbst in ihrer Zusatzvereinbarung vom 23.02.2022 (Anlage K 2) von einer „über die gesetzliche Regelung hinausgehenden Vergütung“ und hat in ihrer Nachricht vom 04.04.2023 an die Klägerin ausdrücklich dargelegt, dass die gesetzlichen Gebühren nicht aus-reichend seien. Für eine "Gebührenvereinbarung" iSd § 34 RVG ist somit kein Raum. Es geht allein um eine Erhöhung der gesetzlichen (Geschäfts-)Gebühr mittels Vergütungsvereinbarung.
Von der Einschlägigkeit des § 3a RVG ist die Beklagte im Übrigen wohl selbst ausgegangen, denn mit Kostenrechnung vom 31.03.2023 (Anlage K 4) hat die Beklagte eine „Erfolgsunabhängige Vergütung, Vergütungsvereinbarung § 3a RVG, §§ 4, 3a RVG“ in Rechnung gestellt.

Der Einwand der Beklagten, dass die Textform weder vertraglich noch gesetzlich vorgesehen ist, geht daher fehl.

Die Möglichkeit einer formfreien Vereinbarung ergibt sich auch nicht aus der von Beklagten-seite zitierten Rechtsprechung. Das Oberlandesgericht Düsseldorf stellt in der zitierten Entscheidung (AGS 2006, 480) in diesem Zusammenhang lediglich fest: „Kein unzulässiges Erfolgshonorar liegt hingegen vor, wenn Rechtsanwalt und Mandant nach Erledigung des Mandats vereinbaren, dass das ursprünglich vereinbarte Honorar erhöht wird (honorarium; vgl. nur Hartung/Holl, a.a.O., § 49 b Rn. 34 m.w.N.).“ Nähere Ausführungen hierzu, insbesondere zur Frage der Formbedürftigkeit einer solchen Vereinbarung, hat das Oberlandesgericht nicht ge-macht, da dort die Vereinbarung über das Honorar vor Erledigung des Mandats erfolgte und so weitere Ausführungen hierzu nicht erforderlich waren.

Auch dem in Bezug genommenen Aufsatz von Rechtsanwältin Dr. Jessica Blattner (AnwBl. 2012, 562- 571) lässt sich eine Aussage dahingehend, dass die Vereinbarung einer zusätzlichen Vergütung nach Erledigung des Mandats ohne Einhaltung einer Form möglich wäre, nicht entnehmen.
Allein die Kommentierung des § 3a RVG in dem RVG-Kommentar Hartung/Schons/Enders durch den Beklagtenvertreter Sch. (dort § 3a Rn. 32, 3. Aufl. 2017) stellt die Behauptung auf, dass es erst recht ohne Einhaltung von irgendwelchen Formalien möglich sein müsse, mit dem Mandanten nach Abschluss des Mandats einen wie auch immer gestalteten Zuschlag oder Bonus zu vereinbaren.

Dieser Auffassung vermag sich das Gericht nicht anzuschließen. Die Vereinbarung unterfällt, wie dargelegt, § 3a RVG. Überzeugende Gründe, die es rechtfertigen würden, von der gesetz-lichen Vorgabe der Textform abzuweichen, sind nicht dargetan oder ersichtlich.

Die unterschiedliche Situation zu Beginn und nach Abschluss des Mandats vermag entgegen der Auffassung der Beklagten ein Abweichen von der Formvorschrift nicht zu begründen. Zwar ist die Situation zu Beginn eines Mandatsverhältnisses, wenn der Mandant dem Rechtsanwalt hilfesuchend, gegebenenfalls auch in Not gegenübersteht und von diesem abhängig ist, eine andere als nach Abschluss des Mandats, wenn seine Angelegenheit geregelt ist, er das Ergebnis und auch die Leistung des Rechtsanwalts kennt und von diesem nicht mehr abhängig ist. Dies macht jedoch nach Überzeugung der Kammer ein Abweichen von der gesetzlichen Regelung, die hinsichtlich ihrer Anwendbarkeit keinerlei Einschränkung in Bezug auf den Zeitpunkt der Vereinbarung enthält, jedoch nicht erforderlich oder gar zulässig. Die Schutzbedürftigkeit des Mandanten mag nach Abschluss des Mandats geringer sein, sie entfällt jedoch nicht vollständig. Dabei ist zu berücksichtigten, dass nach wie vor eine Überlegenheit des Rechts-anwalts besteht. Dieser führt solche Verhandlungen über zusätzliche Vergütungen im Zweifel nicht nur in dem einen Fall, sondern häufiger, ggf. auch regelmäßig. So hat auch der Beklagtenvertreter bei der Anhörung erklärt, dass er solche Gespräche seit über 40 Jahren erfolgreich führe. Dieser vermittelte zudem den Eindruck, auch in dieser Hinsicht äußerst versiert zu sein. Zudem kann bei einer solchen Verhandlung auch ein gewisser Zwang entstehen, wenn – wie auch vorliegend – neben der Betonung der Freiwilligkeit einer solchen zusätzlichen Vergütung, zugleich auch darauf abgestellt wird, dass man sich darauf verlasse, dass der Mandant zu seinem Wort (der Bereitschaft nach erfolgreichem Abschluss über eine Zusatzvergütung zu sprechen) stehe (so in der Textnachricht vom 12.01.2022, vgl. Textnachricht vom 04.04.2023 (Anlage zur Klageerwiderung Bl. zu 16 GA)). So hat die Klägerin, die bei ihrer Arbeit mit Juristen zusammenarbeitet, sich bei diesen informiert hatte und sich selbst als nicht ganz unbedarft bezeichnete, erklärt, dass sie sich – trotz einer gewissen Bereitschaft, die gute Arbeit zusätzlich zu vergüten – gedrängt gefühlt habe.

Vor diesem Hintergrund erscheint dem Gericht der mit der Textform einhergehende Schutz-zweck, nämlich die Warnung durch (zusätzliche) textliche Abfassung, die i.R.d. ein Innehalten und zusätzliches Überdenken mit sich bringen dürfte, auch in dieser Situation durchaus angebracht. Gleiches gilt für die mit der textlichen Abfassung einhergehende Beweisfunktion.

Schließlich beinhaltet die Textform keine erheblichen Hürden, so dass diese von den Parteien einfach und schnell eingehalten werden kann. Auch aus diesem Grund sieht das Gericht ein (praktisches) Bedürfnis für ein Abweichen von dieser nicht.

Das von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vorgebrachte Argument, dass Mandaten aus Verärgerung, dass die Beklagte nicht auf ihr Wort vertraue, sondern eine Vereinbarung in Textform fordere, sodann zur Leistung einer zusätzlichen Vergütung nicht mehr bereit wären, überzeugt das Gericht nicht. Hier dürfte im Übrigen ein Hinweis auf die gesetzliche Lage geeignet sein, Ärger zu vermeiden.

cc) Die Klägerin verstößt dadurch, dass sie sich auf die Formunwirksamkeit beruft, nicht gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB).

Der Formmangel eines Rechtsgeschäfts ist nur ganz ausnahmsweise wegen unzulässiger Rechtsausübung unbeachtlich, weil sonst die Formvorschriften des bürgerlichen Rechts aus-gehöhlt würden (BGHZ 26, 142 (151) = NJW 1958, 217 = LM § 766 BGB Nr. 3; BGHZ 121, 224 (233) = NJW 1993, 1126 = LM H. 7/1993 § 766 BGB Nr. 26).
Treuwidrig kann allerdings das Verhalten einer Partei sein, die über längere Zeit aus einem wichtigen Vertrag Vorteile gezogen hat und sich nunmehr ihren Verpflichtungen unter Berufung auf den Formmangel entziehen will oder wenn der sich auf die Formunwirksamkeit Berufende durch sein Handeln ein berechtigtes Vertrauen des Gläubigers auf die Wirksamkeit des Vertrags begründet und jener im Hinblick darauf seine Leistungen erbracht hat (BGHZ 26, 142 (151f.) = NJW 1958, 217 = LM § 766 BGB Nr. 3; BGHZ 121, 224 (233f.) = NJW 1993, 1126 = LM H. 7/1993 § 766 BGB Nr. 26). Gleiches gilt, wenn der eine Vertragspartner den anderen schuldhaft von der Einhaltung der Schriftform abgehalten hat. (MüKoBGB/Schubert, 9. Aufl. 2022, BGB § 242 Rn. 390).

Gemessen an diesen Maßstäben ist hier ein Verstoß gegen Treu und Glauben zu verneinen. Die Klägerin hat weder die Beklagten schuldhaft von der Einhaltung der Schriftform abgehalten, noch nach Abschluss der Vereinbarung, auf deren Formunwirksamkeit sie sich beruft, Vorteile aus dem Vertrag gezogen oder durch ein Handeln ein berechtigtes Vertrauen der Be-klagten auf die Wirksamkeit des Vertrages begründet, aufgrund dessen die Beklagten irgend-eine Leistung erbracht hätte.
dd) Rechtsfolge des Verstoßes gegen die Textform ist gem. § 4b RVG, dass der Rechtsanwalt keine höhere als die gesetzliche Vergütung fordern kann. Da die gesetzliche Vergütung, die Geschäftsgebühr, bereits an die Beklagte bezahlt war, bestand ein darüber hinausgehender Vergütungsanspruch, mit dem die Beklagte hätte gegen den unstreitigen Auszahlungsanspruch aufrechnen können, nicht.

3. Auch wenn man als Anspruchsgrundlage § 812 BGB für einschlägig erachtete, ergäbe sich ein abweichendes Ergebnis nicht. Der Rückforderungsanspruch der Klägerin wäre in diesem Fall nicht gem. § 814 BGB ausgeschlossen. Eine Handlung in Kenntnis der Nichtschuld liegt nicht vor. Zwar dürfte zu unterstellen sein, dass die Klägerin bei Versprechen der Leistung wusste, dass sie diese zusätzliche Vergütung nicht schuldete. Darauf kommt es jedoch nicht an. Maßgeblich für einen Rückforderungsausschluss gem. § 814 BGB ist, dass bei Vornahme der Leistung positive Kenntnis von der Nichtschuld besteht. Selbst wenn man die Zusage zur Verrechnung als Leistung ansehen wollte – anderenfalls wäre der Anwendungsbereich des § 814 BGB, der nur die condictio indebiti (§ 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB) umfasst, gar nicht eröffnet -, so dürfte die Klägerin in diesem Moment davon ausgegangen sein, aufgrund der zuvor erteilten Zusage zur Zahlung verpflichtet zu sein. Dass die Klägerin positiv wusste, dass die Zusage formunwirksam war und daher keine Leistungspflicht bestand, ist weder dargetan noch ersichtlich.

4. Im Lichte des vorstehend Ausgeführten gibt das Vorbringen der Beklagten im Schriftsatz vom 06.12.2024 keine Veranlassung zu einer abweichenden Entscheidung.

III.

Der ausgeurteilte Zinsanspruch rechtfertigt sich aus §§ 288, 286 BGB. Der Anspruch war gem. §§ 187 Abs. 1, 188, 193 BGB bezüglich des Zinslaufs ab dem 01.05.2023 zurückzuweisen und erst ab dem 02.05.2023 zuzusprechen, da das Schreiben, mit dem der Klägervertreter die Beklagte in Verzug setzte, auf den 14.04.2023 datiert. Ein Zugang ist frühestens für Samstag, den 15.04.2023 anzunehmen. Die gesetzte Frist von zwei Wochen endete damit am Samstag, den 29.04.2023, und verlängerte sich bis zum nächsten Werktag; das war der 02.05.2023, da der 01.05.2023 ein Feiertag war.

IV.

Der Ausspruch zu den Nebenentscheidungen folgt aus §§ 92 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, 709 ZPO.

Die Zuvielforderung der Klagepartei in Form von Zinsen für einen Tag war verhältnismäßig geringfügig und hat keine höheren Kosten veranlasst.


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